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Körper oder Psyche - Was macht mich krank?

Jun 04, 202518 min
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Summary

Was macht uns krank? Sind es rein körperliche Ursachen oder spielt die Psyche eine größere Rolle als gedacht? Diese Folge beleuchtet das moderne biopsychosoziale Modell, das biologische, psychische und soziale Faktoren integriert. Außerdem geht es darum, wie die ständige Nutzung von Navigations-Apps unseren Orientierungssinn beeinflusst und welche Effekte das auf unser Gehirn hat.

Episode description

Außerdem: Orientierungssinn - Machen Navis ihn kaputt? (10:55) // Mehr spannende Themen wissenschaftlich eingeordnet findet ihr hier: www.quarks.de // Habt ihr Feedback, Anregungen oder Fragen, die wir wissenschaftlich einordnen sollen? Dann meldet Euch über Whatsapp oder Signal unter 0162 344 86 48 oder per Mail: [email protected]. Von Sebastian Sonntag.

Transcript

Das mit deinem Kopf-, Rücken- oder Bauchschmerzen, das hat doch vor allem mit dem Stress zu tun, den du hast oder mit deinen Problemen. Das ist doch alles psychisch. So was hat man früher öfter mal gehört, eben mit diesem Unterton. Das kannst du doch ändern. Also ich meine, das hast du doch selber in der Hand, wo dann auch gerne mal so ein, naja, stelle ich mal nicht so an, Gefühl bei einem selbst übrig bleibt. Dabei wissen wir doch, dass Körper und Psyche zusammenhängen.

Wie sehr bzw. ob das überhaupt eine sinnvolle Trennung ist, also die zwischen Körper und Psyche, das klären wir gleich als erstes. Und es geht um euren Orientierungssinn. Wie gut kennt ihr euch in der Gegend aus, wo ihr wohnt? Also zum nächsten Supermarkt der Welt.

ihr schon noch finden, aber schaltet ihr dann schnell die Maps-App auf dem Handy an, wenn es ein bisschen darüber hinausgeht? Und wenn ihr das öfter mal macht, also Maps oder eine Navi-App nutzen, glaubt ihr, dass euer Orientierungssinn darunter leidet? Merkt ihr das vielleicht sogar? Was die Wissenschaft dazu sagt, auch das erfahrt ihr in dieser Folge. Sebastian Sonntag hier. Tag!

Also früher ist man da gerne mal nicht so ganz ernst genommen worden, wenn man Schmerzen gehabt hat, aber es keine erkennbare körperliche Ursache dafür gegeben hat. Lukas Kohlenbach ist Arzt und Wissenschaftsjournalist hier bei uns im Quarks-Team. Wie blickt man denn da heute wissenschaftlich drauf? Wann sind Beschwerden?

psychisch, wann körperlich. Ja, so eine ganz klare Abgrenzung, wann die Beschwerden körperlich und wann psychisch sind, die gibt es heute einfach gar nicht mehr. Das ist häufig ein Zusammenspiel von beiden. Wir wissen zum Beispiel... Bei Depressionen, das ist ja ursprünglich eine psychische Erkrankung, aber auch da lassen sich körperliche Veränderungen im Gehirn nachweisen.

Und sie tritt häufiger gemeinsam mit körperlichen Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes oder Herzerkrankungen auf. Andersherum sehen wir auch bei einigen körperlichen Erkrankungen wie etwa Asthma oder... chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, dass auch psychische und soziale Faktoren da eine Rolle spielen. Zum Beispiel, dass Stress die Symptome verstärkt oder auch wenn man einsam ist und kein unterstützendes Umfeld hat. Das ist ja ganz spannend, dieses Zusammenspiel.

Viel von Körper und Psyche, aber wie kann man das dann medizinisch erklären? Mit dem sogenannten biopsychosozialen Modell. Ja, wie der Name schon sagt, bezieht das biologische, psychische und auch soziale Einflussfaktoren mit ein. Man muss dazu sagen, das alte Modell, das so vor allem nach rein biologischen Ursachen sucht,

Das passt schon auch noch zum Beispiel bei sehr akuten Erkrankungen wie einer Lungenentzündung oder einem Bruch zum Beispiel. Da ist ja ziemlich klar, mein Bein tut weh, weil der Knochen gebrochen ist. Ja, aber bei vielen anderen Krankheiten, gerade chronischen, zum Beispiel dem Reizdarm oder chronischen Herzerkrankungen, da erklärt das biopsychosoziale Modell einfach besser, wie sie entstehen und auch behandelt werden können. Auch dieses Modell ist nicht ganz perfekt.

Ich finde es tatsächlich auch so ein bisschen vage, also wenn du jetzt sagst, hier so biologische Ursachen, psychische Faktoren, soziale Einflüsse, das kann ja am Ende tatsächlich relativ vieles sein, also da kann viel drunter fallen. Wie können wir denn dann überhaupt rausfinden, was am Ende wirklich entscheidend ist, was quasi zu meinen Symptomen geht?

Ja, da hast du einen ganz guten Punkt. Ich habe, weil das so komplex ist, mit dem Chefarzt des Uniklinikums in Stuttgart gesprochen, Andreas Stengel und der hat mir erklärt. Diese drei Säulen aus dem Modell, also die biologische, die psychische und die soziale, die sind nicht immer bei jeder Erkrankung oder auch im Verlauf von einer Krankheit gleich stark ausgeprägt.

Sagen wir mal, du hast chronisch Bauchschmerzen. Das ist Gott sei Dank nicht meine Baustelle, aber ich stelle mir das jetzt einfach mal vor. Okay. So eine mögliche Ursache dafür könnten chronisch entzündliche Darmerkrankungen sein. Morbus Crohn ist da so ein Beispiel. Und Menschen mit Morbus Crohn, die haben immer mal wieder so entzündliche Schübe, wo ihre Symptome, zum Beispiel die Bauchschmerzen.

Wenn wir da jetzt das biopsychosoziale Modell anlegen, dann ist in so einem Schub erstmal die biologische Säule führend. Weil das Immunsystem des Körpers diese Entzündungen am Ende auslöst? Ja genau. Es fahren dann Entzündungszellen in die Darmschleimhaut, die schütten Botenstoffe aus. Erstmal sind das alles biologische oder körperliche Prozesse. Und es gibt auch Medikamente, die diese Entzündungen... Zündung dann wieder abmildern.

Man könnte jetzt denken, die körperliche Ursache wurde behoben, jetzt ist alles fein, aber es gibt auch immer wieder Krankheitsphasen, da ist eigentlich die Entzündung mit den Medikamenten ganz gut behandelt, aber trotzdem werden die Symptome wieder stärker. Da könnten dann wirklich die psychosozialen Einflüsse wie zum Beispiel Stress die entscheidende Rolle spielen. Du siehst also schon, welche...

Ursache da gerade im Vordergrund steht, das ist oft ziemlich schwierig zu beantworten. Für viele körperliche Dinge haben wir ja heute ganz gute Diagnostik, wie Blutwerte oder Ultraschall, aber die psychosozialen Einflüsse, die lassen sich meist nicht ganz so gut messen. Aber wie macht man das denn dann als Ärztin oder als Arzt? Wie geht man da vor? Erstmal alles Körperliche ausschließen? Nein, das ist tatsächlich veraltet, hat mir Andreas Stengel erklärt.

Seite erstmal fokussiert und so nach dem Motto, wenn wir mit der nicht mehr ausreichend weiterkommen, dann suchen wir nach anderen Faktoren. Das ist aber was, was eher längere Krankheitsverläufe begünstigt und Behandlung zumindest verzögert, wenn nicht gar deutlich behindert. sind da die Schlagwörter, die Ärztinnen heute gerne verwenden. Klingt ganz schlau, aber was ist das genau? Ja, dass einfach ganz viele Faktoren gleichzeitig betrachtet werden. Zum Beispiel jetzt mal beim Reizdarmsyndrom.

haben hier oft diffuse, immer wieder kehrende Bauchbeschwerden. Und wenn man jetzt nur Medikamente gibt, etwa gegen die Krämpfe, dann muss man im Schnitt so fünf bis zehn Leute behandeln, damit bei einer Person die Beschwerden wirklich besser werden. Ja, das ist nicht besonders effektiv, hat mir Andreas Stengel erklärt. Aber wenn man diese medikamentöse Behandlung mit einer Psychotherapie kombiniert, sieht das ganz anders aus. Dann hilft es im Schnitt schon bei jeder zweiten oder dritten Person.

Wichtig ist hier aber, das gilt vor allem für Menschen mit Reizdarm, die auch zusätzlich belastet sind, also weil sie zum Beispiel viel Stress haben, schwierige Lebensumstände oder eine Depression. Für andere, die das jetzt nicht haben, wirkt diese Kombi-Therapie nicht zwingend besser. Aber könnte man jetzt sagen, dieses Modell, das ist jetzt schon auf dem Weg, also es hat Einzug in die Praxis genommen?

Ja, auf jeden Fall. Also das Reizdarm-Syndrom ist ein gutes Beispiel, aber auch bei der Therapie anderer chronischer Krankheiten, zum Beispiel Asthma oder chronischen Herzerkrankungen, da steht das biopsychosoziale Entstehungsmodell inzwischen in den Leitlinien für die Ärzte. drin.

Zentral ist dabei aber, was wird im Arztgespräch überhaupt alles abgefragt? Welche Faktoren nimmt der Arzt oder die Ärztin überhaupt wahr? Es ist wichtig, dass Ärztinnen da gezielt geschult werden, also dass man ihnen beibringt, wie sie strukturiert vorgehen. gehen und auch auf Augenhöhe mit den PatientInnen sprechen und wie man dann gemeinsam eine gute Entscheidung trifft.

Gerade in dem Fachgebiet der Psychosomatik ist das besonders wichtig. Vielleicht kannst du da nochmal kurz erklären, womit die sich genau beschäftigt, damit wir verstehen, warum es da so wichtig ist. Die Psychosomatik beschäftigt sich gezielt mit den Zusammenhängen zwischen Psyche, Körper und dem sozialen Umfeld und natürlich kann man diese Faktoren in Gesprächen.

aber sie nicht so gezielt messen wie einen Blutwert. Und darüber habe ich auch mit Hans-Christian Deta gesprochen, einem Psychosomatiker von der Charité in Berlin. Er ist schon seit den 1970er Jahren in dem Bereich aktiv. Das Problem ist weiterhin, in der naturwissenschaftlich orientierten Medizin zählen nur Evidenzen. Und die Frage der Evidenzen ist wirklich sehr, sehr schwierig und kostenintensiv. im Augenblick nicht so richtig breit durchführen.

Es braucht nach seiner Sicht einfach mehr Forschung auf dem Gebiet. Aber die psychosomatische Forschung, die finanziert sich vor allem mit staatlichen Fördergeldern. Vermutlich auch, weil es ja nicht um neue Medikamente geht, bei denen die Industrie im Zweifel verdienen kann.

Und das führt nach Meinung von Hans-Christian Deta dazu, dass die Forschung in seinem Fachgebiet immer ein bisschen hinterherhinkt. Aus seiner Sicht besteht hier also noch großer Forschungsbedarf. Aber es ist vermutlich ziemlich wichtig, diese Zusammenhänge zu verstehen, oder?

Ich meine auch für unser Zusammenleben. Ja, das könnte durchaus eine gesellschaftliche Dimension haben, denn schaut man mal auf die Zahlen zur Erwerbsminderungsrente. Also wenn Menschen wegen Krankheit dauerhaft nicht mehr arbeiten können, dann sind da die... psychiatrischen und psychosomatischen Diagnosen führend. Die machen rund 42 Prozent der Fälle aus.

Zum Vergleich mal, die Krebserkrankungen, die liegen an zweiter Stelle und die machen nur etwa 15 Prozent aus. Also die Relevanz der psychiatrisch-psychosomatischen Diagnosen ist hier ziemlich groß. Jetzt sprechen wir die ganze Zeit natürlich über uns, also über Deutschland. besser als wir? Könnten wir uns da irgendwas abschauen vielleicht? Ja, nicht unbedingt. Also Deutschland ist international

gesehen jetzt tatsächlich schon besser aufgestellt als andere Länder. Neben Lettland sind wir nämlich das einzige Land, das überhaupt einen eigenen Facharzt für Psychosomatik hat. Und jährlich werden inzwischen über 700.000 Menschen in dieser Disziplin behandelt. Die Versorgung hat sich in den letzten Jahrzehnten also verbessert, aber sie könnte natürlich...

noch besser sein. Und es ist ein wichtiges Thema. Ich glaube, das ist klar geworden. Das heißt, da noch ein bisschen Energie und Forschung und damit auch Geld reinzustecken, das wäre durchaus sinnvoll. Lukas Kohlenbach, Arzt und Medizinjournalist bei uns im Quarksteam. Danke für die Ansortierung. Ja, gern.

Ein Faktor, auf den man körperlich reagieren kann, also wo Körper und Psyche quasi zusammenspielen, das ist Stress, das ist ja gerade schon gewesen. Und Stress hat nicht selten was mit unserer Arbeit zu tun, auch darüber haben wir gerade schon gesprochen. Vielleicht auch damit, dass wir zu viel arbeiten oder dass der Workload zu hoch ist. Unser Bundeskanzler Friedrich Merz hat aber letztens vorgeschlagen, dass wir alle noch ein bisschen mehr arbeiten sollen.

Also klar, das kann wirtschaftlich positive Effekte haben, zum Beispiel mit Blick auf den Fachkräftemangel. Auf der anderen Seite wissen wir mittlerweile aus vielen Studien, dass mehr Arbeit nicht gleich mehr Produktivität ist und dass zu viel Arbeit auch nicht...

gut ist für unsere Gesundheit. Wir haben die Vor- und Nachteile mal genau auseinandergenommen und das Ergebnis findet ihr kurz zusammengefasst in unserem Quarks Instagram-Kanal. Schaut da gerne mal rein, den direkten Link zum Post, den gibt es hier gleich in den Shownotes. Fahrt ihr noch irgendwo hin, ohne vorher das Navi anzumachen?

Ich würde jetzt mal vermuten, dass es doch einige unter euch gibt, für die es sich möglicherweise fast unmöglich anfühlt, sich ohne Handy in der Hand zurechtzufinden, sogar in der eigenen Stadt. Leidet unsere Orientierungssinn vielleicht darunter, dass wir ständig Maps oder Navi-Apps nutzen. Sabrina Leu aus dem Quarxium hat sich angeschaut, ob diese Sorge eine wissenschaftliche Grundlage hat. Sabrina, machen wir uns mit den ganzen Navi und Maps Apps? Unseren Orientierungen sind wirklich kaputt.

Also wir machen ihn jetzt nicht direkt kaputt, aber wir trainieren ihn weniger. Und genau das zeigen Studien auch. Wer häufiger Navi-Apps nutzt, nimmt seine Umgebung oft weniger bewusst wahr. Diese Leute schätzen dann auch die eigene Orientierungsfähigkeit schlechter ein. bestimmten Aufgaben schneiden sie auch tatsächlich ein wenig schlechter ab. Jetzt bin ich gespannt. Bei Orientierungsaufgaben oder was?

Ja, genau. Also Experimente zeigen, dass wir unsere Umgebung und damit zum Beispiel auch markante Wegpunkte nicht so gut wahrnehmen und uns nicht daran erinnern, wenn wir das Navi nutzen. Das ist ja auch irgendwie logisch, weil wir setzen uns dann ja auch weniger aktiv mit unserer Umgebung auseinander. sofort orientierungslos, aber vielleicht machen sie unseren Orientierungssinn so ein bisschen träge und man bekommt eben auch nicht alles mit.

Ja, genau. Also ich meine, um uns zu orientieren, da legen wir quasi so mentale Karten in unserem Kopf an. Also du weißt zum Beispiel, dass die Post neben dem Supermarkt liegt, der Park ist zwei Straßen weiter und du bewegst dich grob Richtung Norden.

Untersuchungen deuten darauf hin, dass das eben seltener passiert, wenn Menschen ein Navi nutzen. Es gibt verschiedene Studien, in denen das untersucht worden ist. Eine Meta-Analyse, die das alles mal so zusammengefasst hat, die zeigt, die Effekte, die sind eher klein, aber sie sind da. vor allem dann auftreten, wenn die Navis halt sehr

Passiv genutzt werden. Sehr passiv genutzt werden, also was genau meinst du damit, weil ich aktiv einschalten mache ich ja schon. Naja, aber wenn du halt einfach nur diesen Anweisungen folgst, rechts abbiegen, links abbiegen, ohne mal irgendwie selber mitzudenken oder dich auch mal...

wirklich bewusst umzuschauen. Verstehe. Also in Experimenten haben Leute, die so navigiert haben, die haben anschließend deutlich schlechtere Karten der Umgebung zeichnen können und die konnten auch den Weg danach nicht so gut beschreiben.

Wer dagegen so eine klassische Straßenkarte benutzt hat, der hatte dann eben meist so ein besseres Gesamtverständnis vom Raum. Und das ist ja im Grunde das, worum es bei Orientierung geht. Also nicht nur irgendwie den konkreten Weg jetzt von A nach B zu kennen, sondern auch grob zu wissen, wie du es eben so beschrieben hast. Was liegt so drumherum? Wo bin ich hier genau? Kann ich das so ein bisschen einsortieren?

Ja, ganz genau. Dieses größere Orientierungsnetzwerk, das baut sich eben nur dann auf, wenn wir aktiv mitdenken. Wenn wir einfach nur folgen, bleibt wenig hängen. Aber jetzt ist ja die wichtige Frage, kann das am Ende wirklich langfristig dazu führen, dass man Orientierungssinn dann abbaut, also dass der immer schlechter wird? Vielen Dank.

Das ist noch nicht abschließend geklärt. Also es gibt bisher keine Längsschnittstudien, die zeigen, wer über Jahre nur per GPS navigiert, verliert dauerhaft an Orientierung. Oder ob das jetzt bei jungen Menschen generell schon schlechter ist mit der Orientierung, wenn jemand, ich sag mal, noch nie eine analoge Straßen kann. in der Hand hatte und sich schon immer aufs Handy verlassen konnte. Aber es gibt das Prinzip Use it or lose it, also wenn man bestimmte Fähigkeiten nicht nutzt.

dann werden die halt schwächer. Liegt also irgendwie nahe, dass das auch für die Fähigkeit zur Orientierung gelten kann. Konkret belegt ist es aber tatsächlich nur im umgekehrten Fall. Umgekehrter Fall heißt, dass ich wieder besser werden kann, wenn ich mich bei der Orientierung und Navigation vielleicht auch wieder mal mit mir selber auseinandersetze, also auf mein Gehirn verlasse.

Ja genau und sowas kann man auch tatsächlich im Gehirn dann sehen, wenn man das macht. Also da gibt es so eine ganz bekannte Studie aus dem Jahr 2000. Forscherinnen und Forscher haben dafür die Gehirne von Londoner Taxifahrern untersucht. Die müssen im Training tausende Straßen und Orte aussehen. Und natürlich auch wissen, wo die sind. Und bei denen war der hintere Hippocampus, und zwar ist das die Region fürs räumliche Gedächtnis, der war deutlich größer als bei anderen Menschen.

Bei Busfahrerinnen und Busfahrern hat man diese Veränderung nicht gesehen. Die fahren zwar auch sehr viel und sind auf der Straße unterwegs, aber die fahren ja in der Regel so feste Routen und brauchen eben nicht so eine räumliche Orientierung wie jemand der Taxi. Heißt, aktive Navigation verändert das Gehirn tatsächlich auch messbar. Also das kann man sehen. Genau. Und das zeigt ja auch wieder, wie krass anpassungsfähig unser Gehirn ist.

Und wie sehr es auch von Herausforderungen lebt. Und es gibt sogar Hinweise, dass sich das auf die Gesundheit auswirken könnte. Eine Studie aus den USA hat Daten von fast 9 Millionen Menschen ausgewertet. Und Menschen in Berufen mit viel räumlicher Orientierung, also wie zum Beispiel eben Taxifahrer, aber auch Rettungswagenfahrerinnen, die hatten ein geringeres Risiko an Alzheimer zu sterben. Das ist jetzt erstmal nur ein statistischer Zusammenhang.

Aber die Forschenden vermuten, diese ständige Beanspruchung des Hippocampus, die könnte eine schützende Wirkung haben. Der Hippocampus wird nämlich bei einer Demenz schon ziemlich oft sehr früh in Mitleidenschaft gezogen. Könnte auch dafür sprechen, das Navi vielleicht doch öfter mal wegzulassen. Ja.

Also zumindest schadet das nichts und vielleicht wäre es aber schon am Anfang einfach ganz gut, es mal ein bisschen bewusster zu nutzen. Also Studien deuten darauf hin, dass wir unser räumliches Wissen stärken können, wenn wir uns aktiv mit der Umgebung auseinandersetzen. lang geht, auf markante Punkte achten, sich grob merken, in welche Richtung man sich bewegt und eben nicht nur dieser blauen Linie folgen.

Vielleicht sogar einfach mal zwischendurch eine klassische Karte benutzen. Gibt es die noch? Kann man die noch irgendwo kaufen? Bestimmt. Das heißt, man könnte aber auch das Navi quasi als so eine Art Werkzeug nutzen, anstatt sich blind drauf zu verlassen. schauen, wo man ist, mal nach rechts und links gucken, eben wie du es gerade schon gesagt hast, aktiv trotzdem durch die Gegend laufen oder fahren.

Ja genau und sich vielleicht doch zwischendurch mal fragen, wo ist jetzt eigentlich der Bahnhof und wie würde ich jetzt ohne Navi zurückfinden oder wie würde ich da hinkommen, sowas. Ich habe es ja schon angedeutet, wenn wir uns… Oft aufs Navi verlassen, dann nehmen wir unsere eigene Orientierungsfähigkeit auch schlechter wahr.

Und das führt dann wiederum dazu, dass wir mehr Navis nutzen, ein Teufelskreis also. Wenn wir es mal bewusst weniger nutzen, merken wir, ach guck mal, der ist ja vielleicht doch noch da der Orientierungssinn. Ja und möglicherweise entdecken wir ja auch so Dinge, die uns mit Navi nie aufgefallen wären. weil wir dann irgendwie im Tunnel unterwegs sind und schwupps sieht die Welt vielleicht schon viel interessanter aus.

Absolut. Also mit ein bisschen Zeit oder vor allem im Urlaub oder in der neuen Stadt kann das ein kleines Abenteuer sein und eben nebenbei auch noch ein gutes Training fürs Gehirn. Und wenn man dann irgendwann doch völlig lost ist, kann man das Handy mit dem Navi ja immer noch rausholen.

Use it or lose it. Nehmen wir in diesem Fall mal mit. Gilt auch für den Orientierungssinn. Also ab und zu mal vielleicht das Navi zur Seite legen oder aktiv mit dem Navi durch die Gegend laufen. Das kann dazu führen, dass unser Gehirn... Ein wenig davon profitiert. Sabrina Leu aus dem Quarksteam. Vielen Dank.

Anni aus der Quarks Community hat uns geschrieben. Sie sagt, vielen Dank auch, dass ihr Kinder in den letzten Folgen immer mal wieder thematisiert habt. Das betrifft auch mein Leben als Mutter, Tante und Lehrkraft. Sehr gern, liebe Anni. Dann meldet euch gern. Geht per Mail oder auch per Messenger. Alles Weitere findet ihr in den Shownotes. Wir freuen uns auf jeden Fall von euch zu hören. Ich bin Sebastian Sonntag. Tschüss!

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