Bücherverbote in den USA - Kreativer Widerstand gegen die Zensur - podcast episode cover

Bücherverbote in den USA - Kreativer Widerstand gegen die Zensur

Mar 07, 202549 min
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Summary

In diesem Vortrag analysiert Heike Schäfer Bücherverbote in den USA als Bedrohung der Demokratie und untersucht literarische Gegenstrategien wie Erasures. Sie beleuchtet die Rolle von Zensur und Meinungsfreiheit im Kontext aktueller gesellschaftlicher Auseinandersetzungen und stellt die Frage, wie Literatur als kulturelle Praxis zur Diskussion um demokratische Teilhabe beiträgt. Dabei wird auch auf die Bedeutung von kommunikativem Austausch und Erfahrungsprozessen eingegangen.

Episode description

Ein Vortrag der Literaturwissenschaftlerin Heike Schäfer
Moderation: Sibylle Salewski

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Immer häufiger werden an US-amerikanischen Schulen Bücher mit diversen oder queeren Inhalten verboten. Der kreative Widerstand dagegen ist ein Beispiel für gelebte Demokratie.

Heike Schäfer ist Professorin für Amerikanistik an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Ihr Vortrag hat den Titel "Im Zeichen der Zensur: Über Bücherverbote und ästhetische Verfahren des Auslöschens in der amerikanischen Gegenwartsliteratur". Sie hat ihn am 27. Januar 2025 in Frankfurt gehalten im Rahmen der Vortragsreihe "Was heißt 'Demokratische Lebensform'?" des Projekts "Democratic Vistas. Reflections on the Atlantic World" am Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

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+++ Deutschlandfunk Nova +++ Hörsaal +++ Wissenschaft +++ Literaturwissenschaft +++ USA +++ Banned Books +++ Zensur +++ Literatur +++ US-amerikanische Schulen +++ Queerness +++ Diversität +++ Bildung +++ Erziehung +++

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Quellen aus der Folge:

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Transcript

Deutschlandfunk Nova. Deine Podcasts. Hörsaal. Willkommen, ich bin Sibylle Zalewski. In Büchern werden Geschichten erzählt und manche dieser Geschichten finden wir toll, andere passen uns vielleicht überhaupt nicht. Das ist eigentlich kein Problem. Ich lese die Bücher, die mir passen, du kannst die Bücher lesen, die dir gefallen. Aber... Manche Menschen halten bestimmte Geschichten in Büchern für so gefährlich, dass sie der Meinung sind, sie gehören verboten, besonders an Schulen.

In den USA haben Aktivisten, die sich dafür einsetzen, Bücher zu verbannen, in letzter Zeit immer häufiger Erfolg. Das berichtet zum Beispiel der US-amerikanische Autorenverband Penn. Laut Panamerica gab es im Schuljahr 2023 über 10.000 Bücherverbote an amerikanischen Schulen, die überwiegend von konservativen Elterninitiativen und politischen Gruppierungen angestrengt wurden.

Das Ausmaß und das sich steigernde Tempo der Verbotsverfahren sind alarmierend. In den Verbotsverfahren und Gegeninitiativen wird über Rede Freiheit. Also die Frage, wer was wo wie zu wem und über wen sagen darf, gestritten. Dabei geht es nicht nur darum, welche Bücher in einer bestimmten Bibliothek stehen dürfen. sondern letzten Endes werden Formen kultureller Teilhabe verhandelt. Es geht darum, wer zur Mehrheitsgesellschaft gehört und wer ausgegrenzt wird.

Bücherverbote bedrohen unser demokratisches Miteinander. Schließlich ist für Demokratie wohl kaum etwas so wichtig wie das Aushalten von anderen Meinungen, die einfach nicht meiner eigenen entsprechen. Heike Schäfer, unsere Rednerin heute, ist Amerikanistin. In ihrem Vortrag geht es darum, wie sich Menschen und Autoren in den USA kreativ mit Zensur und Bücherverboten und dem Widerstand dagegen auseinandersetzen.

Dabei geht sie besonders auch auf ein literarisches Mittel ein, das sich ganz besonders mit Zensur beschäftigt, den sogenannten Erasures. Erasures, das kann man vielleicht übersetzen in etwa mit Ausradierungen oder Löschungen. Funktionieren tut das Ganze so. Man nimmt einen Text, ein offizielles Dokument zum Beispiel, vielleicht ein Einbürgerungsformular und dann schwärzt man Wörter und Sätze so, dass die Wörter, die übrig bleiben, einen neuen Sinn ergeben.

Heike Schäfers Vortrag hat den Titel Im Zeichen der Zensur über Bücherverbote und ästhetische Verfahren des Auslöschens in der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Sie hat diesen Vortrag gehalten am 27. Januar 2025 an der Goethe-Universität Frankreich. Also die übergeordnete Frage. Dieser Vorlesungsreihe lautet, was heißt demokratische Lebensform? Und Demokratie als Lebensform zu begreifen, heißt sie als Form des Zusammenlebens zu begreifen.

Das heißt nicht, dass wir einfach nur eine andere Ebene außer der Demokratie als Staatsform angucken, die irgendwie auch relevant ist, sondern dass wir einen Perspektivwechsel vornehmen, der uns erlaubt, die zentrale Bedeutung anzugucken. die die Demokratie innerhalb unseres alltäglichen Lebens entfaltet. Denn die Demokratie ist ja kein Selbstzweck, sondern sie dient dazu, ihren Bürgerinnen ein möglichst selbstbestimmtes Leben in Gemeinschaft zu ermöglichen.

Der amerikanische Philosoph John Dewey hat dies so beschrieben. Die Aufgabe der Demokratie sei die Schaffung einer freieren und menschlicheren Erfahrung, an der alle teilhaben und zu der alle beitragen. The task of democracy is forever that of creation of a freer and more humane experience in which all share and to which all contribute.

Dewey versteht Demokratie als einen fortlaufenden sozialen Prozess, der die selbstbestimmte konstruktive und kooperative Entfaltung menschlichen Potenzials ermöglicht. Demokratie ist nicht vorrangig eine Regierungsform. deren Institutionen den Realitäten des täglichen Lebens dann auch manchmal... fremd bleiben können, sondern sie ist vor allem eine Lebensweise, a way of life, eine Form des Zusammenlebens und der gemeinsamen kommunizierten Erfahrung.

More than a form of government, it is primarily a mode of associated living, of conjoint communicated experience. Duis Entwurf der Demokratie als einer gemeinsamen, kommunikativ miteinander geteilten Erfahrung verdeutlicht, welche zentrale Rolle die Rede- und Meinungsfreiheit für das Gedeihen der Demokratie besitzt. In der amerikanischen Verfassung ist sie durch den ersten und nicht etwa den 27. Zusatz garantiert.

The First Amendment, das 1791, also drei Jahre nach der Verfassung, gratifiziert wurde, lautet Respecting an establishment of religion or prohibiting the free exercise thereof. Or abridging the freedom of speech or of the press. or the right of the people peaceably to assemble and to petition the government for a redress of grievances.

Die Meinungsfreiheit wird hier in Form von Religions-, Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit und dem Recht auf Petitionen geschützt. Sie ermöglicht ein selbstbestimmtes, repressionsfreies Leben in Gemeinschaft und ist somit kein Beiwerk, auch ganz nett, aber irgendwie verzichtbar, sondern von zentraler Bedeutung für unser demokratisches Zusammenleben.

Darum erstaunt es auch nicht, dass das Ringen um die Rede- und Meinungsfreiheit und damit um die Frage, wer von wem wie in welchem Kontext was sagen darf und wer nicht und wer genau darüber bestimmt. in den vergangenen Jahren zunehmend zu einem Schauplatz für die sogenannten Culture Wars zwischen rechten und linken politischen Positionen und konservativen und progressiven Weltbildern und Lebensentwürfen geworden ist.

Als Mark Zuckerberg vor ein paar Wochen in Vorbereitung auf Trumps zweite Amtszeit ankündigte, auf Metas Plattform das professionelle Faktenchecken einzustellen und Abteilungen, die sich mit der Regulierung von Inhalten befassen, vom eher liberalen Kalifornien ins eher konservative Texas zu verlegen. dies mit einer Rückkehr zur Redefreiheit. In einem Video. It's time to get back to our roots around free expression on Facebook and Instagram. I started building social media to give people a voice.

Es ist so schwierig, seit den letzten vier Jahren, wenn sogar der US-Görner hat gezwungen, um censorship. Aber jetzt haben wir die Möglichkeit, um free expression zu retten, und ich bin froh, um es zu nehmen. Im Gegensatz zu Zuckerbergs bewusst politisch aufgeladene Rhetorik würde ich die sozialen Netzwerke vor allem als ein Geschäftsmodell einordnen, das ihn nach der aktuellen Forbes-List zu dem viertreichsten Menschen der Erde gemacht hat.

Seine Geschäftsentscheidung wird seinem Unternehmen helfen, durch das Einstellen des professionellen Faktencheckens Kosten einzusparen. durch die Erhöhung umstrittener Inhalte, Nutzungsdauer, Verwertungsmöglichkeiten und somit Profite zu erhöhen und sich vor allem das Wohlwollen der Trump-Regierung zu sichern, die soeben dabei ist, flächendeckend die staatlichen Förderprogramme für Diversität, Gleichstellung und Gleichstellung und Inklusion einzustellen.

Zuckerberg versucht, seine Business-Entscheidung zu legitimieren, indem er sie als Abkehr von einer von den Demokraten angeblich gepushten Zensur und als einen beherzten Akt zur Rettung der Redefreiheit an Trumps Seite darstellt. Diese Strategie zeigt, wie sehr sich die Polarisierung der demokratischen Kultur im Streit um Cancel Culture, Wokeness, Zensur und Redefreiheit manifestiert.

In diesem Vortrag möchte ich daher aus meiner Perspektive als Amerikanistin und Literaturwissenschaftlerin untersuchen, wie die Bedingungen der kommunikativen Austausch- und Erfahrungsprozesse, die nach Dewey zentral für das gelingt, Lebensweisen sind, zurzeit in den USA durch Zensur und literarische Gegenrede ausgehandelt werden. Ich werde das in drei Schritten tun.

Zunächst skizziere ich Deweys Verständnis der Demokratie als Way of Life und gemeinsamer kommunizierter Erfahrung etwas ausführlicher. Dann befasse ich mich am Beispiel der Bücherverbote mit der Gegenwartsliteratur als Streitgegenstand einer seit Jahren eskalierenden Auseinandersetzung um demokratische Lebensform.

Und im dritten Teil wende ich mich dann der Literatur als kultureller Praxis zu, über die nicht nur gestritten wird, sondern die auch selbst mitstreitet, die also gesellschaftliche Diskussionen um Fragen kultureller Repräsentation und gesellschaftlicher Teilhabe aktiviert. Über die Demokratie wird momentan viel im Krisenmosus geredet.

Als Krisenphänomene werden häufig die Aushöhlung zuvor als stabil gesetzter demokratischer Grundwerte wie Freiheit, Gleichheit und Solidarität durch das Erstarken rechtspopulistischer Bewegung und autokratischer Regime die skeptische Distanz vieler BürgerInnen zu politischen Institutionen inklusive den früheren Volksparteien, der Verlust des Vertrauens in Presse und Medien durch Desinformationen und sogenannte Alternative Facts genannt.

Aber wenn wir mit Dewey die Demokratie nicht nur als Staatsform, sondern als Lebensweise ansehen, dann müssten wir eigentlich auch... die gegenwärtige Krise der Demokratie nicht nur als Krise unserer Gesellschaftsform wahrnehmen, sondern als eine Krise der Art unseres Zusammenlebens. Die Frage ist dann, ob unser Miteinander im Alltag selbstbestimmt und repressionsfrei

kooperativ und kommunikativ, gleichberechtigt und solidarisch ist oder wie es das in zunehmendem Maße werden könnte. Wir könnten die Demokratie also, um mit Dewey zu sprechen, als eine kreative Herausforderung. In seiner Rede mit dem schönen Titel Demokratie, die Aufgabe, die vor uns liegt, Creative Democracy, the task before us.

aus der ich eingangs schon zitiert habe und die er im Jahr 1939 verfasst hat, stellt Dewey in Anbetracht und demokratischer Entwicklung und totalitärer Systeme wie dem deutschen Faschismus fest, dass es ein fataler Fehler sei. die Demokratie vorrangig als ein bereits fertiggestelltes und damit auch unveränderliches politisches System zu begreifen. So geratet die Demokratie in die Krise. Er führt aus und

Ich war mir nicht sicher mit dem Deutsch-Englischen. Also ich würde sagen, ich lese jetzt mal meine Übersetzung vor auf Deutsch und wer möchte, kann sich das Original auf Englisch mit durchlesen. Wenn ich betone, dass diese Aufgabe... also die Schaffung der Demokratie, nur durch Erfindungsreichtum und Kreativität bewältigt werden kann, so liegt das zum Teil daran, dass die Tiefe der gegenwärtigen Krise zu einem beträchtlichen Teil darauf zurückzuführen ist,

lange Zeit so getan haben, als ob unsere Demokratie etwas wäre, das sich automatisch fortsetzt. Als ob es unseren Vorfahren gelungen wäre, ein Pipetum mobile im Bereich der Politik zu bauen. Wir haben so getan, als ob Demokratie etwas wäre, das sich hauptsächlich in Washington abspielt, solange Männer und Frauen einmal im Jahr oder so zur Wahl gehen.

Die Fixierung auf die Demokratie als Herrschaftsform ist für Duell der Hauptgrund für ihr potenzielles Versagen. Die Vorstellung, dass die Demokratie ein Selbstläufer sei, Eine Art politischer Mechanismus, der unter minimaler Bürgerbeteiligung immer weiter laufe, ist für ihn höchst problematisch, weil sie die demokratische Staatsform von der persönlichen Erfahrung, dem Alltagsleben

und auch der Verantwortung des Einzelnen abkoppelt. Daher schlägt er stattdessen vor, die Demokratie als eine Lebensform A personal way of individual life, eine persönliche Art der individuellen Lebensgestaltung zu begreifen. den jeder Einzelne und auch jede Generation durch die im täglichen Leben kultivierten Einstellungen, Haltungen und Gewohnheiten neu hervorbringen und mitgestalten müsse.

In diesem Sinne stellt die Demokratie eine kreative Herausforderung dar. Entsprechend stellt Dewey die alltäglichen Erfahrungsprozesse der BürgerInnen ins Zentrum seiner Betrachtung. Er ist überzeugt, dass es nicht ausreicht, Strukturen, Regeln und Normen vorzugeben und formell durchzusetzen, um die Demokratie zu erneuern.

wie Gleichberechtigung und die Wertschätzung von Vielfalt im täglichen Miteinander praktiziert und sich von den BürgerInnen so weit zu eigen gemacht werden, dass sie ihre persönliche Lebensgestaltung prägen. Der demokratische Grundsatz der Gleichheit beispielsweise müsste im Miteinander, im alltäglichen Gespräch mit Nachbarn oder Freunden umgesetzt werden, sonst sei das nur Papiergeraschel.

Dieser Glaube mag in Gesetzen verankert sein, aber er steht nur auf dem Papier, wenn er nicht in der Haltung, die die Menschen einander in allen Ereignissen und Beziehungen des täglichen Lebens entgegenbringen, in Kraft gesetzt wird. Den Nationalsozialismus wegen Intoleranz, Grausamkeit und Aufstattung zum Hass anzubrangern bedeutet, der Unaufrechtlichkeit Vorschub zu leisten.

Wenn wir uns in unseren persönlichen Beziehungen zu anderen Menschen, in unserem täglichen Umgang und Gesprächen mit ihnen von Vorurteilen aufgrund der Rasse, Hautfarbe oder einer anderen Klasse leiten lassen oder von irgendetwas anderem.

als dem großzügigen Glauben an ihr menschliches Potential, einem Glauben, der die Notwendigkeit mit sich bringt, Bedingungen zu schaffen, die es diesem Potential ermöglichen, sich zu entfalten. Es geht Dui hier nicht darum, um eine moralisierende Mahnung, sich nun bitte selbst mal an die Nase zu fassen, sondern darum,

Das demokratische Prinzip der universellen Gleichheit aller Menschen nicht nur als ein abstraktes Recht wahrzunehmen, sondern auch im Alltag selbst zu verwirklichen und es dabei als eine solidarische Verpflichtung zu begreifen, die Voraussetzungen zu schaffen oder zumindest es nicht auszuhebeln, die es anderen erlauben, ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Duis Verständnis der Demokratie als Lebensweise setzt also ein Glauben an die prinzipielle Mündigkeit und Intelligenz unserer Mitmenschen voraus.

der der Zeit vielen, mir auch, zu fehlen scheint, manchmal. Das war 1939 genauso. Geradezu bockig besteht Dewey darauf, dass der Glaube an die Intelligenz der Mitbürger nur für die Verfechter totalitärer Systeme, egal ob rechts oder links, eine Utopie sei. I'm willing to leave to upholders of totalitarian states of the right and the left the view that faith in the capacities of intelligence of common people is utopia.

Als gemeinsam durch Begegnung, Kommunikation und Austausch gestaltete und fortwährend weiterzuentwickelnde Lebensweise erscheint mir höchst relevant für die Herausforderung, vor dem wir heute stehen. Natürlich kannte Dewey 1939 keine digitalen Filter blasen, aber er wusste sehr genau, was Rassismus und Hate Speech, Desinformation und Zensur waren.

Nationalsozialistische Studierende hatten sechs Jahre zuvor in Deutschland Bücher verbrannt, um das Werk jüdischer Schriftsteller, Intellektueller und Wissenschaftler und anderer aus politischen Gründen Geächteter aus dem kulturellen Gedächtnis zu löschen. Die Bücherverbrennungen waren Teil einer vierwöchigen Aktion mit dem Titel »Wieder den undeutschen Geist«, die nicht etwa zentral von der NSDAP, sondern von der deutschen Studentenschaft.

einem Dachverband der ständischen Selbstverwaltung, entwickelt und organisiert und von Studierenden durchgeführt wurde, wie dieser Aktionsplan zeigt. Die Bücher wurden aus Privathaushalten, Bibliotheken und Buchhandlungen aussortiert, zentral gesammelt und öffentlich vor mehreren tausend Zuschauern verbrannt.

Unter den 70.000 Zuschauern, die sich in Berlin eingefunden hatte, war Erich Käßner mit dabei. Der sah, wie man seine Bücher gemeinsam mit den Schriften von Autoren wie Freud, Einstein, Marx, Rosa Luxemburg, Heinrich Heine, Thomas und Heinrich Mann, Anna Segers.

Else Laskers Schüler verbrannte. Der Zensur folgten Bedrohungen, Berufsverbot, Verfolgung und oft Exil oder Tod. Für Dewey Closer to Home In New York hatten sich im Februar 1939 über 20.000 Menschen bei einer Veranstaltung des amerikadeutschen Bundes im Madison Square Garden versammelt. um eine antisemitische nationalsozialistische Form des sogenannten Amerikanismus zu feiern.

Man sieht auf diesem Bild die Vereinnahmung demokratischer Traditionen und Symbole durch die Faschisten deutlich an der Ikonografie der Veranstaltung. Das riesige Porträt des ersten amerikanischen Präsidenten George Washington hinter dem Sprecherpult wird rechts und links gerahmt von den Flaggen des amerikadeutschen Bunds, auf denen mittig ein Hakenkreuz prangt. So auch auf diesen Bannern.

Ich finde es ermutigend, dass Dewey in der Lage war, zu diesem historischen Zeitpunkt von der Demokratie als kreative Herausforderung und Way of Life zu sprechen. und als Grundlage der Demokratie das respektvolle, kommunikative Miteinander und den Glauben an das gemeinsame menschliche Potenzial definierte. Und das bringt mich zum zweiten Teil meines Vortrags, dem gegenwärtigen Ringen.

um demokratische Meinungsbildung und Äußerung. Denn bei der aktuellen Diskussion um die Grenzen der Redefreiheit und die Bücherverbote geht es sowohl um Fragen kultureller Teilhabe, als auch um unser Vertrauen in die demokratische Mündigkeit und Urteilskraft unserer Mitbürger. Dies verdeutlicht folgendes aus dem Alltag gegriffene Beispiel.

Die New York Times hat eine Kolumne, in der der bekannte Philosoph Kwame Anthony Appiah Leserbriefe beantwortet und Ratschläge zu ethischen Problemen seiner Leser erteilt. Vor zwei Wochen stellte jemand eine Frage. der in seinem Vorgarten eine Little Free Library, also einen kleinen Bücherschrank stehen hat, der es den Nachbarn ermöglicht, untereinander Bücher auszutauschen. Und jemand hatte begonnen, regelmäßig religiöse Kinderbücher

in den Bücherschrank zu stellen, die die Evolution leugnen, behaupten, dass die Erde nur tausend Jahre alt ist, dass die Menschen gemeinsam mit den Dinosauriern gelebt haben und so weiter. Das stellte dem Besitzer dieses Bücherschranks Notfall ein ethisches Dilemma.

Grundsätzlich waren sie gegen Zensuren und sehr besorgt auch darüber, dass zum Beispiel Queer-Literatur aus Schulbibliotheken geräumt wurde. Gleichzeitig wollten sie gerne diese religiösen Schriften aus ihrem Bücherschrank verbannen. Darum stellten sie die Frage. In seiner Antwort. stellte der Ethicist, das ist wirklich eine ganz lustige, also ich sehe, es gibt andere, die das auch öfter lesen.

Zunächst klar, dass es einen Unterschied zwischen dem privaten und öffentlichen Raum gibt und dass die Besitzer des Bücherschranks nicht die gleiche Verantwortung für eine pluralistische öffentliche Meinungsbildung tragen wie die Bibliothekare einer aus Steuermitteln finanzierten. Sie könnten daher Ihren Bücherschrank nach Belieben kuratieren. Das sei keine Zensur. Ganz im Sinne Deweys redet er dann allerdings doch auf die Mündigkeit der Mensch-Menschen zu vertrauen. Er schreibt.

Werfen Sie also diese kreationistischen Bücher weg, wenn Sie wollen. Ich bezweifle jedoch, dass das viel bringen würde. Eltern, die den Kreationismus fördern wollen, werden sich dadurch nicht abhalten lassen. Andere Eltern könnten sie nutzen, um kreationistische Ansichten zu kritisieren. Beide werden einen Weg finden, über ihren Tellerrand zu schauen.

Idiomatische Redewendungen sind immer schwierig zu übersetzen. Also im Original heißt es, both will find a way to think outside your box. Das Wortspiel ermahnt also sacht die Ratsuchenden, sich nicht so wichtig zu nehmen. und aufzuhören, kleingeistig ihre Umwelt micromanagen zu wollen. Der Streit um unterschiedliche Meinungen und Weltbilder gehört zu einer demokratischen Kultur dazu.

Wie die frühe Herausgeberin des Wilson Library Bullitins, Mary Jo Goodwin, einmal anmerkte, a truly great library has something in it to offend everyone. Unter den vielen Büchern einer Bibliothek wird es also im besten Fall immer ein Buch geben, an dem irgendjemand Anstoß nimmt. So funktioniert pluralistische Meinungsbildung. Es wird niemand gezwungen, genau dieses Buch gegen seinen Willen zu lesen.

Gleichzeitig zeigt dieser Leserbrief aber auch, wie die Welle an Bücherverboten in amerikanischen Schulen und Bibliotheken in den letzten Jahren zu einer Sensibilisierung gegenüber Fragen der Zensur geführt hat, die vom Öffentlichen ins private Leben hinüberschwemmt. Diese erhöhte kritische Aufmerksamkeit ist wichtig. Weil es sich bei diesen Beschwerden mittlerweile oft nicht mehr um die Eingaben von Büchereinutzern oder Eltern gegen einzelne Buchtitel handelt, sondern um politisch

motivierte Aktionen, die flächendeckend durchgeführt werden. Diese werden zum Teil von einzelnen Politikern oder politisch vernetzten Gruppen. wie etwa den rechtskonservativen Moms of Liberty initiiert. Oder einzelne Antragsteller nutzen in ihren Beschwerden die schwarzen Listen und Argumentationshilfen, die von den politischen Gruppierungen ins Netz gestellt werden.

Das hat nach Angaben der American Library Association das Beschwerdeverhalten stark verändert und ist einer der Gründe, warum die Zahl der Verbotsverfahren so schnell angeschrieben ist. statt für einzelne Bücher ein Verfahren anzustrengen. Also zum Beispiel zu fördern, genau dieses Buch sollte nicht in der Kinderabteilung stehen, sondern eher bei den Erwachsenen.

würden Gruppen und Einzelpersonen häufig in den Anträgen das Verbot von Dutzenden oder gar Hunderten von Büchern verlangen. Hier wird ein systematisches Vorgehen der Beschwerdeträger deutlich. Die von der ALA und Pan America veröffentlichten Studie zeigen, wie sprunghaft die Bücherverbote an öffentlichen Schulen und Bibliotheken in den vergangenen drei Jahren angestiegen ist.

Laut Panamerica gab es im Schuljahr 2023 über 10.000 Bücherverbote an amerikanischen Schulen, die überwiegend von konservativen Elterninitiativen und politischen Gruppierungen angestrengt wurden. Die Zensur betrifft vor allem Jugendliteratur von oder über Nichtweise und Queere Menschen sowie Texte, die sich mit Themen wie Gewalt, Sexualität

Rassismus, Drogenmissbrauch und psychischer Gesundheit befassen. Ein kurzer Blick auf die von der American Library Association erstellte Liste der 2023 am häufigsten von Verbotsverfahren betroffenen Büchern, und das können Verfahren sein, die darauf zielen, entweder das Buch ganz auszusondern oder eben Zugriffsrechte auf irgendeine Art einzuschränken, zeigt dies.

Die drei Bücher, gegen die laut der ALA und es gibt verschiedene Listen von verschiedenen Gruppierungen und die sehen dann zum Teil anders aus. Da komme ich gleich noch drauf zu sprechen. Also die drei. gegen die am häufigsten Verbotsverfahren eingeleitet wurden. 2023 sehen Sie hier, das sind allesamt Non-Fiction, Memoirs oder Sachbücher, die sich mit queerer Identität und Sexualitäten befassen.

George Johnson's All Boys Aren't Blue und Juno Dawson's This Book Is Gay. Genderqueer wurde 106-mal angefochten. Die anderen etwas weniger. Die nächsten drei Bücher sind interessanterweise Romane. Auf Platz 4 findet sich The Perks of Being a Wallflower aus dem Jahr 1999. Und auf Platz 6 immer noch mit 62 Verbotsverfahren The Bluest Eye von Toni Morrison. Ein bahnbrechender Klassiker der afroamerikanischen Literatur von 1970.

Als Gründe werden auch bei den Romanen die explizite Darstellung von Sexualität, von sexueller Gewalt wie Vergewaltigung und Inzest und von Queeren und Equality, Diversity und Inclusion Content, also Diversität. Betroffen sind von diesen Verbotsfällen, diesen über 10.000, dann insgesamt 4.200 Einzeltitel. Das Ausmaß und das sich steigernde Tempo der Verbotsverfahren sind alarmierend.

Es überrascht nicht, dass die American Library Association anscheinend die einzige Bibliotheksgesellschaft weltweit ist, die eine eigene Abteilung für den Widerstand gegen Zensurmaßnahmen unterhält, das Office for Intellectual Freedom.

Die Verpflichtung, gegen Zensur zu kämpfen, ist Teil der Library Bill of Rights der ALA. Wie James LaRue, der der diese Abteilung für mehrere Jahre geleitet hat, anmerkt, haben allerdings mittlerweile mehrere Forschungsprojekte in Missouri, Oregon und Texas nachgewiesen, dass der ALA von den meisten Verbotsverfahren gar nichts erfährt.

Besonders aus Gegenden, wo die erfolgreich sind. Aus Texas würden nur drei Prozent der Verfahren überhaupt gemeldet. Aus Oregon 18. Also die Dunkelziffer liegt wesentlich, wesentlich höher. Die Bücherverbote fügen sich nahtlos in andere rechtskonservative Versuche ein, auf der Ebene der Gesetzgebung politisch Einfluss zu nehmen auf Lehrpläne und Unterrichtsmaterialien.

um im Backlash gegen die Förderung von Diversität, Gleichstellung und Inklusion, die als eine Form der liberalen Indoktrination vehement abgelehnt wird, die Hegemonie der eigenen Überzeugungen und die eigenen Privilegien abzusichern. Ein bekanntes Beispiel ist das sogenannte Don't Say Gay Gesetz von 2022. Das verbietet sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität in Florida in öffentlichen Schulen zum Unterrichtsgegenstand zu machen.

Es gibt in anderen Staaten, zum Beispiel Missouri oder Utah, Tennessee, ähnliche Gesetze, aufgrund derer Bibliothekarinnen und Lehrern strafrechtliche Konsequenzen drohen, wenn sie zensierte Inhalte für SchülerInnen zugänglich machen. Das setzt die Bibliotheken und Schulen und ihre Mitarbeiter natürlich weiter unter Druck und führt zum Teil auch dann zu vorauseilendem Gehorsam und Selbstzensur.

Wer sich für die Erfahrung und Sicht der Bibliotheksmitarbeiter näher interessiert, findet zum Beispiel in dem von Shannon Oldman 2023 herausgebenden Band. The Fight Against Book Bans, Perspectives from the Field, aufschlussreiche Beiträge. Die Moms for Liberty, die nach eigenen Angaben mittlerweile über 120.000 Mitglieder in 48 Staaten haben, stellen diesen Zusammenhang in ihrem Jahresbericht als Erfolg dar.

wie man in dieser Liste von Gesetzesinitiativen sieht, bei dem sie meinen, entscheidend Einfluss auf Schulpolitik, auf Schulgesetze genommen zu haben. Es geht bei den Bücherverboten in zunehmendem Maß also nicht um das Austragen von Konflikten über unterschiedliche Interessen und Meinungen und divergierende Wertvorstellungen und Weltbilder im persönlichen Gespräch und direkten Umgang miteinander.

und den örtlichen Institutionen, was ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Lebensform nach Dewey wäre. Stattdessen summieren sich diese Buchverbote zu einem systematischen Angriff auf die Rede- und Meinungsfreiheit, die dazu dient, die Förderung von Diversität, Gleichstellung und Inklusion zurückzudrehen.

Denn die Buchverbote richten sich, wie gesagt, meist nicht gegen Klassiker wie Twains, Huck Finn, die rassistische Ausdrücke wie das N-Wort enthalten, sondern gegen Bücher, die von oder über. James LaRue stellt klar, American censorship attempts mostly come from current demographic majorities. Seeking to suppress writings based on the experiences of current demographic minorities. Die Metapher, die Sue Kerry Janssen in den späten 80ern für Zensur gefunden hatte, trifft es noch immer.

Zensur ist der Knoten, der Macht und Wissen zusammenbindet. Das ist der Titel ihres Buches. Censorship, the knot that binds power and knowledge. Panamerika stellt dann auch eine Parallele zu früheren Phasen in der amerikanischen Geschichte her, in denen als progressiv oder links wahrgenommene Menschen und Inhalte ausgegrenzt, verfolgt und so zum Schweigen gebracht werden sollten. hätten wir nun eine Ad-Scare. Allerdings gibt es auch vermehrt Widerstand gegen diese Form der Zensur.

Dazu gehören Schülerproteste und Streiks, genauso wie Gegeninitiativen von Buchhandlungen, Büchereien, Schriftstellerverbänden und anderen Organisationen wie der Freedom to Read Foundation oder der National Coalition Against... die die Zirkulation der verbotenen Bücher und eine breite Diskussion über Zensur gewährleisten soll. Bereits seit 1982 gibt es die jährlich von der ALA und Buchhändlern organisierte Band Book Week, die durch Lesungen

Diskussionen und andere Events darauf aufmerksam macht, dass auch einige der beliebtesten Bücher und Bestseller zu den beanstandeten oder verbotenen Büchern gehören. In amerikanischen Buchläden findet man mittlerweile Zunehmend Band, Book, Tische und Displays, die Leser nahelegen, insbesondere die von Bücher belegten Titel zu lesen oder sich über die Bedeutung ihrer Zensur.

oder der Redefreiheit im Allgemeinen Gedanken zu machen. Hier ist ein Beispiel aus einer New Yorker Buchhandlung, Strands, im Sommer letzten Jahres. Eine Umfrage der American Library Association aus dem März 2022 zeigt allerdings, dass die meisten Amerikaner Bücherverbote nach wie vor als undemokratisches ablehnen.

Also es ist wirklich eine Minderheit, die aber sehr mächtig und gut organisiert und willig ist, sich einzusetzen und auch in Schulräte wählen zu lassen und so weiter, die über die Redefreiheit der Mehrheit besteht. stimmt, die nicht ihrer Meinung ist, dass es die Umfrage gewesen und man sieht, dass relativ unabhängig von der politischen Überzeugung die Bücherverbote abgelehnt werden. Unter den befragten Demokraten sind es 75 Prozent und unter den Republikanern 70 Prozent, die es ablehnen.

dass in ihren öffentlichen Bibliotheken Bücher verboten werden. Sie scheinen Dewey recht zu geben, der in kreative Demokratie feststellt, Bloß rechtliche Garantien der bürgerlichen Freiheiten, des freien Glaubens, der freien Meinungsäußerung, der Versammlungsfreiheit nützen wenig, wenn im täglichen Leben die Redefreiheit, das Äußern und Anhören von Ideen, Fakten, Erfahrungen,

durch gegenseitiges Misstrauen, durch Missbrauch, durch Angst und Hass erstickt wird. In den Verbotsverfahren und Gegeninitiativen wird über Rede Freiheit. also die Frage, wer was wo wie zu wem und über wen sagen darf, gestritten. Dabei geht es nicht nur darum, welche Bücher in einer bestimmten Bibliothek stehen dürfen. sondern letzten Endes werden Formen kultureller Teilhabe verhandelt. Es geht darum, wer zur Mehrheitsgesellschaft gehört und wer ausgegrenzt wird.

Und das bringt mich schon zum dritten Teil meines Vortrags, in dem ich am Beispiel der zurzeit populären Form der Erasures kurz erklären möchte, wie in der Gegenwartsliteratur solche Ausgrenzungsprozesse kreativ reflektiert. und mittels ästhetischer Verfahren demokratische Alternativen entwickelt werden. Denn die Literatur fungiert ja nicht nur als Streitgegenstand der eskalierenden Culture Wars, sondern sie gestaltet

gesellschaftliche Diskussionen um demokratische Teilhabe auch aktiv mit. Was also ist oder sind Erasures? Unter Cultural oder Social Erasure wird im Englischen das Auslöschen, Zerstören, Unsichtbar machen oder auch das zum Schweigen bringen von oft bereits marginalisierten Gruppen verstanden. oder aber das absichtliche Ausblenden und Ignorieren von Ereignissen, wie zum Beispiel Gewalt gegen diese Gruppen.

Typische Beispiele wären die Aussparung indigener und nicht-weißer, weiblicher oder auch queerer Perspektiven in historiografischen und soziokulturellen Diskursen. Ob nun in Form von lückenhaften oder dezidiert rassistischen, sexistischen, homo- oder transphoben Darstellung. Im Protest gegen Formen von Cultural Erasure geht es also im Kern immer um Fragen der kulturellen Repräsentation und sozialen Teilhabe.

wie diese Bilder von Protesten gegen amtliche Sprachregelungen, Gesetze im Bildungsbereich und soziale Ungerechtigkeit zeigen. In der Literatur und Kunst wird Erasure seit langem als ästhetisches Verfahren eingesetzt. Die Wurzeln reichen in die Konzeptkunst der 50er Jahre zurück und auch zu prozeduralen Poetiken der Avantgarde seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Und es gibt natürlich noch eine viel längere literarische Tradition der Parodie oder des Reframings von Zensur, um Dissens auszudrücken.

In den letzten Jahrzehnten oder im letzten Jahrzehnt vor allem haben Erasures einen wahren Boom erlebt. Vor allem während Trumps erster Regierungszeit zirkulierten Autoren Erasures von Trumps Reden. und von Regierungsdokumenten im Internet und in sozialen Medien, um gegen seine Politik zu protestieren und Allianzen zu schmieden. Zum Beispiel links ist...

Für die Einbürgerung ein Formular, was so gelöscht wurde, dass man nur noch die Worte lesen kann. Have you been in total terror? Yes or no? Das reicht. Mehr muss man nicht wissen. Viele von diesen Erasures sind mittlerweile aus dem Internet auch wieder verschwunden, aber die Form hat ihren Weg in den Mainstream genreübergreifend gefunden. Beispiele wären...

Der Gedichtsband Wade in the Water, der damaligen Poet Laureate of the United States, Tracy K. Smith, der eine Erasure der Unabhängigkeitserklärung beinhaltet. Oder aber der Gewinner des National Book Awards for Fiction im vorletzten Jahr, Justin Torres' Queer Roman Blackouts. Und es kommen permanent neue Werke dazu. wird zunehmend kommerzialisiert und spielerisch eingesetzt.

Auslöschungen werden als ein Schreibspiel wahrgenommen, das nicht nur von etablierten Autoren, sondern auch von Lesern gespielt werden kann. Also man nimmt einfach einen beliebigen, bereits veröffentlichten Text und löscht einen Teil seiner Sprache aus, indem man Teile davon durchstreicht.

oder ausschneidet oder übermalt und verwandelt so diesen Text in eine Folge von Wörtern und Lücken, die dann das neue Werk ausmachen. Bei diesem Beispiel sieht man, wie das mittlerweile auch spielerisch und gleichzeitig sehr politisch kommerzialisiert wird. Klappentext weist seine Leser an, die gesammelten politischen Dokumente zu dekonstruieren und neu zu verwenden, um sich selbst und das, wofür man sich steht, auf kreative Weise auszudrücken.

It's a creative way to express yourself and what you stand for. Das sind alles Dokumente, die natürlich in der Public Domain sind, die man sich selber irgendwo besorgen könnte, aber man kann auch 16 Dollar bezahlen, dann hat man ein echtes Buch und dann kann man das zu seinem persönlichen Manifest umarbeiten. Erasure als eine literarische Form der Aneignung oder der Appropriation kann offensichtlich ganz unterschiedliche ästhetische und soziokulturelle Ziele verfolgen.

Hommage an einen Vorgänger leisten wie zum Beispiel hier Radios. Das ist eine Erasure von Paradise Lost zum Beispiel. Oder es kann dazu dienen, wirklich Kritik an dem Original zu äußern. Oder es kann einfach zum Spaß gemacht werden. Also es hat keine an sich politische oder demokratische Funktion immer, aber es wird eben zunehmend dafür eingesetzt.

Ein Beispiel wäre das 2023 erschienene, der antirassistische Gedichtband The Ferguson Report in Erasure von Nicole Seeley, der den Bericht des US-Justizministeriums über antischwarze Polizei hat. und rassistisch motivierte gerichtliche Verfahrensweisen tilgt und überarbeitet. Der Bericht ist drei Jahre nach der Ermordung des afroamerikanischen Schülers Michael Brown durch die Polizei in Ferguson erschienen und zehn Jahre später liest sie ihn neu und unterzieht ihm halt dieser Auslöschung.

Was Erasures in unserem Kontext so interessant macht, ist, dass sie ein Instrument der Zensur, nämlich das Schwärzen oder Auslöschen von Textpassagen, und das kann man ja hier auch ästhetisch ganz gut sehen. Einsetzen, um soziale Ausgrenzungs- und Unterdrückungsprozesse und ihre psychologischen und sozialen Folgen ästhetisch erfahrbar zu machen. Da die Erasures aus Tilgungszeichen, also aus Leerstellen, geschwärzten Passagen, übermalten Flächen oder sogar Löchern.

bestehen und aus erhaltenen Textfragmenten, stellen Sie immer gleichzeitig die Prozesse Ihrer Herstellung der Auslöschung zur Schau. Sie besitzen damit eine Struktur, die man gut mit symbolischer Bedeutung aufladen kann und die man als formale Analogie für diskursive oder soziokulturelle Auslösungsprozesse

sowie für die Auseinandersetzung mit hegemonialen Diskursen und deren Neuschreibung verwenden kann. Um nur einige Namen zu nennen, Dichterinnen wie Janet Holmes, Lady Long Soldier, Francesco Levato, Travis McDonald, Philip Maitres, Nurbisi Philip, Nicole Seeley, Solmaz Sharif und Tracy Smith haben angeeignete Texte gelöscht.

um die Rhetorik und Politik zum Beispiel von Kolonialismus, Sklaverei, Völkermord, Krieg, politischer Verfolgung, Folter, Polizeigewalt und anderen Formen sozialer Unterwerfung, die buchstäblich menschliches Leben und Kulturen ausgelöscht haben, aufzudecken. und zu kritisieren. Ich möchte das kurz am Beispiel von Nicole Seeleys Gedichtband The Ferguson Report and Erasure ausführen.

Der Band löscht insgesamt 90 Seiten des Original Ferguson Reports des Justizministeriums aus und generiert so insgesamt acht Gedichte. Wenn man sich das überlegt, 90 Seiten, 8 Gedichte, kann man sich vorstellen, dass die Gedichte sich oft über viele Seiten erstrecken. und dass die Leser im Prozess der Lektüre vereinzelt stehende Wörter oder Buchstaben langsam zu Verszeilen zusammensetzen müssen. Im Hintergrund schwingt stets der Text des Originals mit.

Ich habe hier ein Beispiel. Er ist geisterhaft in sehr hellem Fond gesetzt und zusätzlich noch durchgestrichen, bleibt aber lesbar. So entsteht ein Dialog zwischen dem teilweise gelöschten Text und dem neuen Gedicht. Manchmal scheint das Gedicht den Originalbericht direkt zu kommentieren.

sowie auf dieser Seite, in der der Bericht Empfehlungen ausspricht, wie das Ferguson Police Department reformiert werden muss, um die systematische Diskriminierung, Missachtung und Misshandlung von afroamerikanischen Bürgern durch Polizeibeamte zu beenden. Also diese Liste der Empfehlungen. Der Text, wenn man ihn liest, fordert einen heraus, sehr langsam und aufmerksam zu lesen, weil man erstmal überhaupt herausfinden muss, wo sind überhaupt die Buchstaben.

Und so entstehen langsam Zeilen, die man zusammensetzen kann. Watching for what might be. Jedes Wort steht isoliert in einer eigenen Zeile. Die starke Fragmentierung lässt Sprache und auch das Verstehen stocken. Nur ganz, ganz vorsichtig scheint hier in Anbetracht des systemischen Antischwarzen Rassismus so etwas wie Hoffnung. auf Reformen, auf bürgerliche Gleichstellung und Gerechtigkeit auf.

In den Gedichten erscheint die schwarze Schrift auf weißem Grund manchmal die Hypervisibilität des schwarzen Körpers in einem weiß dominierten öffentlichen Raum zu evozieren. In the street, knees. So eröffnen sich Bezüge. zu anderen schwarzen Autoren und Künstlern, die sich mit den ethnisch kodierten Sicht- und Unsichtbarkeitsregimen in der amerikanischen Kultur befasst haben. Ich denke zum Beispiel an Glenn Ligens Werk.

Untitled for Edgings, in dem er Zora Neale Hurstens Feststellung, also die Feststellung einer afroamerikanischen Schriftstellerin aus den 20er und 30er Jahren nimmt. Als visuellen Dialog zwischen Lesbarkeit und Unlesbarkeit inszeniert. Wirklich diese... schon fast Plastizität der schwarzen Schrift vor dem weißen Hintergrund, führt dann immer wieder, wenn man das liest, darauf hin zurück, dass man wirklich über Sichtbarkeiten und Unsichtbarkeiten nachdenkt und wie die hergestellt werden.

Was man nicht sieht, wenn ich jetzt einzelne Seiten des Bedichtbands zeige, ist die lyrische Qualität von Sealy's Erasures. Also es entsteht eine sehr starke Spannung zwischen dem notwendigerweise sehr bürokratischen, sachlichen und distanzierten Ton des Untersuchungsberichts und der Stimme, die dann in langen Zeilen aus diesem Text aufzusteigen scheint.

subjektive Erfahrungen der Ausgrenzung und Bedrohung imaginiert und ihr sprachliche Form verleiht. Die Seite davor sagt etwas, between the whales, you und dann. Hear your shut eyes dilate. Listen. Hier wird eine körperliche Angsterfahrung beschrieben. die die Sinne synesthetisch verwirrt. Die Figur hört, wie sich die Pupillen ihrer geschlossenen Augen weiten. Das letzte Wort lässt unklar, wer der Adressat des Imperativs zuzuhören ist.

Sagt sich dies die verängstigte Figur selbst oder ist dies eine Aufforderung an die Leser, zuzuhören? Sich vorzustellen, was von außen eben nicht beobachtet werden kann, was im Inneren des Körpers, hinter den Shut Eyes, im Bewusstsein, in der Wahrnehmung der misshandelten Person vor sich geht.

Silis Erasure regt zu einer vielschichtigen Lektüre an, die die Leser einerseits zu einer Auseinandersetzung mit dem Ausgangstext und seinen soziokulturellen Kontexten, also dem Untersuchungsbericht und der durch antischwarzen Rassismus geprägten sozialen Realität veranlasst. Konfiguration von Textfragmenten und Leerstellen erinnert die Leser fortwährend daran, dass das Gedicht aus dem vorangegangenen Leseprozess der Autoren durch ihren Prozess des Tilgens und Umforms entstanden ist.

Der Text bleibt ja im Hintergrund präsent. So liest man das Gedicht notwendigerweise in Relation zu seinem Intertext, dem Bericht. Gleichzeitig wird man aber im Prozess des Zusammenpuzzeln des Gedichts immer weiter in die imaginative, lyrische Welt des Gedichts hineingezogen. Durch die poetische Bearbeitung der Amtssprache entwickelt der Gedichtband ein komplexeres Verständnis von Recht, Gerechtigkeit, Gleichstellung, in dem sich individuelle und kollektive Erfahrungen

eher subjektive und objektive Perspektiven gegenseitig ergänzen und anreichern. So ermöglicht die Auslöschung als ästhetisches Verfahren dem Gedichtband die Spannung zwischen dem, was gehört, und was zum Schweigen gebracht wird, zu dramatisieren. Und die Grenzen zwischen dem Sagbaren und dem, was über die Darstellung hinausgeht, zu adressieren. Ich hätte noch mehr Gedichte dabei, über die wir reden können, aber... Im Interesse der Zeit höre ich jetzt mit einem knackigen Fazit auf.

Durch die teilweise Auslöschung eines angeeigneten Textes entstehen neue literarische Werke, die eine Struktur besitzen, die mit symbolischer Bedeutung aufgeladen werden kann. Die Erasures können als strukturelle Analogien für soziale Formen der Auslöschung und als Metakommentare gelesen werden, die adressieren, wie Personen und Gruppen in den öffentlichen Diskurs einbezogen oder ausgeschlossen werden. Und wie Wissen artikuliert und verbreitet oder zum Schweigen gebracht und unterdrückt wird.

Erasures eröffnen Schriftsteller somit neue Möglichkeiten, in gesellschaftliche Debatten um soziale Gerechtigkeit und demokratische Teilhabe einzugreifen. Sie erlauben uns, beim Lesen zu erkennen, was abwesend ist. Was fehlt? Und uns neue Stimmen und Perspektiven vorzustellen, die aus den freigeräumten und transformierten Räumen der Seite hervorgehen. So eröffnen die Erasers einen Reflexions- und Erfahrungsraum. für demokratischen Austausch und Verständigung.

Das war die Amerikanistin Heike Schäfer und sie hat geredet über gegenwärtige Formen der Auseinandersetzung mit Zensur in den USA. Sie hat ihren Vortrag am 27. Januar 2025 gehalten im Rahmen der Vortragsreihe Was heißt demokratische Lebensform? Veranstaltet hat diese Vortragsreihe das Projekt Democratic Vistas – Reflections on the Atlantic World und das ist angesiedelt am Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Hörsaal. Jeden Donnerstag und Freitag neu in der Deutschlandfunk App.

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