¶ Einführung in das Pretty Privilege
Haben schöne Menschen es im Leben leichter, schlicht und einfach, weil sie schön sind? Genau darum geht es in dieser Folge von AHA. Wir schauen auf das sogenannte Pretty Privilege und wie sehr Attraktivität unsere Beziehungen, unseren Erfolg und ja sogar Gerichtsentscheidungen beeinflussen kann. Außerdem nehmen wir uns eine Alltagsfrage vor. Warum jucken Wunden, wenn sie heilen? Ich bin Juliane Schneider, Psychologin und Wissenschaftsredakteurin. Schön, dass ihr dabei seid.
Aha, 10 Minuten. Ein Podcast von Welt. Sind schöne Menschen im Vorteil? Beim Dating wäre meine gefühlte Antwort darauf auf jeden Fall ja. Aber wie sieht es denn in anderen Bereichen des Lebens aus? Tatsächlich belegen zahlreiche Studien, dass das äußere Erscheinungsbild eines Menschen einen entscheidenden Einfluss darauf hat,
wie wir ihn wahrnehmen und mit ihm umgehen. Und das beginnt schon im Kindesalter. So haben attraktive Kinder mehr Freundinnen und Freunde, sie haben bessere Schulnoten und im Durchschnitt später oft auch mehr beruflichen Erfolg. So haben Sie höhere Chancen, überhaupt erst eingestellt zu werden und erhalten dann eher Gehaltserhöhungen.
Allgemein werden attraktive Menschen von anderen als intelligenter und im Durchschnitt auch sympathischer eingeschätzt und damit tatsächlich noch nicht genug. Sogar vor Gericht schneiden sie besser ab. Hier werden Sie seltener verurteilt und wenn Sie verurteilt werden, dann bekommen Sie im Durchschnitt mildere Strafen.
Natürlich zählen zum Beispiel beim beruflichen Erfolg andere Faktoren wie Leistung oder Eignung maßgeblich. Aber der Vorteil schöner Menschen, der lässt sich wissenschaftlich belegen, auch dann, wenn man andere Faktoren herausrechnet.
Warum das so ist und ob wir diesem Schönheits-Bias überhaupt entkommen können, darüber spreche ich jetzt mit Professor Ulrich Rosa. Er ist Soziologe an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf Und er erforscht unter anderem, welchen Einfluss Attraktivität auf unseren beruflichen Weg hat. Hallo Herr Rosa. Hallo.
¶ Ursachen und Auswirkungen des Schönheitsideals
Ich habe eben schon einige durch Studien belegte Vorteile attraktiver Menschen in verschiedensten Bereichen aufgezählt. Warum bevorzugen wir denn Attraktivität? Also da gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Wesentlich dürften evolutionsbiologische Ursachen sein, die uns dazu bringen, bestimmte Merkmale, die für Gesundheit, Fitness und reproduktive Qualität. Städte zu bevorzugen.
Als Soziologe würde ich aber auch immer dazu sagen, dass wir von klein auf darauf getrimmt werden, Attraktivität zu bevorzugen. Also das fängt mit der Sprache an, dass wir das Schöne mit dem Guten gleichsetzen. Das Schlechte mit dem Hässlichen, aber denken Sie mal an die Märchen Ihrer Kindheit. Üblicherweise waren die Heldinnen und Helden immer gut aussehend und groß und die Bösewichter waren dann hässlich und verschrumpelt.
Ja, das kommt mir auf jeden Fall bekannt vor. Gilt denn dieses Pretty Privilege für alle Menschen gleichermaßen oder gibt es da zum Beispiel geschlechtsspezifische Unterschiede? Also grundsätzlich gilt es für alle sehr, sehr ähnlich. Es gibt ein paar spezifische Relativierungen. Hyperattraktive Menschen haben oft ein Problem, also die besonders attraktiv sind. Da reden wir aber von der Modelliga.
weil andere Menschen sich nicht an sie herantrauen, weil sie eingeschüchtert sind oder weil ihnen auch teilweise unterstellt wird. dass man sehr, sehr viel Investment betreiben muss, um so gut auszusehen. Das ist eine Relativierung, die allerdings im Promillebereich die Bevölkerung betrifft. Eine zweite ist die sogenannte Beauty Penalty.
Das heißt, wenn attraktive Menschen nachweislich ihre Attraktivität eingesetzt haben, um sich einen Vorteil zu verschaffen oder andere Menschen das von ihnen glauben, dann werden sie, je attraktiver sie sind, umso härter dafür bestraft. Das sieht man zum Beispiel vor Gericht. Je attraktiver Heiratsspindler sind, desto härter fallen die Strafen aus. Und dann gibt es noch eine Wechselwirkung zwischen Attraktivität, Geschlecht und Logik der Handlungssituation.
Je attraktiver sie sind, desto eher werden ihnen neben allgemein positiven Eigenschaften auch Geschlechtsstereotype-Eigenschaften zugeschrieben. Und wenn sie zum Beispiel als hochattraktive Frauen in einem Handlungsfeld unterwegs sind, das als männlich konnotiert gilt. Also zum Beispiel in Top-Management in der Wirtschaft. Und dann spricht man ihnen die geforderten Eigenschaften weniger zu.
als das bei einem Mann der Fall ist. Also sie gelten dann zum Beispiel als weniger durchsetzungsfähig, als nicht so energisch, vielleicht gelten sie als empathischer, liebevoller, zugewandter, aber das ist halt das, was da nicht gefordert wird. Männer würden durch ihre Attraktivität einen Nachteil erleiden, wenn sie sich zum Beispiel im Kindergarten um eine Erzieherstelle bewerben. Aber wenn man sich den Arbeitsmarkt einmal anschaut, die meisten...
Bose-Felder sind männlich konnotiert oder bestenfalls neutral inzwischen, sodass Frauen in der Summe halt eher Nachteile haben. Und last but not least gibt es noch den sogenannten Fame-Fatal-Effekt. dass erfolgreichen Frauen, je attraktiver sie sind, unterstellt wird, dass sie nicht aufgrund Anstrengungen und Qualifikationen in diese Position gekommen sind, sondern schlicht aufgrund ihres guten Aussehens.
Das sind aber Relativierungen, die alle auf einen grundsätzlichen positiven Vorteil attraktiver Menschen aufsatteln. Es gibt ja das Sprichwort Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Gibt es denn objektive Kriterien für Attraktivität, wenn wir über diese Vorteile sprechen oder spielt da auch der persönliche Geschmack eine zentrale Rolle?
Es ist in der Tat so, dass persönlicher Geschmack historische oder kulturelle Unterschiede kaum eine Rolle spielen. Schönheit ist weit überwiegend auf Merkmale der betrachteten Person. zurückzuführen und damit objektiv, im Sinne, dass wir alle intersubjektiv zu selben Ergebnissen oder sehr ähnlichen Ergebnissen kommen. Ich gebe Ihnen mal einfach ein Beispiel, Daniel Craig und ich, wir sind etwa gleich alt,
Aber nicht mal meine eigene Frau käme auf die Idee, zu behaupten, ich würde besser aussehen als Daniel Craig. Wir würden uns vielleicht darüber streiten, um wie viel er attraktiver ist als ich, aber dass er deutlich attraktiver ist, steht außer Frage. Das kann man dann noch allgemein messen, dass Leute... Also da gibt es relativ simple Messverfahren tatsächlich. Sie nehmen eine Portraitfotografie der Person, die beurteilt werden soll.
zeigen die einer Gruppe sogenannter Rater, die die Attraktivität spontan auf einer Skala einschätzen und bilden dann den Durchschnittswert. Das ist eigentlich eine sehr verlässige Messung, weil es nicht die Schönheitsformel gibt. Ironischerweise ist es oftmals so, dass sie quasi alles perfekt erfüllen können, aber die eine Abweichung sie dann besonders attraktiv macht.
Ja, sehr interessant auf jeden Fall. Jetzt gibt es ja gesellschaftliche Entwicklungen, also zumindest könnte man vermuten, dass Plattformen wie Instagram oder TikTok den Fokus auf Attraktivität vielleicht nochmal verstärken. Was würden Sie dazu sagen, hat das Pretty Privilege dadurch womöglich noch mehr Einfluss auf unseren Alltag bekommen?
Das steht zu erwarten. Also die Befundlage, die sich dezidiert damit beschäftigt, ist noch sehr, sehr dünn oder eigentlich nicht vorhanden. Aber wenn man sich anschaut, was ansonsten, zum Beispiel an Social Media Forschung, schon betrieben wird oder was wir aus der Zeit des Fernsehens schon wissen, dann steht zu erwarten, dass wir noch eine noch visuellere Gesellschaft werden. Und das Fatale ist, dass hier nicht nur inszenierte Bilder uns ständig präsentiert werden,
sondern auch digital nahezu perfekt retuschierte Bilder. Und selbst wenn wir wissen, dass sie überarbeitet worden sind, die Bilder haben eine eigene Wirkmacht, die unsere Vorstellung, was durchschnittliche Attraktivität ist, verzerren und jede im normalen Leben kann dagegen einfach nur verlieren und auch wir selbst verlieren, wenn wir da morgens in den Spiegel gucken.
¶ Umgang mit dem Pretty Privilege
Lieber Herr Rosa, jetzt zum Abschluss noch die Frage, wenn wir jetzt uns dessen bewusst werden, dass wir schöne Menschen bevorzugen, dass wir ihnen Eigenschaften zuschreiben, die sie vielleicht gar nicht haben. Können wir uns dann diesem Pretty Privilege entziehen? Zum Beispiel, wenn man als Chefin Vorstellungsgespräche führt. Oder beeinflusst uns das immer, egal ob wir wollen oder nicht?
Also der erste Punkt ist tatsächlich, es zu wissen. Den meisten Menschen ist das gar nicht bewusst. Und wenn sie wissen, dass sie entlang solcher Merkmale wie Attraktivität oder Geschlecht oder Ethnie diskriminieren oder zumindest dazu neigen, dann können sie Gegenmaßnahmen ergreifen. Und da gibt es eine Reihe, also das ist jetzt nicht aus der Attraktivitätserforschung heraus erfunden, aber wenn es zum Beispiel um den Gender Bias im Berufsleben geht,
eine Reihe von Mechanismen, wie man dem entgegenwirken kann. Das funktioniert tatsächlich sehr gut. Und ein ganz elementares Prinzip ist die Schriftlichkeit, dass man also alle Entscheidungen wirklich inhand klarer, objektiv und auch schriftlicher Kriterien
in Ruhe trifft und das Vier-Augen-Prinzip und der Austausch über die Gründe für Entscheidungen sind immer auch sehr hilfreich. Lieber Herr Rosa, vielen, vielen Dank für dieses sehr interessante Gespräch. Gerne, herzlichen Dank für die Einladung. Und hier geht es jetzt spannend weiter. Wir nehmen uns mal wieder eine Alltagsfrage aus der Medizin vor. Warum fangen Wunden an zu jucken, wenn sie heilen?
Wann sollte man das erste Mal ich liebe dich sagen? Was sind Katastrophengedanken und warum rauben sie mir den Verstand? Und warum ziehe ich beim Dating immer den gleichen Typen an? Wir stellen uns täglich so viele Fragen über uns selbst, das Leben und unsere Beziehungen. Im Podcast Nevermind Psychologie in 15 Minuten gehen wir genau diesen Fragen auf den Grund. Jeden Dienstag gibt es eine neue Folge.
Und wenn auch du eine Frage hast, die du dir schon lange stellst, dann schick sie uns. Wir freuen uns. Bis gleich bei Nevermind Psychologie in 15 Minuten.
¶ Warum jucken heilende Wunden?
Warum ist das so? Die kleine Alltagsfrage. Vielleicht kennt ihr das auch noch aus eurer Kindheit. Man hat sich das Knie aufgeschlagen und ein paar Tage später fängt das dann an zu jucken. Und dann kam dieser Satz von den Eltern. Jucken ist gut, das heißt, dass es heilt.
Aber was ist da dran? Die kurze Antwort ist, ja, in vielen Fällen jucken Wunden tatsächlich, wenn sie heilen. Und dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Unser Körper arbeitet nämlich auf Hochtouren, sobald er eine Verletzung reparieren muss. Und dabei werden unter anderem Botenstoffe ausgeschüttet, die das Immunsystem aktivieren. Einer davon ist Histamin. Und Histamin sorgt dafür, dass es in der Wunde juckt, weil es nämlich bestimmte Nervenenden in der Haut reibt.
Aber keine Sorge, das ist tatsächlich ein Zeichen dafür, dass der Heilungsprozess so läuft, wie er laufen soll und sobald das Histamin seinen Job erledigt hat, dann lässt der Juckreiz auch wieder nach. Ein weiterer Mitspieler ist Kollagen und dieses Protein ist wichtig unter anderem für die Blutstillung, für die Bildung von neuer Haut und auch für die Narbe, falls später eine entstehen sollte. Wenn sich Schorf auf der Wunde bildet,
dann wird die Haut an dieser Stelle trocken und spannend und auch das kann Juckreiz auslösen. Dazu kommt, dass die Nervenendigungen unter der Haut bei all dem ordentlich stimuliert werden und das kann sich ebenfalls durch ein Jucken bemerkbar machen. Unterm Strich kann man also sagen, ja, wenn es juckt, dann heilt es auch, zumindest meistens, denn wenn die Wunde stark gerötet ist, extrem stark juckt, eichert oder der Juckreiz in einen starken Schmerz umschlägt,
dann lieber zum Arzt oder zur Ärztin gehen. Das könnte nämlich ein Hinweis auf eine Entzündung sein. An dieser Stelle möchte ich jetzt noch ein großes Dankeschön an meine Kollegin Uma Soestmann loswerden für ihre Recherchen rund um Wunden, Heilung und Juckrei. Und euch wie immer vielen Dank fürs Zuhören.
Wenn ihr eine Frage aus der Wissenschaft habt, der wir für euch im Podcast mal auf den Grund gehen sollen, dann schickt uns sie doch gerne an wissen.welt.de. Mein Name ist Julian Schneider. Bleibt neugierig, macht's gut und bis zum nächsten Mal.