Dass für all diese Theologen, auch gerade im Luthertum, der Teufel wirklich eine ganz gegenwärtige Macht. war. Das bewegte eben sozusagen das ganze Denksystem der Zeit und bei Kepler ist es wirklich ein Merkmal, dass in seinen ganzen Schriften eigentlich der Teufel überhaupt nicht vorkommt. Welche Geschichten verbergen sich hinter der Geschichte? In diesem Podcast sprechen wir alle zwei Wochen mit Menschen, die nach den Schicksalen hinter den bloßen Jahreszahlen suchen.
Hier ist Spiegel Geschichte, der historische Podcast des Spiegel. Unmenschliche Schmerzen in Kopf und Unterleib, so hieß es, habe Katharina Kepler ihren Opfern durch geheimnisvolle Präparate zugefügt. Einige seien dadurch sogar unheilbar erkrankt. Nicht nur, dass die Angeklagte durch dunkle Zaubermächte Wein verhexen könne, sie sei sogar in der Lage, durch feste Materie hindurch zu gehen.
Mit solchen Anschuldigungen begann im Jahr 1615 ein bemerkenswerter Hexenprozess gegen die Mutter des berühmten Astronomen Johannes Kepler. Und der ließ es sich nicht nehmen, seine Mutter persönlich zu verteidigen gegen diese Irren. Zu Gast bei mir ist heute die Geschichtsprofessorin Olinka Rublack, die den Hexenprozess der Keplers in ihrem Buch »Der Astronom und die Hexe« ausführlich rekonstruiert hat. Vielen Dank.
Wie sehr damals die Heimat Katharina Keplers von Krisen geschüttelt war, als da die Hexenprozesse begannen. Die hatten sehr strenge Winter, es gab Missernten, es herrschte Armut. Es scheint ja, als wären die Menschen damals angesichts der herrschenden Angst bereitwürdiger.
gewesen zu glauben, dass im Fall von Katharina Kepler eine 70-jährige Frau Wein verhexen kann und Leute damit krank macht oder durch geschlossene Türen gehen kann. Wie weit Ist Ihrer Ansicht nach von dort eigentlich der Bogen zu Menschen, die angesichts einer weltweiten Virus-Pandemie bereit sind zu glauben, dass Bill Gates Babyblut trinkt?
Ja, das ist eine spannende Frage. Also der Unterschied wäre natürlich, dass die Verschwörungstheorien sich vor allem um prominente Leute ranken, die einen Einfluss haben wie Bill Gates. Während der Hexenverfolgung war es eben manchmal so, dass auch zum Beispiel Bürgermeister angeklagt wurden und mächtige Leute. Die meisten, die angeklagt wurden, waren eben tatsächlich wie Katharina Kepler ganz normale Menschen in der Gemeinde, die man auch sehr lange schon kannte.
Und natürlich, was ähnlich ist, ist, dass es eine sehr disorientierende Erfahrung war. So wie wir das jetzt eben auch haben, viel Unsicherheit. Eben damals mit den Missernten und Krankheiten waren natürlich ein großes Thema. Es gab damals noch kaum Apotheken zum Beispiel und von daher war es auch sehr normal, dass man...
zu Hause Medizin verabreicht. Aber es gab natürlich Unsicherheit. Was ist die gute Medizin? Was ist nicht die gute Medizin? Und von daher sehen wir natürlich Entsprechungen heute. Es kommt nicht mehr zu solchen Hexenverfolgungen wie damals. Ja, Gott sei Dank. Und wie Hanebüchen eigentlich die Vorwürfe waren, die aus diesen Unsicherheiten auch entstanden, die damals gegen Katharina Kepler erhoben wurden?
Wie vorsichtig aber gleichzeitig trotz allem Johannes Kepler bei der Verteidigung seiner Mutter vorgehen musste, das hören wir jetzt im Anschluss. Wie ein berühmter Astronom seine Mutter vor dem Scheiterhaufen bewahrte. Von Olinka Hublack. Die Witwe Katharina Kepler wurde 1615 als Hexe angeklagt. Ihr Sohn, der große Gelehrte Johannes Kepler, verteidigte sie auf erstaunliche, höchst eindrucksvolle Weise. Am 29. Dezember 1615 arbeitete Johannes Kepler in Linz.
Er hatte gerade seinen 44. Geburtstag gefeiert und schrieb seine Neujahrsgrüße. Plötzlich klopfte ein Bote an die Tür und überbrachte einen Brief, der schon vor drei Monaten losgeschickt worden war. Kepler erkannte die Handschrift seiner in Württemberg lebenden Schwester und entfaltete den Brief rasch. Die Nachricht hätte kaum schlimmer sein können. Seine alte Mutter war im August in Leonberg der Hexerei bezichtigt worden. Ihre Ankläger verfügten über gute Verbindungen zum Stuttgarter Hof.
Johannes Kepler, Lebenszeit 1571 bis 1630, war einer der berühmtesten Astronomen, die je gelebt haben. Er verteidigte Nikolaus Kopernikus, der behauptet hatte, die Erde drehe sich um die Sonne und entdeckte, dass Planeten sich in Ellipsen bewegen, und er legte bahnbrechende Forschungen zur Optik vor. Was weniger bekannt ist, 1615 wurde Katharina Keppler, die Mutter des Astronomen, als Hexe angeklagt.
Im Jahr 1620 übernahm er ihre rechtliche Verteidigung, um ihr Leben und seinen eigenen Ruf zu retten. Diese Begebenheit verändert unser Verständnis des Astronomen in seiner Zeit. Er veröffentlichte seine Verteidigungsschrift nie, aber sie zielte präzise auf die rechtlichen Schwachstellen der Hexenverfolgung und legte aus Keplers Sicht die Mechanismen der Jagd auf alternde Frauen bloß. Und das war Katharina Kepler zweifellos.
1615 war die Tochter eines Wirts bereits an die 70 Jahre alt und verwitwet. Ihre Ehe war schwer gewesen, immer wieder hatte ihr Mann sie verlassen, um sich als Söldner zu verdingen. Die vier ihrer sieben Kinder, welche die ersten Jahre überlebten, hatte sie weitgehend allein aufgezogen. Durch das Erbe ihres Mannes und ihres Vaters war sie zu etwas Geld gekommen, hatte sich ein Haus in Leonberg gekauft und besaß Land, das sie bestellte.
Vermutlich verkaufte sie wie andere Witwen in dieser Zeit auch Heu und vergab Kredite zu den gesetzlich vorgeschriebenen 5%-Zinsen. Auch die Heilkunst übte sie wie viele andere aus, stellte Salben oder Arzneien her, aber sie verkaufte diese nie für Geld. In der Steuerliste von 1614 wird Katharina Keppler neben 36 Leonberger Witwen geführt, die voller Stolz ihre Steuern als selbstständige Bürgerin bezahlten.
Zu jener Zeit erlebte Leonberg beunruhigende Veränderungen. Weil das protestantische Württemberg 1608 die Führungsrolle im militärischen Bündnis der Protestanten übernommen hatte, stiegen die Abgaben der Bürger. Außerdem kam es 1608 und 1615 nach Missernten zu dramatischen Preissteigerungen. Der Winter 1615 war besonders streng gewesen. Die städtische Armenhilfe musste fast die Hälfte der Leonberger Bevölkerung mit Getreide unterstützen.
In dieser Zeit gab es in Leonberg die ersten Anklagen und Prozesse wegen Hexerei. Im Dezember 1615, vier Tage vor Weihnachten, schauten die Leonberger zu, wie vier Frauen aus dem benachbarten Heimsheim als Hexen hingerichtet wurden. In dieser Zeit wurden auch die Vorwürfe gegen Katharina Keppler laut. Die Anklage wurde von der schwerkranken Glasers Frau Ursula Reinbold angeführt, die behauptete, Katharina Keppler habe ihr ein unheilbringendes Getränk gereicht.
Dadurch sei sie erlahmt und leide seither unter unmenschlichen Schmerzen in Kopf und Unterleib. 24 Zeugen wurden schließlich in ihrer Sache vernommen. Katharina Keppler habe ihnen verhexten Wein gegeben, sagten einige. Außerdem sei sie durch verschlossene Türen gegangen, berichteten andere. Sie habe mehrere Leute unheilbar krank gemacht, hieß es. Ihr ältester Sohn, Johannes Kepler, befand sich zur Zeit dieser Anklage auf dem Höhepunkt seiner Karriere.
Er war dabei, seine Weltharmonik zu publizieren, in der er die Elemente mit geometrischen Formen in Verbindung brachte. Selbstbewusst schrieb er, Gott habe auf einen Mann wie ihn gewartet, einen Mann, der die göttlichen Baupläne voll verstehe. Kepler, dessen Vater ein Soldat gewesen war, der ständig die Familie verließ, bis er namenlos im Feld starb, verstand sich als Prophet.
Neben seinen beruflichen Zielen stand die Familie im Zentrum seines Lebens. Nach dem Schulinternat studierte er, lebte mit lutherischen Kommilitonen, Professoren und gründete seinen eigenen Haushalt, sobald er dazu in der Lage war. Obwohl Kepler weit weg von Leonberg lebte, erst in Graz, dann im Umfeld des Kaiserlichen Hofs in Prag und später in Linz, blieb ihm die Beziehung zu seiner Mutter und seinen Geschwistern wichtig.
Die Verbindung zu seiner Mutter war so eng, dass Katharina 1602 allein von Leonberg nach Prag reiste, um seine Familie zu besuchen. Über Jahre schrieb Keppler Briefe nach Leonberg. Katharina, die nicht lesen konnte, ließ sie sich von ihrer Tochter oder einem Lehrer vorlesen. Ihre Antworten diktierte Katharina. Keplers Schwester Margaretha wusste, dass sie auf die Hilfe ihres älteren Bruders zählen konnte, als sie ihm 1615 wegen der Hexereibeschuldigung schrieb.
Keppler richtete sofort Petitionen an den Herzog Württembergs. Er nahm seine Mutter für eine Zeit bei sich in Linz auf und brachte sie wieder nach Leonberg zurück. Schließlich nahm er das Gerichtsverfahren in die Hand, während der Böhmische Krieg ausbrach und er das dritte Planetengesetz entwickelte.
Am 7. August 1620 wurde seine Mutter Katharina von ihrer Tochter frühmorgens aufgeweckt. Der Stuttgarter Vogt, ein hoher Beamter des Herzogs und seine Männer stünden vor der Tür, sie solle sich schnell verstecken. Die nun 73 Jahre alte Frau lag nackt unter einer Überdecke in einer Truhe, als man sie bald darauf fand. Auf herzoglichen Befehl kam sie in den Stuttgarter Diebesturm.
Wenige Tage später schrieb ihr jüngster Sohn Christoph an den Herzog Württembergs. Er wolle auf gar keinen Fall, dass seine Mutter in Leonberg vor Gericht gestellt werde, wo er und seine junge Familie am Marktplatz lebten. Zu groß war seine Sorge, der Hexereivorwurf könne auf die Familie abfärben. Katharina Keppler wurde in ein Gefängnis nach Gücklingen bei Heilbronn verlegt.
Johannes Keppler verpackte im Herbst desselben Jahres seine Bücher und Schriften in Linz, zog mit seiner Familie nach Regensburg, mietete sich dort ein Pferd und ritt nach Gücklingen, um an der Verteidigungsschrift für seine Mutter zu arbeiten. Zunächst führte er eingehende Gespräche mit seiner geschwächten, grauhaarigen, zahnlosen Mutter, die insgesamt über 14 Monate lang an Eisenketten am Boden lag und von zwei Wächtern beaufsichtigt wurde.
Die Gespräche führten ihn tiefer in ihre Welt, denn er brauchte mehr Wissen über ihr soziales Umfeld, um die Zeugenaussagen besser einordnen zu können. Sie brachten ihn seiner Mutter näher. Anfang Mai 1620 händigte Kepler dem Gücklinger Vogt-Aulber einen offiziellen Schriftsatz zur Verteidigung seiner Mutter aus. Mitte Mai hörte Kepler von Olber, die ganze Akte liege noch immer in der herzoglichen Kanzlei.
Daraufhin wandte sich Keppler verzweifelt an Hieronymus Gabelkofer, den Advokaten der Württembergischen Kanzlei, und bat ihn, die herzoglichen Beamten zu einer raschen Fortsetzung des Prozesses zu bewegen. Seine Mutter sei jetzt seit zehn Monaten in Haft. Mit ihren inzwischen 74 Jahren sei sie im Begriff Verstand, Gesundheit und Besitz zu verlieren.
Im Juni berichtete Auber selbst, Katharina sei außerordentlich ungeduldig geworden, befürchte, ihre Angelegenheit werde absichtlich verzögert und bitte um Beschleunigung des Verfahrens, damit die Sache einmal zu Ende komme. Kepler verließ sich in juristischen Dingen vor allem auf Christoph Besold, geboren 1577, einen produktiven und wohlhabenden Tübinger Rechtsprofessor, der 1610 auf seinen Lehrstuhl berufen worden war.
Besols Bibliothek war enzyklopädisch und auf dem neuesten Stand. Er versah die Bücher mit seinem Namen und dem Motto Ich schwöre dir ab, Satan, ich gehöre dir an, Christoph. Als könnten diese Worte jeden Band spirituell aufladen. B. Solz Fachwissen und der Zugang zu dessen Spezialbibliothek bewogen Kepler in Tübingen Quartier zu beziehen, während er sich mit der gebotenen Sorgfalt der Verteidigungsschrift für seine Mutter widmete.
Besold sollte später 8 Gulden für seine Ratschläge einfordern und ein nicht genannter Tübinger Advokat, vielleicht Besold selbst, erhielt die beträchtliche Summe von 40 Gulden als Entgelt für Dokumente. Es bleibt aber unklar, in welchem Umfang Besold oder ein anderer Jurist an der Verfassung der Verteidigungsschrift beteiligt waren.
Kepler, der sich nun vollständig auf den Prozess gegen seine Mutter konzentrierte, empfand zweifellos eine ungeheure Wut. Wie konnten die zentralen Regierungsstellen zulassen, dass die Finsternis überhand nahm? Kepler warnte sogar ausdrücklich vor Provinzfügten, die gern die Rolle eines kleinen Königs spielten und nicht zögerten, Gesetze zu übertreten. Hier spielte er auf den Leonberger Vogt Einhorn an, der das Verfahren gegen Katharina Keppler maßgeblich vorangetrieben hatte.
Kepler bestand auf einem bestimmten Prozessverfahren, dem im römischen Recht entwickelten Formularverfahren. Es sah vor, dass alle Dokumente schriftlich vorlegen. Dadurch konnte sich die Verteidigung in vollem Umfang über die vorliegenden Beweise informieren und Kepler war es möglich, mit seinen üblichen textkritischen Werkzeugen zu arbeiten. Denn die Befragungen der Zeuginnen und Zeugen waren so detailliert, dass eine knappe Analyse des Falls nicht mehr ausreichte.
In einem ersten Bittgesuch von 1617 hatte er drei Hauptursachen für die Verfolgung seiner Mutter herausgearbeitet. 1. Feindseligkeit gegenüber seiner Mutter infolge ihrer sozialen Situation als Witwe. 2. Allgemeine kulturelle Ängste gegenüber alten Frauen. 3. Ein neuer Vogt, der unbedingt handeln wollte. Nun aber musste Kepler jeden einzelnen Zeugen durch juristische Argumente infrage stellen.
Dazu stützte er sich auf Fakten, die er durch eine genaue Untersuchung der Beweise und die Gespräche mit seiner Mutter gewonnen hatte. Das war der Grund, warum Kepler nicht nur die Prozessakten las, sondern auch im Gücklinger Gefängnis aufmerksam zuhörte, als sie ihm beschrieb, wie man in ihrer Welt normalerweise handelte und wie eine Leonberger Witwe witwingemäße Dinge tat. Ziel war es, Unstimmigkeiten in der Argumentation der Gegenseite und falsche Fakten aufzudecken.
Dieses Vorgehen war Kepler aus seinen wissenschaftlichen Kontroversen gewohnt und eine solche faktenorientierte Untersuchung der Dinge selbst wurde auf allen intellektuellen Feldern zunehmend gefordert. Gute Naturphilosophen wie er bedienten sich in ihren Schriften rechtswissenschaftlicher Methoden, um schlüssig darzulegen, welche Ansicht Vertrauen verdiente.
Sie versuchten, verfahrene Kontroversen über die Frage, was wahr sei und was nicht, zu beenden, indem sie einen Konsens über vernünftige Schlussfolgerungen herstellten. Kepler stieg nicht aus seinem höheren Geistesleben in die schmutzigen Einzelheiten eines Strafprozesses hinab. Er arbeitete einfach so, wie er es immer tat. Jahrelanges Argumentieren für die eigene Sache in der Wissenschaft hatte ihn darauf vorbereitet, nun eine eindrucksvolle Verteidigungsschrift aufzusetzen.
Auf heutige Menschen, denen der Glaube an Hexen irrational erscheint, wirkt sein Vorgehen fast paradox. Der Wissenschaftler schloss in seiner Verteidigung nicht aus, dass Hexerei Schaden anrichten könne, mit keinem Wort stellte Kepler den Hexenglauben an sich in Frage. Doch gleichzeitig nutzte er messerscharfe Logik, um die Anklage gegen seine Mutter zu entkräften und beharrte auf beweisbaren Fakten.
Seine Verteidigungsschrift war bahnbrechend, weil sie den juristischen Argumenten gemäßigter Rechtsgelehrter zur Hexenverfolgung eng folgte und alle Einzelheiten berücksichtigte. Im Fall seiner Mutter, so das Fazit seiner Schrift, handele es sich aber eben nicht um Hexerei. Diese Schlussfolgerung leitete er über verschiedene Ebenen her. Zunächst stellte Kepler in seinem umfangreichen Verteidigungstext
die Fähigkeit vieler Zeugen in Frage, verlässliche Aussagen zu machen. Sie seien einfach zu jung, schrieb er, um irgendetwas anderes als Hörensagen über die Reputation seiner Mutter wiedergeben zu können. Es sei ein wichtiger Rechtsgrundsatz, dass ein schlechter Ruf wohlbegründet sein müsse, bevor Anklage erhoben werden könne.
Sarkastisch merkte Kepler an, Leonbergs neuer protestantischer Pastor Buck habe bei der Verfolgung eine solche Vehemenz an den Tag gelegt, als habe er viele Jahre als Inquisitor gedient. Die Parteilichkeit des jungen Pastors liege wohl auf der Hand. Er habe Katharina das Abendmahl versagt. Ursula Reinbold hingegen, die Frau, die Katharina der Hexerei beschuldigt hatte, habe er zu Hause aufgesucht, um ihr das Sakrament zu spenden, obwohl Letztere aus ihrem Hass kein Geheimnis mache.
Wie Buck seien auch andere Zeugen parteiisch gewesen, voller Neid und Hass und daher unzuverlässig in ihren Aussagen. Kepler charakterisierte die Glasers Frau Ursula Reinbold als abergläubische, unverantwortliche, streitsüchtige und egoistische Frau. die natürliche Ursachen für ihr Leiden fehlgedeutet und infolgedessen das Recht verwirkt habe, sich bei einer ordentlich geführten Ermittlung zu äußern.
Sie habe die falschen Arzneien genommen, aber ihre Symptome den eingebildeten Hexen zugeschrieben. Anschließend habe sie ihren Bekanntenkreis genutzt, um die Gerüchte bei hochrangigen Freunden ebenso wie bei Menschen niederster Sorte in Umlauf zu bringen. Nur deshalb steht Katharina nun in einem Strafprozess vor Gericht und laufe Gefahr, auf der Grundlage vager Verdachtsmomente gefoltert zu werden.
Solche Prozesse auf Leben und Tod müssten aber mit äußerster rechtlicher Gewissenhaftigkeit durchgeführt werden und stets die Tatsache berücksichtigen, dass selbst die vernünftigsten Menschen irren können. Im Falle von Kapitalverbrechen verlange das Reichsgesetz zwei unparteiische Zeugen und nach Ansicht von Rechtsexperten müssten diese und alle weiteren Zeugen Männer sein, da Frauen zu leichtgläubig, abergläubisch und unbeständig seien.
Keplers Schrift zugunsten seiner Mutter war also keine allgemeine Verteidigung von Frau. Kepler ging wie die meisten Gelehrten seiner Zeit davon aus, dass der Verstand einer Frau dem eines Mannes generell unterlegen sei. Um faktische Beweise durch männliche Zeugen vorbringen zu können, verwies Keppler auf die Aussagen zweier angesehener Angehöriger des Gerichts, die Katharina schon fast ihr ganzes Leben lang kannten. Sie hatten Katharina nie für eine schlechte Frau gehalten.
Da stürzte Keplers Argument, erst die Gerüchte der Glasers Frau Reinbold hätten andere Menschen dazu gebracht, Katharina für ihr Unglück die Schuld zu geben. Der Mathematiker argumentierte eng entlang des Reichsgesetzes. Er wies darauf hin, dass keine der in Leonberg zuvor schon verurteilten Frauen Katharina als Mithexe angegeben hätte, obwohl einige von ihnen streng gefoltert worden seien. Nach dem Reichsgesetz wären solche Beschuldigungen durch verurteilte Hexen starke Beweise gewesen.
Dann wandte er sich der wichtigen Frage unrechtmäßiger Folter zu. Immer wieder benutzte Kepler Zitate aus den wenigen verfügbaren Gesetzeskommentaren, in denen darauf hingewiesen wurde, dass Behauptungen, die von zweifelhaften Zeugen oder unter zweifelhaften Umständen vorgebracht würden, keine Folter rechtfertigten.
Kepler erklärte, er habe sich informiert, dass die angeklagten Frauen extreme Gewalt erlitten hätten. Alles, was sie von sich selbst und anderen gewusst haben, wurde ihnen mit unerträglicher Pein und Mater ausgepresst. Eine von ihnen habe, so sein schockierender Bericht, bei dieser barbarischen Folter ihren Daumen in der Daumenschraube verloren.
Weiterhin brachte Kepler vor, es sei eine Sache, in die Häuser der Menschen zu gehen, wie seine Mutter es tat, die ein geselliges Leben geführt und oft andere Leute besucht hatte, und eine andere, eine Hexe zu sein. Bringe man beides miteinander in Verbindung, würde das jede alte geschwätzige und unbeliebte Frau einem Verdacht aussetzen.
Kepler beharrte darauf, dass generelles Missfallen an dem Verhalten einer Frau durch spezifische Gründe erhärtet werden müsse, um den Hexereiverdacht zu rechtfertigen. Außerdem legte er dar, dass es von höchster Bedeutung sei, zwischen natürlichen und unnatürlichen Krankheiten zu unterscheiden und zog allerhand medizinische Details heran, um seine Argumentation so plausibel wie möglich zu machen.
Zitat Zitat Dass Beitelsbacher lahme Glieder habe, dass Bastian Meiers Frau gestorben, dass die Zieglerin einen offenen Schenkel habe, dem Badergesellen etliche Stunden unwohl im Leib gewesen und dass er sich erbrochen. dass der Stoffel Frick ein oder zwei Tage Schmerzen im Schenkel empfunden, dass der verstorbenen Tochter des Pfarrers zu Gerbersheim der Fuß wehgetan. Dass dem Daniel Schneider Kinder gestorben, dass Hallers Tochter in Arm geschmerzt habe,
dass dem Jörg Belzen eine Sau, dem Oswald Zangen ein Kalb verendet, dem Michel Stahlen eine Kuh unruhig und krank, dann aber wieder gesund geworden. Aus diesen Geschichten und Fakten werden keine wahrhaftigen Hexentaten abzuleiten sein. Denn es lassen sich viele geisteskranke Frauen Phonetique Molières finden und viele, die ihre Monatsblutung unterdrücken, welche dann nach einem anderen Ausgang durch Verdunstung sucht, was gemeinhin im Kopf viel Verwirrung und unerträgliche Schmerzen anrichtet.
Bei sehr vielen Frauen, die in ihrer Jugend starke Blutungen gehabt und wie Rosse geblutet haben, Kommt es, wenn sie wie die Rheinboldin unfruchtbar bleiben im Lauf der Zeit durch den Überfluss an Blut oder Galle? zu einer Entzündung des Spiritus Hepatici, was schreckliche Kopfschmerzen verursacht. Bei vielen ist Vitium Oteri enthalten, die vermutlich die Unfruchtbarkeit der Rheinboldin und gleichfalls chronische Krankheit und Kopfschmerzen verursacht.
Es sterben täglich viele Männer und Frauen an der Lungenkrankheit und noch mehr Kinder an anderen Krankheiten. Es finden sich viele krumm und lahm gewordene Leute. Zitat Ende. Eng verknüpft mit diesen Argumenten war Keplers erstaunlicher Versuch, seine Mutter als ehrenhafte Laienheilkundige zu präsentieren. Er leugnete nicht
dass seine Mutter medizinische Ratschläge erteilt hatte. Sie habe ihren Mann behandelt und mit seiner Frau Barbara über die Symptome gesprochen, als Katharina bei ihnen in Prag zu Besuch gewesen sei. Doch Keppler vertrat die Ansicht, diese langjährigen und unter Berücksichtigung älterer Erkenntnisse gemachten Erfahrungen
Beobachtungen und Experimente einer Frau bildeten eine Grundlage für seriöses und weitgehend verlässliches, wenn nicht sogar sicheres Wissen. Mit exakt der gleichen Beweisführung belegte man die Glaubwürdigkeit eines Naturphilosophen. Kurzum, Kepplers Strategie bestand darin, seine Mutter in anderem Lichte dastehen zu lassen, nicht als alte, ausgegrenzte und abergläubische Analphabetin.
sondern als gottesfürchtige Bürgerin, die zuverlässiges medizinisches Wissen erwarb und weitergab sowie Kräuter für ihre eigene Gesundheit verwendete. Der nächste Gerichtstermin fand erst am 20. August 1621 in Gücklingen statt. Vogt-Aulber übergab den Richtern eine Kopie von Keplers Verteidigungsschrift. zusammen mit ihrer kühlen Widerlegung durch Gabelkofer, dem herzoglichen Hofadvokat.
Katharina und Johannes Keppler erschienen gemeinsam vor Gericht und Keppler verlangte sofort, die endgültige Anklage einzusehen. Die war ein großer Schock. In schlüssiger Argumentation und mit Verweisen auf lateinische Rechtsexegesen und theologische Kommentare ließ Gabelkofer keinen Zweifel daran, dass Katharina zu foltern sei. Ihr wurde vorgeworfen, sie habe Menschen und Tieren mehrfach Schaden zugefügt.
Katharina Kepler sei eine verdächtige Person, die an Orten zugegen gewesen sei, an denen Schaden entstanden sei. Ihre Aussagen seien widersprüchlich und Jean Baudin, der berühmte französische Staatsrechtler, halte das, wie andere auch, für einen hinreichenden Grund, der die Folter rechtfertige.
Hinzu komme, dass Katharina außerstande sei, ihren Gegnern in die Augen zu blicken. Nach Baudin sei die Unfähigkeit, Tränen zu vergießen, ein weiteres Argument für die Folter. Dies gelte als körperliches wie seelisches Zeichen für Unmenschlichkeit. Keplers Verteidigungsschrift wurde zurückgewiesen, weil sie angeblich klare Beweise verwässerte und doch blieb sie nicht ohne Wirkung.
Die Tübinger Juristen, mit denen Kepler beim Verfassen seiner Schrift eng zusammengearbeitet hatte, mussten im Herzogtum Württemberg über jede Folterung in Kriminalfällen entscheiden. Christoph Besold und seine Kollegen ordneten an, dass Katharina Keppler die Torturwerkzeuge nur zu zeigen seien. Der Henker sollte ihr Angst machen und ihr auf diese Weise ein Geständnis entlocken. Doch sie gestand nicht.
Wenn ich durch Pein und Martyrium gezwungen würde, irgendetwas zuzugeben, wäre es nicht die Wahrheit. Ich würde über mich selbst lügen müssen, rief Katharina auf Knien aus, so hielt es der Protokollant fest. Deshalb wurde sie freigelassen. Johannes Kepler kehrte samt seiner Familie nach Linz zurück.
Dort packte er seine Kisten aus und wurde nun von der Frage geplagt, wie dieses Unheil ausgerechnet über seine Familie hatte hereinbrechen können. Er hatte Sorge, auch ihm könne der Vorwurf gemacht werden, verbotene Künste zu praktizieren. Weil er ein Manuskript mit dem Titel Traum wiederfand, an dem er in Tübingen und Prag gearbeitet hatte, fühlte er sich nun selbst schuldig.
Der Text beschrieb die Erde vom Mond aus gesehen und verteidigte das neue heliozentrische Weltbild des Kopernikus, hatte jedoch einen erzählerischen Prolog, der die Geschichte eines Sohnes und seiner Mutter erzählte. Der Sohn lebte in Prag, seine Mutter verdiente sich ihr Geld durch weiße Magie und nahm ihn mit zu einem Dämon, der ihm Wissen über den Mond verschaffte.
Kepler überzeugte sich selbst, dass eine Abschrift dieses Manuskripts nach Tübingen gelangt sei und nur so die Idee habe aufkommen können, dass seine Mutter eine Hexe sei. Er begann den Text genau zu annotieren und ließ ihn schließlich drucken. Ich beschloss daher, dieser mein Traum solle Rache nehmen durch die Veröffentlichung des Büchleins über die darin dargestellten Ereignisse. Dies wird meinen Gegnern der gerechte Lohn sein, notierte Kepler. Sein Text sollte seine Gegner widerlegen.
Die Arbeit daran wurde zur Trauerarbeit. Seine Mutter starb sechs Monate nach ihrer Freilassung. Über den Grund seiner zwölfmonatigen Abwesenheit hat Johannes Kepler in Linz nie gesprochen. Sie hören den Spiegel-Geschichte-Podcast. Mein Name ist Danny Kringil und bei mir ist heute die Historikerin Olinka Rublak, mit der ich mich über den Hexenprozess gegen Katharina Keppler unterhalte, die Mutter des berühmten Astronomen Johannes Keppler.
Frau Rubler, interessant an dem Fall finde ich, dass Johannes Kepler, der ja als Wissenschaftler selbst durchaus gängige Anschauungen seiner Zeit angegriffen hat, da in der Verteidigung seiner Mutter... nicht den Hexenglauben selbst in Frage gestellt hat. So irrsinnig uns das auch aus heutigen Perspektive erscheint. Hat er das damals getan, weil die Verteidigung sonst angesichts des breitherrschenden Glaubens an Hexen chancenlos gewesen wäre?
Hat er das gemacht, um Gefahr von sich selbst abzuwenden, weil sonst der Hexerei-Verdacht auch auf ihn hätte fallen können? Oder hat er das tatsächlich trotz aller Rationalität gar nicht ausgeschlossen, dass Hexen existieren? Also er war in dieser Frage wirklich sehr vorsichtig. Ich denke, dass er daraus wirklich hervorsticht als Wissenschaftler, weil er tatsächlich nie vom Teufel redet.
Wir müssen uns ja klar machen, dass es eine Zeit war, in der auch für die Theologen, also das, was die Leute letztendlich zweimal in der Woche mindestens, wenn sie... zum Gottesdienst, zur Messe gingen, hörten, dass für all diese Theologen, auch gerade im Luthertum, der Teufel wirklich eine ganz gegenwärtige Macht war. eben der Gegenspieler von Gott. Und das haben sie auch geschrieben und das bewegte eben sozusagen das ganze Denksystem der Zeit.
Bei Kepler ist es wirklich ein Merkmal, dass in seinen ganzen Schriften eigentlich der Teufel überhaupt nicht vorkommt. Und dass er sehr positiv denkt, dass er in dem Sinne wirklich ein Naturwissenschaftler ist, der ganz erfüllt von all dem Positiven ist, was man neu entdecken kann und wie Gott eben diese Welt belebt. Andererseits gibt es bei ihm schon die Figur des Dämonen.
Und die ist eine sehr komplexe Figur und der Dämon ist eben auch eine Figur, die das Wissen zugänglich macht, was vielleicht mir im Schatten liegt und der im Norden. zu Hause ist. Und von daher ist es schon so, dass er eben nicht nur ein rationaler Wissenschaftler ist, sondern eben auch ganz starken Begriff hat vom Spielerischen, von den dunklen Ecken, die man ausleuchten muss, um Wissen zu generieren.
Und von daher würde ich sagen, mit Hexen im Sinne von der bösen Hexe, die eben Schaden zufügt, von dem Bild hat er sich schon eher distanziert. Aber es gibt für ihn schon die Figur auch der Hexe, die ein bestimmtes Wissen hat vielleicht und die Dämonen kennt. Ein anderer Aspekt, der auffällt bei seiner Argumentation, der zumindest aus heutiger Sicht auch gar nicht so wissenschaftlich haltbar wirkt, ist, wie er, also er argumentiert schon gegen die Hexenvorwürfe gegen seine Mutter.
streng rational, aber beruft sich da halt auch auf Erklärungen, die jetzt aus heutiger Sicht wirklich schon sehr esoterisch anmuten. Also zum Beispiel führt er ja aus, dass eine der Anklägerinnen ihre Monatsblutung unterdrücke und dadurch würde das Blut dann durch Verdunstung aus ihrem Körper gelangen wollen und dadurch entstehe Verwirrung in ihrem Kopf.
Da habe ich mich gefragt, sind eigentlich Aberglaube, wenn man jetzt den Hexenglauben aus heutiger Sicht als Aberglauben fassen will, und überkommene wissenschaftliche Erkenntnisse im Grunde genommen im Endeffekt das Gleiche?
Also zu der medizinischen Theorie, die er da anführt, muss man sagen, dass das sozusagen auf der Höhe der Zeit war. Und es war eben auch auf der Höhe der Zeit, da hat er sich auch beraten lassen, dass er überhaupt... eben anders nachgedacht hat über Diese Schmerzen, also die Anklage kam ja tatsächlich von einer Glasersfrau, die chronisch krank war.
Und dass er da eben gefragt hat, was sind eigentlich die medizinischen Grundlagen dieser Beschwerden? Wie können wir darüber nachdenken? Also das war eben das Naturwissenschaftliche. Es war aber so, dass er eben als extrem komplex denkender Mensch, der immer... auch an Kausalitäten interessiert war. aber gleichzeitig eben auch sozusagen keinen Rationalitätsfetischismus betrieben hat. Also er war eben klug genug zu denken, darüber nachzudenken.
was wir nicht wissen können und wo die Frage, was ist rational, was ist Glaube, auch verschwimmen kann. So rational jetzt zumindest im Ansatz seine Verteidigungsschrift war, am Ende ist ja seine Mutter nicht freigesprochen worden aufgrund dieser Verteidigungsschrift, sondern es gab sozusagen eine Strafe. Die Tübinger Juristen haben beschlossen, dass die Folterung so nicht durchgeht. Es sollten eben nur die Folterwerkzeuge zur Abschreckung gezeigt werden, nicht die Folterung selbst.
Genau die Juristen, die das beschlossen haben, waren aber auch die Juristen, die Johannes Kepler im Vorfeld wohl recht großzügig bezahlt hatte, um ihn zu beraten beim Verfassen seiner Verteidigungsschrift. Hat Kappler im Grunde genommen seine Mutter freigekauft? Also das ist eben eine ganz schwierig zu beantwortende Frage.
Es ist eben in der Tat so, dass Kepler den wichtigsten Tübinger Juristen, das war auch nur eine kleine Gruppe, die in diesen Fragen dann gut achtete, dass er den eben seit langen Jahren kannte persönlich. Und es ist wohl auch so, dass der ihn dann beraten hat. Andererseits war es eben genau, wenn man sich das anguckt, das ist studiert worden, wie der sonst gut achtet hat.
Und das war eigentlich eher ein Hardliner in diesen Fällen. Und der auch zum Beispiel an den Teufel wirklich glaubte und seine Wirkungsmacht. Eigentlich unmöglich zu beantworten, aber freigekauft würde ich sagen, sicherlich nicht, weil natürlich nicht nur diese Juristen gut achteten, sondern es ging natürlich auch über die herzlogglichen Räte. sich diesen Fall auch anschauten.
Und es war natürlich so, dass auch genau einfach gesagt wurde, sie hat bisher nicht gestanden. Und da denke ich schon, dass das auch seine Verteidigung ist. wirklich wichtig war, um zu belegen, dass bestimmte Anklagen tatsächlich nur Gerüchte sein konnten, dass Beklagte viel zu jung waren und dass es da Inkonsistenzen gab. war schon die rechtliche Grundlage für ein härteres Urteil sehr schwankend.
Ich habe mich an der Stelle auch gefragt, wie willkürlich und wie stark genormt Die Hexenprozesse und auch die Befragung der Hexen, wenn man es mal so nennen will, damals ablief, weil genau an der Stelle, also wo eben dann die Folterwerkzeuge Katharina Kepler nur gezeigt werden, um um sie einzuschüchtern und sie dann aber immer noch beteuert, dass sie keine Hexe ist und dass jegliche Aussage, die jetzt unter der
erwarteten Folter erfolgen würden, eben nur erzwungene Falschaussagen wären und nur Lügen wären. Das wird ihr ja, ja wird dann strafmildernd gewertet in ihrem Fall. Da habe ich mich gefragt, wäre nicht genau so eine Aussage in anderen Fällen gerade als Beleg gewertet worden dafür, dass sie eine Hexe ist, wenn sie das halt abstreitet?
Ja, das war natürlich eben am Ende dieses langen Prozesses. Normalerweise eben ja Teil des früheren Vorgehens bei anderen Prozessen, dass dann gesagt wurde, jetzt müssen wir eben die Tatur einschalten, weil es ist eben Außergewöhnliches. wo man sozusagen die Beweislage eben immer schwierig ist. Und deshalb ist die Tortur eben zu rechtfertigen. Also normalerweise wurden ja dann die Beklagten dann doch sehr oft mit aufgezogen, mit Gewichten.
Und das dann dreimal oder sogar noch mehr, weil natürlich immer die Annahme war, wenn es wirklich so ist, dass der Teufel in dieser Person sozusagen agiert. dann kann es ja sowieso keine Wahrheit geben, an dieses Lebensmittel eben unheimlich mächtig.
Und das war sozusagen immer die Problemlage in diesen Fällen. Johannes Kepler hat sich ja, also dieser ganze Fall hat sich ja eine ganze Weile hingezogen. Kepler hat sich ein Jahr lang Auszeit von seiner Forschung genommen, um seine Mutter zu verteidigen. Als er dann nach diesem Prozess nach Linz zurückgekehrt ist, um seine Forschung fortzusetzen, hat er den Grund dieser Auszeit und den Fall um seine Mutter verschwiegen. Wieso hat er das gemacht? Hätte der Repressalien zu befürchten gehabt?
Ja, es ist natürlich so gewesen, dass seine Lage ohnehin unheimlich prekär war. Wir haben das Zeitalter der Gegenreformation. Er selber war Protestant. aber beim katholischen Kaiser als Mathematiker besteilt. Also das war alles sowieso sehr prekär für ihn. Und deshalb hat er sich sicherlich auch von Anfang an so eingesetzt.
Er war auf dem Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Karriere, als diese Anklage gemacht wird. Und es war völlig klar, dass wenn er jetzt als der Sohn einer Hexe, die verbrannt worden ist, bekannt wäre oder auch nur... die angeklagt ist, dass seine Karriere dann letztendlich gelaufen gewesen wäre. Das ist schon völlig eindeutig. Und er hat es wirklich nur ganz wenigen Leuten, Freunden auch mitgeteilt. Es ist noch ein großes Geheimnis, wo Katharina Kepler dann tatsächlich gestorben ist.
Es wird immer davon ausgegangen, dass sie dann zu der Tochter gebracht wurde. Dafür gibt es eigentlich gar keine Belege. Und es gibt auch die Möglichkeit, dass es eigentlich nicht sehr wahrscheinlich aus anderen Gründen ist. Also es könnte tatsächlich sein, dass er seine Mutter zurückgenommen hat nach Linz, aber eben verheimlicht hat, dass sie bei der Familie ist.
Ich fand interessant, Sie beschreiben an einer Stelle des Textes, wie ... damals vor allem ältere alleinstehende Frauen ja leicht Opfer solcher Ausgrenzungen im Rahmen dieser Hexereivorwürfe wurden, weil die eben besonders argwöhnisch beäugt wurden. Und ich habe mich gefragt, wenn man jetzt eine Analogie zieht, dieser gesellschaftlichen Überdrucksituation, unter der man sich damals dort aufgrund von wirtschaftlichen Problemen, Missernten.
Was würden Sie persönlich prognostizieren wäre denn in der Situation, in der wir uns jetzt im Moment befinden? in der ja auch ein gewisser gesellschaftlicher Überdruck herrscht durch die Pandemie, durch eine möglicherweise drohende Wirtschaftskrise. Was könnte denn hier, hierzulande in dieser Situation eine entsprechende Gruppe werden, von solcher Ausgrenzung gefährdet wäre durch den gesellschaftlichen Überdruck, der entsteht.
Naja, die Historiker sind ja Gott sei Dank keine Propheten. Aber wir sehen das ja sozusagen schon jetzt in vielen Gesellschaften und das ist natürlich die Migranten in unserer heutigen Zeit dann immer besonders. prekär leben müssen und dann oft gegen
die die Ausgrenzung weiter passieren. Und ja, das sehen wir natürlich jetzt schon. Auch in England zum Beispiel sieht man das, wo man wirklich Migranten eben versucht, möglichst rauszuhalten aus dem Land, die die Arbeitsstellen eben für sozusagen die richtigen Engländer. zu reservieren und so weiter und so fort. Das sind alles Prozesse, die sich abzeichnen, aber ich denke eben, dass wir in Deutschland hoffentlich da besser aufgesteilt sind und dem entgegenwirken können.
Frau Rubler, ganz vielen herzlichen Dank für das Gespräch. Vielen Dank. Auch Ihnen, liebe Zuhörer, ein großes Dankeschön, dass Sie mit dabei waren. Und wenn Sie möchten, hören wir uns an dieser Stelle wieder in zwei Wochen zur nächsten Folge des Spiegelgeschichte-Podcasts. Ich würde mich freuen. Bis dahin, alles Gute und bleiben Sie gesund.