Ich bin Daniel Retschitz Ecker, das ist Thema des Tages, der Nachrichten-Podcast vom Standard. Am heutigen Tag vor genau 80 Jahren endet der Zweite Weltkrieg in Europa. Der 8. Mai 1945 beendet damit auch offiziell die Nazi-Herrschaft. Bis kurz vor Ende der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht verüben Hitlers Schergen und noch Greultaten an Kriegsgefangenen,
KZ-Heftlingen und der Zivilbevölkerung. Wie die letzten Kriegstage in Österreich abgelaufen sind, wie es soweit kommen konnte und warum auch im Jahr 2025 nicht vergessen werden darf. Darum geht es heute. Hans Rauscher, du bist langjähriger Kolumnist beim Standard und auch Experte für Zeitgeschichte. Heute vor 80 Jahren endet der Zweite Weltkrieg zumindest in Europa. In Japan ist er ja noch etwas länger gegangen. Was ist an diesem historischen Tag genau passiert?
Also die deutsche Wehrmacht hat an diesem Tag endgültig kapituliert. Genau genommen hat die Wehrmacht schon am Abend des 7. Mai im Westen an der Westfront kapituliert und es war die Bedingung, dass mit dem 8. Mai alle Kämpfe eingestellt werden. Die Sowjets haben sich dann noch eine Sonderkapitulation herausgeholt einige Stunden später, sodass die Sowjets und später dann Russland den 9. Mai als Tag des Sieges und des Kriegsendes begehen. Wichtig dabei ist zu sagen,
es war eine bedingungslose Kapitulation. Es war Unconditional Surrender. Das haben die West Alliierten, also die USA und Großbritannien bereits 1943, glaube ich, bei der Konferenz in Casablanca so beschlossen. Es gibt keinen Verhandlungsfrieden, sondern bedingungslose Kapitulation ohne irgendwelchen Austausch von Bedingungen, von Kautelen, von Nebenabsprachen und so weiter, sondern die deutsche Wehrmacht musste oder das deutsche Reich insgesamt
musste bedingungslos sich ergeben. Die Motivation dahinter war eine Doppelte. Einerseits waren die damals schon bekannten Verbrechen Hitler-Deutschland so groß, dass man keinen Verhandlungsfrieden mehr in Kauf nehmen konnte. Andererseits wollte man damit Stahlen signalisieren, dass die Westmächte eben keine Sonderabmachung mit Hitler-Deutschland anstrebten. Stahlen war ja paranoid und krankhaft misstrauisch und hat auch die Westmächte immer verdächtigt. Sie würden sich auf seine Kosten
oder auf Kosten der Sowjetunion irgendwie mit Hitler einigen. Um diese Furcht zu beseitigen, haben also Roosevelt und Churchill eben die bedingungslose Kapitulation verkündet. An diesem Tag, also trat sie eben in Kraft, wobei man sagen muss, es gab vorher schon Teilkapitulationen. Also in Norditalien, an der Westfront, in Norddeutschland, also haben
große Truppen-Einheiten von sich aus einfach die Waffen gestreckt. Aber das deutsche Reich als deutsches Reich hat eben mit Stichtag achten Mai die bedingungslose Kapitulation erklärt, wobei man dazu sagen muss, es ist eine volle Woche Verstrichen nach dem Selbstmord Hitlers am 30. April bis sein Nachfolger Admiral Dönitz dieser Kapitulation zugestimmt hat. Das hatte etwas damit zu tun, dass man hoffte noch möglichst viele Menschen aus dem Einflussbereich der
Sowjets unter Russen nach Westen zu bringen. Man hat aber auch was damit zu tun, dass immer noch warnwitzige Anhänger des Regimes weiterkämpfen wollten. Über diese warnwitzigen Versuche am wirklich Ende des Zweiten Weltkrieges noch irgendwie das Blatt zu wenden, werden wir im Laufe dieses Podcasts noch ausführlich sprechen. Was mich auch interessieren würde an diesem 8. Mai, Hans, waren die gesamten Kämpfe mit diesem
8. Mai dann schlagartig vorbei? War das wirklich so ein Stichtag und dann war Ruhe? Möglicherweise hat es noch den einen oder anderen Schusswechsel gegeben. Das Hitler-Regime wollte ja eine sogenannte Wehrwolf-Aktion aufbauen. Das heißt, jugendliche Anhänger des Hitler-Regimes sollten eine Art Gorillagrieg weiterführen. Das ist aber mit ganz wenigen Ausnahmen nicht gelungen. Ob das nach dem 8. Mai, ob es da noch einige Vorfälle gegeben hat, ist schwer zu sagen, kann ich nicht sagen.
Ein weiterer Aspekt ist, dass der 8. Mai in Österreich im Gegensatz zu anderen Ländern kein Feiertag ist. Warum eigentlich nicht? Weil die Befreiung Österreichs eigentlich schon mit dem 27. April verkündet wurde. Also
die sogenannte Unabhängigkeitserklärung vom 27. April, womit die österreichische Regierung, die allerdings damals nur in Osteösterreich regierte, die Unabhängigkeit von Hitler-Deutschland erklärt und das Wiedererstehen der österreichischen Republik, das ist sozusagen der Stichtag, an dem Österreich wiedererstanden ist. Es wurde zwar weiter im Westen und zum Teil auch im Süden noch weiter gekämpft, aber sozusagen der entscheidende Widerstand oder die Erroberung
der Hauptstadt Wien fand bereits Mitte April statt. Und im Anschluss daran hat sich dann eine Regierung gebildet unter dem Vorsitz des Sozialdemokraten Karl Renner, der Kontakt mit den sowjetischen Militär aufgenommen hat und diese Regierung bestand also aus Mitgliedern der wiedergegründeten österreichischen Volkspartei oder der neu gegründeten österreichischen
Volkspartei der wiedergegründeten sozialdemokratischen Partei und der KPO. Also obwohl im Westen zum Teil noch gekämpft wurde und es noch bis in die ersten Mai-Tage schwere Bombenangriffe gab auf Salzburg, auf Linz, nimmt man die Erroberung der Hauptstadt und die Installierung oder das Zusammentreten einer neuen österreichischen Regierung als eigentlichen Punkt des Wiedererstehenster-Republik. Dann hätte man mal grob diesen einen Tag besprochen und wie es dazu gekommen ist, wollen jetzt
auch über die Phase davor und danach etwas im Detail sprechen. Sehr detailliert hat das beispielsweise auch Tania Traxler aufgeschrieben gemeinsam mit ihrem Team, dem Wissenschaftsressort. Du bist nämlich heute auch hier im Podcast. Schön, dass du da bist. Seit Wochen gibt es nämlich bei euch so einen historischen Live-Ticker zum Kriegsende mit einem Fokus auf Österreich. Gib uns da vielleicht ganz kurz einen Überblick, damit wir auch ein Gefühl dafür bekommen
können, was ist ein historischer Live-Ticker. Ein Live-Ticker ist doch eigentlich das, was gerade eben passiert. Ja, vielen Dank für die Einladung. Wir haben mit diesem historischen Live-Ticker und das ist tatsächlich der erste, den das Standard je gemacht hat. Am 29. März begonnen. Am 29. März 1945 haben so gegen 11 Uhr Vormittags erstmals sowjetische Truppen die Grenze des
heutigen Österreichs überschritten, also im Burgenland. Und in den darauf folgenden Wochen ist dann ganz Österreich von den Alliierten eingenommen worden und von der Nazi-Herrschaft befreit worden. Und in unserem historischen Live-Ticker zeichnen wir diese Entwicklungen, die sich da vor 80 Jahren in Österreich ereignet haben, quasi in Echtzeit nach. Wir verfolgen Tag für Tag, was die Ereignisse des jeweiligen Tages waren. Wir haben uns auch bemüht,
sofern das möglich war. Das war nicht immer möglich. Aber manchmal schon von der Uhrzeit her zu verorten. Und diese letzten Kriegswochen in Österreich, die sind eben wahnsinnig ambivalent und facettenreich, wie Hans auch schon jaskiziert hat. Es war die Befreiung von den Nazis endlich, also schon auch sehr positiv konnotiert. Aber es war auch in der Auswicklosigkeit, in der
sich die Wehrmacht dazu sehend befunden hat, hat die Brutalität nochmal zugenommen. Und das sind viele der grauslichsten Kriegsverbrechen in diesen allerletzten Tagen und Wochen passiert. Und weil das eben sonst den Rahmen einer journalistischen Erzählform sprengt, haben wir uns für diesen historischen Live-Ticker entschieden, wo wir eben sehr viele unterschiedliche Facetten darstellen können.
Und diesen Live-Ticker werden wir natürlich auch in die Shownotz packen. Dann können Sie es, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, auch nachlesen, dass es wirklich Lesestoff für fast mehrere Tage, die da das Team von Tania Traxler zusammengetragen hat, große Empfehlungen an dieser Stelle. Kommen wir eben genau zu diesem Punkt, zu diesen fürchterlichen Verbrechen, die in den letzten Kriegstagen in Österreich, aber natürlich auch in Deutschland und in den anderen Gebieten,
in denen die Nazis geherrscht haben, passiert sind. Wir wollen ein bisschen ein Gefühl für diese Lage bekommen, in der sich die Wehrmacht befunden hat. Hans, es ist immer wieder erschütternd, wenn man verschiedenste Publikationen über diese Zeit liest, nämlich auch mit Hinblick darauf, wie wahnsinnig die Hitler-Schergen versucht haben, noch irgendwie junge, teilweise Kinder und Alte gegen die übermächtigen Alliierten zu werfen. Dieser Volkssturm ist das ja genannt worden,
dieses letzte Aufgebot. Warum konnte man da einfach nicht einsehen, dass der Krieg verloren war? Das hängt zusammen mit dem Totalitarismus des Regimes. Man muss sich vergegenwärtigen, das totalitäre Regime und dazu gehört der Nationalsozialismus ebenso wieder, sowjetische Kommunismus oder auch der chinesische Kommunismus, alle Lebensbereiche beherrschen und auch mit größter Brutalität gegen Abwärcher vorgegangen sind. Und das war in Österreich dann
ja schon seit 1938 der Fall. Das ist das eine, der Zwang. Das andere ist, dass sehr viele, auch sehr viele junge sich begeistert oder freiwillig oder in einem Blutrausch beteiligt haben an Morden in aller, aller letzter Minute, wo es überhaupt keinen Sinn mehr gemacht hat, wo das eine Mischung aus Rache, aus Verzweiflung, aus purer Menschenfeindlichkeit zu Tötungen geführt haben, die sicher in die Tausender Zahlen gehen. Wobei man dazu sagen muss, es gab eine ganze Reihe von Organisationen,
die diese Taten verübt haben. Das eine war die Wehrmacht, deren zertrümmerte Reste sich zurückgezogen haben, wobei die Wehrmacht nicht unschuldig war. Man hat die längste Zeit behauptet, die Wehrmacht war sauber. Das stimmt überhaupt nicht. Die Wehrmacht hat genauso in den besetzten Gebieten vor allem in Osterupper, fürchterliche oder in Griechenland fürchterliche Massaker an Zivilisten begangen. Dann gab es die SS und erteilt in normale SS und Waffenwässe. Es war
halt auch langend nach dem Krieg gesagt, ja die Waffenwässe, die war sauber. Stimmt auch nicht. Hat sich genauso an Kriegsverbrechen beteiligt. Und dann gab es noch Nazi-Funktionäre, Bezirksparteileiter, meistens ältere Männer, meistens privilegierte Männer. Und dann gab es auch noch die Hitlerjugend, das waren 15, 16 Jahre Geburschen, die sehr wohl indoctriniert waren und an die man dann Waffen
ausgehandigt hat. Und zwar im Rahmen des sogenannten Volksturms, das war sozusagen das letzte Aufgebot, da wurden im gesamten deutschen Reich alle zwischen 16 und 60 sozusagen eingezogen und wurden mit einer lächerlichen Bewaffnung verheizt. Sie wurden gegen überlegene und viel besser bewaffnete Truppen der Alliierten eingesetzt und haben zum Teil furchtbare Verlustialitäten. Das war das eine. Das andere war aber auch, der Volksturm wurde verwendet oder hat sich selbst sozusagen ermächtigt
zu diesen allerletzten Endphasenverbrechen. Diese Endphasenverbrechen gliedern sich in Massenverbrechen die Ermordung von hauptsächlich ungerisch-schwütischen Zwangsarbeitern, die von Budapest heraufgetrieben wurden und die in der Steiermark oder auch bei Bersenberg massenweise erschossen wurden. Da war der Volksturm hauptbeteiligt und dann gibt es andere in
Anführungszeichen kleinere Verbrechen, wo ein paar Leute umgebracht wurden. Zum Beispiel im Ragsgebiet hat man dann einige Frauen, politisch unzuverlässige Frauen verhaftet und nach einem längeren Hin und Her ermordet. Dabei war übrigens auch Hitlerjugend beteiligt. Das heißt, der Volksturm, das war in Wirklichkeit bewaffnete Zivilisten. Das waren Leute wie du und ich, also weder reguläres
Militär noch eine Sonderelitetruppe wie die SS, sondern ganz normale Männer und Jugendliche. Und die haben zum Teil aus eigenem Antrieb Kreueltaten begangen, die man heute nicht verstehen kann.
Letzter Satz dazu. Bei einer Aktion, dem Massaker an ungerischen Jüdinnen und Juden auf dem steirischen Präbichel, hat sogar die SS eingegriffen und hat dem Volksturm gesagt, aufhören Begründung, weil der SS-Führer Heinrich Himmler hat ein Dekret herausgegeben, man soll diese jüdischen Gefangenen nicht mehr umbringen, denn er wollte sie als Faustpfand für Verhandlungen für die Alliierten benutzen. Das heißt, die SS hat dort gesagt, jetzt hört es auf mit dem
Umbringen von Leuten. Da gab es Auseinandersetzungen, aber die Morde wurden dann weiter fortgeführt. Also man muss sich eine unglaublich chaotische Situation vorstellen, in der es verschiedene Gruppierungen und Einheiten gab, die zum Teil unterschiedliche Ziele hatten, aber immer wieder hat sich eine Mordlust der Bahn gebrochen, die man im Grunde nicht verstehen kann, die nicht gerade singulär ist, denn Kriegsverbrechen gibt es überall auf der ganzen Welt, die sich aber ganz
besonders gegen Juden gerichtet hat. Das ist tatsächlich mit 80 Jahre Verspätung unfassbar schwer zu begreifen, wo dieser Blutrausch in diesen letzten Kriegstagen hergekommen ist, warum sich da, wie Hans gerade angesprochen hat, teilweise 16-Jährige dazu hinreißen haben lassen, wirklich grausamste Daten zu begehen. Tanja auch in eurem Live-Ticker gibt es sehr viele dieser Zielungen, dieser sogenannten Endzeitverbrechen. Wir können die nicht alle durch besprechen,
aber wir können mit Einzelgeschichten, mit Einzelkroniken arbeiten. Du hast uns da eine mitgebracht, schilder uns doch, was ihr da recherchiert habt. Ja, also wir haben in unserem Ticker mehrere solcher Endphasenverbrechen auch beleuchtet, natürlich auch das Massakerfond, Präbliche, was da besonders grausam war. Ein anderes Beispiel für solche Verbrechen, darüber, wie wir jetzt noch nicht so viel gesprochen haben, sind die Lünchmorde an
alliierten Fliegern. Es sind mindestens 100 Piloten über heutigen österreichischen Gebiet abgeschossen worden und dann auf brutale Weise ermordet worden. Und ein sehr tragisches Beispiel ist da zum Beispiel der US-Pilot Walter Manning. Er ist Anfang April mit seiner Maschine von der Luftwaffe abgeschossen worden. Er hat sich aber noch in letzter Minute retten können mit seinem
Fallschirm und hat den Absprung geschafft und auch diesen Absturz überlebt. Er ist in der Nähe von Kimatnander Krems gelandet, aber dort hat ihn dann recht schnell ein aufgestachelter Mob überfallen. Er ist dann von Soldaten an die Chondammerie übergeben worden und verhaftet worden. Es gab dann noch ein Hin und Her, also er hätte eigentlich in einer Zelle in Gewaßam gebracht werden sollen, aber es haben sich dann örtliche NS-Funktionäre dazugang verschafft, obwohl das ursprünglich gar
nicht der Plan war. Und die haben ihn dann ins Freie gezerrt, wo eben auch eine aufgebrachte Mäute darunter viele Zivilisten in einem Laternenpfal erhängt haben. Also diese Lünchmorde an alliierten Fliegern, das waren natürlich in der Zahl nicht so viele wie zum Beispiel bei den Todesmärchen zu Tode gekommen sind in den letzten Wochen, aber auch ganz besonders grausame Entphasen verbrechen.
Zu den Todesmärchen muss man dazu sagen, also die völlig entkräftet und kranklinge geblieben sind, wurden erschossen von den Begleitmannschaften und das war noch einmal so als gesagt nicht nur Wehrmacht und SS, sondern auch Volksturm und Hyode. Ganz kurz nur zu diesen Todesmärchen, vielleicht müssen wir das generell auch erklären, was es damit auf sich hat. Warum
gab es diese Märchen? Was war das genau? Es wurden in Ungarn zusammengezogen jüdische Zwangsarbeiter, Zwangsarbeiterinnen und auch mit Kindern, um den sogenannten Südostwald zu errichten gegen die Russen, was eine lächerliche Angelegenheit war. In diesem Zusammenhang gab es übrigens auch ein Massaker im burgenländischen Rechnitz. Da waren diese Zwangsarbeiter völlig erschöpft im sogenannten Kreuzstadel und im nahegelegenen Schloss wurde ein Fest gefeiert von NS-Sympathisanten
und angehörigender NS-Nomenklatura. Die Schlossherrin Gräfin Batjani war da auch beteiligt und im Zuge dieses Mola-Chaks haben sich dann die Herrschaften in Bewegung gesetzt und haben im Kreuzstadel einige hundert Zwangsarbeiter ermordet, deren Kreber man bis heute nicht gefunden hat. Die Verblieberinnen wollte man nach Mauthausen transportieren, also einige Tausend. Die sind teils über die Steiermark, teils aber auch entlang der Donau, wo zum Beispiel meine Mutter auf der
Flucht aus Wien auf solche Züge gestoßen ist. Man wollte sie in Mauthausen konzentrieren, um, wie gesagt, als Faustpfand für Verhandlungen mit den Weste Alliierten zu dienen. Im Zuge dieser Märche, muss man sich vorstellen, das waren vollkommen unterernährte, vollkommen überarbeitete Personen. Im Zuge dieser Märche wurden natürlich Hunderte auf dem Weg erschossen und in den Stationen, wo sie angehalten wurden, wie zum Beispiel am Brebiche oder auch in Eisnerjads oder
bei Bersenberg, haben sich dann plötzlich spontane Massaker entwickelt. Da hat sich die Wut der Bevölkerung über den Verlorenen Krieg und über die eigenen Verluste und zum Teil auch über die Bombenangriffe, die ja aber am flachen Land nicht so häufig waren, hat sich an denen ausgedobt. Und da gibt es ein Zitat in einer Arbeit, die überwiegende Zahl der Täter waren Österreicher, obwohl sich auch zahlreiche Angehörige ausländischer Waffen-SS einheiten. Morde und
Mishandlungen zu Schulden kommen lesen. Es gab also zum Beispiel ukrainische Waffen-SS. Die österreichischen Täter gehörten nicht verrufene Einheiten wie der SS an, sondern waren normale Bürger, meist Mitglieder des Volkssturms und der Chandamarie. Besonders abstoßend ist der Missbrauch von 16 und 17-jährigen Hitler-Jungen, die an den Worten aktiv oder als Beihilfer teilnahmen. Das heißt also, das war ein großer Teil der Entphasenverbrechen, dass sich die Wut der Bevölkerung
an diesen jüdischen, ungerisch-jüdischen Zwangsarbeitern ausgelassen hat. Ein anderer großer Teil war das Massaker im Strafanstalt Stein, wo Anfang April bereits der Direktor gesagt hat, es ist aus und begonnen hat die Gefangenen, hauptsich politische Gefangenen, viele Griechen zum Beispiel,
aber auch Franzosen und so weiter, freizulassen. Das wiederum hat eine Reaktion lokaler Kremser-NS funktionäre ausgelöst und die haben den Volkssturm alarmiert, zum Teil auch die SS alarmiert und haben begonnen im Hof des Gefängnisses Stein mehrere hundert Menschen niederzumetzeln, wobei man dazu sagen muss, es gab einzelne Gefängnisaufseher, die Häftlinge wieder in die Zellen zurückgebracht haben, um sie zu schützen. Es gab auch solche, die den Opfern geholfen haben. Auch den jüdischen
Zwangsarbeitern haben sie Essen und Geld gegeben, manche haben sogar Menschen versteckt. Das gab es auch, muss man dazu sagen. Aber es gab auch die sogenannte Kremserhasenjagd. Einige Dutzend Häftlinge hatten bereits die Haftanstalt verlassen und sind zu Fuß in Richtung Wien gegangen. Und die wurden gejagt von Angehörigen von kleiner Gruppen, von zwei oder drei Mitgliedern der Wehrmacht oder der SS oder unterstützt von ortskundigen Mitgliedern des Volkssturms oder der Hitler
Jugend, die auf die Jagd gemacht haben. Also die waren schon frei und wurden im letzten Augenblick noch vor allem in Haderstorf gefasst und ermordet. Man kann das subsumieren als einen letzten Gewalt Ausbruch angesichts der Niederlage basierend natürlich auf einer jahrelangen Verhetzung. Also der Jude war der ganz große Feind, aber auch politisch unzuverlässige Person. Die Nationalsozialistische Herrschaft war durchorganisiert.
Das heißt, in jedem kleinen Ort hat es irgendeinen Bonsen gegeben oder mehrere, die an das System geglaubt haben und die dann im entscheidenden Moment bereit waren, die letzten Ressourcen, die letzten Waffen, die letzte Munition dafür einzusetzen, um Menschen noch umzubringen.
Du hast jetzt schon in deiner Antwort Mauthausen angesprochen, das wahrscheinlich bekannteste Konzentrationslager in Österreich, das als Sinnbild für die Nazi-Verbrechen steht, die an Jüdinnen und Juden, Andersdenkenden, sexuell Andersorientierten und weiteren Gruppen, die nicht in dieses bizarre Nazi-Schema gepasst haben, angetan worden sind. Tanja, diese Schilderungen der Befreiungen dieser Konzentrationslager, du hast uns da auch eine Geschichte mitgebracht.
Erzähl uns, was du da recherchiert hast. Ja, also Mauthausen wurde ja am 5. Mai 1945 befreit. Wir haben uns auch dazu natürlich in unserer Berichterstattung vielfältig gewidmet im Live-Ticker und auch in umfangreicheren Geschichten. Und meine Kolleginnen und Kollegen haben da mehrere Schilderungen auch von US-Soldaten zu Tage gefördert. Besonders eindrucksvoll finde ich da die Schilderung des US-Kommandanten Albert Kosjak und seiner Truppe, die eben Mauthausen an diesem 5.
Mai erreicht haben und denen sich da wirklich schreckliche Zustände geboten haben. Dieser US-Kommandant hat dann später auch seine Memo-An niedergeschrieben. Deswegen gibt es da viele direkte Eindrücke von ihm und er beschreibt zum Beispiel diesen ersten Anblick von Mauthausen, diese mächtigen Mauern, dann der Stacheldraht und dahinter hundert der völlig ausgemergelten Menschen, die aber wie er sagt "vor Freude gerade zu verrückt wurden", also angesichts der ankommenen US-Soldaten.
Die SS hat sich als Mauthausen befreit worden, ist schon zwei Tage zuvor aus dem Staub gemacht und ist geflohen, also SS war da nicht mehr zugegen. Und die US-Soldaten haben sich dann von diesen Gefangenen, die dort waren, herumführen lassen. Also sie sich so zeigen lassen, unter welchen Bedingungen sie gelebt haben und die Emotionen, die dabei hochgekommen ist, die waren für diese US-Soldaten kaum fassbar.
Also ein weiteres Zutat, niemals zuvor habe ich ein solches Gefühl verspürt, wie in diesem Moment. Zu diesem Zeitpunkt waren ca. 40.000 Heftlinge in den Lagen Mauthausen und Gosen. Viele von ihnen waren oder eigentlich alle waren zu Skeletten abgemagert, sie waren zum Teil nackt von Krankheiten gezeichnet und in Mauthausen haben die US-Soldaten auch mehr als 500 Leichen so gestappelt zwischen Barakken vorgefunden und ein ganz ähnliches Bild hat sich ihnen auch in Gosen gezeigt.
Sie sind zu den Krematorien gebracht worden, wo ihnen die Heftlinge erklärt haben, wie die Menschen dort ermordet worden sind. Sie haben auch gesehen, wie die Insassen in Barakken gelebt haben und die haben ihnen so von ihren täglichen Umständen erzählt, zum Beispiel, dass die Essensration für sieben Gefangene pro Woche ein Leibbrot war. Noch ein letztes Zitat, das Kossiak in seinen Erinnerungen niedergeschrieben hat.
"Ich habe Dinge gesehen, die ich nie geglaubt hätte, wenn ich sie nicht mit meinen eigenen Augen gesehen hätte. Ich hätte nie gedacht, dass Menschen, andere Menschen auf diese Weise behandeln können." Vielleicht muss man dazu sagen, Mauthausen und die Nebenlager waren in dem Sinn keine Vernichtungslager wie etwa aus Schweiz oder Sobibor. In den letztgenannten wurden ja Hunderttausende durch Gas getötet, also systematisiert in Gaskammern getrieben.
Es gab zwar auch in Mauthausen eine Gaskammer, aber die waren nicht auf diese Massenvernichtung ausgelegt. In Mauthausen und Gosen und den anderen österreichischen Lagern war die gute alte Hand Methode der Vernichtung durch Arbeit und durch brutale Behandlung und selbstverständlich auch durch Seuchen Usus. Also in dem Sinn, es mag absurd erscheinen hier eine Unterscheidung zu treffen.
Aber Mauthausen war in dem Sinn kein industrialisiertes Vernichtungslager wie aus Schweiz, sondern eine furchtbare Stätte, wo die Menschen einfach aufgrund der Lebensumstände und aufgrund der Brutalität der Wachen zu Tode gekommen sind, aber eben nicht ein Zentrum der Vernichtung durch Gas wie in Auschwitz. In Sachen Grausamkeit ist aber auch Mauthausen den anderen Lagern um nichts nachgestanden? Absolut, absolut.
Also zum Teil die Foltermethode, die da angewandt wurden, das ist unbeschreiblich. Und es gibt auch Fotos davon. Die Bestialität hat sich hier ausgedobt und man muss auch hier sagen, die Nachbarn, die Anoreiner konnten es nicht übersehen. Es war unmöglich. Mauthausen ist zwar so eine Art Festung auf einem Hügel, aber die anderen Lager waren ja in unmittelbarer Nachbarschaft von Ortschaften, also übrigens auch Mauthausen.
Aber da konnte man noch irgendwie glauben, dass er ein großes Gefängnis ist, wenn man sehr naiv war. Aber die anderen Lager waren ja mitten im täglichen Leben. Hans, mit diesem 8. Mai und mit der Befreiung der Konzentrationslager Mauthausen ist ja, wie wir bereits gehört haben, schon am 5. Mai befreit worden, ist mit diesem Datum der lange Leidensweg der Jüdinnen und Juden in Europa, der ja schon vor 1933 begonnen hat, lange davor endlich beendet gewesen?
Im Sinn, dass sie also nicht mehr einer aktiven Verfolgung ausgesetzt waren, ja. Wobei ich nicht nur die Juden einbeziehen würde, sondern auch alle Gegner des Regimes, alle Homosexuellen, alle Geisteskranken wurden ja auch zu Tausenden ermordet. Es gab natürlich noch zig Tausend Opfer nachher, weil sehr viele, vor allem die Insassen der Konzentrationslager einfach an Erschöpfung gestorben sind oder an den Krankheiten gestorben sind oder an der falschen Ernährung gestorben sind.
Also, wenn du jemanden auf ein Skelet abgemagert bist, dann ein Stück Fleisch gibst oder auch nur Milch, das sind daran gestorben. Also, da gab es immer noch welche. Es gab dann auch, muss man leider sagen, in Polen ein Pogrom gegen Juden, Nachkriegsende. Aber sozusagen die große konzentrierte, durchorganisierte Verfolgung. Man muss sich immer vor Augen halten, das war durchorganisiert bis ins Letzte. Die hat aufgehört.
Dann wagen wir in dieser Stelle einen Ausblick von 1945 auf die nächsten Jahre. Am 7. Mai schreibt beispielsweise der Schriftsteller Erich Kästner in sein Tagebuch, ich zitiere, "Leute laufen betreten durch die Straßen. Die kurze Pause im Geschichtsunterricht macht sie nervös. Die Lücke zwischen dem nicht mehr und dem noch nicht irritiert sie." Hans, die Kapitulation war unterschrieben, die Nazis waren endlich geschlagen. Und was jetzt? Eine total zwiespältige Situation.
Es gab in Österreich eine unverhältnismäßig höhere Anzahl an Parteimitgliedern, also im Durchschnitt des gesamten Reiches. Der Antisemitismus hatte in Österreich eine lange Geschichte bis weit ins 19. Jahrhundert zurück. Das ist nicht von einem Tag auf den anderen verschwunden. Man muss auch dazu sagen, die Befreier, vor allem die sowjetischen Soldaten, haben gleichfalls Verbrechen begangen. Also es gab Massenvergewaltigungen, es gab Lhünderungen.
Also da war das Gefühl der Befreiung ein relatives, würde ich sagen. Ich glaube, das überwältigende Gefühl war, dass es jetzt endlich aus ist, dass es endlich zu Ende ist. Es ging um das unmittelbare Überleben. Man hat ja gehungert, vor allem auch in Österreich. Es ging darum, irgendwie durchzukommen. Und die Tatsache, dass da ein jetzt Österreich als eigener Staat wieder erstät, wurde sicherlich von einer Mehrheit begrüßt, von einer Minderheit von unverbesserlichen Nazis nicht begrüßt.
Aber die haben sich zunächst einmal nicht hervorgewagt. Man muss auch sagen, die neue österreichische Regierung hatte zunächst einmal nur Ost-Österreich als Einflussgebiet unter Anführungszeichen. Und es gab sogar Bestrebungen in West-Österreich und auch durch den emigranten Otto von Habsburg zu sagen, naja, das ist ja eine kommunistisch eingesetzte Marionettenregierung. Was bis zu einem gewissen Grad gestimmt hat.
Ohne die Zustimmung, dass so wird, hätte diese Regierung nicht existieren können. Aber sie hat sich dann doch eine gewisse Bewegungsfreiheit erarbeitet. Und im Laufe der Monate gab es dann eine Konferenz, wo auch die westlichen Bundesländer nach Wien gefahren sind und man sich geeinigt hat. Und erst dann ist eigentlich ein gemeinsames Österreich unter einer gemeinsamen akzeptierten Regierung entstanden.
Der Alltag war natürlich bestimmt vom Kampf um das tägliche Überleben, vom sogenannten Wiederaufbau. Dazu muss man sagen die sogenannten Trümmerfrauen. Dort gibt es Fotos, wie die eben die zerschossenen oder zerbombten Häuser, die Ziegelschlichten und so weiter waren ganz überwiegend keine Freiwilligen, wie Peter berichtet wurde, sondern das waren Nationalsozialistinnen, die zur Zwangsarbeit verurteilt wurden. Und es gab eben eine Regierung, die ziemlich rasch neue Wahlen ausgerufen hat.
Ich glaube im November 1945 waren die Wahlen mit dem für die sowjetischen Besatzern äußerst ernüchternden Ergebnisse, dass die KPO nur 5% bekommen hat. Sie haben sich gedacht, das wird viel mehr sein, aber die beiden großen Parteien, also ÖVP war vorne und die SPÖ war Nummer zwei, haben also die Wählerstimmen auf sich gezogen, wobei die Nazis, Ex-Nazis noch nicht wählen durften. Es ging also jetzt eine Zeit lang einfach nur ums Überleben.
Sowohl das individuelle Überleben, wie auch das Überleben dieses Staates, der dann in vier Besatzungszonen unterteilt war bzw. Wien war ebenfalls in vier Besatzungszonen unterteilt. Aber man muss sagen, die österreichische Regierung hat sich im Rahmen der gegebenen Verhältnisse in der Mächterbesatzung doch relativ freigespielt und hat sicherlich eine wichtige Aufbauarbeit geleistet.
Daniel, lass uns über einen Aspekt der Besatzungszeit sprechen, der auch ein Teil unserer Geschichte ist, nämlich Handsatz bereits angeschnitten, Übergriffe der Besatzer auf Zivilisten und Zivilisten. Auch hier hast du uns ein Beispiel mitgebracht. Ja, besonders berüchtigt waren da natürlich, Hanschatz schon angesprochen, die Übergriffe der Roten Armee auf Frauen, also Massenvergewaltigungen.
Dazu gibt es zahlreiche Zeitzeugenberichte und natürlich auch historische Studien, die belegen, dass es sowohl während wie auch nach der Befreiung zu massenhaften sexuellen Übergriffen gekommen ist. In Österreich aber übrigens auch in Ostdeutschland, zum Beispiel in Berlin. Historikerinnen schätzen, dass da Zehntausende bis möglicherweise Hunderttausende Opfer diesbezüglich als in ganz Österreich gibt.
Und in Österreich waren eigentlich besonders die städtischen Gebiete, wie zum Beispiel Wien, betroffen. Also, dass so Massenvergewaltigungen sind für sich natürlich schon eine sehr schlimme Sache. Und das ist noch schlimmer dadurch, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie die Zeit und wie konservativ die Gesellschaft damals war. Vergewaltigungen sind immer noch stigmatisiert, es ist immer noch sehr schwierig darüber zu sprechen. Aber das ist unvergleichlich viel schlimmer damals gewesen.
Also, das Thema war extrem tabuisiert. Viele der Opfer haben dann auch Suizid begangen, weil sie einfach nicht damit umgehen konnten, dass sie das nicht thematisieren konnten. Und das hat auch dazu geführt, dass darüber auch sehr lange kaum gesprochen wurde. Es auch kaum wirklich nennenswerte Forschung dazu gab, das aufzuarbeiten. Ein kleines Schlaglicht.
Stalin hat nicht nur angeglich, sondern auch tatsächlich gesagt, dass man ihn damit konfrontiert hat und gesagt hat, naja, das ist vielleicht schlecht für die Disziplin, wenn wir unsere Leute derart wüten lassen. Und hat gesagt, ja, sie haben sich da über tausende Kilometer durchkämpfen müssen. Also, man soll ihnen an dieser kleine Freude lassen. Also, es ist kein direktes Zitat, aber Stalin, der oberste Kriegsjahr hat also dazu seine Zustimmung gegeben.
Ein anderer Aspekt war, das haben wir vielleicht noch ein bisschen unterbelichtet. Es wurde ja in Wien vom 6. April bis 13. April erbittert gekämpft. Also, wo wir heute leben, ist mit Panzern und Artillerie geschossen worden. Und es sind auf beiden Seiten rund 20.000 Soldaten gefallen, auf jeder Seite 20.000. Und etwa 10.000 Zivilisten sind dabei gestorben.
Und angeblich war es so, dass die Sturmtruppen, das so wie jetzt wesentlich weniger vergewaltigt und geblündet haben, also die tatsächlich kämpfen als der Tross, der dann nachher gekommen ist. Aber das ist folglich oreid, das ist, glaube ich, nicht wissenschaftlich erarbeitet. Man muss nur also jetzt in Bezug auf dieses Zitat von Stalin, es war ja tatsächlich so, die haben sich über tausende von Kilometern bis eben nach Wien und nach Berlin vorgekämpft.
In Berlin sind 300.000 sowjetische Soldaten bei der Erstürmung der Stadt gefallen. Und eben auch in Wien waren tagelang schwere Kämpfe. Also wenn man zum Beispiel am Donaukanal heute feiert, sieht man, dass auf der einen Seite nur neue Häuser stehen. Das ist deswegen, weil damals dort existierenden Häuser alle zerstört worden durch Artillerietoelle über den Donaukanal hinweg. Aber natürlich das Phänomen der Massenvergewaltigungen, es wurde zwar beschwiegen, aber es hat jeder gewusst.
Und das war einer der Gründe, warum sozusagen die KPO keinen Fuß auf dem Boden bekommen hat. Das Kapitel Wien, das wird in eurem Live-Ticker Tania ja sehr ausführlich auch behandelt. Auch das können Sie nachlesen. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, noch einmal die Information. Wir packen den Link zu diesem Live-Ticker auch in die Show-Notes dieser Folge. Der Zweite Weltkrieg ist also vorbei. Vor 80 Jahren ist dazu Ende gegangen. Blicken wir vielleicht etwas in die Zukunft noch einmal.
Hans, diese Erfolgsgeschichte von Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg. Ich glaube, man kann es eine Erfolgsgeschichte nennen. Wir haben seit 80 Jahren Frieden. Das gab es in der Geschichte nicht so oft. Da können wir alle sehr dankbar sein. Aber was können wir denn aus dieser Zeit mitnehmen und auch lernen, damit nie wieder auch wirklich nie wieder bleibt? Es gab nicht nur Frieden, es gab auch Wohlstand. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.
Und dieser Wohlstand hat unter anderem darauf beruht, dass die Amerikaner sehr viele Geldmittel zur Verfügung gestellt haben, das sogenannte Marshall Plan für ganz Europa, aber auch Österreich ist da überdurchschnittlich bedacht worden. Das war sozusagen eine Anschubfinanzierung. Ein zweiter Grund war die Politik des Konsenses und der Kooperation zwischen den großen Blöcken, also zwischen grob gesagt Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Die haben die längste Zeit nach dem Krieg abgetauscht.
Ihr kriegt so viel Preiserhöhung, wir kriegen so viel Lohnerhöhung. Die gute alte Sozialpartnerschaft. Die gute alte Sozialpartnerschaft, die tatsächlich in so einer Situation einen wirklichen Aufschwung ausgelöst hat. Ein kleines Schlaglicht nur nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in der Sowjetunion wurde dort auf Anraten von amerikanischen Beratern überfallsartig der Kapitalismus eingeführt.
Das hat dazu geführt, dass einige sehr reich geworden sind und die anderen arm geblieben sind, relativ arm geblieben sind. Und hat letztlich dazu geführt, dass wir heute Putin haben. Also diese Politik der Kooperation und des Konsenses ist ein Geheimnis des Wohlstandes und auch des sozialen Friedens. Das ist in den letzten 20, 25 Jahren verloren gegangen zu einem großen Teil. Unter anderem, weil der Rechtspopulismus entstanden ist.
Der ist in Österreich als in einer der ersten europäischen Länder groß geworden durch Jörg Heider. Der Rechtspopulismus, der gesagt hat, ja, das ist alles schön und gut. Aber da werden hier nur die Posten verteilt und der kleine Mann kommt zu kurz, um es verkürzt zu sagen. Daran ist etwas richtig. Aber die Sprengung der Konsenspolitik und der Kooperationspolitik, die der Rechtspopulismus will, ist ein Rezept für wirtschaftliche und gesellschaftliche Schwierigkeiten.
Und das ist das, was wir heute lernen sollten, nicht nur in Österreich, in ganz Europa. Der Rechtspopulismus ist keine Lösung. Spaltung und gegenseitige Hetze wirkt sich auch gesellschaftlich und auch wirtschaftlich negativ aus.
Das heißt, es gibt jetzt in Österreich eine Regierung, obwohl die freiheitliche Partei, obwohl die rechtspopulistische bis rechtsextreme Partei Nummer eins ist, gibt es eine Regierung der Alternative, eine Regierung der Kooperation zwischen konservativen, sozialdemokraten und liberalen. Das muss nicht zum Erfolg führen, aber das Prinzip der Kooperation und des Konsenses, das sich darin ausdrückt, ist im Grundsatz das Richtige. Das ist in etwa das, was wir im Auge behalten sollten.
Radikalisierung führt immer ins Negative, führt immer in auch wirtschaftlichen, aber vor allem gesellschaftlichen Schaden, machen wir zu Zusammenbruch. Vielleicht abschließend, an dich die Frage, Tanja, der Zweite Weltkrieg ist jetzt 80 Jahre her. Wir feiern heute dieses Datum als Ende des Krieges. 80 Jahre bedeutet aber auch, dass immer mehr der letzten Zeitzeugen langsam von uns gehen.
Wie kann man denn auch aus deiner Sicht in einer Wissenschaftsredaktion sicherstellen, dass wir trotzdem nie vergessen werden, wenn diese Stimmen nicht mehr da sind? Ja, das ist eine große wichtige Frage aktuell in der Erinnerungskultur. Wie kann man auf so eine Ereignis, das wie du gesagt hast, jetzt schon so lange zurücklegt, wo es eben immer weniger Zeitzeugen, Zeitzeugenglern gibt? Wie kann man da das Gedenken in einer produktiven Weise aufrechterhalten?
Ich glaube, es muss durch eine Pluralität passieren, durch Gespräche, durch Texte. Also unsere Berichterstattung ist ja auch ein Beispiel dafür. Wahnsinnig wertvoll. Dazu finde ich auch die persönliche Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte. Das hat mich auch sehr berührt.
Wir haben wirklich unfassbar viele Rückmeldungen zu unserem historischen Ticker bekommen, was auch offenbar für viele Menschen den Anstoß gegeben hat, sich nochmal damit zu beschäftigen, was hat eigentlich der Großvater, die Großmutter oder die eigenen Eltern erzählt über diese Zeit, dem auch nachzuforschen, was lässt sich in Archiven zu diesen Sachen finden.
Ich glaube, die Kombination, also aus dem großen Überblick, das große einordnende Stück oder auch die vielen neuen Bücher, die heuer erschienen sind und den individuellen Recherchen im ganz unmittelbaren Umfeld und alles dazwischen, wer für mich ein gelungener Weg so einen Jahrestag zu begehen. Wenn ich mich hier zum Abschluss noch eine persönliche Anmerkung auch erlauben darf, ich glaube, was es auch braucht, ist Mut, Mut Dinge aufzuzeigen.
Und da gibt es eine Person, die mich sehr beeindruckt hat, das ist nämlich Kurt Schumacher, er war SPD-Politiker und er hat im Jahr 1932 in Deutschland eine Rede gehalten und die Rede hieß "Mobilisierung der menschlichen Dummheit" und ein ganz kurzes abschließendes Zitat aus dieser Rede. "Die ganze nationalsozialistische Agitation ist ein dauernder Appell an den inneren Schweinehund im Menschen.
Und wenn wir irgendwas beim Nationalsozialismus anerkennen, dann ist es die Anerkennung, dass ihm zum ersten Mal in der deutschen Politik die restlose Mobilisierung der menschlichen Dummheit gelungen ist." Lieber Hans, liebe Tanya, vielen Dank für eure spannenden Erzählungen heute. Vielen Dank für die Anladung.
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Bundeskanzler Christian Stocker verteidigt die anstehenden Sparmaßnahmen, Zitat "Niemand wird weniger erhalten, sondern es wird für zwei Jahre die Erhöhung ausgesetzt." Die Opposition und die Karitas kritisieren die geplanten Einsparungen scharf. Zweitens. Der deutsche Verfassungsschutz wird die AfD bis zu einer Gerichtsentscheidung nicht mehr als gesichert rechtsextrem bezeichnen. Bereits 2021 hatte die AfD gegen die Einstufung als Verdachtsfall geklagt. Und drittens.
Nach dem Mord an einer 34-jährigen Deutschenin Maria Alm ist der mutmaßliche Täter festgenommen worden. Der 32-Jährige wird in Utrecht in den Niederlanden gefasst. Nun muss ein niederländisches Gericht über seine Ausleferung nach Österreich entscheiden. Alles weitere zum aktuellen Weltgeschehen lesen Sie dann wie immer auf der Standardpunkt "at". Wenn Sie einen Feedback oder Themenvorschläge haben, schicken Sie diese gerne an Podcast@der Standardpunkt "at".
Ich bin Daniel Retschitzekker, danke fürs Zuhören, tschüss, bis zum nächsten Mal. [Musik] [Musik]