Deutschlandfunk Nova. Deine Podcasts. Hörsaal. Hallo, mein Name ist Katrin Ullendorf und ich freue mich, dass ihr in dieser Folge dabei seid. Ja, Missinformation, Desinformation, Lügen, Verschwörungsmythen, auch einfach Irrtümer. Das Netz ist voll mit Infos, aber nicht alle Stimmen eben. Gerade rund um Wahlen wie in den letzten Monaten. Die Wahrheit bleibt also manchmal auf der Strecke und das ist ein Problem auch für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Die Fragen sind nicht neu, aber nach wie vor total dringend. Woher kommt das? Warum sind solche falschen Botschaften so erfolgreich? Was ließe sich vielleicht dagegen tun? Ja und welche Rolle spielen wir und damit meine ich jetzt wir Journalisten und Journalistinnen dabei? Also was machen wir vielleicht falsch und was könnten und sollten wir besser machen? Das ist unser Thema jetzt.
Mich hat nicht überrascht, dass es in dem Ausbruch überhaupt Misinformation und Desinformation gab. Aber was mich schon überrascht hat in der Pandemie war, wie allgegenwärtig das war. Im Grunde genommen auf allen Kanälen, wie viel Lügen und Verschwörungstheorien und Unwahrheiten da zirkuliert sind.
Wir halten uns zwar für vernunftbegabte Menschen, aber in Wirklichkeit hat unser Gehirn ein ziemlich schlecht ausgebildetes Immunsystem gegenüber Unsinn. Wir nehmen die Welt nicht wahr, wie sie ist, sondern wir nehmen die Welt wahr, wie wir sind. Verlieren wir unsere gemeinsame Realität und wenn ja, wie verhindern wir das? Warum ist Unsinn so erfolgreich?
Diese verschwimmende Trennlinie zwischen Wissenschaftskommunikation auf der einen Seite, also einer letztlich parteiischen Kommunikation und der unabhängigen wissenschaftsjournalistischen Perspektive, das ist tatsächlich ein riesiges Problem. Das sind auch selbstkritische Worte, denn sie kommen tatsächlich von einem Wissenschaftsjournalist. Kai Kupferschmidt. Und ja, wer den Hörsaal öfters hört, der weiß, dass hier eigentlich nur aktive Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sprechen.
Eigentlich, weil wir ja auch mal begründete Ausnahmen machen und das hier ist jetzt so eine. Kai Kupferschmidt ist studierter Biomediziner und arbeitet schon lange als Wissenschaftsjournalist, nicht nur in und aus Deutschland. Seine Leib- und Magenthemen, das sind Infektionskrankheiten und globale Gesundheit. Und für seine Arbeit ist er schon oft ausgezeichnet worden. Für das Wintersemester 2024-2025 wurde er auf die Nature Masilius Guide.
Gastprofessur für Wissenschaftskommunikation an der Uni Heidelberg berufen. Und genau in dem Rahmen hat er am 22. Januar 2025 auch den Vortrag gehalten, den wir jetzt hören. Der Titel zwischen Pandemie und Populismus, Verantwortung und Vertrauen im Wissenschaftsjournalismus. Und darin geht ja der Frage nach, wie groß das Problem mit den Unwahrheiten tatsächlich ist und was der Wissenschaftsjournalismus dagegen tun kann und tun muss.
Und das ist, wie ich finde, für alle wichtig, nicht nur für uns Wissenschaftsjournalisten und Journalistinnen. Viel Spaß dabei. Es wird diejenigen, die mich kennen, nicht überraschen, dass ich mit den Viren anfange. Das konnte ich mir nicht verkneifen. Tatsächlich geht es mir so...
Und das ist einiges, was ich in meinem Leben gelernt habe über die Menschen und über das Zusammensein, habe ich eigentlich durch die Viren gelernt. Und das klingt ein bisschen komisch und das ist wahrscheinlich auch ein bisschen komisch, aber das sagt Ihnen auch schon was über Wissenschaftsjournalisten aus.
Nehmen Sie aber mal zum Beispiel den Ebola-Ausbruch in Westafrika. Der wurde 2014 zum größten Ebola-Ausbruch aller Zeiten. Und ich habe damals als Wissenschaftsjournalist aus Liberia berichtet für Science. Und meine Frage war natürlich...
Was ist dieses Mal anders? Was ist dieses Mal anders, dass dieser Ausbruch so groß wird, so viel größer als alle Ausbrüche vorher? Und implizit habe ich dabei natürlich gedacht, ich habe ja molekulare Biomedizin studiert, implizit habe ich gedacht, was ist dieses Mal anders an dem Virus?
Wie ist der Erreger mutiert, dass er sich so gut verbreitet? Was kann sich da geändert haben? Und die Antwort war mit wenigen Abstrichen gar nichts. Es hat sich eigentlich an dem Virus überhaupt nichts geändert, sondern es war... Die Bevölkerung, die sich geändert hat. Es war eine andere Gesellschaft, die betroffen war. Eine Bevölkerung, eine mobile Bevölkerung über Landesgrenzen hinweg in der Region. Nach zwei Bürgerkriegen Misstrauisch gegenüber den Regierungen. Mit keiner Erfahrung von Ebola.
Und mit Bestattungspraktiken, und das war wahnsinnig wichtig natürlich dann nachher bei der Bekämpfung, mit Bestattungspraktiken, die in einem Ebola-Ausbruch eben ungeheure Gefahren bergen. Und was ich damals mitgenommen habe aus diesem Ausbruch, war für mich die Erkenntnis, okay. tatsächlich ist ein Ausbruch nicht ein Erreger, der etwas tut, sondern ein Ausbruch ist das, was an der Schnittstelle zwischen einer Gesellschaft und einem Erreger passiert. Ich habe dann wenig später...
war ich in Südkorea auf einer Wissenschaftsjournalistenkonferenz. Also alle zwei Jahre findet eine internationale Wissenschaftsjournalistenkonferenz statt. Die war in Südkorea und ich bin tatsächlich eingeladen worden, um über meine Ebola-Berichterstattung zu sprechen.
Und just in dem Augenblick, als die Konferenz war, brach dann MERS in Südkorea aus. Middle Eastern Respiratory Syndrome Virus, das ist ein Coronavirus, über das wir heute weniger sprechen als vorher, weil wir ein anderes Coronavirus alle jetzt erlebt haben.
Das war ein total spannender Erreger, über den ich relativ viel geschrieben hatte. Vorher wird von Kamelen unter anderem, also wir wissen, dass er in Kamelen zirkuliert im Nahen Osten, da ist es zu großen Ausbrüchen gekommen. Und eine der Fragen war also wieder, Warum kommt es jetzt in Südkorea zu diesem großen Ausbruch, wenn es vorher außerhalb des Nahen Ostens zu keinen richtig großen Ausbrüchen gekommen war? Und die Antwort war wieder...
Was anders ist, ist nicht der Erreger, der Erreger hat sich nicht verändert, sondern es ist das Verhalten der Gesellschaft, das ist die Kultur. Es hatte auch schon Krankenhausausbrüche gegeben vorher und der Ausbruch in Korea war auch ein Krankenhausausbruch.
Was aber anders war in Südkorea, was ich sehr interessant fand, war, dass es in Südkorea üblich ist, dass Patienten von einem Krankenhaus zum anderen gehen, um ihre beste Behandlung zu bekommen. Also dieses Doktorshopping, die gehen wirklich nacheinander in drei unterschiedliche Krankenhäuser. Und so kam es dann dazu.
Da war ein erster Patient, der sich tatsächlich im Nahen Osten angesteckt hatte mit dem Erreger und der hat dann ungefähr 30 andere Menschen infiziert. Der hat drei Krankenhäuser besucht und hat in einem der Krankenhäuser zwei andere Menschen infiziert.
Diese beiden Menschen sind dann auch wieder an mehrere Krankenhäuser gegangen. Die allermeisten Menschen haben niemanden infiziert. Die beiden haben dann wiederum über 100 Menschen infiziert. Und was man daran übrigens sehr schön sieht, das ist die Überdispersion. die nachher bei SARS-CoV-2 eine wahnsinnig wichtige Rolle gespielt hat. Also die Tatsache, dass die meisten Menschen niemanden anders anstecken, aber...
einige Menschen sehr viele andere anstecken und dass das sozusagen für das Bekämpfen der Infektion unglaublich wichtig ist. Das war was Interessantes, das haben nämlich die Länder, die Erfahrungen schon mit SARS gehabt hatten, hatten das verstanden, die wussten das alles schon und wir haben das im Grunde genommen in Europa
sehr viel später erst richtig verstanden aus meiner Sicht. Das alles nur, um zu sagen, ich habe in meiner Berichterstattung über Infektionskrankheiten im Grunde genommen immer wieder lernen müssen, dass das Interessanteste an einem Ausbruch selten der Erreger ist. Es ist in aller Regel das menschliche Verhalten.
Stigma, Diskriminierung, es geht um gesellschaftliche Themen wie globale Ungleichheit, Marktversagen, all diese Dinge. Und dann kam SARS-CoV-2. Und dieses Mal dachte ich, okay, ich bin vorbereitet. Spike-Protein und Überdispersion, Stigma, Kommunikation, globale Gesundheit, Pandemieprävention, Virus-Check, Mensch-Check, Gesellschaft-Check. Also ich war ready und dann ist man in der Pandemie und man stellt fest.
Irgendwie läuft das alles ganz anders, als man denkt. Und mich hat nicht überrascht, dass es in dem Ausbruch überhaupt... Misinformation und Desinformation gab. Das ist etwas, was ich im Grunde genommen in jedem Ausbruch, über den ich jemals geschrieben habe, erlebt habe. Das hat immer eine Rolle gespielt. Aber was mich schon überrascht hat in der Pandemie war, wie allgegenwärtig das war.
Im Grunde genommen auf allen Kanälen, wie viel Lügen und Verschwörungstheorien und Unwahrheiten da zirkuliert sind und auch wie viel das dazu geführt hat, dass es Streit gab in Familien. in Gemeinschaften, in Gemeinden, in der Gesellschaft, auch in der Wissenschaft natürlich. Und das hat mich beschäftigt. Meine Arbeit als Wissenschaftsjournalist ist ja letztlich...
Gute Informationen, so gut es geht, die Wahrheit zu erkennen und sie zu vermitteln. Und dann fragt man sich natürlich irgendwann, was ist all die Mühe wert, die ich da rein stecke, diese zuverlässigen Informationen zu erhalten und diese zu erklären und zu vermitteln. Wenn sie in einer Situation wie der Pandemie, wo sie so unglaublich wichtig sind, im Grunde genommen untergehen oder nicht genug Gehör finden. Und das war für mich der Grund, dass ich dann gesagt habe, okay.
beziehungsweise es war nicht nur die SARS-CoV-2-Pandemie, das sollte ich vielleicht auch dazu sagen. Danach kam dann MPOX, wo wir im Grunde aus meiner Sicht das Gleiche so ein bisschen erlebt haben. Danach habe ich gesagt, okay, ich muss das irgendwie besser verstehen, was da gerade passiert, sonst ist die ganze Arbeit, die ich leiste, ja irgendwie umsonst.
Und darum bin ich damals dann ans MIT gegangen. Es gibt ein Night Science Journalism Fellowship dort, also ein Stipendium für Wissenschaftsjournalisten, wo man sich im Grunde zwei Semester komplett rausziehen kann aus dem Tagesgeschäft. Also man darf tatsächlich nicht arbeiten in der Zeit.
Und sich im Grunde genommen einem Thema widmen kann, um das besser zu verstehen. Und die Frage, also es war wieder mal ein Krankheitsausbruch, der in mir eine Frage über die Gesellschaft eigentlich aufgeworfen hat. Und die Frage, die ich hatte, ist.
In ihrer einfachsten Form, warum ist Unsinn so erfolgreich? Wenn man es ein bisschen... ausführlicher sagen würde, das scheint irgendwie eine relativ leichte Frage, aber ich habe dann in dem Jahr gemerkt, okay, es ist im Grunde genommen eine wahnsinnig schwierig zu beantwortende und eine echt große und wichtige Frage und im Grunde genommen führt sie zu einer anderen Frage und das ist
Verlieren wir unsere gemeinsame Realität und wenn ja, wie verhindern wir das? Was können wir eigentlich dagegen tun? Was habe ich also gelernt in dieser Zeit? Das ist der Kern dessen, worüber ich heute sprechen möchte, ist im Grunde erstmal so ein bisschen ein Gefühl dafür zu geben, wenn man sich ein Jahr Zeit nimmt und versucht das zu verstehen, was sind dann eigentlich die Erklärungsansätze, was sind eigentlich die Dinge?
die man da lernt. Und wie das so ist, ich wäre gerne hier und würde Ihnen eine total klare Erzählung geben und ein klares Narrativ, aber die Wahrheit ist, Je nachdem, mit wem man spricht, je nachdem, was man liest, welche Forschung man sich anguckt, es gibt eine Menge unterschiedlicher, durchaus überlappender Erzählungen zu. Und deswegen habe ich mir gedacht, dass ich...
Kernteil heute erst einmal Ihnen fünf verschiedene Teilerklärungen oder Erzählungen oder Metaphern für das Problem von Missinformation gebe, um so ein bisschen rauszuarbeiten, was ist denn eigentlich das Problem? Das ist im Übrigen eine totale Journalistenkrankheit mit den Alliterationen. Ich habe wahrscheinlich die Hälfte der Zeit damit verbracht, P's zu finden für die unterschiedlichen Kapitel. Wie auch immer, wir fangen an mit der Psychologie und das hier.
Das kommt von Wikipedia. Ich darf das, weil ich ja kein echter Professor bin. Das hier ist letztlich einfach eine Liste von, ich glaube, 188 kognitiven Verzerrungen, die auf Wikipedia aufgelistet werden. Das hat jemand schön angeordnet in verschiedenen Gruppen. Wenn Sie jemals unter Selbstüberschätzung leiden, sprechen Sie mit einem Psychologen über die Vernunft des Menschen. Die schiere Zahl an kognitiven Verzerrungen ist ziemlich erschreckend.
Und da sind natürlich einige Sachen drauf, das werden viele von Ihnen kennen. Da habe ich mich viel mit beschäftigt in meinem Jahr am MIT. Der Bestätigungsfehler, das was im amerikanischen Cognitive Bias genannt wird. Letztlich die Neigung, dass wir das, was unserer eigenen Auffassung schon entspricht, dass wir dem eher Glauben schenken und dass wir das auch eher konsumieren, solche Informationen, dann das, was im Deutschen der Wahrheitseffekt genannt wird.
Das ist auch ein schwieriger Name dafür. Im Englischen heißt der passender Illusory Truth. Das ist die Tatsache, dass wir Dinge eher für wahr halten, wenn wir sie häufiger gehört haben. Das ist natürlich ein Problem.
Kann man sich vorstellen. Aber unter den 188 Effekten gibt es natürlich auch noch andere, von denen Sie vielleicht noch nie gehört haben. Können Sie mal Handzeichen machen. Wer weiß, was der Ikea-Effekt ist? Gibt es tatsächlich. Der wurde 2009 von einem Wirtschaftswissenschaftler Michael Norton geprägt. Der Ikea-Effekt...
bezeichnet den Zuwachs an Wertschätzung der selbst entworfenen oder zumindest selbst zusammengebauten Gegenständen im Vergleich zu fertig gekauften Massenprodukten entgegengebracht wird. Also Sie sehen, es gibt eine ganze Menge kognitive Verzerrung und wo eine kognitive Verzerrung ist, da ist auch eine Marktlücke. Mir geht es jetzt nicht darum, diese einzelnen Verzerrungen hier sozusagen zu besprechen, sondern es geht mir darum,
Psychologen haben eine ganze Taxonomie unserer geistigen Fehlleistungen. Und das Fazit aus all diesen Fehlleistungen ist im Grunde genommen nicht neu. Wir nehmen die Welt nicht wahr, wie sie ist, sondern wir nehmen die Welt wahr, wie wir sind. Und das ist natürlich eine der Kernerzählungen über diese Krise, in der wir uns erstmal befinden. Und die Metapher ist im Grunde, die am nächsten an meiner normalen Arbeit ist, weil es...
in gewisser Weise dem Ausbruch von Infektionskrankheiten ähnelt. Der Gedanke ist, wir halten uns zwar für vernunftbegabte Menschen, aber in Wirklichkeit hat unser Gehirn ein ziemlich schlecht ausgewildetes Immunsystem gegenüber Unsinn. Und wenn sich... Lügen, Gerüchte etc. einmal verbreiten, dann ist das im Grunde genommen wie ein Erreger, der leichtes Spiel hat bei einer Menschheit, die so schlecht vorbereitet ist. Das ist, würde ich sagen, eine der Grundkernerzählungen.
die häufig auch in der Öffentlichkeit so als Metapher genutzt wird, um das Problem zu verstehen. Aber es gibt natürlich auch noch andere Arten, darüber nachzudenken. Eine Sache, die letztlich auch mit unserer Psychologie zu tun hat und das überlappt so ein wenig mit dem, was ich gerade erzählt habe, aber es ist die Tatsache,
dass unser Gehirn auf ein Informationsökosystem, in dem wir uns heute befinden, ja im Grunde genommen gar nicht vorbereitet ist. Also das ist klassisch evolutionary mismatch, der Gedanke, dass die Umwelt in der... unsere Vorfahren sich entwickelt haben, die Umwelt, die unsere Evolution beeinflusst hat, eine sehr andere war. Und ich glaube tatsächlich, dass da der Vergleich mit dem, was wir über Ernährung denken,
ziemlich passendes. Es ist im Grunde genommen nicht so viel anders, als das mit Zucker ist. Ich meine, unsere Vorfahren mussten sich, das wissen wir alle in einer rauen Umwelt, die täglichen Kalorien zusammensuchen und dadurch haben wir im Laufe der Evolution einen Hang zu Süßem und Fettigem entwickelt. Weil das eben kalorienreiche Nahrung signalisierte.
Und das bedeutet heutzutage natürlich im Zeitalter von Big Macs und Butterkeksen, dass das uns zum Verhängnis wird, weil wir eben im Supermarkt jederzeit diesen Appetit frönen können. Und das Gleiche, was für unsere Diät gilt, gilt natürlich in gewisser Weise auch für unsere Informationsdiät.
Die Evolution hat uns, das ist zumindest nachvollziehbar als Argument, wahrscheinlich mit einem Hunger nach Informationen ausgestattet, mit einem Sinn für das Sensationelle und mit zahlreichen anderen Instinkten, die heute eben eher Hindernis als Hilfe sind. Wenn man sich das...
dann kann man sich ja schon denken, dass unsere Vorfahren auch nicht nur in einer Umwelt gelebt haben, wo Kalorien mitunter schwer zu beschaffen waren, sondern eben auch Informationen. Und Informationen konnten natürlich total wichtig sein, lebensbestimmt. Also die Frage...
Wo die Wölfe das letzte Mal im Wald gesehen wurden, wo das letzte Mal die Bäume Früchte getragen haben oder was ihre Nachbarn über sie denken und ob die vorhaben, sie aus der Dorfgemeinschaft auszuschließen, das sind natürlich Dinge, die wahnsinnig wichtig waren. Und insofern ist es nachvollziehbar, dass wir einen Hang dazu haben, bestimmte Informationen konsumieren zu wollen.
Gerade Informationen, die Gefahr signalisieren, gerade Informationen, die im Grunde genommen in Richtung Klatsch und Tratsch gehen. Dinge, die in der Vergangenheit zumindest wahnsinnig wichtig waren. Und dann kommt in der Analogie natürlich jetzt statt McDonalds, Meta, statt Coca-Cola, TikTok.
Und das sind mächtige, profitorientierte Unternehmen, die diesen evolutionär erklärbaren Appetit im Grunde genommen nutzen können, auf eine Art und Weise, die der Gesellschaft zwar schadet, die dem Unternehmen aber nutzt. Und dadurch kommen wir dann eben in diese Welt der... der Aufmerksamkeitsökonomie, also in einer Welt, wo im Grunde genommen jeder ständig versucht, unsere Aufmerksamkeit zu manipulieren und zu monopolisieren, weil je länger wir auf TikTok, auf X, auf...
Facebook sind, umso mehr Werbung kann uns gezeigt werden und umso mehr Geld können diese Unternehmen damit machen. Das ist also eine andere Art, darüber nachzudenken und ich glaube, das ist eine, wir werden da nachher noch kurz drüber reden, aber ich glaube, das ist eine wahnsinnig wichtige, aber man Darf natürlich auch nicht naiv sein, denn natürlich spielt auch die Politik eine massive Rolle. Und das ist eine für mich der interessantesten...
Erzählungen im Grunde genommen oder der interessantesten Metaphern. Ich habe vor den Wahlen jetzt im November in den USA viel Zeit verbringen können mit Kate Starbird, einer Forscherin an der Universität von Washington in Seattle. Und Sie und Daniel Lee Thompson, die zusammen Missinformationen rund um die Wahlen erforschen, haben eine sehr interessante Metapher für Missinformation. Und zwar vergleichen Sie das, was das...
rechte Informationsökosysteme in den USA und man muss sich klar machen, dass wirklich in den USA es inzwischen ein ganzes Informationsökosystem gibt, das in sich geschlossen funktioniert. Das sind die Podcasts und die Blogs und die Was die Amerikaner Hyperpartisan Media nennen, also die hochparteiischen Medienhäuser.
Dieses Ökosystem hat im Grunde genommen seine eigene Logik entwickelt und Kate Starbott und Daniel Lee Thompson vergleichen das mit Improvisationstheater. Und es ist tatsächlich eine sehr hilfreiche Metapher, weil das, was da passiert, ist, man hat im Grunde genommen... Die Bühne und die Bühne ist im weitesten Sinne, in dem Fall sind das all diese Blogs und die sozialen Mediakanäle, die Podcasts. Und da werden bestimmte Erzählungen letztlich durchgespielt.
Und das ist unglaublich partizipativ. Also da werden dann Leute aus dem Publikum, die sozusagen irgendetwas reingeben in diesen Raum, auf diese Bühne, was in ein Narrativ passt, was sowieso schon bedient werden soll. Die werden dann unter Umständen hochgeholt auf die Bühne. Die können dann... das Mitteilen sozusagen und das wird dann eingebaut in so eine Art Mitmachrealität, sage ich mal. Ich wollte ein Beispiel dafür einfach mal bringen, um das ein bisschen konkreter zu machen.
Die meisten von Ihnen werden sich erinnern, während der Debatte im Wahlkampf zwischen Kamala Harris und Donald Trump fiel der Satz, they're eating the pets, they're eating the dogs and the cats. Das ging um einen Ort Springfield in Ohio. Und die Genese davon ist ganz interessant, weil das war ursprünglich etwas, was in einer lokalen Facebook-Gruppe von jemand, also ursprünglich wurde lokal in Springfield in einer Facebook-Gruppe von...
Leuten gesagt, oh, die Kinder von Einwanderern, die jagen hier die Enten und die Gänse. Dann kam irgendwann die Behauptung, oh, die jagen die tatsächlich, um die zu essen. Und dann hat es jemand, also tatsächlich eine Neonazi-Gruppe, von denen... Jemand in dieser Gruppe war, der hat das dann aufgenommen, hat das in eine Town Hall in Springfield, wo quasi Themen aus Springfield diskutiert wurden, hat er das da reingebracht. Das wurde dann wiederum auf Video aufgenommen.
Das Video wurde dann wieder hochgeladen, wurde reingespielt in dieses ganze rechte Informationsökosystem und wurde darüber dann eben immer weiterentwickelt und dann kamen Leute, die jetzt versucht haben nachzuweisen, dass das stimmt. Also dann haben irgendwelche Leute, die jetzt ein Foto hatten von einem Einwanderer, was...
von jemandem, der aussah wie ein Einwanderer, muss man dazu sagen, es ist bis heute nicht identifiziert, wer es tatsächlich war. Es war auch jemand, der nicht wirklich in Ohio war. Auf jeden Fall gab es dann das Bild von jemandem, der eine Ente hielt und das wurde dann sozusagen jetzt als Beweis genommen. dass das tatsächlich passiert und auf diese Art und Weise wird dann wirklich so eine Art partizipative Realitätsbeschaffung da gemacht. Also das nennt sich...
Die Amerikaner sprechen dann auch tatsächlich von Evidence Generation, also es geht dann darum, nachträglich Beweise für ein Narrativ zu finden, was bereits gestreut wurde.
Als ich den Vortrag gemacht habe, habe ich auch gedacht, im Grunde genommen ist das auch nicht anders. Das ist ein Ikea-Effekt für unsere Weltanschauung. Also quasi der Zuwachs an Wertschätzung, den wir selbst gezimmerten Realitäten entgegenbringen. Da ist natürlich durch dieses Partizipatorische daran, ist das ein ungeheuer...
mächtiges Mittel, um Realität zu verzerren und Leute dazu zu kriegen, dafür einzustehen. Eine andere Sache, das ist, wollte ich nur ganz kurz sagen, das ist ein Paper, das ist vor ein paar Tagen rausgekommen. When do parties lie? Man muss da immer sehr vorsichtig sein, weil diese ganzen, ich habe da viel drüber geredet in meinen Kursen, diese ganzen Studien, es basiert immer sehr viel darauf, wie wird die Missinformation sozusagen ursprünglich definiert.
Also man muss bei diesen Ergebnissen immer sehr genau hinschauen. Aber das ist ein Paper, was sich im Grunde genommen über 26 Länder angeguckt hat. Okay, wo wird eigentlich Missinformation hauptsächlich gestreut und die zu dem Schluss gekommen sind, es ist weder der Populismus selber, der es erklärt, also wenn ich...
Einfach nur schaue, sind populistische Parteien eher so, dass sie das streuen, dann findet man kein Ergebnis, wenn man sagt, okay, sind es rechte Parteien? Ebenfalls negativ, wenn ich rechte populistische Parteien nehme. Dann komme ich sozusagen an den Punkt, wo das ist das, was RR, das ist Radical Right. Dann kommt man an den Punkt, wo es tatsächlich statistisch signifikant wird, dass man sagen kann, okay, da gibt es einen Zusammenhang.
Ich will damit nicht sagen, dass das alles auf der rechten Seite des Spektrums passiert. Das hat viel damit zu tun, dass natürlich ein Großteil dieser Forschung auch in den USA passiert, wo das gerade sehr stark auf der rechten Seite gemacht wird. Aber die politische Dimension von all diesen ist natürlich ein...
Total entscheidender Teil. Und ich glaube, das ist etwas, was es wahnsinnig schwer macht, für die Wahrheit einzustehen, ohne als parteiisch wahrgenommen zu werden. Und wir werden in den nächsten vier Jahren in den USA vermutlich sehen, dass viele der Forscher, die diese Art von Arbeit machen,
die ja die ganze Zeit schon den Vorwurf ausgesetzt sind, dass sie eben parteiisch sind, dass deren Arbeit vermutlich systematisch gestört wird und möglicherweise auch ihre Sicherheit bedroht wird. Also das ist etwas, was mir sehr viel Sorge macht im Moment, wo wir sehen müssen, was in den nächsten Jahren passiert.
Ich will aber, um das sozusagen ein wenig auszugleichen, die Philosophie auch noch kurz erwähnen. Das ist kein ganz neuer Gedanke, aber ein Philosoph, mit dem ich in Boston viel Zeit verbracht habe, Lee McIntyre, dessen Erzählung rund um Post-Truth, er hat Bücher geschrieben über diesen Begriff und aus seiner Sicht ist er ein entscheidender Teil dieser ganzen Erzählung das, was letztlich die Sozialkonstruktivisten, also die Philosophen,
der Postmoderne letztlich, so wie die den Wahrheitsbegriff im Grunde genommen interpretiert haben, ist aus seiner Sicht letztlich eine Art Waffe, die die Linke geschaffen hat und die dann die Rechte in den USA... gefunden hat und gesagt hat, ah super, das können wir ja nutzen, um sozusagen alles, was uns nicht gefällt, alles, was unliebsame Realität ist, um das zu bekämpfen. Und ich fand, ich habe mich damals, als er das gesagt hat, ich hatte mich damit nicht wirklich beschäftigt.
vorher und habe gedacht, okay, das ist interessant. Ich frage mich, inwiefern sich vielleicht auch tatsächlich die Philosophen selber, also die Sozialkonstruktivisten, selber tatsächlich damit beschäftigt haben. Und ich fand es schon ganz interessant, dass es zum Beispiel Bruno Latour 2004 gewissermaßen noch im historischen Schatten vom 11. September und den Verschwörungstheorien, die darum herum sich rankten.
sich sehr intensiv mit dieser Frage beschäftigt hat. Und ich habe nur ein Zitat mal mitgebracht. Ich habe das jetzt mal frei auf Deutsch übersetzt. Haben wir uns wie verrückte Wissenschaftler verhalten, die den Virus der Kritik aus den Grenzen ihrer Laboratorien gelassen haben und jetzt nichts tun können, um seine schädlichen Auswirkungen zu begrenzen? Es mutiert jetzt und zerfrisst alles, sogar die Gefäße, in denen es enthalten ist.
Also zumindest gibt es einzelne Leute, die das sozusagen als eine Gefahr gesehen haben. Ich nenne das natürlich immer gerne, das ist sozusagen die Lab Origin Theory of Misinformation. Das ist zumindest Teil... Teil dessen, was das zu bedenken gilt. Und dann wollte ich als letztes noch die Panik erwähnen. Das ist letztlich die Gegenerzählung zu all diesen Erzählungen, die ich gerade...
dargestellt habe. Und das ist der Gedanke, dass wir im Grunde genommen gerade eine moralische Panik erleben. Das ist nicht wirklich, Missinformation ist nicht wirklich das Problem. Es gibt vielleicht wahre Probleme wie Polarisierung und Populismus und all diese Dinge.
Aber worüber wir die meiste Zeit reden, wenn wir über Missinformation reden, das ist im Grunde genommen das Gleiche, was wir erlebt haben, als Gutenberg die Buchpresse erfunden hat, dass eine neue Technologie kommt und sie wird verteufelt und schürt Ängste.
Und die Wissenschaftler, die sich daran beteiligen, die haben zwar einen akademischen Reputationsgewinn, weil sie das im Moment gut publizieren können, aber in Wirklichkeit sind sie im Grunde genommen einer Moralpanik aufgesessen. Und ich glaube, dass auch diese Erzählung einen...
einen gewissen Wahrheitswert hat, einen gewissen Erklärungswert. Und ich finde das ganz besonders klar beim Begriff Fake News. Also ich habe da in meinen Vorlesungen viel darüber geredet, weil dieser Begriff häufig so... austauschbar benutzt wird mit anderen, aber Fake News war im Grunde genommen eine ganz, also das kam im Grunde genommen 2016 hoch und es war ein ganz spezifischer Begriff, wo es eigentlich darum ging, das sind
Artikel, die aussehen, als wären sie was weiß ich aus den New York Times oder so. In Wirklichkeit sind sie aber von irgendeiner erfundenen Zeitung letztlich und es haben sich Leute hingesetzt und einfach einen... Ein artikelfrei erfundenes klassische Beispiel, die New York Times hat es damals nachrecherchiert, waren ein paar mazedonische Teenager, die eine Internetseite gegründet haben, wo sie dann Artikel geschrieben haben, wie der Papst unterstützt Donald Trump als Präsidentschaftskandidat.
Und diese Sachen wurden dann halt viel geteilt. Das wurde dann, das ist aus einer Publikation, die 2020 erschienen ist, wo sich Jennifer Allen und andere angeguckt haben, okay, wenn wir das so definieren, wie häufig ist das eigentlich?
Und es ist ganz interessant, wie weit das da auseinanderfällt. Also die Fake News sind im Grunde genommen nach deren Berechnung weniger als 0,15 Prozent der täglichen Informationsdiät von Amerikanern. Auf der anderen Seite, wenn Sie sich angucken, wie häufig das in Publikationen erwähnt wurde, kommt es... Ab Januar 2017, 2210 Artikel in englischer Sprache, die das erwähnen, im Vergleich zu nur 73 in all den Jahren vor 2016. Also...
Das ist zumindest etwas, und da hat sich das Feld auch weiter bewegt. Also das ist so, dass damals gedacht wurde, okay, vielleicht ist das das Problem und wir im Grunde genommen inzwischen wissen, das spezifisch ist nicht das Problem, sondern wenn wir über Misinformation reden, dann reden wir über ein sehr viel... größeres und schwerer zu definierendes Problem. Ich wollte gerne einmal diese verschiedenen Erzählungen einfach darlegen, weil ich finde, die haben alle einen gewissen Erklärungswert.
Und ich glaube, man muss sich über alle auch getrennt ein wenig Gedanken machen. Aber die wahre Frage ist natürlich für mich als Wissenschaftsjournalist und nun, was machen wir damit? Jetzt kommt der Teil, wo ich improvisieren muss, weil das sind natürlich die Dinge, wenn ich darauf wirklich eine Antwort hätte, dann würde ich nicht hier stehen und das versuchen zu erzählen, sondern würde ich es hoffentlich einfach machen.
Es ist wahnsinnig schwer, darauf wirkliche Lösungen zu finden. Ich hatte letztens gar nicht den ganzen Vortrag gehört, aber auf dem Forum Wissenschaftskommunikation gab es einen interessanten Vortrag, wo Professor Kaldewey die Krise der Faktizität zerlegt hat in vier verschiedene Dimensionen. Und ich fand das sehr interessant, weil es manchmal tatsächlich... sehr viel hilft finde ich einfach die dinge so ein bisschen zu ordnen ich habe das einfach mal versucht das ist sozusagen noch im werden
Da gibt es sicher noch einiges an Gedanken, die da reingesteckt werden müssen. Aber so ganz grundsätzlich, mein Gefühl, wenn wir uns den Wissenschaftsjournalismus angucken, ist, wir haben, wenn wir jetzt mal zurückgehen zu dem, was ich über die Psychologie gesagt habe, über die kognitive Verzerrung. Wir haben es natürlich mit einem Problem der...
Unsicherheit zu tun. Und das ist etwas, was im Grunde genommen nicht neu ist. Wir haben im Wissenschaftsjournalismus immer, immer, immer darüber diskutiert, wie kommunizieren wir eigentlich Unsicherheit, Uncertainty im Englischen, wie gehen wir damit um, wie machen wir das am besten und Auch die Lösung ist im Grunde genommen...
Also Volker Stollerts ist ja da. Ich glaube, wir reden da mindestens seit 15 Jahren immer wieder drüber. Wir müssen im Grunde mehr über den Prozess der Wissenschaft erzählen. Wir sind immer noch viel zu sehr dabei, Ergebnisse zu berichten. Das ist natürlich letztlich so eine Art systematische Fehldarstellung dessen, wie Wissenschaft funktioniert.
ja nicht die Ergebnisse, die einfach herabgegeben werden vom Berg sozusagen, sondern es ist natürlich ein Prozess, der selbst korrigierend ist idealerweise, aber der eben manchmal auch nicht richtig ist. Also der manchmal Zwischenergebnisse sozusagen bringt, die sich nachher ausständig richtig sind.
Das andere, was ich ganz interessant finde, weil dazu vor kurzem was erschienen ist, ein sehr interessanter Artikel ist der Gedanke, dass wir vielleicht auch klarer trennen müssen im Wissenschaftsjournalismus zwischen wissenschaftlichen Themen, wo es einen klaren Konsens gibt.
Und wo man sagen kann, wenn wir jetzt über den Klimawandel sprechen oder so, wo man sich dann immer auf den Konsens rekurrieren kann und sagen kann, okay, da wissen wir einfach, also wir wissen immer noch, dass für die Bevölkerung ein Konsens in der Wissenschaft. ungeheuer überzeugend ist. Also wir wissen, dass wenn man Menschen sagt, 98 Prozent der Forscher sagen, dass der menschgemachte Klimawandel real ist und ein Problem. Das hat nach wie vor eine ungeheure Macht.
Ich glaube aber, dass wir im Wissenschaftsjournalismus manchmal zu wenig Unterschieden haben zwischen dieser Art von Konsens und dem, worüber wir ja meistens berichten im Wissenschaftsjournalismus, wo es eben noch sehr viele Fragen gibt und vielleicht auch Dissens, der durchaus berechtigt ist und wo es eben...
wissenschaftliche Dispute gibt. Und diese beiden Dinge klarer voneinander zu trennen und klarer zu markieren, okay, hier reden wir über etwas, was im Grunde genommen Wissenschaft ist, die mehr oder weniger fertig ist, sage ich mal. Und wir werden in den nächsten vier Jahren unter Trump natürlich viel diskutieren.
viel davon wiederholen müssen, also dass ein Polio-Impfstoff vor Polio schützt zum Beispiel. Das sind Dinge sozusagen, da gibt es einen Konsens. Und dann gibt es aber eben auch andere Dinge, wo das nicht der Fall ist und das muss man, glaube ich, einfach sehr klar markieren.
Wenn wir über Profit und über die Informationsflut reden und diese Frage, das ist für mich das Problem der Aufmerksamkeit. Das ist natürlich auch ein Problem, mit dem wir in gewisser Weise immer zu kämpfen hatten, aber es ist ein Problem, dass... In der heutigen Welt, je mehr Informationen da sind und je mehr Informationen da sind, die die Art von Informationen sind, die wir gerne essen, also ich sage jetzt mal leere Kalorien, also das Äquivalent vom Big Mac und vom Butterkeks.
Je mehr es davon gibt, umso schwerer ist es natürlich für den Wissenschaftsjournalismus, damit zu konkurrieren. Ich habe da die Fragezeichen als guten Grund stehen, weil ich glaube, dass das eine der Fragen ist, die mit am schwersten zu klären ist. Ich komme darauf gleich aber noch zurück. Philosophie.
Ein anderes Problem, was wir im Wissenschaftsjournalismus aus meiner Sicht haben, ist das Problem der Wertgeladenheit bestimmter Sachverhalte. Und da geht es mir im Grunde genommen darum, dass wir im Wissenschaftsjournalismus sehr klar trennen müssen manchmal zwischen etwas, was...
eine wissenschaftliche Erkenntnis ist, die einfach die Realität beschreibt, wie sie ist, idealerweise, und den daraus folgenden Schlussfolgerungen. Und das ist etwas, was in der Pandemie, in einer Situation, glaube ich, wo einfach sehr viel Wissenschaft on the fly passiert ist. letztlich alles, was man herausgefunden hatte, erster Stand war und sich auch ändern konnte. Wo manchmal die Trennung zwischen, okay, hier ist ein wissenschaftliches Ergebnis.
Und hier ist das, was daraus folgt, nicht sehr sauber passiert ist. Wenn wir über Schulen nachdenken, sollte man Schulen schließen, welche Rolle spielen Kinder bei der Ausbreitung von SARS-CoV-2? Da muss man dann eben ehrlicherweise sagen, selbst wenn sich die Wissenschaft jetzt darauf einigen würde, welche Rolle genau Kinder spielen,
ist es natürlich trotzdem eine Wertfrage, wie wollen wir als Gesellschaft abwägen zwischen dem Wohl der Kinder, dem Wohl der älteren Menschen, die ein höheres Risiko zu sterben haben, den Schäden, die Kinder ... dadurch nehmen, dass sie keine Bildung haben, dass sie möglicherweise teilweise zu Hause in einem schwierigen Umfeld gefangen sind. All diese Dinge, das sind natürlich Wertfragen, die da drin sind. Und ich kann ja nicht als Forscher behaupten, dass sozusagen das Ergebnis...
über den Beitrag, den Kinder zum Infektionsgeschehen leisten, sich sozusagen logisch direkt zu einer Schlussfolgerung führt, was da getan werden muss, ohne dass ich irgendwelche Werte da reingebe. Und ich glaube, das ist auch etwas, wo wir manchmal, wenn wir gesagt haben,
Follow the Science, der Wissenschaft folgen, wo wir manchmal ein bisschen hilflos waren und eigentlich noch viel stärker, also das ist jetzt alles in meinem Rahmen, wir haben natürlich alle sozusagen bei manchen Dingen das gemacht und bei anderen Dingen eben manchmal
Das verkürzt dargestellt, glaube ich. Und das andere, ich habe da oben epistemische Verkürzung. Wie gesagt, als Gastprofessor darf ich mir ja Begriffe ausdenken. Also unter epistemische Verkürzung meine ich, das Problem, was wir im Wissenschaftsjournalismus haben, ist, dass... Der Grund, dass Menschen ja im Grunde der Wissenschaft vertrauen sollten, ist ja der Prozess der Wissenschaft, ist ja das, was sozusagen in einem wissenschaftlichen Paper dargelegt ist.
Das ist aber auch genau das, was ich im Wissenschaftsjournalismus ja nicht komplett transportieren kann. Ich bin ja immer sozusagen gezwungen, eine Abkürzung zu gehen und im Grunde genommen zu sagen...
Diese Menschen haben sehr sorgfältig gearbeitet und sind zu diesem Schluss gekommen. Aber sonst muss ich ja das gesamte Paper und alles, was sonst noch dazu geschrieben wurde, ja im Grunde genommen in Gänze referieren. Das heißt, wir haben es immer damit zu tun, dass es so eine Art epistemische Verkürzung gibt.
Das lässt sich am Ende nicht auflösen und das führt zu dem, was ich hier unter Politik und Populismus noch stehen habe, dieses Problem des Vertrauens. Im Grunde genommen haben wir ja immer... damit gearbeitet, dass wir gesagt haben, Wissenschaftler der Stanford University haben das herausgefunden und damit ist das sozusagen jetzt etwas, was sie glauben können.
In dem Maße, in dem auch die Kommunikation, glaube ich, menschlicher geworden ist, also in dem Maße, in dem es verständlicher geworden ist, vielleicht auch für Laien manchmal wieder gesprochen wird. In dem Maße ist dann aber auch... diese epistemische Verkürzung sozusagen zu etwas geworden, wo man sehr, sehr leicht ein Ergebnis angreifen kann, indem man sagt, ja, aber das stimmt ja so nicht oder an der Stelle sozusagen stimme ich nicht überein.
Und wenn man jetzt nicht bereit ist, die gesamte Literatur des Klimawandels sozusagen in Toto durchzugehen, dann kann ich natürlich immer einzelne Sachen aufwerfen und damit sozusagen die Leute dazu bringen, sich wieder damit beschäftigen zu müssen.
Wenn man dazu jetzt die politische Dimension nimmt und sagt, der Populismus ist in seiner kürzesten Form im Grunde genommen der Versuch, eine Trennlinie zu ziehen zwischen der realen Bevölkerung, dem sozusagen dem wahren Volk und dann auf der anderen Seite den Eliten.
Und dazu gehört natürlich die Wissenschaft, dazu gehört der Journalismus, dazu gehören im Grunde genommen vermutlich alle in diesem Raum. Und denen darf man nicht trauen, dann führt das natürlich zu einer doppelten Problematik, wenn wir versuchen, wissenschaftliche Ergebnisse zu finden.
so zu erklären, dass sie verständlich sind, dass sie akzeptiert werden können, dass sie eine gewisse Akzeptanz in der Bevölkerung finden, aber eben gleichzeitig kritisch dabei sind. Und ich glaube, die einzige Lösung für den... Wissenschaftsjournalismus ist natürlich, und das auch etwas, was wir seit Jahren diskutieren, ist natürlich eine kritische und unabhängige Berichterstattung. Das ist...
Gerade im Wissenschaftsjournalismus etwas, was wir immer wieder diskutiert haben, weil die Nähe des Wissenschaftsjournalismus zur Wissenschaft eine ganz andere ist als die Nähe des politischen Journalismus zur Politik. Und da ist, glaube ich, auch manchmal die Umarmung, die manche in der Wissenschaft dann gerne...
so vollziehen mit dem Wissenschaftsjournalismus, etwas, was tatsächlich dem Wissenschaftsjournalismus schadet. Also diese verschwimmende Trennlinie zwischen Wissenschaftskommunikation auf der einen Seite, also einer letztlich parteiischen Kommunikation und der unabhängigen wissenschaftsjournalistischen Perspektive, das ist tatsächlich
ein riesiges Problem. Ich möchte darauf hinweisen, wenn ich sage, ein Problem des Vertrauens. Ich meine an der Stelle ganz explizit Vertrauen in den Wissenschaftsjournalismus und nicht Vertrauen in die Wissenschaft. Und
Das ist etwas, wo sozusagen, glaube ich, dann auch die Interessen so ein bisschen auseinander gehen, weil wir als Wissenschaftsjournalisten müssen im Grunde genommen sehr, sehr kritisch hinterfragen, was eigentlich in den Strukturen der Wissenschaft auch schiefläuft, natürlich auch Ergebnisse kritisch hinterfragen. Und manchmal aus der Wissenschaft nicht ganz zu Unrecht das Gefühl kommt, je kritischer der Wissenschaftsjournalismus berichtet, umso mehr leidet das Vertrauen in die Wissenschaft.
Und da gibt es durchaus auch empirische Arbeiten dazu, die das durchaus belegen. Also je mehr wir als Wissenschaftsjournalisten natürlich berichten über Dispute in der Wissenschaft. umso mehr leidet in gewisser Weise das Ansehen der Wissenschaft. Auf der anderen Seite muss man natürlich ehrlicherweise sagen, eigentlich sollte es natürlich das Vertrauen in die Wissenschaft stärken. Und da kommen wir dann zurück zu dem Prozess. Das ist natürlich...
Das Problem, wenn wir immer nur den Leuten gesagt haben, hier ist ein Ergebnis und das ist Wissenschaft und damit stimmt das. und wir dann plötzlich dahin kommen zu sagen, okay, wir müssen aber jetzt diskutieren, weil da gibt es unterschiedliche Meinungen zu oder so, dann haben wir natürlich in den Menschen eine falsche Erwartung geweckt. Und das ist das, wo ich denke, dass der Prozess, also das ist...
Absolut entscheidend, glaube ich, in Zukunft, sowohl für den Wissenschaftsjournalismus wie auch für die Wissenschaft, dass man viel stärker darüber redet, wie Wissenschaft eigentlich stattfindet und warum die Wissenschaft, wenn sie bestimmten Standards gehorcht, durchaus...
vertrauenswürdig ist und das ist ja parallel zum Journalismus, weil der Journalismus ja auch, wenn er bestimmten Kriterien gehorcht, im Grunde genommen Vertrauen verdient hat. Das Problem der Aufmerksamkeit, ich wollte darauf nochmal ganz kurz zurückkommen. Eine Folie, die ich auch immer zeige, wenn ich über Missinformationen rede, ist diese hier. Das kommt aus einer Review-Arbeit von John Rosenbeck von 2023, wo es darum geht, was können wir eigentlich tun gegen Missinformationen.
Sie sehen, das obere Level sind im Grunde genommen all die Ansätze, die beim Individuum einsetzen, also im Grunde genommen Fact-Checking und Debunking, die Leute darauf hinzuweisen, wenn sie etwas teilen online. Zum Beispiel so eine Erinnerung, willst du das wirklich teilen? Hast du den Artikel, den du hier gerade teilst, wirklich gelesen? Glaubst du das wirklich? Und so weiter. Natürlich auch Medienkompetenz, Training, all diese Dinge.
Und dann gibt es eben auf der anderen Seite das System Level. Das sind die Algorithmen, die Business-Modelle. Das ist Gesetzgebung, das ist Geopolitik. Und ich habe für Science ein Paket von Geschichten geschrieben über Misinformationen kurz vor der Wahl. Und ich habe mit, ich weiß es nicht, 40, 50 Misinformation-Researchern gesprochen. Jeder einzelne von ihnen. Jeder einzelne.
Und die allermeisten arbeiten auf dem Individual-Level, weil sie als Psychologen arbeiten oder beziehungsweise weil das Dinge sind, die man natürlich in der Wissenschaft leichter testen kann. Jeder Einzelne hat gesagt, wir werden dieses Problem nicht dort oben lösen, in dem Maß, in dem es das Problem gibt, sondern wir werden das Problem nur auf dem System-Level lösen können. Und darum ist im Grunde genommen auch für mich die entscheidende...
Also wenn jemand jetzt fragt, ja und was machen wir jetzt? Du hast ja jetzt die ganze Zeit verbracht in den USA und was hast du dabei gelernt? Was machst du jetzt anders im Wissenschaftsjournalismus? Ich glaube tatsächlich, dass die entscheidende Schlussfolgerung für mich ist, das ist ein ungeheuer wichtiges, genuin...
wissenschaftliches Thema und wir müssen dieses Thema vor allen Dingen erstmal besetzen. Also ich finde das nicht ein Thema, das mir so viel Spaß macht, über Viren oder Bakterien zu berichten. Ich glaube aber tatsächlich, dass wir im Wissenschaftsjournalismus Diese Thematik, diese Fragen rund um unser Informationsökosystem, dass wir die viel stärker beachten müssen und viel klarer machen müssen, was sind die Fragen, die da immer noch kommen.
Darum wollte ich auch heute in dem Vortrag diese unterschiedlichen Herangehensweisen nochmal beschreiben, weil ich glaube, so häufig, wenn wir über dieses Thema reden, wird es erstmal als gegeben hingenommen, okay, wir befinden uns sozusagen in einer Krise des Informationsökos, wir befinden uns in dieser Krise, aber...
Was genau die Krise ist, was genau da passiert und warum es passiert, das ist im Grunde nicht ganz klar und das ist Gegenstand aktueller Forschung und das ist die Art von Forschung, die unsere kritische... als Wissenschaftsjournalisten im Grunde genommen braucht. Und dann gleichzeitig eben der Appell, dass wir als Wissenschaftsjournalisten eben nicht stehen bleiben können dann dabei, sondern dass wir...
Diese Fragen, die Geopolitik, die Gesetzgebung, wir haben in Europa den Digital Services Act, der im Grunde genommen vieles richtig macht, der im Grunde genommen viele Dinge... festschreibt, die wir dringend brauchen. Also zum Beispiel Datenzugang für Wissenschaftler, die genau diese Probleme untersuchen wollen. Also dass ich die Chance habe, als Wissenschaftler zu sagen, ich will jetzt aber die Daten von X oder von Facebook haben.
die mir erlauben nachzuschauen, wie viel Missinformation da eigentlich zirkuliert und wer die genau konsumiert. Und das sind wichtige Dinge. Und gleichzeitig sehen wir jetzt schon, dass sie Gegenstand der Geopolitik geworden sind. Also dass die neue US-Regierung... schon bevor sie überhaupt im Amt war, sehr klar gemacht hat, dass es, wenn es um die großen Fragen geht, Dinge wie NATO, dass diese Fragen, ob Europa die...
sage ich mal, die Nutzer von Facebook oder von X, ob die das regulieren können, was die sehen und ob es dort zum Beispiel zu Fact-Checking kommt oder nicht, dass das etwas ist, was die tatsächlich als Verhandlungsmasse sehen. Die Europäische Kommission hat bereits die Verfahren, die ja bereits laufen unter diesem Digital Services Act, die Verfahren gegen Meta und X erstmal auf Eis gelegt, sozusagen als so eine Art Signal von vornherein, dass auch...
offensichtlich von EU-Seite, so habe ich das zumindest interpretiert, dass es eine Verhandlungsmasse ist. Und das ist, glaube ich, für mich das Entscheidende, dass wir die Komplexität der Problematik erkennen und bereit sind, uns damit auseinanderzusetzen und dann eben auch... Mit klarer Trennung zwischen dem, was wir wissenschaftlich erkennen können und den Fragen, die es gibt und der Frage, was kann man eigentlich dagegen tun, im Grunde genommen vorwärts gehen.
Nach einem Jahr in den USA, wo die Situation viel schlimmer ist, das muss man ja auch mal dazu sagen. Also wenn in Deutschland über den Vertrauensverlust geredet wird und dann schaut man sich an, die Mainzer Langzeitstudie zum Beispiel zum Vertrauen in die Medien.
In Deutschland hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen nach wie vor ein wahnsinnig hohes Vertrauen zum Beispiel. Also all diese Dinge sind Dinge, die wir in den USA im Moment sehr klar sehen. Nicht alles davon wird genauso... bei uns passieren, aber es sind natürlich Entwicklungen, die kommen könnten und darum ist es, glaube ich, wichtig, das zu begleiten und das ist vielleicht das, was ich am meisten mitgenommen habe aus meiner Zeit, dass ich es irgendwie als meine Aufgabe empfinde.
Das ist nicht genusssteuerpflichtig, aber diese Dinge, sich damit zu beschäftigen und darüber zu schreiben, ist, glaube ich, für die nächsten Jahre, besonders für die nächsten vier Jahre, glaube ich, entscheidend. Ich würde es dabei belassen. Ich bin mir sicher, es gibt Fragen.
Dankeschön. Das war Kai Kupferschmidt, Wissenschaftsjournalist und derzeit Gastprofessor für Wissenschaftskommunikation an der Uni Heidelberg, mit einem Vortrag über die Rolle von Wissenschaftskommunikation in Zeiten von Missinformation, Desinformation, Verschwörungsmythen. Viele wichtige Punkte, die er da anspricht, finde ich.
Ja und übrigens zu Wissenschaftskommunikation und Fake News, aber auch zu vielen, vielen anderen Themen aus den unterschiedlichsten Wissensbereichen gibt es bei uns noch viel mehr Vorträge. Alle unsere vergangenen Folgen aus wirklich mehreren Jahren könnt ihr in der Deutschlandfunk.
App in unserem Podcast Feed finden oder auf unserer Seite deutschlandfunknova.de slash Hörsaal. Wühlt euch einfach mal da durch, da ist sicher was für euch dabei. Ja und wenn ihr uns abonniert, dann gibt es zwei neue Vorträge pro Woche. Mein Name ist Katrin Ohlendorf. Für dieses Mal sage ich Tschüss. Die nächste Folge kommt von meiner Kollegin Sibylle Salewski, glaube ich jedenfalls. In jedem Fall wird es spannend. Bleibt neugierig, bleibt kritisch, passt auf euch auf und macht's gut.
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