Du kannst die nächste Episode nicht abwarten? Dann hör die gesamte neue Staffel auf unserer Podcast-App Podimo. Meld dich jetzt an unter www.podimo.de slash ungelöst mit OE. Der Long Island Serienmörder Teil 1. Schön, dass du auch bei diesem neuen Fall wieder dabei bist. Die nächsten fünf Folgen werden sich um den Serienmörder von Long Island drehen. Also fangen wir gleich an.
Im Mai 2010 flüchtet die Prostituierte Shannon Gilbert aus einem Haus auf Long Island in der Nähe von New York. Sie sagt, ihr Fahrer und ihr Kunde wollen sie umbringen. Sieben Monate später stößt die Polizei bei der Suche nach Shannon auf die Leichen ganz vieler anderer Prostituierter. Mehr als zehn Leichen werden gefunden. Einige können identifiziert werden, aber die größte Frage bleibt ungelöst. Wer ist für die Morde verantwortlich?
Erster Teil, Shannon Gilbert. Also wir befinden uns in Oak Beach. Oak Beach ist eine kleine geschlossene Wohnanlage. Eine Oase der Ruhe, wenn man so will, an einem vierspurigen Highway, der an der Südküste von Long Island entlang führt. Für viele ist die Gegend eine Art Nah-Erholungsgebiet. Im Sommer kommen Massen an Leuten aus dem hektischen New York hierher. Aber es gibt auch Leute, die in Oak Beach zu Hause sind. Zum Beispiel Gus Coletti.
Der lebt seit mehr als 30 Jahren hier. Er ist pensionierter Schadensregler. Jetzt ist er 75 Jahre alt und hat sich in einem hübschen Haus zur Ruhe gesetzt. Gas lebt aber nicht allein. Auf seinem Grundstück kümmert er sich liebevoll um 35 Tauben und ein paar Papageien. Am 1. Mai 2010 steht Gas früh auf. Er will zu einer Autoshow in der Stadt Rhinebeck. Da muss er ganze drei Stunden hinfahren. Es ist so zwischen 4 und 5 Uhr morgens. Gas rasiert sich gerade als...
Bam, bam, bam. Jemand hämmert mega laut an seine Tür. So ein Hämmern würde einen zu jeder Tageszeit erschrecken. Gas kriegt ein bisschen Schiss, verständlich. Es ist ja noch nicht einmal hell draußen. Er geht also mit Herzklopfen zur Tür. Er guckt durch den Türspion. Auf der anderen Seite steht eine junge Frau, dünn und klein gewachsen. Sie trägt ein helles Tanktop. Als Gas die Tür öffnet, rennt die Frau in sein Haus und bettelt um Hilfe.
Ihre Stimme zittert richtig vor Panik. Gas setzt die Frau auf einem Stuhl ab, greift zum Telefon und ruft den Notruf an. Die Frau schreit ihn an, die wollen mich umbringen. Gas fragt die Frau, was denn los ist. Die starrt ihn nur mit total irrem Blick an. Er sagt ihr, dass er die Polizei ruft. Dann ist sie auf einmal ganz still. Und im nächsten Moment springt sie auf und rennt einfach zur Haustür raus. Gas kann gar nicht schnell genug reagieren und schaut ihr einfach nur hinterher.
Den Hörer in der Hand. Gerade ist die Frau in sein Leben gestürmt, hat um Hilfe gefläht und dann ist sie plötzlich schon wieder verschwunden. Gas erzählt dem Notruf, was gerade passiert ist. Dann geht er vor die Haustür. Er sieht einen schwarzen Geländewagen, der langsam die Straße runterfährt. Irgendwie scheint es, als ob der Fahrer etwas sucht. Oder vielleicht auch jemanden. Dann sieht Gas die Frau wieder. Sie versteckt sich unter seinem Boot, das in seiner Einfahrt steht.
Der Wagen kommt langsam näher, ganz offensichtlich auf der Suche nach der Frau. Gas sieht auch ein bisschen den Fahrer, ein Mann. Er sieht asiatisch aus. Der Wagen hält vor Gas Einfahrt. Der Fahrer lehnt sich aus dem Fenster und fragt ihn, ob er eine junge Frau gesehen hat. Sie sei von einer Party abgehauen. Gas sagt dem Mann, dass er die Polizei gerufen hat. Der Mann am Steuer sagt nur zwei Dinge. Das hätten sie nicht tun sollen und sie steckt in einer Menge Schwierigkeiten.
Danach sieht Gus noch, wie die junge Frau in die Dunkelheit rennt. Vorbei an dunklen Villen in Richtung einer Straßenkreuzung. Als nächstes hämmert die Frau an die Tür von Barbara Brennan. Aber da bekommt sie keine Antwort. Im Haus ruft Barbara erst die Polizei und dann sofort ihren Nachbarn Tom Kenning. Tom Kenning ist ein pensionierter, großgewachsener und muskulöser Landschaftsgärtner. Er zieht sich an, nimmt seinen Jagdhund an die Leine und geht über die Straße.
Aber als er da ankommt, ist die junge Frau schon wieder verschwunden. Von da an wird sie nie wieder lebend gesehen. Dieser dramatische Morgen ist erst der Anfang. Dieser Morgen wird ein Geheimnis ans Licht bringen, das jahrelang unentdeckt geblieben ist. Ein Geheimnis, das Long Island nachhaltig erschüttern wird.
Das Viertel Oak Beach liegt auf einer der vielen langen, dünnen Inseln, die vor Long Island im Atlantik liegen. Und die Leute, die dort wohnen, sind, man könnte sagen, finanziell sehr gut abgesichert. Wenn du weißt, was ich meine. Wie schon gesagt, die Gegend kennt man vor allem als Naherholungsgebiet für Leute aus New York und dem restlichen Nordosten der USA. Es gibt aber auch ein paar Leute, die das ganze Jahr hier wohnen. Aber im Großen und Ganzen ist die Gegend während der Wintermonate ziemlich ausgestorben.
Am Tage sind die Strände wirklich schön anzusehen. Aber die Landschaft ist gleichzeitig Traum und auch irgendwie Albtraum. Nachts in der Dunkelheit wird sie nämlich ziemlich unheimlich. Die Inseln sind mit dichtem Gestrüpp bewachsen, die im Dunkeln super düster und bedrohlich wirken. Such mal auf Google nach Bildern von Oak Beach, Long Island. Dann bekommst du eine ganz gute Vorstellung davon, wie das hier aussieht. Das ist für diese Geschichte sicher ganz nützlich. Dann kannst du auch gut folgen.
Die ganze umliegende Gegend heißt Jones Beach Island. Offiziell ist sie Teil der Stadt Babylon, New York. Die Grundstücke auf den Inseln werden von der Stadtverwaltung verpachtet. Sie sind über den vierspurigen Ocean Parkway erreichbar. Das ist der, den ich am Anfang schon mal erwähnt habe. So schön diese Gegend auch ist, sie ist auch unglaublich abgelegen. Oak Beach gehört zum Polizeibezirk von Suffolk County.
Aber die nächste Wache ist so weit entfernt, dass die Polizei fast eine ganze Stunde dahin braucht. Gus und Barbara waren in der Nacht nicht die einzigen, die den Notruf gewählt haben. Die schreiende Frau auf der Straße hat an mehreren Türen gehämmert und Bewohner an der Nachbarschaft aufgeschreckt. Also, Gus Coletti wartet schon mal über 45 Minuten, bis der Streifenwagen endlich aufkreuzt. Da ist die junge Frau natürlich schon längst verschwunden. Ihr Name ist Shannon Gilbert.
Ich möchte dir jetzt erstmal ein wenig Shannon vorstellen. Shannon wurde am 24. Oktober 1986 in Allenville, New York geboren. Sie ist die älteste von vier Schwestern. Ihr Verhältnis zu ihrer Mutter ist eher, naja, grauenhaft. In ihrer Kindheit wird Shannon misshandelt, psychisch wie auch physisch. Ab ihrem siebten Lebensjahr wird sie immer wieder in irgendwelchen Pflegeeinrichtungen untergebracht.
Schon als Teenager fängt Shannon an, mit Drogen und Alkohol zu experimentieren. Trotzdem hat sie einen echt guten Notendurchschnitt in der Schule. Sie interessiert sich für Mode und Musik. In ihrer Freizeit schreibt sie viel und sie träumt davon, eine erfolgreiche Sängerin zu werden. Sie überspringt sogar eine Klasse und ist mit der Schule ein Jahr vor dem Rest ihres Jahrgangs fertig. Aber jetzt hat sie plötzlich eine Menge Freiheiten und kommt irgendwie nur ganz schlecht damit klar.
Nach dem Schulabschluss färbt sie sich ihre braunen Haare blond. Und nach den nächsten ein, zwei Jahren ist die genau genommen fast nicht mehr zu erkennen. Sie jobbt sich so durch, arbeitet in der Küche eines Altersheims, als Kellnerin und als Rezeptionistin in einem Hotel. Aber Shannon hat eigentlich viel größere Pläne. Sie geht aus ihrem Heimatort weg und zieht nach New Jersey. Hier arbeitet sie für Lace Party Girls, eine Escort-Agentur.
2007 gerät Shannon dann in Schwierigkeiten. Die Polizei wird auf Lace Party Girls aufmerksam. Auch Shannon ist irgendwie darin verwickelt. Einmal wird sie sogar wegen illegaler Prostitution verhaftet. Aber bei Lace Party Girls lernt sie auch ihren Freund Alex Diaz kennen. Diaz arbeitet als Chauffeur für die Agentur. Eine Zeit lang läuft ihre Beziehung sogar ganz gut. Sie verdienen gutes Geld und genießen das auch in vollen Zügen.
Ihre Familien erinnern sich daran, dass die beiden immer super großzügig waren, verschenkten Kleider, Schmuck und andere Gadgets. Wenn irgendjemand Geld brauchte, waren sie immer sofort bereit zu helfen. Aber als Lay's Partygirls dichtgemacht wird, verlieren beide auf einmal ihr Einkommen. Und auch die Beziehung zwischen Alex und Shannon geht damit langsam bergab. Shannon wird mehrmals ungewollt schwanger. Jedes Mal hat sie eine Abtreibung. Ihr Drogenkonsum wird immer mehr zur Gewohnheit.
Getrunken hat Shannon schon immer. Koks und Ecstasy hat sie immer nur mit ihren Kunden genommen. Aber jetzt gehört auch das immer mehr zu ihrer täglichen Routine. Alex und Shannon ziehen dann bei Alex' Vater in Jersey City ein. Und Shannon sieht sich nach einer neuen Agentur um. Während dieser Zeit werden die Streitereien zwischen den beiden immer heftiger. Eines Abends artet ein Streit komplett aus und endet in Gewalt. Das Ganze war so. Shannon kommt betrunken nach Hause. Die beiden beginnen sich zu zoffen und Alex schlägt sie ins Gesicht.
Shannon bricht sich den Kiefer und muss operiert werden. Stell dir vor, ihr muss eine Metallplatte implantiert werden, um ihren Kiefer gerade zusammenwachsen zu lassen. Das hört sich so schmerzhaft an, ey. Jetzt muss ich einmal erwähnen, dass Shannon in ihrer Jugend mit einer bipolaren Störung diagnostiziert wurde. Und es sieht leider nicht so aus, als hätte sie sich je behandeln lassen. Und dann auch noch die Drogen. Die sind für ihre psychische Verfassung auch nicht besonders hilfreich.
Vielleicht lassen sich ihre intensiven Stimmungsschwankungen auch damit ein bisschen erklären. 2010 macht sich Shannon dann selbstständig. Sie arbeitet nicht mehr für eine Agentur, sondern sie sucht sich ihre Klienten jetzt eben selbst. Und zwar auf Webseiten wie Backpage oder Craigslist. Sie hat einen Fahrer, der sie zu den Verabredungen fährt und auch irgendwie für ihre Sicherheit sorgt. Sein Name ist Michael Paik. Shannon und Michael haben sich bei ihrer letzten Agentur kennengelernt. Da hat er auch als Fahrer gearbeitet.
Beide haben festgestellt, dass sie im Alleingang wahrscheinlich mehr Geld verdienen können. Die ganze Zeit träumt Shannon davon, bald mit der Prostitution aufzuhören. Sie besucht Online-Kurse in Kommunikationswissenschaft und sie singt bei Castings in New York. Sie hat eben ihre Kindheitsträume noch nicht ganz vergessen. Am 30. April 2010 gehen Shannon und Alex ins Kino, um sich einen Horrorfilm anzusehen. Sie haben Tacos ins Kino geschmuggelt. Ein ganz normales Date eigentlich.
Aber später an dem Abend muss Shannon nochmal arbeiten. Ein paar Stunden später verlässt Shannon die Wohnung, in die die beiden gerade erst eingezogen sind. Es ist das letzte Mal, dass Alex seine Freundin sieht. So, jetzt weiter zu der Nacht, von der ich schon angefangen hatte zu erzählen. Also, Shannon und ihr Fahrer Michael arbeiten erst seit ein paar Monaten zusammen.
Michael fällt ein bisschen aus der Reihe in dieser Geschichte. Er ist 41 und stammt aus Queens. Seine persönliche Geschichte ist ein totales Rätsel. Man weiß nicht viel über ihn, nur dass er 2009 anfängt mit Shannon zu arbeiten. Und dass er gerne Videos seiner Katzen auf YouTube hochlädt. Bisschen wahllose Information vielleicht, aber naja. Auf jeden Fall tut Michael mehr als Shannon nur herumzufahren. Leute wie Michael werden zwar Fahrer genannt, aber sind im Prinzip eher Zuhälter.
Sie fahren die Frauen, sind aber auch für ihre Sicherheit verantwortlich. Wenn nötig, machen sie Besorgung, während die Frauen beim Kunden sind. Und am Ende der Nacht bekommen sie einen Anteil vom Geld. Manchmal ist es so um die Hälfte, manchmal aber sogar mehr. Nach dem Kinodate mit Alex steigt Shannon zu Michaelins Auto. Die beiden fahren anderthalb Stunden nach Oak Beach zum Haus von Joseph Brewer, einem Kunden. Normalerweise fährt Shannon auch gar nicht so weit, aber diesmal ist das Angebot einfach zu gut. Da kann sie nicht Nein sagen.
Joseph Brewer ist 47 Jahre alt und Junggeselle. Er lebt allein in seinem dicken Haus in Oak Beach. Er ist Finanzberater, aber zurzeit arbeitslos und hat sich gerade von seiner Frau getrennt. Eins ist klar, er scheint seine neue Freiheit definitiv zu genießen. Einer seiner Nachbarn sagt, dass seit Brewers Frau ausgezogen ist, in dem Haus dauernd Partys gefeiert werden. Oft auch mit Prostituierten. Woher der Nachbar das weiß? Naja, keine Ahnung.
Man kann also festhalten, dass es nichts Ungewöhnliches ist, dass am 1. Mai morgens oder eher nachts ein schwarzer Geländewagen vor Brewers Haus parkt. Shannon geht auf jeden Fall ins Haus, während Michael Peck im Wagen wartet. Es gibt Handyaufzeichnungen von dieser Nacht. Die zeigen sechs kurze Anrufe zwischen Shannon und Michael und einen Anruf bei einer Apotheke in der Nähe um so etwa 2.55 Uhr. Shannon schickt Michael Gleitmittel und einen Satz Spielkarten zu holen. Aber Michael will nicht.
Er kennt die Gegend nicht so gut. Was in den nächsten Stunden passiert, weiß niemand. Aber als die Nacht langsam zu Ende geht, passiert was Merkwürdiges. Und zwar, irgendwann zwischen 4.30 Uhr und 5 Uhr nähert sich Joseph Brewer Michaels Wagen. Er sagt ihm, Shannon sei im Haus und wolle nicht rauskommen. Er hätte versucht, Shannon von hinten festzuhalten und sie aus dem Haus zu buxieren, aber sie hätte sich gewehrt. Also solle doch bitte Michael sie überzeugen oder halt raus aus dem Haus bekommen.
Shannon hat sich nicht nur im Haus hinterm Sofa versteckt, sondern hat auch den Notruf gewählt und wiederholte ständig dieselben Worte. Die wollen mich umbringen, die wollen mich umbringen. Shannons Anruf findet um 4.51 Uhr statt. Kurz darauf haut sie aus Brewers Haus ab. Einfach vorbei an den zwei Männern. Sie schreit immer und immer wieder, sie wollen mich umbringen. Aber wer sind sie? Brewer? Oder Michael? Oder jemand ganz anderes? Keiner weiß es.
Laut Buas Aussage geht er einfach zurück in sein Haus und bleibt da für die nächsten Stunden. Später behauptet er, dass er nie mit Shannon Sex gehabt hat und sie auch nie bezahlt hat. Der Grund für die plötzliche Auseinandersetzung sei gewesen, dass er sie für einen Mann gehalten habe. Deswegen hätte er auch nicht mit ihr schlafen wollen. Das, nachdem sie zwei Stunden bei ihm im Haus war? Scheint das nicht etwas weit hergeholt?
Während Brewer angeblich ins Haus zurückgeht, steigt Michael Peck in den Wagen und fängt an, nach Shannon zu suchen. Er ist ziemlich genervt und auch sauer, weil er es für einen Trick hält, um ihm seinen Anteil nicht zu geben. Hätte ja mal mit Brewer reden können, dann hätte er gewusst, dass es keinen Anteil von nix gab. Was als nächstes passiert, habe ich am Anfang der Folge erzählt. Shannon hämmert an Türen, schreit um Hilfe und wiederholt ständig, dass die sie umbringen wollen. Während der ganzen Zeit hat sie den Notruf am Hörer.
Das dauert insgesamt ganze 23 Minuten. Oak Beach gehört zwar zur Stadt Babylon und die ist etwa 10 Minuten entfernt, aber wegen der Lage des Ortes wird Shannons Anruf zur Staatspolizei und nicht zur lokalen Polizei weitergeleitet. Außerdem kann sie auch nicht genau sagen, wo sie eigentlich ist. Sie sagt, sie seien Jones Beach, was zwar auch wieder in der Nähe liegt, aber trotzdem mehrere Kilometer entfernt ist. Also alles höchst ungünstig.
Michael sagt, er hätte bis 6 Uhr morgens nach Shannon gesucht. In seinen eigenen Worten von stockdunkel bis taghell. Am Ende gibt er die Suche aber auf und macht sich auf den Weg nach Hause. Der Polizei sei er nicht begegnet. Wenn er mit der Polizei gesprochen hätte, dann wäre Shannon vielleicht noch am selben Morgen gefunden worden. Vielleicht auch noch lebend. Aber Shannon Gilbert wird erst zwei ganze Tage später überhaupt als vermisst gemeldet. Ihr Freund Alex Diaz wird misstrauisch, als Shannon am Morgen nach ihrer Verabredung mit Joseph Brewer nicht nach Hause kommt.
Einen Tag später meldet er sich bei ihrem Fahrer Michael. Der erzählt Alex, wie Shannon ins Haus gegangen ist, nach ein paar Stunden durchgedreht und dann im Drogenrausch abgehauen ist. Alex versucht, Joseph Brewer zu erreichen und irgendwie diese Nacht zu rekonstruieren. Er fährt sogar nach Oak Beach, um sich mit Brewer zu treffen. Sicherheitshalber nimmt er mal eine Pistole mit. Anscheinend ist Brewer völlig aufrichtig und hilfsbereit. Er begleitet Alex sogar zur Polizeiwache, um Shannon als vermisst zu melden.
Die Beamten im Polizeirevier von Suffolk County lachen die zwei einfach nur aus. Sie sagen Alex, er soll nach Hause gehen. Da würde er seine Freundin am ehesten wiederfinden. Und wenn nicht, dann soll er da, wo sie auch herkommen, eine Vermisstenmeldung aufgeben, also in Jersey City. Also macht er das auch. Einen Tag später ist Shannon immer noch verschwunden. Die Polizei scheint nicht besonders daran interessiert, nach einer vermissten Prostituierten zu suchen. Alex beschließt nochmal, nach Oak Beach zu fahren. Und jetzt?
Hier nimmt die Geschichte eine äußerst seltsame Wendung. Und zwar am 3. Mai, also zwei Tage nach Shannons Verschwinden, wird ihre Mutter Mary Gilbert von einem älteren Mann angerufen. Mary kennt die Stimme nicht. Der Mann sagt, sein Name wäre Dr. Peter Hackett. Er würde gern mit Marys Tochter Shannon sprechen. Mary weiß sofort, dass irgendwas nicht stimmt. Dr. Hackett erklärt, dass er eine Herberge für junge Frauen leitet und dass Shannon da vor zwei Tagen gewesen ist.
Also in der Nacht, als sie verschwunden ist. Er behauptet, dass sie bei ihm geklopft hätte und dass er sie aufgenommen hat. Außerdem sagt er, dass er ihr was zur Beruhigung gegeben hat. Danach ist sie dann aber weggelaufen. Irgendein Mann habe sie im Auto mitgenommen. Mary fragt, wo er ihre Nummer her hat. Heckert erklärt, dass er von all seinen Besuchern eine Notfallnummer will. Mary glaubt ihm kein Wort. Traurig aber wahr,
Sie weiß genau, dass niemand in ihrer Familie ausgerechnet ihre Nummer angeben würde. Außerdem weiß sie auch noch nichts davon, dass Shannon überhaupt weggelaufen ist. Shannons Familie gibt in Jersey City eine Vermisstenmeldung auf. Alex erzählt der Polizei auch, dass Shannon an dem Abend eine Verabredung bei einem Kunden in Oak Beach hatte. Trotzdem kommt über einen Monat lang wirklich niemand auf die Idee, dass dieser Fall und die ganzen Notrufe aus Oak Beach zusammenhängen könnten.
Ungefähr eine Woche später, also am 9. Mai, fahren Mary Gilbert und der Rest von Shannons Familie nach Oak Beach. Sie hängen Flugblätter auf und fragen herum, ob irgendjemand irgendwas gesehen hat. Dr. Peter Hackett sagt später aus, dass er an dem Tag zum ersten Mal mit jemandem aus Shannons Familie spricht. Er bestreitet einfach, dass er Mary Gilbert je angerufen hat. Und er sagt auch, dass er Shannon noch nie zuvor gesehen hat. Es ist ganz eigenartig.
Mary Gilbert wiederum erzählt der Polizei in Jersey City von Hacketts seltsamen Anruf. Aber Jersey City liegt ja meilenweit entfernt von Oak Beach, auf der anderen Seite von New York. Und niemand in Jersey City kommt auf die Idee, Kontakt mit der Polizei in Suffolk County aufzunehmen. Obwohl das doch der Ort ist, wo Shannon zuletzt gesehen wurde. Es dauert ernsthaft über einen Monat, bis jemand aus Jersey City endlich nach Oak Beach fährt, um Shannons Spur nachzugehen. Eigentlich doch kaum zu glauben.
So, jetzt nochmal zu Dr. Peter Hackett. Er ist ein pensionierter Arzt. Er hat als Gerichtsmediziner für die Polizei in Suffolk County gearbeitet. Er ist verheiratet, hat Kinder und ist ungefähr in seinen späten 50ern oder frühen 60ern. Dr. Hackett sieht jetzt nicht wie ein Serienmörder aus, auch nicht wie ein Lügner. Aber da ist irgendwas, irgendwas stimmt trotzdem nicht mit ihm. Er geht Leuten öfter auf die Nerven.
Die Menschen in seiner Gegend sagen, dass er seine Nase gern in Sachen steckt, die ihn nichts angehen. Und er übertreibt anscheinend ständig. Also zum Beispiel. 1996 verunglückt ein 747 Jumbo-Jet auf dem Weg von New York nach Rom. Die Maschine explodiert mitten im Flug. 230 Menschen kommen ums Leben. Viele der Opfer landen in der Gegend von Suffolk County. Anschließend gibt Dr. Hackett andauernd mit seiner Rolle in der Untersuchung der Katastrophe an.
Mit seinen Aussagen blamiert er sich selbst und seine Kollegen. Nach diesem Fall ist dann wirklich niemand mehr gut, auf ihn zu sprechen. Jahre später wird er gefeuert, weil er sein Arbeitshandel missbraucht und behauptet, er sei bei der Arbeit. In Wahrheit macht er schlichtweg blau. Immer wieder zirkulieren Gerüchte, dass er illegal Medikamente verschreibt. Besonders Opiate, die er angeblich auch selbst gern nimmt. Zwei seiner Nachbarn behaupten, dass sie ihn beim Praktizieren in seiner eigenen Küche gesehen haben.
Scheinbar hat er sein Haus in eine illegale Arztpraxis umfunktioniert. Peter Hacketts Rolle in dieser Geschichte fasziniert mich. Er hat weder eine Verbindung zu Shannon, noch Michael, noch Joseph Brewer, der ein Stück weiter die Straße runter wohnt. Er sagt, er hätte keinen der drei jemals gesehen. Hackett lebt mit seiner Frau, seinem Sohn und seiner Tochter. Sein Leben scheint vollkommen okay zu sein. Trotzdem zwängt er sich in diese Geschichte hinein. Scheinbar ohne jeden Grund.
Die Schuld dafür liegt ehrlich gesagt wirklich bei ihm allein. Denn die Wahrheit über seinen eigenartigen Anruf bei Mary Gilbert kommt bald ans Licht. Dr. Peter Hackett führt keine Herberge für junge Frauen, so viel ist sicher. Aber es ist gut möglich, dass er Mary Gilbert angerufen und genau das behauptet hat. Die Telefonaufzeichnungen zeigen nämlich, dass Hackett am dritten Mal das Telefon seiner Frau benutzt hat, um Mary Gilbert anzurufen. Keine Ahnung, wie er an Marys Nummer gekommen ist.
Shannon ist noch nicht mal als vermisst gemeldet worden. Und niemand hat Marys Nummer veröffentlicht. Bis die Polizei aktiv wird, dauert es noch einen ganzen Monat. Hackett und Alex Diaz treffen sich am 4. Mai bei Alex' zweiten Versuch, Shannon in Oak Beach zu finden. Aber das ist erst einen Tag nach dem Telefonanruf. Warum weiß Hackett also schon Bescheid über die Shannon-Sache? Er muss irgendwie Wind davon bekommen haben, dass Shannon verschwunden ist.
Und er muss auch irgendwie an die Telefonnummer ihrer Mutter gekommen sein. Hier wird die Sache unheimlich. Hacketts Anruf bei Mary Gilbert kam nicht aus Oak Beach. Der Anruf kam aus der Nähe von Mary's House in New Jersey. Ganz richtig. Hackett ist extra nach New Jersey gefahren, um Mary Gilbert anzurufen. Und später leugnet er auch noch alles. Am 6. Mai, drei Tage nach dem ersten Anruf, ruft er Mary nochmal an. Auch Alex bekommt einen Anruf von ihm.
An diese Anrufe kann sich Hackett später dann doch erinnern. Er sagt, er hätte ihnen alles Gute für die Suche gewünscht. Aber er widerspricht sich. An anderer Stelle behauptet er nämlich, dass er die Gilberts erst am 9. Mai kennengelernt hat. Also erst drei Tage nach seinen Anrufen. Selbst wenn er nichts mit Shannons Mord zu tun hat, an Peter Hackett ist doch was faul. Wie er sich in den Wochen nach Shannons Verschwinden verhält, ist mehr als verdächtig. Oder zumindest besorgniserregend.
Bis die Polizei die Zuständigkeiten geregelt hat, vergeht über einen Monat. Beamte aus Suffolk County fangen schließlich damit an, die Bewohner zu befragen. Sie sprechen unter anderem mit Gus Coletti, Barbara Brennan und Schenz Freier Joseph Brewer. Aber die Befragungen ergeben nichts. Die Polizisten schauen sich wirklich nur etwas um und stellen ein paar Fragen. Aber meiner Meinung nach ist es ziemlich offensichtlich, dass sie die Sache wenig kümmert. Für sie ist es einfach nur eine verschwundene Prostituierte. Mehr nicht.
Sie sprechen auch mit Shannons Fahrer Michael. Der ist immer noch der Meinung, dass Shannon wahrscheinlich seinen Anteil nicht rausrücken wollte. Deswegen sei sie davongelaufen. Angeblich hätte er einen Lügendetektortest bestanden und deshalb ist er unschuldig. Dass das Unsinn ist, wissen wir, glaube ich, alle. Shannons freier Joseph Brewer sagt, dass Shannon in der Nacht bei ihm war, aber dass sie in den fast drei Stunden keinen Sex hatten. Der eigenartige Arzt Peter Hackett bestreitet, irgendwas von der Sache zu wissen.
Er bleibt bei seiner Aussage, dass er weder Shannon noch ihre Familie je gesehen hat. Alle drei wurden als unschuldig erklärt, noch bevor Shannon überhaupt gefunden wurde. Das Schlimme ist, die Polizisten hätten die Möglichkeit, Shannon zu finden. Aber sie tun es nicht. Der Grund ist schwer nachzuvollziehen. Vielleicht ist es einfach ein Missverständnis zwischen den Polizeibezirken. Oder vielleicht halten die Polizisten ihre Zeit für zu wertvoll, um nach einer Prostituierten zu suchen. Wer weiß.
Ich weiß nur, dass die Wohnanlage Oak Beach mehrere Sicherheitskameras hat. Damit hätten sich doch die Beamten zumindest ein vages Bild machen können, in welche Richtung Shannon an dem Morgen gerannt ist. Aber bis die Polizei endlich auftaucht, sind die Aufnahmen von dem Tag längst wieder überschrieben. Die Tatsache, dass die Ermittlungen überhaupt vorankommen, ist reiner Zufall. Der Zufall will es nämlich, dass eines der übelsten Verbrechen der Geschichte von Long Island überhaupt ans Licht kommt.
Der Zufall will es nämlich so. John Malia ist seit 31 Jahren beim Suffolk County Police Department. Er ist ein Profi im Aufspüren von Menschen. Vor seiner Karriere als Polizist war er Privatdetektiv. Er ist auch Hundeführer. Seit sieben Jahren ist er mit seinem vierbeinigen Partner Blue unterwegs. Shannon wird jetzt schon seit über einem Monat vermisst. Da bekommt Malia den Auftrag, sie in der Gegend von Oak Beach aufzuspüren.
Der 59-jährige John Malia nimmt Blue an die Leine und beginnt die Umgebung nach der vermissten Frau abzusuchen. Malia und sein deutscher Schäferhund verbringen Monate mit der Suche. Finden aber nichts. Nicht einmal Fußspuren. Sie gehen Straßen und Strände ab. Malia hofft, dass er zumindest auf Sachen stößt, die Shannon gehören könnten. Aber die Suche bleibt völlig erfolglos. Die Wochen ziehen dahin. Mary Gilbert meldet sich regelmäßig bei der Polizei von Jersey City und fragt, ob es Neuigkeiten gibt.
Aber jedes Mal wird sie wieder enttäuscht. Shannon Gilbert wird seit über sechs Monaten vermisst. Sie ist eine von Dutzenden Prostituierter, die vermisst werden. Die einzigen, die sich noch um Shannon sorgen, sind die Angehörigen. Von den Behörden kriegen die nur die kalte Schulter gezeigt. John Malia fährt immer noch hin und wieder nach Oak Beach, auch um seinen Hund fit zu halten, findet aber nie etwas. Bis zum 10. Dezember.
Der 10. Dezember 2010 ist ein kalter, windiger Tag. Die Temperatur liegt knapp über dem Nullpunkt. Malia parkt seinen Wagen am Rand des Ocean Parkway. Er will sehen, ob Blue hier auf eine Spur stößt. Er erinnert sich an einen Artikel, den er gelesen hat. In dem stand, dass die meisten Mörder ihre Opfer weniger als 10 Meter von der nächsten Straße entfernt liegen lassen. Es ist etwa 3 Uhr nachmittags. Die beiden gehen eine Weile still durch das Gestrüpp. Da beginnt Blue plötzlich mit dem Schwanz zu wedeln.
John Malia erkennt das Zeichen sofort. Sein Hund hat etwas gerochen. Er folgt dem Vierbeiner ins sumpfige Unterholz. Sie sind etwa 15 Meter von der Straße entfernt, da stolpert er über etwas. Es ist ein vermoderter Stoffsack. Darin findet Malia die Knochen eines Menschen. Ich muss dir gleich sagen, es handelt sich nicht um Shannon Gilbert, sondern um die erste von elf Leichen, die innerhalb des nächsten Jahres entdeckt werden.
Und das erste Anzeichen dafür, dass diese Gegend jahrelang von einem Serienmörder benutzt wurde, um seine Opfer loszuwerden. Aber dazu mehr in der nächsten Folge Ungelöst. Du kannst die nächste Episode nicht abwarten? Dann hör die gesamte neue Staffel auf unserer Podcast-App Podimo. Meld dich jetzt an unter www.podimo.de slash ungelöst mit OE.