Das war ja etwas, was er sofort bereut hat, auch in der DDR und öffentlich bereut hat. Das war eben aber auch das Einzige, was er bereut hat und das hat die DDR eben damals so verunsichert. Warum sitzt da so ein junger Mann und ist das so? Ich bin fest davon überzeugt, dass er das Richtige getan hat, wenn er gegen Scheinwahlen protestiert hat. Welche Geschichten verbergen sich hinter der Geschichte?
In diesem Podcast sprechen wir alle zwei Wochen mit Menschen, die nach den Schicksalen hinter den bloßen Jahreszahlen suchen. Hier ist Spiegel Geschichte, der historische Podcast des Spiegel. Mehr als 100 Flugblätter verteilte Hermann Flade vor der DDR-Volkskammerwahl 1950 im sächsischen Olbernhau.
Vor Wahlbetrug warnte der 18-Jährige darin und rief zum Widerstand gegen die DDR-Obrigkeit auf. Als Volkspolizisten ihn dann ertappten, setzte er sich zur Wehr und brachte sich damit selbst in Lebensgefahr. Die DDR-Justiz fällte ein Todesurteil gegen ihn. Ein Vorgehen, das einem Aufschrei im Westen Nachsicht zog. Mein heutiger Gast ist mein Kollege Christoph Gunkel, der sich ausführlich mit diesem Fall auseinandergesetzt hat. Hallo Christoph, schön, dass du heute Abend bist.
Was hat dich an dem Fall von Hermann Flader eigentlich besonders interessiert? Ja, ich fand diese Umbruchszeit zur Diktatur eigentlich recht spannend. Also gerade in Zeiten der Pandemie, wo viele seltsame Vergleiche gezogen werden mit Diktatur. sieht man hier, wie eine Diktatur halt wirklich tickt. Und die DDR war 1950, war sie noch sehr jung. Es war eben diese Umbruchzeit, es standen die ersten Volkskammerwahlen an. Und nun zeigt das System, wenn man so will, sein wahres Gesicht.
Selbst relativ harmlose Kritik von Flade, der ein paar 186 Flugblätter verteilte, in denen er einfach sagte, man sollte nicht zu dieser Scheinwahl gehen. Selbst so etwas wurde eben brachial verfolgt. Und gerade weil Flade eben noch recht jung war, damals 18, Da musste ich dann auch so ein bisschen an meine eigene Schulzeit zurückdenken und dachte so, naja, man selber war ja total unpolitisch in der Zeit, also ich zumindest.
Ich kann mich nur daran erinnern, dass ich irgendwann mal zu einer Demonstration gegangen bin, die sich für den Erhalt unserer Turnhalle einsetzte. Das war so in meiner Schulzeit. Und ja, da habe ich mich natürlich auch gefragt, hätte ich denn in dem Alter wie Vlade überhaupt den Mut gehabt, in so einem System das zu tun, was er getan hat?
Und da muss man, glaube ich, ganz ehrlich sagen, nee, hätte ich nicht gehabt. Denn Flade, das muss man ja auch sagen, der wusste ja, was ihm passieren konnte. Denn es gab ja schon vorher recht harte Urteile auch gegen Schüler und Jugendliche. Zum Beispiel Todesurteile von 1950 gegen eine Gruppe von Schülern. Darüber hatte ich auch mal geschrieben.
die einen selbst gebastelten Piratensender installiert hatten und da ein bisschen über Stalin gelästert hatten. Und das würde eben auch zur drastischen Mut haben. Und wie genau Hermann Flade in diesem jungen Alter schon überhaupt auf die Idee damals zu seiner Protestaktion gekommen ist? Welche Folgen dann aber auch das drastische Urteil, das dann gegen ihn erfolgte, nach sich zog, das hören wir jetzt. Deine Bombenruhe wird dir schon vergehen, wenn du vor dem Schafott stehst. Von Christoph Gunkel
Auf Flugblättern wetterte Hermann Flade gegen die erste DDR-Volkskammerwahl. Vor 70 Jahren kam es zum Schauprozess. Der 18-Jährige redete so mutig, dass die Richter ihm den Ton abknipsten. Warum er das Taschenmesser mitnahm, konnte er selbst kaum erklären. Vielleicht gab es ihm ein trügerisches Gefühl von Sicherheit. Als könnte eine 8-Zentimeter-Klinge einen 18-Jährigen vor der DDR-Diktatur schützen. Doch dieses Messer sollte in der Nacht auf den 15. Oktober 1950 alles schlimmer machen.
Hermann Flade aus der Kleinstadt Olbernhau im sächsischen Erzgebirge handelte naiv. Er verzichtete auf Handschuhe, als er 186 DDR-kritische Flugblätter stempelte, die ihm später als Boykott-Hetze ausgelegt wurden, weil Flade gegen die erste Volkskammerwahl der DDR wetterte.
Das Gehabe des SED-Staats von FDJ auf Märschen bis zu dieser Scheinwahl erinnerten ihn an die NS-Zeit. Welche selbstzerstörerische Dynamik so ein Unrechtsstaat entfachen konnte, hatte seine Familie im brennenden Dresden erlebt. Flade war aber auch couragiert. Er wusste um drakonische Urteile der sowjetischen Militärgerichte, auch gegen Studenten und Schüler. 1946 hatte ein mit Lippenstift verschmiertes Stalin-Porträt eine 14-Jährige für acht Jahre ins Zuchthaus gebracht.
Nun wollte die noch junge DDR jede Opposition im Keim ersticken. Es war schon gefährlich, Orbels 1984 zu lesen oder ein F für Freiheit an die Wand zu pinseln. Und erst Mitte September 1950 waren drei Schüler zum Tode verurteilt worden, die über einen selbst gebastelten Piratensender Stalin als Massenmörder bezeichnet hatten.
Daher weihte Flade seine Freundin Christa nicht ein, obwohl sie ihr Herrmännchen ungewollt auf die Idee gebracht hatte. Anfang Oktober 1950 erzählte sie aufgeregt von Flugblättern gegen die Wahl, die Polizei sei in Aufruhr. So? Interessant, antwortete Fladenur, wie er später schrieb. Und die Entscheidung war gefallen.
Die Geschichte des heute fast vergessenen Oberschülers ist facettenreich, aufwühlend und rätselhaft. Wer war dieser junge Kämpfer für die Freiheit, der viel Drucker trug, später aber doch mit der Stasi kooperierte? Im Westen galt er als tragischer Held. Die DDR staunte über seine Chuzpe und suchte nach vermeintlichen Anstiftern aus dem Westen, doch Flade war Einzelgänger. Karin König hat gut 70 Jahre nach der Flugblattaktion eine Flade-Biografie verfasst.
Die Hamburger Publizistin und Sozialforscherin befragte Zeitzeugen, sichtete private Dokumente und Prozessakten. Ihr Porträt benennt Schwächen, lässt aber auch Bewunderung durchschimmern. Der Mut des jungen Flade muss beeindruckend gewesen sein. Seine Vernehmer habe er mit seiner Direktheit, Gewieftheit, Naivität, auch Klugheit ein ums andere Mal irritiert. Zum Staatsfeind aus Sicht der DDR wandelte sich Hermann Flade am Abend des 14. Oktober 1950, dem Tag vor der Volkskammerwahl.
Ich hatte Angst, ich musste gewaltsam das Zittern unterdrücken, schrieb er in seinen 1963 verfassten Erinnerungen. Ich hasste mich meiner Feigheit wegen, aber das Zittern war stärker als mein Zorn. Die Zettel warf er dennoch in Briefkästen, offene Fenster und Telefonzellen, klemmte sie in Fensterläden.
Selbstverständlich befestigte ich auch bei der Polizeiwache ein Blatt. Ich lief wie einer, der es eilig hat, heimzukommen, aber ohne zu hasten. Die Botschaften warnten vor Wahlbetrug nach sowjetischem Muster und riefen zum Widerstand auf. Ihr werdet zu Verantwortung gezogen. Denkt an die Strafe für die Naziverbrecher. Haltet euch vom aktiven Dienst in der sogenannten DDR fern.
Auch die Ostzone wird befreit, leistet Widerstand, so viel ihr könnt, seid bereit. Mit den Bonzen wird abgerechnet, noch ist Zeit zur Besinnung. Als gegen halb eins in der Nacht nur noch wenige Zettel zu verteilen waren, geriet Flade in eine zivile Polizeikontrolle. Ein Volkspolizist und eine Volkspolizistin hatten zuvor ein Liebespaar gemimt. Als der Polizist Flades Ausweis verlangte, wusste der Schüler, man hatte ihn beobachtet. Er zog sein Messer und stach zu.
Die Klinge traf den Mann am Arm. Im Kampf ging der Schüler zu Boden. Er stach dem auf ihn liegenden Polizisten in den Rücken und konnte sich befreien. Ich raste im Zickzack davon. Der Schein der Taschenlampe folgte mir. Ich erwartete jeden Moment Schüsse. Doch die Zivilstreife war unbewaffnet, Flade konnte entkommen und saß doch in der Falle. Bald hingen in Olbernhau Fahndungsblätter mit exakter Beschreibung. Am 16. Oktober 1950 wurde Flade verhaftet.
Erst leugnete er alles, trotz erdrückender Beweise. Man hatte Haare von ihm gesichert, dazu Fingerabdrücke auf den Zetteln. Als seine Eltern und die Oma ebenfalls verhaftet wurden, gestandte er. Zur Überraschung der politischen Vernehmer bereute er allein die Messerstiche. Ungerührt gab Flade am 19. Oktober 1950 zu Protokoll, man müsse die DDR und ihre Organe passiv und aktiv bekämpfen.
Er stehe heute noch dazu und bereue seine Flugblattaktion auf keinen Fall. Seiner Schilderung zufolge drohte ihm ein Vernehmer, na, deine Bombenruhe wird dir schon vergehen, wenn du vor dem Schafott stehst. Die DDR wollte einem renitenten Schüler ein Exempel statuieren mit einem öffentlichen Schauprozess im vollen Konzerthaus Tivoli in Olbernau.
Am 10. Januar 1951 übertrug die zuständige 22. Strafkammer des Landgerichts Dresden den Prozess im Rundfunk und per Lautsprecher auf einen Platz vor dem Tivoli. Flades Klassenkameraden und weitere Schüler brachte man eigens dorthin. Die SED-kontrollierte Presse forderte eine strenge Bestrafung derartiger Elemente, sie seien Feinde der Demokratie und des Friedens. Die Anklage lauteten auf Boykotthetze in Tateinheit mit militärischer Propaganda und versuchte Mord.
Dem Stiefvater Erich hatten die Vernehmer wohl unter massivem Druck entlockt, Hermann sei schwer erziehbar. Man habe ihn in eine Erziehungsanstalt schicken wollen. Das Taschenmesser wurde im Prozess immer bedrohlicher und nun zu einem Hirschfänger mit 50 bis 60 Zentimeter langer Klinge. Dass der Volkspolizist nur leichte Verletzungen erlitt, wurde unterschlagen. Das neue Deutschland behauptete später sogar, Flade habe den Polizisten erstochen.
Der Schüler selbst, von der Kulisse kaum eingeschüchtert, erzählte freimütig von seinen Zweifeln an der FDJ. der er nur unwillig beigetreten sei. Von erschreckenden Arbeitsbedingungen im Bergbau, wo er vor der Rückkehr zur Schule eine Zeit lang gearbeitet hatte. Insgesamt habe er auf Demokratie gehofft, die DDR ihn aber mit Propaganda enttäuscht. Zu seinem Motiv sagte er, die Freiheit war mir lieber als mein Leben.
Das war zu viel. Der Schauprozess drohte sich gegen den Staat zu wenden. Sofort nach Flades Satz erklang ein gebelltes Abschalten über die Lautsprecher. Dann brach die Übertragung lange ab, wie Zeitzeugen sich später erinnerten. Am Nachmittag verkündete das Gericht die Todesstrafe für den Teenager.
Die DDR-Presse lobte das Urteil gegen den hetzenden Mordagenten Flade. In der Bundesrepublik dagegen war das Entsetzen groß. Der Rundfunk Sender Rias kommentierte, ein grausameres und unmenschlicheres Urteil ist selten gesprochen worden. Westdeutsche Politiker und Verbände setzten sich für Flade ein. In Westberlin versammelten sich 5000 Menschen zu einer Kundgebung am 28. Januar 1951.
Der Brief eines schwedischen Schülers berührte viele. Ich kann nicht sehen, dass sie einen Jungen morden lassen. Er ist doch noch ein Kind. Besorgt stellte die Stasi auch in der DDR zahlreiche Solidaritätsaktionen fest. Auf Flugblättern hieß es, es lebe Freiheit und drohend, für Flade werden 10 Euro Leute sterben. Lehrer, die sich zu wenig von Flade distanzierten, wurden entlassen und sympathisierenden Schülern hohe Haftstrafen aufgebohnt.
Der Druck aus dem Westen zeigte Wirkung. Im Schnellverfahren wurde das Urteil gegen Flade revidiert. Damit die DDR ihr Gesicht wahren konnte, wurde der Schüler zu einem Gnadengesuch gedrängt. Halbherzig bereute er darin sein Verhalten im Tivoli-Prozess. Das Neuurteil vom 29. Januar 1951 lautete 15 Jahre Zuchthaus. Damit begann ein Martyrium in berüchtigten Anstalten wie Bautzen und Waldheim.
Mit schwarzem Humor schrieb das dich immer treu liebende Herrmännchen seiner Freundin Christa, diese Lappalie werde er fix absitzen. Bald seien die beiden verheiratet und der müsse sich mit seinen sicher missratenen Kindern herumschlagen. Die Gefängnisleitung kassierte diesen wie andere Briefe ein. Dass er keine Post erhalte, macht mich manchmal fertig, schrieb Fla dann Familie und Freundin und ahnte richtig, sicher liegt es nicht an euch.
Erst 1957 durfte ihn seine Mutter besuchen. Schwer an Tuberkulose erkrankt, fragte sich der junge Mann schon 1955, ob es so schlimm wäre, wenn er im Haftkrankenhaus eingeht. Nach eigenen Angaben beging er zwei Suizidversuche. Derweil setzte die Stasi den Informanten Gold auf ihn an. Flade sollte sich freiwillig von vermeintlichen westlichen Machenschaften lossagen und seine Flugblattaktion öffentlich bereuen, mit der Aussicht auf eine frühere Entlassung. Er weigerte sich.
Umso erstaunlicher wirkt es, dass Flade sich 1958 noch im Gefängnis verpflichtete, fortan unter dem Decknamen Garlach für die Stasi zu spitze. Sein Motiv ist unklar. War der Druck zu groß? Wollte er mit einer Scheinverpflichtung schneller frei kommen? Manches deutet darauf hin, dass Flade naiverweise hoffte, man werde ihn zur Spionage im Westen einsetzen und er könnte so entkommen oder ein doppeltes Spiel treiben.
Am Ende lieferte er kaum Brauchbares, kam Ende 1960 vorzeitig aus der Haft und zog zu seinen Eltern, die inzwischen in Bayern Heimat seiner Mutter lebten. Den Verfassungsschutz informierte er über seine vormalige Stasi-Tätigkeit. Flade heiratete 1966, wenn auch nicht, seine Jugendliebe Christa. Er studierte, wurde dreifacher Vater, engagierte sich politisch, etwa bei der Jungen Union und promovierte in Mainz.
Ob er im Westen glücklich wurde? 1980 starb er in einem Schlaganfall. Einige ihm nahestehende vermuten, er habe sich das Leben genommen. 17 Jahre später wurde Hermann Flader rehabilitiert und seine einzige Verurteilung für rechtsstaatswidrig erklärt. Sie hören den Spiegel-Geschichte-Podcast. Ich bin Danny Kringil und zu Gast bei mir ist heute mein Kollege Christoph Gunkel. Hermann Flade, das ist ja eine durchaus zwiespältige Figur gewesen.
Einerseits hat er mit dem Widerstand gegen das Regime ein sehr hohes Risiko auf sich genommen und andererseits hat er aber auch einen Menschen mit einem Messer. Wie wurde sein Schicksal eigentlich im DDR-Widerstand wahrgenommen? War der da eher ein Vorbild oder galt er eher als ein verschrobener Einzeltäter?
Naja, im DDR-Widerstand, da gab es dann schon auch direkt eher die Vorbildfunktion, würde ich sagen. Es gab Solidaritätsaktionen, es gab Schüler und Lehrer, die sich... für ihn aussprachen oder sich nicht genug von ihm distanzierten und dafür eben auch drastisch bestraft wurden. Wäre deine persönliche Einschätzung von ihm, ist er eher ein Held oder ist er eher ein Verbrecher?
Held oder Verbrecher, also das sind so Zuschreibungen, die so ein bisschen schwierig sind, aber das, was ihm dann später vorgeworfen wurde, eben diese Messerattacke. Das war ja etwas, was er sofort bereut hat, auch in der DDR und öffentlich bereut hat. Das war eben aber auch das Einzige, was er bereut hat und das hat die DDR eben damals so verunsichert.
Warum sitzt da so ein junger Mann und ist so felsenfest davon überzeugt, dass er das Richtige getan hat, wenn er gegen Scheinwahlen protestiert hat? Das Einzige, was eben leidet, ist sozusagen die Messerattacke. Und für die Messerattacke kann man natürlich sagen, ja klar, das war eine Sache, die eben auch strafrechtlich verfolgt werden darf. Aber verurteilt wurde er eben in einem Schauprozess und eben nach nicht rechtsstaatlichen Kriterien. Und in dem Prozess ging es ja auch eher darum, dass man
ihn dazu bringen wollte und zwingen wollte zu bedauern, dass er sich politisch gegen die DDR und gegen die Wahlen ausgesprochen hatte. Da hatte die Messeattacke dann doch... Das war natürlich ein zusätzliches Argument. Und in der DDR-Presse wurde auch teilweise behauptet, er hätte den Polizisten erstochen, obwohl er ihn nur verletzt hat. Aber im Grunde war es natürlich ein Schauprozent.
bemerkenswert so ein junger Mann, der hinter Gittern dann so standhaft bleibt. Einerseits hat er sogar hinter Gittern noch entschieden, für den Widerstand gegen das DDR-Regime plädiert. Andererseits hat er dann aber auch 1958, als er noch im Gefängnis war, angefangen, selbst als Stasi-Spitzel tätig zu werden. Wie ist das zusammenzubringen? weiß man, ob er selbst darüber in Gewissenskonflikte geriet. Wie passt das zueinander?
Darüber geriet er mit Sicherheit auch selbst in einen inneren Konflikt, denn er verschrieb ja auch nach seiner Freilassung im Westen, hat er ja ein Buch geschrieben, hat er ziemlich offen darüber gesprochen, dass er eben diese Stasi-Tätigkeit angenommen hat. Und er hat sich auch sofort, als er im Westen war, beim Verfassungsschutz gemeldet und gesagt, was er da getan hat. Also das hat er mit Sicherheit auch bedauert.
Wie kam es eigentlich zu der Zusammenarbeit damals zwischen Hermann Flade und der Stasi, für die Spitzel dann tätig wurde? Ja, das ist etwas seltsam. Zunächst, weil wir angesprochen waren von einem Stasi-Mitarbeiter, der ihm anbot. Naja, wenn er sich jetzt öffentlich nochmal distanziere davon, von dieser Flugplatzation und sagte, dass da auch irgendwie böse Kräfte im der Westen dahinter steckten. Das ist das, was die DDR gerne hören wollte, dass er kein Einzeltäter war.
Also wenn er das tun würde, dann käme er schneller frei. Das hat er erst mal brust abgelehnt. Und dann etwas später, 1958, hat er sich eben doch darauf eingelassen. Und da kann man jetzt nur so ein bisschen drüber spekulieren. Es wird auch in der Biografie über Flade von Karin König so ein bisschen offen gelassen.
Also der Druck mag natürlich zu groß gewesen sein. Man darf ja auch nicht vergessen, er war noch ein junger Mann. Seine Briefe wurden abgefangen. Er bekam, also die Briefe, die an ihn zugestellt wurden, abgefangen. Er bekam keine Post von seiner Freundin, von seiner Familie. Und zweimal soll er eben auch versucht haben, sich in der Haft das Leben zu nehmen, wobei das nur auf seinen eigenen Angaben beruht.
Und da gibt es eben auch noch Hinweise, dass er eben so ein bisschen naiv dann doch noch war und irgendwie dachte, dass er die Stasi vielleicht austricksen könnte. so nach dem Motto, in dem Irrglauben stand. dass man ihn vielleicht einsetzen würde als Agenten im Westen und dass er dann irgendwie ein doppeltes Spiel spielen könnte oder vielleicht sogar fliegen könnte. Er ist ja nach seiner Haft dann auch tatsächlich nach Westdeutschland über. Hat er damals eigentlich die Prominenz seines Falles?
dazu genutzt, um nach seiner Übersiedlung dann gegen die Missstände in Ostdeutschland in der BRD zu protestieren? Oder hat er da komplett mit seiner DDR-Vergangenheit abgeschlossen? Also abgeschlossen würde ich nicht sagen. Er ist erst mal... für ein paar Tage komplett irgendwie abgetaucht, was ja auch verständlich ist. Man wusste nicht, wo er war.
Die Presse fing schon an zu rätseln, was passiert ist oder ob ihm möglicherweise etwas passiert ist. Aber dann, schon relativ bald, tauchte er wieder auf. Er hielt überall Vorträge, gab Fernsehinterviews, sprach über seine Zeit im Zuchthaus. Und dabei versuchte er immer, den Eindruck zu vermeiden. Und das fand ich irgendwie auch spannend an ihm.
dass er eben kein Sonderfall war oder kein Einzelfall war, sondern er sagte immer, dass es hunderte Opfer wie ihn gäbe. Das war ihm ganz wichtig und sagte dann in den Interviews auch, das Deprimierende, das sei jetzt nicht so sein persönliches Leid, sondern eigentlich die Aussichtslosigkeit.
dass sich dann irgendwann in der DDR oder an dem Unterdrückungssystem der DDR etwas ändern würde. Mit solchen Aussagen war er natürlich auch für die Politik interessant geworden und trat dann auf zahlreichen CDU-Veranstaltungen auf. Überzeugter Katholik, deshalb lag das so ein bisschen nahe mit der CDU. Er traf sogar einmal Konrad Adenauer auf dem CDU-Bundesparteitag 1961. Da gibt es Fotos davon.
sieht man einen Flade, der, glaube ich, recht glücklich oder wahrscheinlich eben auch stolz war, dass er den Bundeskanzler treffen durfte. Mit seiner Übersiedlung nach Westdeutschland hatte Flade ja eigentlich das verhasste DDR-Regime dann endlich hinter sich.
Er war jetzt in der BRD. Wie gut ist es ihm eigentlich gelungen, sich da zu integrieren? Ja, auf den ersten Blick wirkt es so, als sei das super und richtig vorbildlich gelungen. Also er holte sein Abi recht schnell nach. Er studierte in München und in Mainz. noch Politikwissenschaften und Geschichte und er promovierte später sogar. Andererseits gibt es da einen Brief aus der Zeit, den er an einen ehemaligen Haftkollegen schrieb.
In der DDR, der war noch in der DDR und das spürt man, dass Wladder dann doch mit einigen Dingen in der Bundesrepublik fremdelte. So schrieb er in dem Brief etwa, in der Bundesrepublik müsste man schon sehr seine Ellbogen einsetzen, um zum Erfolg zu kommen. Aber das machten eben alle so, das klang so ein bisschen resigniert. Und dann hatte er so einen Studentenjob irgendwie als Handelsvertreter und erzählte davon ironisch. er sei so ein besserer Marktschreier.
Dann sagte er auch noch in dem Brief, merkte man auch, dass die Vergangenheit ihn eben nicht losließ. Er erzählte dann recht offen, dass er wegen der Nerven, so hieß es da wörtlich, eben bei einem Psychiater regelmäßig im Behandlungsfall. Es heißt, dass Vlade sich dann auch darin engagiert hat, anderen DDR-Bürgern zu helfen, dem Regime zu entfliehen, stimmt das?
Ja, das ist so eine ganz verrückte Geschichte. Er schrieb ja seine Erinnerungen über seine Zeit im Zuchthaus. Sie kam 1963 auf den Markt, war zu seiner Enttäuschung nicht besonders erfolgreich. Aber zumindest einen Leser und einen Fan hatte er. Das war ein junger Mann, dessen Verlobte noch in Dresden festsaß. Und die wollte der junge Mann jetzt eben in die DDR holen.
Knöpfte dann eben zu Flade den Kontakt, weil er hoffte irgendwie, dass Flade ihm helfen könnte. Der Verlag vermittelte, die beiden Männer trafen sich und tatsächlich stellte sich dann heraus, dass Flade irgendwie schon so ganz gut Bescheid wusste. wie das so laufen kann mit Flucht. Er hatte sich wohl offensichtlich schon in der Fluchthelferszene Informationen verschafft, wusste Bescheid über Preise für gefälschte Pässe oder für Tunnelfluchten. Und tatsächlich konnte er ihm dann helfen.
Wobei eben wichtig war, dass er jetzt nicht selber irgendwie Geld nahm oder Geld verdienen wollte, sondern er war nur Vermittler. Aber da war geholfen, dass die Verlobte dann eben in die Bundesrepublik kamen. Und die beiden Familien, also Flade heiratete später ja auch nochmal, waren dann auch wirklich noch lange befreundet. Und das war nicht der einzige Fall, wo Flade als Vermittler auch. Der Fall liegt ja jetzt fast ein Dreivierteljahrhundert zurück.
Und trotzdem heilt er immer noch nach. Also es gab wohl in den letzten Jahren im Heimatort Flades schon noch irgendwie einen Nachhall von seinem Fall damals. Was war da los? Ja, die Angehörigen der Familie Flade, die wünschen sich schon länger eine Ehrung von Hermann Flade in seiner Heimatstadt Olbernau. Und der Bürgermeister hatte im Frühjahr 2021 auch in der lokalen Presse versichert, ja, es werde auf jeden Fall irgendwie einen Ort des Gedenkens für Flade geben. Er sagte damals wörtlich.
Flade lässt eben erkennen, wozu eine Diktatur fähig ist. Doch bisher hat sich in der Richtung nichts getan. Das sagte mir kürzlich die Biografin von Flade, die auch mit der Familie eng in Kontakt steht. Angedacht war nämlich, eine Gedenkplakette am Ballhaus Tivoli zu installieren, also an dem Ort, wo Flade in dem Schauprozess zum Tode verurteilt worden war. Das war ja wirklich ein Schauprozess, der per Rundfunk übertragen worden ist.
Und als Flade dann Sachen sagte, die dem Staat nicht passten, weil er eben kritisch und standhaft blieb, hat man ja einfach ganz schnell so Rundfunkübertragung abgeknipst. Naja, jedenfalls dort sollte eine Plakette angebracht werden. Nur das Problem ist, dass das Tivoli jetzt derzeit saniert wird von einem privaten Investor. Das kann eben noch dauern und der jetzige amtierende Bürgermeister, der tritt bei den Neuwahlen im Juni 2022 nicht mehr an.
So was danach passiert, ist eben unklar. Christoph, ganz vielen lieben Dank für das Gespräch und Dankeschön, dass du heute mit dabei warst. Alles klar, gerne. Ein großes Dankeschön auch an Sie, liebe Zuhörer, dass Sie wieder reingehört haben in den Spiegelgeschichte-Podcast. Alles Gute.