AUSGABE 198 (Israel und das Völkerrecht – mit Kai Ambos) - podcast episode cover

AUSGABE 198 (Israel und das Völkerrecht – mit Kai Ambos)

Jun 19, 20251 hr
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Israel bezeichnet seinen Angriff auf den Iran als Präventivschlag, um der atomaren Bedrohung Teherans zuvorzukommen. So nachvollziehbar Israels Motive sind, entspricht der Luftschlag auch dem Völkerrecht? „Militärische Gewalt ist immer die letzte Option,“ meint Kai Ambos, Professor für Straf- und Völkerrecht, der in dieser Folge zu Gast ist. Zwar mahnen Politiker oft an, dass „die Stärke des Rechts“ nicht dem „Recht des Stärkeren“ weichen dürfe, aber was hätte Israel denn tun sollen, fragt Markus Lanz? Richard David Precht findet, dass „die Welt dabei ist, irrsinnig instabil werden“, gerade deswegen ist es so wichtig, dass sich alle Staaten an das Völkerrecht halten.

Transcript

Music. Schönen guten Morgen Richard. Guten Morgen Markus. Richard, wir hören uns an einem Tag in einer Woche, in der sich die Dinge überschlagen. Am Wochenende ging es schon los. Israel greift den Iran an und es ist ein Satz, der mir von dieser Woche vor allen Dingen hängen bleibt. Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle. Wir sind von diesem iranischen Regime auch betroffen. Zitat Ende Friedrich Merz im ZDF am 17. Juni.

Man muss dazu sagen, den Begriff Drecksarbeit legt ihm die Kollegin Zimmermann sozusagen vor, aber er nimmt ihn dann ganz bewusst, das ist das Interessante daran, das heißt, da ist ihm nicht irgendwas rausgerutscht, sondern er sagt, ich bin ihm dankbar für diesen Begriff und dann fällt dieser Satz.

Was denkst du darüber? Also er hat ja nicht nur gesagt, dass er dankbar ist, er hat auch gesagt, dass er Respekt hat und sich für den Mut bedankt, die die israelische Regierung gehabt hat, diesen Angriff zu machen. Hier wird ein Völkerrechtsbruch von einem deutschen Bundeskanzler mit Dankbarkeit und Respekt wahrgenommen. Das ist natürlich ein sehr starkes Stück, was sich da in dem Augenblick abspielt. Wir alle wissen, dass sich Israel vom iranischen Atomprogramm bedroht fühlt

und auch gute Gründe hat, sich davon bedroht zu fühlen. Auch bedroht ist. Auch bedroht ist. Aber die Legitimation eines Völkerrechtsbruchs in einem Moment, wo kein unmittelbarer Angriff des Iran auf Israel vorliegt, das zu rechtfertigen, ist in der Tat eine riesige Sache.

Man kann darüber auch ganz anders denken, man kann das Ganze von vielen Seiten beleuchten und ich würde die Chance gerne heute nutzen, um das zu tun und wir machen heute eine Ausnahme, wir holen uns jemanden dazu, Richard, nämlich Kai Ambus. Seid ihr auch schon mal begegnet? Nein, bislang leider noch nicht. Ich hatte Kai Ambos mehrfach in der Sendung und habe ihn im Laufe dieser Zeit sehr, sehr schätzen gelernt. Für mich so ein, soll man sagen, der Inbegriff des unbestechlichen, klaren Richters.

Und ich freue mich, dass er zugestimmt hat, heute mit uns mal über das zu reden, was gerade in aller Munde ist. Völkerrecht. Über Völkerrecht. Wird gerade wieder so viel geredet und über eine ganz zentrale Frage, nämlich die Frage, in welche Zeit rutschen wir da eigentlich langsam rein? Also gilt die Stärke des Rechts oder das Recht des Stärkeren? Und man hat das Gefühl zunehmend, dass das Recht des Stärkeren gilt. Du denkst an Putin, du denkst an Netanyahu, du denkst an auch die Mullahs,

du denkst an andere. Die Androhungen, die Donald Trump gleich nach seiner Amtsübernahme gemacht hat. Richtig. Und deswegen freue ich mich sehr, dass uns jetzt Kai Ambos zugeschaltet ist und erstmal schönen guten Morgen. Ja, guten Morgen, Herr Lanz und Herr Brecht und danke für die Einladung. Ja, guten Morgen. Wir haben gerade Richards Einschätzung gehört. Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie diesen Satz hören? Also ich finde diese Sprache nicht einem deutschen Bundeskanzler angemessen. Ich finde, dass die Kernfrage erstmal ist, wie ist dieser Angriff Israels auf den Iran völkerrechtlich einzuordnen. Und da haben wir eben ausgehend vom Gewaltverbot, von dieser Fundamentalnorm des Völkerrechts, die ja auch einen bestimmten Sinne, das sollte man nochmal herausarbeiten, da kann Herr Brecht vielleicht auch nochmal reinkommen.

Es geht ja hier darum, dass wir sagen, wir entscheiden uns für Diplomatie, für Dialog statt Gewalt, genauso wie in der Gesellschaft. Wir sprechen heute hier, wir können uns unsere Meinung austauschen, aber die Gewalt ist keine Option. Also wenn ich jetzt nicht Ihrer Meinung bin, kann ich Ihnen nicht mit der Faust ins Gesicht schlagen, sondern wir können das ausdiskutieren. Und das ist ja bei Staaten genauso.

Die Grundidee, die auf dem Gewaltverbot beruht, ist, lass uns einen Dialog machen, lass uns verhandeln und eben nicht Gewalt anwenden. Und diesen Verhandlungsprozess hatten wir ja auch im Fall des iranischen Atomprogramms. Das sollte jetzt auch unlängst weiter fortgesetzt werden. Also in Masked sollte es in Kürze, im Oman sollte es in Kürze zur Wiederaufnahme der Gespräche über einen Atomvertrag mit dem Iran kommen.

Das sollte man vielleicht wissen, denn die Israelis haben jetzt Tatsachen geschaffen, die diese Zusammenkunft jetzt auch erstmal unmöglich machen. Aber nochmal, wenn wir sagen, das ist völkerrechtswidrig, was die Israelis da machen. Dann könnte man ja argumentieren und sagen, naja gut, okay, dann ist das völkerrechtswidrig und das ist alles sozusagen auf dem gleichen Level wie das, was Putin in der Ukraine macht.

Nach meinem und ich rede jetzt ganz bewusst nach meinem und auch nach einem moralischen Empfinden sind das dennoch zwei vollkommen unterschiedliche Dinge. Es ist ein riesiger Unterschied, ob ein Aggressor wie Putin mit seinem Imperialismus hingeht und ein Land wie die Ukraine überfällt, von dem er nachweislich nicht bedroht war. Oder ob jemand wie Netanjahu hingeht und sagt, was auf, da gibt es seit 15, 20 Jahren diese Taktik des Verschleppens, heimlich, hintenrum.

Dann fängst du an, Uran anzureichern. Dann sagst du, das ist alles nur für zivile Nutzung. Dann stellt sich heraus, dass diese zivile Nutzung nur vorgeschoben ist. Um Uran zivil zu nutzen, Atomkraft brauchst du ungefähr einen Anreicherungsgrad von 4%. Stellt sich heraus, die betreiben das in einem ganz anderen Stil. Die haben zehntausende Zentrifugen da mittlerweile laufen.

Reichern das Anlauf 60, 70, 80 Prozent, das ist das, was du ungefähr brauchst, haben mittlerweile 400 Kilo ungefähr von angereichertem Uran, um das mal in die Relation zu setzen. Die Bombe von Hiroshima hatte, glaube ich, um die 50, 60 Kilo. Das heißt, du kannst 5, 6, 7, 8 Mal Hiroshima damit herstellen. Das ist sozusagen die Bedrohungslage.

Und du stellst auf der anderen Seite fest, der Westen, Europa, auch Deutschland, wir reden, wir reden, wir machen Zugeständnisse und die betreiben das immer weiter und geben kürzlich bekannt, wir haben nicht nur diese zwei Anlagen, in denen wir das tun, sondern es gibt sogar jetzt Pläne offenbar für eine dritte Anlage. Und ein Teil dieser Anlagen ist 60 Meter tief in der Erde vergraben, sodass da irgendwie keiner rankommt.

Zu glauben, dass das alles friedlich ist, dass das eine zivile Nutzung sein soll, ist natürlich unvorstellbar naiv. Ich muss ehrlich sagen, ich kann an dem Punkt verstehen, wenn eine israelische Regierung sagt, da gehen wir jetzt rein, das schauen wir uns nicht mehr länger mit an. Kann man den Kontext außer Acht lassen? Nein, den kann man nicht außer Acht lassen. Der wird ja auch nicht außer Acht gelassen.

Es geht ja darum, wie reagiere ich auf das völkerrechtswidrige Verhalten eines Staates, jetzt hier Iran. Konkret die Verletzung des Nicht-Weiterverbreitungsvertrags, zu dem sich ja der Iran vertraglich verpflichtet hat. Man muss vielleicht noch mal ein paar Dinge richtigstellen. Zunächst ist es ja mal so, dass Staaten... Das Recht haben, auch Atomwaffen zu haben, außer sie unterwerfen sich dem völkerrechtlichen Regime der Nichtverbreitung.

Das hat der Iran gemacht und deswegen ist er ja auch in diesem Überwachungsprozess. Und die andere Frage ist, wenn wir jetzt sagen, ein solches Land, lassen wir mal diese Bewertungen beiseite, dass das ein schlimmes Regime ist, da sind wir uns ja auch einig und dass das natürlich ein Feind von Israel ist, das ist auch klar. Aber die Frage ist ja, wie gehen wir mit dieser Gefahr um?

Und da ist eben die Idee des Verbots von Anwendung militärischer Gewalt nochmal auf diese historische Seite zurückzukommen, dass wir versuchen müssen, alles unterhalb von Schwelle von Anwendung von Gewalt zu regeln, soweit das geht. Und da haben wir eben die Grenze, das geht so lange, solange der andere Staat dich nicht direkt angreift. Das ist ja die Idee der Selbstverteidigung. Also ein bewaffneter Angriff ist die Voraussetzung.

Jetzt kann man das vielleicht ein bisschen vorverlagern. Wir haben ja da eine Entwicklung im Völkerrecht gehabt seit 9-11, also das Anschläge im September, die sogenannte Bush-Doktrin. Da spricht man dann von präventiver Selbstverteidigung, von präemptiver Selbstverteidigung. Aber das hat natürlich gewisse Voraussetzungen und ich kann das mal ganz konkret anwenden auf den Fall, den wir hier vor uns haben.

Das sind nämlich drei Voraussetzungen. Ich brauche erstens eine Absicht dieses Landes, tatsächlich gegen das andere Land diese Waffen einzusetzen. Das kann man annehmen aufgrund der Äußerungen dieses Regimes seit Jahren gegen Israel. Das ist also gegeben. Dann brauche ich die objektive Fähigkeit dieses Landes, auch diese Waffe konkret einzusetzen. Und da sind wir genau in dem Problem, wie weit ist diese Entwicklung zur Waffe, Herr Lanz?

Also nicht nur der Uran-Anreicherung, weil das ja nochmal ein Schritt ist. Uran-Anreicherung und dann die Waffe zu haben... Da sagt Netanyahu selbst, das dauert noch ein paar Monate. Also das ist schon mal sehr umstritten. Und der dritte Fall ist, war das jetzt die letzte Chance für Israel, militärisch reinzugehen? Dieses Last Window of Opportunity, dieses letzte Zeitfenster, um Schlimmeres zu verhindern.

Das sind sozusagen die drei Prüfungspunkte und da sagt eben die überwiegende Meinung im Völkerrecht, also selbst wenn man das weiter auslegt, vorverlagert, das war eben zu früh, das war Völkerrechtswidrig. Und da muss man, was ja eben schon angesprochen wurde, auch von Herrn Brecht natürlich in Betracht ziehen, dass parallel ein Verhandlungsprozess die ganze Zeit stattgefunden hat.

Wir dürfen doch nicht vergessen, dass unter Obama Iran sich verpflichtet hatte, Trump einst dann aus dem Abkommen ausgestiegen ist und seitdem die Urananreicherung, seit dem Ausstieg aus dem Abkommen extrem angestiegen ist. Und dann jetzt hat man wieder weiter verhandelt, aber man hat natürlich diese Verhandlungslösung mit den entsprechenden Möglichkeiten der Sanktionierung des Irans. Es ist ja nicht so, dass man nichts gemacht hätte. Man kann ja dieses Land sanktionieren.

Man könnte das alles, die Daumenschraube noch mehr anziehen, bevor man dann den Schritt militärischer Gewalt geht, der ja unabsehbare Konsequenzen hat. Da müssen wir auch nochmal drüber reden, was das eigentlich dann bedeutet und welche Gefahren zum Beispiel mit Angriff auf Nuklearanlagen für die Umwelt, für Israel selbst. Ja, also das kann ja bis nach Israel. Wir erinnern uns an Tschernobyl.

Ich war damals in Freiburg. Wir konnten unsere Produkte von den Bauern aus dem Umland nicht mehr essen wegen dieses sauren Regens. Also das hat ja enorme Konsequenzen. Also im Grunde deswegen immer nochmal uns klar machen. Und militärische Gewalt ist die letzte Option. Und da ist die Frage, war das jetzt der letzte Moment oder hätte man noch weitermachen können, noch den Druck erhöhen und so weiter.

Wie schaust du da drauf, Richard? Ich meine, ich bin da jetzt offenbar auf einer ganz anderen Spur unterwegs. Aber für mich ist das ehrlich gesagt so sophisticated. Ich verstehe das auf einer juristischen Ebene. Aber wenn Kai Ambos sagt, die wären vielleicht erst in ein paar Monaten soweit.

Was heißt denn das? Soll dann ein Land wie Israel abwarten und sagen, na gut, also in ein paar Monaten, genau wissen wir es aber auch nicht, in ein paar Monaten werden die soweit sein, dass sie dann dieses Material, dieses Angereicherte, auch in irgendwelche Raketen- und Trägersysteme verpacken können. Und dann, wenn sie dann in der Lage sind, wenn es unmittelbar bevorsteht, dann schlagen wir zu.

Der Punkt, auf den Kai Ambers hinaus will, ist, wenn jeder sich vorbehält, selber darüber zu entscheiden, wenn aus seiner Sicht ein Selbstverteidigungsfall vorliegt und nicht die drei Kriterien der UNO die Rolle dabei spielen, sondern die Selbsteinschätzung der Situation. Also man ist immer so bedroht, wie man sich fühlt. Dann ist dem Verstoß gegen das Völkerrecht international Tür und Tor geöffnet. Dann können wir alle Überlegungen im Hinblick auf eine regelbasierte Weltordnung vergessen.

Das ist das starke Gegenargument gegen das, was du sagst. Also Kai Ambos hat volles Verständnis dafür aufgebracht, dass Israel sich zu Recht vom Iran bedroht zieht. Und das wäre der erste der drei Punkte. Aber wenn die anderen beiden Punkte nicht vorliegen, wenn also kein unmittelbarer militärischer Angriff des Iran vorgelegen hat und Israel nimmt sich heraus, selber persönlich zu entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt für einen Militärschlag ist, den man als Selbstverteidigung empfindet.

Dann bricht man diese internationalen Regeln und wenn Israel die bricht und wir dafür dankbar sind oder Respekt bekunden oder das als Drecksarbeit für uns und so weiter bezeichnen, dann können wir das zukünftig anderen Regierungen auch nicht mehr vorwerfen und dann ist das Völkerrecht zum Teufel. Das ist die Argumentationsschiene, habe ich Sie richtig verstanden, Herr Ambos? Absolut.

Und vielleicht nochmal ergänzend, der Staat, der dieses Selbstverteidigungsrecht für sich in Anspruch nimmt, also Israel, hat eine Beweis- und Darlegungslast. Also Israel muss uns beweisen, und zwar der kritischen Öffentlichkeit, nicht durch irgendwelche geleakten Geheimdienstinformationen, die wir jetzt in der israelischen Presse sehen, dass der Moment gekommen war. Ja, weil dieser Staat wendet ja Gewalt an.

Im Übrigen hat Israel, das auch nochmal so als Nebenpunkt, gar nicht in den Statements sich formal auf Artikel 51 des Selbstverteidigungsrechts berufen. Es müsste das nämlich dem Sicherheitsrat melden, das hat es nicht getan. Deswegen ist das auch ein bisschen eine akademische Diskussion. Also wir versuchen jetzt ein Verhalten, was vielleicht aus ganz anderen Motiven erfolgt, dieser Regierung in Israel völkerrechtskonform zu machen.

Indem wir das versuchen zu subsumieren unter das Selbstverteidigungsrecht. Es gibt ja auch eine andere Ebene der Argumentation, nämlich dass man sagt, das finde ich dann auch plausibler, es gibt einen bewaffneten Konflikt zwischen Israel und Iran und der hat jetzt nicht erst vor ein paar Tagen angefangen, sondern der ist seit mindestens Oktober 2023 da, weil dann eben Hezbollah und die Houthis als Proxys vom Iran mit eingetreten sind in den bewaffneten Konflikt.

Und dann ist die Gewaltanwendung Israels per se legitim. Sie ist implizit, aber sie muss sich natürlich an Grenzen der Verhältnismäßigkeit, jetzt was den Iran angeht, orientieren.

Also sagen wir es mal so, ich möchte das mal sagen, auch selbstkritisch, Sie wissen das ja auch, Bei Juristen gibt es natürlich verschiedene Positionen, die man vertreten kann und es ist nicht völlig unplausibel, eine Rechtfertigung irgendwie herzuleiten, aber nicht aus dem Selbstverteidigungsrecht, aus anderen Gründen, aber dann ist natürlich der Slippery Slope Effekt oder die Norm, um die es hier geht. Es geht ja nicht nur um Israel.

Wir haben 190 Staaten in der Welt. Wir haben derzeit 20, 30 bewaffnete Konflikte. Morgens sagt Nicaragua, ich greife Costa Rica an, weil der Präsident von Costa Rica uns bedrohlich in der Pressekonferenz sich geäußert hat. Aber nee, das ist genau der entscheidende Punkt und das ist der Punkt, an dem ich das Argument auch nicht mitgehe. Ich frage mich die ganze Zeit, was hätte Israel tun sollen? Einfach abwarten? Ich meine, wir sitzen jetzt hier im warmen Studio.

Wir sind generell im weit entfernten Europa. Wir rufen auf zur Gelassenheit und Geduld und sagen, nein, lass uns abwarten, bevor das Ding, der Angriff möglicherweise kurz bevor steht. Aber da ist ein Land, ein winzig kleines Land. Ich war häufig in Israel. Ich habe so eine Idee davon, was das eigentlich heißt. Und das ist seit Jahren und seit Jahrzehnten im Fadenkreuz dieses Regimes. Anders kann man es wirklich nicht sagen.

Und nicht nur unmittelbar, sondern auch mittelbar. Durch die Hezbollah im Libanon und so weiter. Durch die Hamas im Gazastreifen. Und viele, viele andere Dinge. Das heißt, du hast ein Gefühl der Bedrohung. Und jetzt merkst du, da geht nichts voran. Und die machen immer weiter und immer weiter. Und wenn sie sagen, Herr Ambos, Sanktionen. Ich gehe den Weg mit, ich gehe das Argument mit zu sagen oder zu fragen, haben wir wirklich alle anderen

Möglichkeiten ausgeschöpft, diplomatischer Natur? Da würde ich sagen, bin mir nicht sicher. Ich meine, wir haben gesehen, da sollte es diese Konferenz geben im Oman und kurz davor greifen die an. Das heißt, du zerstörst sozusagen an dem Punkt die Möglichkeit zur Diplomatie und machst diese letzte Tür zu, um denen zuvor zu kommen. Die Frage, finde ich, kann man zu Recht aufwerfen.

Aber wenn man sagt, lasst uns die Daumenschrauben anziehen, wie Sie es gerade formuliert haben, lasst uns sanktionieren. Ich stehe gerade unter dem Eindruck an einer Reise nach Syrien irgendwie vor ein paar Wochen und der Satz, den ich dort am häufigsten gehört habe ist. Bitte, bitte sagt euren Leuten in Europa, sie haben Kontakte in die Politik, sagt denen, ihr müsst diese Sanktionen aufheben. Weil ihr trefft die Falschen. Ihr trefft vor allen Dingen uns.

Wir haben nicht mehr die Möglichkeit, Medikamente für unsere Kinder zu kaufen. Wir sind diejenigen, die am meisten darunter leiden. Iran-Dito ist das Gleiche. Herr Lanz, man kann natürlich Tage jetzt Sanktzen, man kann gezielte Sanktionen machen, man kann die Revolutionsgarten auf die Terrorliste setzen. Da gibt es schon Möglichkeiten, vor allem der Verhandlungsprozess ist ja viel

länger. Also wir müssen doch mal sehen, es hat doch eine Möglichkeit gegeben über eine Kontrolle im Iran durch arabische Staaten, durch die internationale Atomenergiebehörde. Das ist natürlich vorbei, das war unter Obama. Also wir hatten ja die Verhandlungen, wir hatten ja ein Abkommen und die Europäer waren dafür und in dieser Zeit wurde nicht angereichert in der Form. Und dann ist man raus aus dem Abkommen. Wir müssen schon die ganze Geschichte

sehen. Also die USA sind raus, unter Trump 1 raus. Unter Trump 1, genau. Die USA haben dieses Abkommen aufgekündigt, nicht der Irak. Genau, genau. Also es gab 2015 das Abkommen von Obama und dann 2018 kündigt Trump das auf und offenbar auf Druck von Netanjahu. Das ist ein interessantes Detail in dem Zusammenhang. Warum macht er das? Netanjahu ist immer gegen Verhandlungen gewesen und wenn ich das in der Loic sehe, ich bin gegen Verhandlungen, dann komme ich zur militärischen Lösung.

Aber die These, die Sie vertreten, Herr Lanz, die ich in gewisser Weise verstehen kann, die stimmt ja nur dann, wenn Sie Iran abhalten können durch militärische Schläge von diesem Programm. Und das können Sie letztendlich nur, wenn die USA jetzt eingreift, wegen dieses einen Bunkers, den Sie gar nicht mit den Waffen Israels treffen können.

Meine These ist, und das sagen mir auch Experten aus der Szene, dass der Iran jetzt noch mehr daran arbeiten wird an dieser Bombe und die anderen Konsequenzen, die für uns es bedeuten, wenn zum Beispiel Kaminé getötet wird, da will ich gar nicht dran denken, was das bedeutet für uns.

Da sitzen wir nämlich hier nicht mehr im warmen Stuhl, dann wird es in Hamburg Anschläge geben von den Schläfern, die wir haben in Deutschland, dann gibt es Terroranschläge und das sind alles Konsequenzen der Anwendung militärischer Gewalt. Das muss man ja alles mitdenken, wir dürfen das auch nicht zu eng denken. Das Argument gehe ich tatsächlich mit.

Richard, wie schaust du da drauf? Also ich habe Christian Mölling in diesen Tagen gesprochen, der bei uns im Studio war, der sich sehr viel mit Geopolitik, Geostrategie, den Fragen internationaler Sicherheit beschäftigt und der sagte, die Verengung politischer Prozesse und auch einer solchen Geschichte auf Völkerrecht, das ist etwas, was möglicherweise nicht mehr funktioniert. Hat er recht?

Ich will hoffen, dass er nicht recht hat. Und so wie du es formuliert hast, ich war nicht dabei, klingt das so, als wenn er sagt, ach komm, lass uns das aufgeben, damit kommen wir nicht weiter. Nee, nee, nee, das sagt er nicht, ganz im Gegenteil.

Er beschreibt den Zustand. Naja gut, also auf jeden Fall, ich meine, ich sehe eine enorme Errungenschaft, in dem Prozess, der nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzt hat, der international die Gewaltanwendung und völkerrechtswidrige Eingriffe, Angriffe auf andere Länder ächtet. Und es ist ein so dermaßen hohes Gut, dass es sich jederzeit lohnt, also bis zum geht nicht mehr dafür einzustehen, weil wenn wir das fallen lassen.

Dann bedeutet das, dass wir überhaupt gar keine internationalen Regeln mehr haben, an denen sich irgendjemand hält, was dann übrig bleibt. Ist die persönliche Einschätzung, wem man für den Guten hält und wem man für den Bösen hält. Und die Guten dürfen alles und die Bösen dürfen nichts. So, und das misst aber jeder aus seiner Perspektive. Und es ist doch völlig klar, dass die Israelis sich für die Guten halten und dass wir den Iran für die Bösen halten.

Aber ich will darauf hinweisen, die Russen halten sich selber auch für die Guten und Donald Trump hält sich selber für den Guten und die Chinesen halten sich für die Guten. Das heißt, auf diese Art und Weise wird die Welt irrsinnig instabil werden. Sie ist ohnehin auf dem Weg, gerade sehr instabil zu werden, aber wir würden das Ganze beschleunigen.

Und gerade aus dem Grund scheint es mir so wichtig, auch für ein Land wie Deutschland, an der Verbindlichkeit des Völkerrechts festzuhalten, weil wenn wir dieses Gerüst, mag es auch in dem einen oder anderen Fall nicht tragfähig sein, darf es in dem einen oder anderen Fall ergänzungs- oder verbesserungsbedürftig sein. Aber wenn wir dieses Gerüst einreißen, dann ist wirklich kein Halt nirgends und dann rutscht uns auf internationaler Ebene alles, was wir an Verbindlichkeiten errichtet haben, weg.

Und das ist das große Problem, was ich hier sehe. Das ist übrigens auch das, was Christian Mölling meint und glaubt. Er sagt, die Welt wirkt dadurch deutlich gefährlicher, wenn sich das Recht des Stärkeren einfach so auf diese Art und Weise durchsetzt und nicht mehr die Stärke des Rechts gilt. Absolut, absolut.

Also das ist ja die große Aussage. Wir dürfen aufgrund des kleinen fokussierten Mikroblicks auf Iran-Israel so legitim, das ist das große, nicht aus den Augen verloren, das Big Picture, das große Bild, was Herr Precht ja jetzt schön beschrieben hat. Es geht ja um die Ordnung der Welt. Und ich würde jetzt nicht so weit gehen, es sind ja nicht die Israelis, Herr Brecht, da würde ich jetzt ein bisschen widersprechen. Nein, natürlich. Ich erinnere die israelische Regierung.

Viele Israelis, die ich kenne, sind ja gegen die Gewaltanwendung, gerade die Völkerrechtler. Selbstverständlich. Auch bei den Israelis wird es ja auch so gesehen, dass das jetzt zu weit geht. Und vor allem, wenn man das jetzt politisch diskutiert, muss man sich ja überlegen, was jetzt daraus folgt.

Erreichen wir dieses Ziel? Nehmen wir mal an, wir haben hier die gemeinsame Meinung, dass der Iran keine Atomwaffe haben darf, wie das ja durch G7 gesagt hat, was übrigens, das möchte ich mal nebenbei sagen, auch eine starke Äußerung ist, weil der Iran als Staat, dem kann man das Recht eigentlich nicht absprechen. Denn wir sagen eigentlich, diese Regierung soll es nicht haben. Diese Mullahs, weil die ein menschenrechtsverachtendes Regime sind.

Aber wenn jetzt morgen der Sohn des Schahs, den die neuen Rechte in den USA ja präferieren, wieder die Macht übernehme, dann wird sich das wieder ganz schnell ändern. Das heißt, worum es hier geht und das ist schon... Was Herr Brecht so recht sagt, diese Hollywoodisierung der internationalen Beziehung in Gut und Böse. Netanjahu sagt ja, wir führen hier einen Krieg der Zivilisation gegen die Barbarei. Allein schon diese Sprache.

Und leider sind die Dinge nicht so schwarz und weiß. Es gibt auf beiden Seiten auch Verbrechen. Es ist eben auch nicht richtig, wenn gesagt wird, Iran begeht jetzt Kriegsverbrechen durch Beschuss von Zielen in Tel Aviv, zivile Ziele, das stimmt.

Aber wer sagt das eigentlich? Der Verteidigungsminister von Israel, Herr Katz, der gleichzeitig auch für Gaza verantwortlich ist, der gleichzeitig verantwortlich ist für das, was im Westjordanland passiert und der auch verantwortlich ist für Angriffe Israels im Iran auf zivile Ziele. Es ist ja nicht so, dass obwohl Israel diese Fähigkeit hat, Präzisionsschläge durchzuführen, Israel nicht auch im Iran Zivilisten trifft.

Leute, die gegen dieses Regime sind. Wenn sie eine ganze Stadt evakuieren, wenn ich sagen würde, Herr Lanz, verlassen sie ihr Haus in Hamburg. Hamburg muss evakuiert werden. Überlegen Sie mal, was das bedeutet. Ein Präsident Trump sagt den Leuten, verlassen Sie Teheran. Das betrifft ja alle. Das betrifft ja nicht nur die bösen Mullahs und die Revolutionsgarden. Das heißt, dieser Fallout, diese Konsequenzen von militärischer Gewaltanwendung

ist immer schrecklich. Im Grunde genommen, wir haben schon wieder so viele Tote und die, was erreichen wir dadurch? Das ist meine Frage. Sie müssen beweisen, wenn Sie das verteidigen, dass morgen eine Demokratie einkehrt im Iran, wird nicht kommen und dass keine Atomwaffen dort sein werden. Auch das äußerst fraglich. Ich habe eine Frage, Herr Amboss. Sie haben vorhin gesagt, dass Sie sich nicht ganz sicher sind, dass das Motiv Israels tatsächlich in der Selbstverteidigung bestanden hat.

Zumindest hat man das am Anfang nicht offiziell reklamiert. Glauben Sie, dass hinter dem Angriff Israels auf den Iran auch andere Motive stecken können als nur die unmittelbare Bedrohungslage durch das iranische Atomprogramm? Es wird darüber in Israel sehr viel diskutiert.

Ich habe vor drei Tagen mit einer israelischen Kollegin darüber gesprochen und habe sie gefragt, was ist hier das Endgame, was ist sozusagen das Endziel, zum Beispiel Regime Change, also soll die iranische Regierung gestürzt werden. Glaubst du noch an das, was die Regierung sagt, Netanyahu? Und da hat sie mir gesagt, es gibt hier nur ein Endgame. Das ist Netanyahu an der Macht zu halten, sich an der Macht zu halten. Also das sagt mir eine israelische Kollegin.

Ich beschreibe das jetzt nur. Ich kann das nicht beurteilen. Ich sitze ja nicht in Israel. Und natürlich die Frage des Regime-Change, dass man diese Regierung stürzt. Also da gibt es verschiedene. Das Problem ist ja in diesem Konflikt auch mit Gaza, dass wir nicht genau wissen, was eigentlich die militärischen Ziele sind des Gewalteinsatzes. Und da fängt es ja schon an, das ist ja auch eine Kritik, die Strategen Israel

folgen. Also wenn man jetzt sagt, es ist völkerrechtsgemäß, dann stellt sich immer noch die Frage, was wollt ihr eigentlich letztendlich erreichen? Und wenn es nur darum geht, Macht zu erhalten, ein Mensch, der sich sozusagen entgegen der Idee von Staatsräson über den Staat stellt und sagt, es geht mir eigentlich nicht um die israelische Sicherheit, es geht wirklich nur darum, dass diese Regierung an der Macht gehalten wird, das ist ja nicht legitim.

Und was auch nicht legitim ist, ist natürlich ein Regime-Change. Das ist völkerrechtlich nicht vorgesehen und ist auch politisch nicht erreichbar. Man kann das von außen anstoßen, aber letztendlich müssen die Iraner die Revolution machen und dieses Regime stürzen. Richard, wir beide haben ja schon einige Male darüber gesprochen, um nochmal den Gedanken von vorhin aufzugreifen. Da kämpft der epische Kampf, das Gute gegen das Böse. Und was das Gute ist, bestimmen dann im Zweifel wir.

Das ist ja genau das, was uns der sogenannte globale Süd auch immer wieder vorwirft. Ihr mit euren doppelten Standards, wenn es euch gerade passt. Dann macht ihr, was ihr wollt, im Namen von was auch immer. Und wenn andere irgendwas veranstalten, was euch nicht passt, dann kommt ihr mit dem Völkerrecht. Das ist sozusagen der Vorwurf. Wenn wir historisch mal einen kleinen Rückgriff machen, allein die Amerikaner beispielsweise, wie oft haben wir eigentlich schon Dinge getan.

Von denen man im Nachhinein sagen muss, da haben wir einen gigantischen Preis bezahlt. Andere haben vor allen Dingen einen unglaublichen Preis bezahlt mit Millionen von Toten zum Teil. Und wir haben hier in unseren warmen Sesseln gesessen und haben uns gegenseitig erzählt, dass das alles für eine gute Sache ist. Ich habe natürlich, wenn du das sagst, sofort den Vietnamkrieg vor Augen, der mich natürlich, wie du weißt, auch aus biografischen Gründen stark geprägt hat.

Und wir dürfen nicht vergessen, dass damals Deutschland auf der falschen Seite der Geschichte gestanden hat, weil wir alles, was die USA damals gemacht haben, also zwei Millionen Tote, Zivilbevölkerung, alles gerechtfertigt haben, mit der damals gängigen Formel, in Saigon würde Berlin verteidigt. Und zwar einfach, weil das Bild von Gut und Böse so klar war. Das sind böse Kommunisten und wir verteidigen die gute, freie westliche Welt.

Und wenn man das ganz tief im Mark hat, in den Knochen hat, dann sagt man, wir sind die Guten und das sind die Bösen. Und wenn die Bösen wahnsinnig gefährlich sind, dann ist im Zweifelsfall jedes Mittel recht. Wenn wir heute, viele Jahrzehnte später, auf den Vietnamkrieg gucken, dann denken wir, meine Güte.

Wie konnten wir diese Massaker an der Zivilbevölkerung, diesen rücksichtslosen Einsatz von mittlerweile international geächteten Waffen, gruseligster Art, also alles bis auf Atomwaffen, auch darüber wurde damals übrigens diskutiert, sie möglicherweise einzusetzen gegen Vietnam. Dann können wir einfach nicht mehr verstehen, wie man da zugeguckt hat und wie man das gerechtfertigt hat. Und das ist etwas, was man immer im Hinterkopf ganz grundsätzlich haben muss,

wenn man nur im Schema von gut böse denkt. Dann kann das sein, dass man nachher Mittel legitimiert im Einsatz des Guten, indem man Jahrzehnte später sagt, ja gut, das hätten wir nicht tun sollen. Und ich finde es immer gut, wenn wir in der Situation schon darüber nachdenken und nicht erst im Nachhinein oder Jahrzehnte später sagen, okay, ja, ja, das war damals falsch. Und ich finde, das muss man im Hinterkopf halten.

Also die reine, worauf ich hinaus will, ist, bei all den Unterschieden, Israel und Vietnam haben wenig Gemeinsamkeiten miteinander, sondern der entscheidende Unterschied, und darauf kommt es mir an, ist, eine grundsätzliche Solidarität mit der einen Seite kann nicht alle eingesetzten Mittel legitimieren. Das ist die für mich wichtige Aussage. Ich verstehe die Bedrohungslage des Staates Israel.

Ich bin ein absoluter Gegner des Mullah-Regimes, ein menschenverachtendes Regime, in erster Linie schon mal gegenüber der eigenen Bevölkerung, darüber hinaus auch mit einem Grad von Irrsinn ausgestattet, der wirklich bedenklich ist. Ich finde das sehr bedrohlich, dass es das iranische Atomprogramm gibt und so weiter. Und gleichwohl muss ich mir immer die Frage stellen, ist jedes Mittel, was ich einsetze, grundsätzlich gerechtfertigt, weil es gegen das Böse geht.

Vor allen Dingen, weil das Böse am Ende nicht die Mullahs sind, sondern die iranische Zivilbevölkerung. Ja, und es geht ja auch um die Frage, Herr Ambos, Recht, wenn wir Recht ernst nehmen und die Lehren auch aus dem Zweiten Weltkrieg insbesondere. Dann gilt das doch immer und für alle gleich. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Jason Stanley dieser Tage, sehr bekannter amerikanischer Philosoph, der bei uns in der Sendung war und der sagte, wenn wir sagen, nie wieder, dann gilt das für alle.

Hat er recht? Natürlich ist das so, dass das Recht für alle gilt. Das gilt ja auch im innerstaatlichen Recht, also im nationalen Recht, dass unser Recht, unser Grundgesetz, unsere Strafgesetze und auch sonstige Gesetze für alle Bürger gleich angewendet werden sollen. Und im Völkerrecht ist es eben das Recht der Staaten. Die Staaten sind ja alle gleich. Das ist sozusagen ja die Idee des Völkerrechts, auch wenn wir natürlich wissen,

dass Staaten nicht gleich sind. Natürlich ist die USA nicht mit Liechtenstein vergleichbar. Aber der Grundsatz gilt. Aber vielleicht noch mal was zu diesem historischen Vergleich und der Haltung der Bundesrepublik Deutschland. Weil ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir sind ja alle Deutsche. Also man muss natürlich die historischen Kontexte sehen. Die Zeit des Vietnamkriegs, da war Deutschland in einer ganz anderen Position.

Es war extrem abhängig von den USA. Wir waren im Kalten Krieg. Wir waren ja auch viel schwächer als heute. Es gab ja noch keinen Wiederverein des Deutschlands. Aber heute sind wir eine der größten Wirtschaftsmächte der Welt. Und wir sind, was natürlich jetzt Israel angeht, und das macht die Sache schon sehr relevant, wir sind der zweitgrößte Unterstützer Israels nach den USA. Und daraus folgt natürlich auch, dass wir eine Verantwortung gegenüber Israel haben.

Also wir haben auch eine Verantwortung gegenüber uns, weil wir unterstützen ja Israel. Das sind ja unsere Handlungen zum Beispiel, wenn wir Waffen an Israel liefern. Und dafür müssen wir natürlich auch Verantwortung übernehmen. Und deswegen kann man auch gegenüber einem Staat wie Israel, wie gegenüber jedem Staat der Welt, das tun wir ja auch, die Einhaltung des Völkerrechts verlangen.

Und was mich eben sehr erschreckt, muss ich sagen, an den jüngsten Äußerungen unseres verehrten Bundeskanzlers, ist diese Vereinfachung eines äußerst komplexen Problems. Dieses Schema, hier sind die Guten, dort sind die Bösen und wir sind auf der Seite der Guten, um letztendlich, ich frage mich eigentlich, was der Sinn ist. Es gibt ja zwei Möglichkeiten.

Entweder der Bundeskanzler glaubt das, was er sagt oder er macht das strategisch, um zum Beispiel Herrn Trump irgendwie auf seine Seite zu ziehen. Der aber für das Problem, was uns eigentlich vorrangig interessiert, nämlich Druck auf Putin auszuüben, überhaupt nicht auf unsere Seite zu bringen ist. Also selbst dafür ist es gar nicht sinnvoll, sodass wir immer wieder zu dem Punkt kommen, was ja auch schon viel gesagt wurde, auch in Ihrer Sendung, Herr Lanz.

Wir müssen uns auf unsere eigenen Kräfte besinnen, wir müssen uns unabhängig machen, soweit es eben geht, auch von den USA und dann eben Außenpolitik betreiben.

Nicht wie das Kaninchen auf die Schlange, also hier auf die USA zu schauen, sondern nach unseren Interessen und da ist natürlich die Einheitung des Völkerrechts eine wichtige Richtlinie, nicht weil man jetzt formal argumentiert, wir sind eben am Recht orientiert, sondern weil wir daran glauben, dass es Regeln geben muss, wie in der Gesellschaft. In der deutschen Gesellschaft muss es auch Regeln geben, in der internationalen Gesellschaft und am Ende stehen wir alle besser da, wenn es Regeln gibt.

Ich möchte auch nochmal das sagen, wie Sie das zu Recht ja sagen, statt Stärke des Rechts, Rechts des Stärkeren. Welche Staaten können sich das denn erlauben, militärische Gewalt anzuführen? Wir reden doch hier von unter zehn Staaten in der Welt, die das überhaupt machen können. Nämlich Russland, China, die USA, vielleicht Indien und Israel unter anderem, die überhaupt diese militärische Macht haben. Das heißt, wir bringen eine totale Unwucht.

Und was denken eigentlich die anderen Staaten? Unser Fokus ist immer nur auf die G7, auf die westlichen Staaten. Habt ihr mal gehört, was der globale Süden sagt? Wenn der ständige Vertreter des Iran in New York sagt, das ist eine Heuschelei des Westens wie gestern, wie viele Staaten da applaudieren? Von Südafrika angefangen über Brasilien und wir haben eben eine pluralistische Weltordnung. Wir haben nicht mehr die Hegonomie der USA oder des Westens.

Wir sind in einem Konzert von vielen Staaten und ich glaube auch, dass uns das geopolitisch schadet, diese Einseitigkeit. Also uns als Deutschland schadet, also in unserem nationalen Interesse ist Differenziertheit geboten.

Es ist ja auch vor allen Dingen interessant, dass wenn wir sagen, wenn die USA unter Trump dabei sind, sich von den westlichen Werten, wie wir sie gerne nennen, zu verabschieden und die regelbasierte Weltordnung nicht mehr ernst nehmen, indem sie gleich mal androhen, Grönland zu überfallen oder sich den Panama-Kanal militärisch anzueignen. Also wenn man sozusagen ja sagt, okay, damit haben wir jetzt nichts mehr zu tun, aber wir Europäer, wir setzen das Aufklärungsprojekt fort.

Wir sind diejenigen, die für eine regelbasierte Weltordnung sind. Wir sind diejenigen, die sich für Menschenrechte einsetzen und dabei keine Doppelmoral kennen. Das gehört ja alles zu dem Gedankengut eines von den USA unabhängigen künftigen Europas. Dann kann man doch nicht in einer Weltsituation, in der das Völkerrecht gebrochen wird aus Gründen, über die wir jetzt ausführlich erörtert haben, Beifall klatschen in so einer Situation.

Ich hätte ja verstanden, wenn Friedrich Merz sich vorsichtig geäußert hätte, wenn er quasi auf der einen Seite den Völkerrechtsbruch ganz klar benannt hätte, um auf der anderen Seite nochmal auf die Bedrohungssituation Israels hinzuweisen.

Also er hätte auch eine diplomatische Sowohl-als-auch-Antwort geben können, um sozusagen den beiden deutschen Interessen, einerseits das Interesse an der regelbasierten Weltordnung und auf der anderen Seite die Staatsräson, das spezielle Verhältnis, das Deutschland gegenüber Israel hat zu betonen. Aber er hat es nicht getan.

Er hat Beifall geklatscht für einen Völkerrechtsbruch und hat es auch nicht problematisiert, sondern er hat vom Mut der israelischen Armee, die ganz offensichtlich dem Iran-Haus hoch überlegen ist, gesprochen. Er hat seinen Respekt bekundet und er hat seine Dankbarkeit ausgedrückt. Also viel, viel, viel mehr, als er hätte machen müssen. Und da stelle ich mir mit Ihnen, Herr Ambos, die Frage, soll das die Politik eines künftigen Europas sein?

Oder soll die Politik eines künftigen Europas sein, dass wir hier als Garant und Hüter des Völkerrechts und der regelbasierten Weltordnung auftreten? Aber wir können nicht beides machen. Ja, man hätte auch die Gegenfrage stellen können an Herrn Merz. Also ich bin ja leider kein Journalist. Da hätte ich ihn gefragt, wie sehen Sie das eigentlich mit Gaza? Ist das dann auch die Drecksarbeit? Ja gut, er hat zu Gaza auch klar geäußert, dass das eine humanitäre Katastrophe ist, die sich da ereignet.

Vorher, ja. Er hat das vorsichtiger ausgedrückt. Er hat gesagt, in Mitleidenschaft gezogen sei die palästinische Bevölkerung. Ist natürlich eine sehr schwache Formulierung. Ich wollte gerade sagen. Der Diskurs hat sich halt geändert. Der Punkt ist einfach, worüber wir jetzt reden, das Interview vor zwei Tagen, da ging es ja nicht mehr um Gaza, um Westjahre. Mein Punkt ist, und das ist übrigens auch, wenn wir sprechen über die Kriegsziele,

was viele sagen, Netanjahu wollte im Grunde eine Ablenkung. Übrigens, wer hier am meisten profitiert, ist natürlich Putin von der ganzen Diskussion. Das war nur noch nebenbei gesagt. Wir reden plötzlich nicht mehr über Gaza, obwohl in Gaza die Situation genauso schlimm ist und jeden Tag Leute sterben, die humanitären Hilfslieferungen nicht klappen und der gleiche Bundeskanzler, der vorher...

Die Situation kritisiert in Gaza, fragt, was sind hier eigentlich die Kriegsziele, ich kann das nicht mehr verstehen, wicht das plötzlich vom Tisch. Auch die G7-Staaten, England, Frankreich, Kanada, die haben sanktioniert zwei Politiker, nämlich Smotrich und Ben Quir und plötzlich ist das alles nicht mehr da. Insofern, das ist ja auch letztendlich eine Doppelmoral, denn das ist eben auch diese israelische Armee, gegenüber der Herr Merz Respekt zollt.

Das ist auch diese Regierung. Also selbst wenn wir sagen, das ist alles gut, was sie im Iran macht. Wir finden das klasse, dass sie endlich mal diese schrecklichen Mullers stürzt. Und Völkerrecht ist uns egal, das wäre ehrlich, aber das Thema Gaza macht uns weiter Sorgen. Das ist genau der Punkt. Darüber wollte ich gerne nochmal mit euch auch sprechen. Also Stichwort Gaza.

Ich habe gerade dieser Tage wieder den Bundeskanzler gehört, der unter dem Eindruck massiver russischer Angriffe auf die Ukraine sagte, da werden schwerste, er sprach nicht von schweren, sondern schwerste Kriegsverbrechen begangen. Wenn ich ihn zu Gaza höre, dann sind wir im Zweifel besorgt. In Mitleidenschaft gezogen. Äußerst gesorgt. Genau, in Mitleidenschaft. Ich meine, was für ein Euphemismus für das, was dort passiert, dass man sich traut, so etwas zu sagen.

Das nur am Rande. Aber was ist die rechtliche Situation, Herr Ambos? Ich meine, wenn der Bundeskanzler sich hinstellt und sagt, sorry, da fehlt mir also wirklich die Fantasie dafür. Ich kann mir keine Situation vorstellen, in der Deutschland einen israelischen Regierungschef festnehmen würde. Der Mann ist zur internationalen Fahndung ausgeschrieben, Benjamin Netanyahu.

Wie sind die rechtliche Situationen? Wäre Deutschland, wenn wir das mit dem Völkerrecht ernst nehmen, wäre Deutschland verpflichtet, jemanden mit Netanyahu, wenn der in Berlin landet, festzunehmen? Nach dem gegenwärtigen Stand schon, weil wir einen Haftbefehl haben des Internationalen Strafgerichtshofs, eines Gerichts, das Deutschland maßgeblich mitgegründet hat, unterstützt. Auch nochmal in der Nürnberger Tradition, das muss man immer mitdenken.

Das ist sozusagen ein Herzensanliegen aller unserer Regierung gewesen bis heute. Insofern, ja, die Antwort ist ja, wir müssten ihn festnehmen, auch wenn uns das politisch vielleicht schwerfällt. Und was die Situation in Gaza angeht. Da bräuchten wir jetzt mehrere Stunden darüber, um die Reihe von Verbrechen aufzulisten, die da sicher begangen werden. Ich bin ja immer der, der gesagt, wir müssen ganz vorsichtig sein, wenn wir einzelne Operationen der israelischen Armee untersuchen.

Ich muss mich natürlich fragen, ob ein Krankenhaus oder eine Schule militärisch verwendet wird, aber auch hier liegt die Beweis, dass bei den Israelis und ein Kernargument ist natürlich, warum lässt Israel keine unabhängigen Journalisten in Gaza streifen? Es gibt ja Erklärungen von Journalisten, Organisationen, maßgeblichen der Welt, einzig New York Times, die sagen, lass uns in den Gaza-Streifen und unabhängige Berichterstatter zu haben.

Wir verlassen uns auf humanitäre Berichterstatter, Mediciens von Frontières. Sie hatten auch mal jemanden in der Sendung, einen Sanitäter. Wir sind also mit sehr begrenzten Informationen, aber verantwortlich ist ja da nicht die Hamas dafür, sondern ist Israel. Ich habe gestern nochmal mit dem israelischen Kollegen gesprochen. Jeder Schritt, jeder Move, jede Bewegung von Israel aus, von überall her nach Gaza geht nicht ohne die israelische Armee.

Man kommt nur rein mit der israelischen Armee und die humanitäre Situation ist einfach katastrophal. Es sind drei, vier Hilfszentren, Verteilungstren. Wir hören jeden Tag von Toten, von Chaos. Auch wenn man nicht genau weiß, wer da jetzt die Leute erschießt, ist es die IDF, also die israelische Armee, sind es irgendwelche bewaffneten Gruppen.

Aber wir hatten vorher 400, 300 Verteilungszentren. Wer das machen kann, ist die UNO, die UNRWA, die einzige Organisation, die diese humanitäre Hilfe leisten kann. Wenn Israel sagt, die UNRWA ist nicht vertrauenswürdig, okay. Weil von der Hamas unterwandert. Weil unterwandert, was eine These ist, die aus meiner Sicht nicht mit Beweisen ausreichend belegt wird. Aber lassen wir es mal dahingestellt, sagen wir, das stimmt.

Ich würde sagen, das kann durchaus sein. Ich erinnere mich, ich war vor ein paar Jahren mal in Gaza für eine Reportage und wer das dort erlebt hat, der kann sich das natürlich vorstellen. Also da sind diese Leute, die hatten diesen schmalen Küstenstreifen wirklich in ihrem Würgegriff und wenn du dich mit denen anlegst, dann warst du halt am nächsten Tag ein toter Mann.

Das war eigentlich jedem klar. Und insofern kann ich mir eine Situation, in der eine Hilfsorganisation nicht zwangsläufig mit denen auf die eine oder andere Weise irgendwie kooperieren muss, die kann ich mir ehrlich gesagt überhaupt nicht vorstellen. Das ist ja völlig realitätsfremd. Wir können ja das Argument nehmen, aber Israel bleibt verantwortlich als effektive Kontrollmacht und Besatzungsmacht für die humanitäre Situation.

Dann muss Israel ein Alternativprogramm auflegen. Und das haben sie ja versucht mit der Gaza Humanitären Foundation. Fragen Sie irgendjemand aus der Szene, was diese Organisation macht. Die gibt nicht mal Interviews zu BBC. BBC macht dauernd Anfragen. Das ist völlig intransparent. Und effektiv gibt es permanent Toten an den paar Verteilungsstellen, drei, vier Stellen von Israel. Vorher 300. Also kurzum, die humanitäre Hilfe klappt eben auch nicht und das ist schon die Verantwortung Israels.

Also wogegen ich mich eben wende, ist alles auf die Hamas zu schieben. Die Hamas ist eine Organisation, die terroristische Anschläge begeht, die Verbrechen begeht, die weg muss aus dem Gaza-Streifen, da sind wir uns ja einig. Aber die autonomen Handlungen der israelischen Armee seit Oktober 2023, die Verantwortung für die humanitäre Situation, die existiert und daran muss sich Israel einfach messen lassen.

Wenn wir über all diese Dinge reden, dann fällt mir immer wieder auf, bleibt ein Thema auf eine seltsame Art und Weise immer außen vor. Nämlich das, was im Westjordanland gerade passiert. Was diese Siedlungspolitik ist, was diese Ideologie der Siedler ist, die die Geschicke Israels mittlerweile richtiggehend diktiert. Herr Amos, aus völkerrechtlicher Sicht, Westjordanland, was passiert da gerade? Was ist sozusagen das größere Bild, von dem Sie häufig sprechen?

Vor welchem Hintergrund findet all das statt? Ja, das findet statt vor einer Besatzung, die 1967 aufgrund des Sechstagekriegs begonnen hat, des Westjordanlands, eigentlich dieses East Jerusalem, Ost-Jerusalem, das dann 1980 auch annektiert wurde von Israel.

Und die Geschichte dieser Besatzung seit 1967, die ja jetzt schon über 50 Jahre andauert, also man müsste zu dem Satz, der immer gesagt wird, die einzige Demokratie im Nahen Osten auch sagen, auch der einzige Staat, der einen anderen Teil über 50 Jahre besetzt hält. Ja, das wäre sozusagen eine Ergänzung. Das ist jetzt politisch sehr inkorrekt, aber ich stehe dazu. Das ist nämlich die Wahrheit.

Und diese Besatzung hat dazu geführt, dass die Idee eines palästinensischen Staates, die ja grundsätzlich anerkannt wird, auch im Osloer Friedensprozess anerkannt ist, natürlich auch von vielen völkerrechtlichen Stellungnahmen.

Durch die Besiedlung dieses Landes, wir reden ja, Sie haben das oft ja schön gezeigt in Ihrer Sendung mit der Karte, wir reden ja von einem völlig fragmentierten, zerstückelten Westjordanland, wo 500, 600, 700.000 Siedler jetzt sind in massiven Siedlungen, Betonbauten, blühende Landschaften, die völkerrechtswidrig dieses Land besiedeln. Die Völkerrechtswidrigkeit ist unumstritten. Das sagt auch die Bundesregierung seit Jahren, seit Jahrzehnten,

auch die Europäische Union. Da muss man jetzt also kein Seminar drüber machen. Aber es bedeutet eben, dass diese Grundfrage, diese Kernfrage dieses Konflikts, nämlich wie wird das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser verwirklicht, durch irgendeinen Staat, durch irgendein Staatsgebiet auf einem Staatsgebiet letztendlich verunmöglicht worden ist. Jetzt mal unabhängig von dem Oktober 2023, was die Sache natürlich schlimmer gemacht hat.

Das ist ganz klar, dass wir auf der jetzigen Grundlage gar nicht mehr erstmal wahrscheinlich mindestens eine Generation an Versöhnung denken können. Aber die Ausgangssituation ist eben diese illegale Besiedlung, die dann auch dazu führt, dass die Besatzungsmacht in Form des israelischen Militärs in die Situation kommt, die eigenen Leute schützen zu müssen, nämlich die Siedler. Obwohl sie eigentlich zuständig ist für die indigene Bevölkerung, also die Palästinenser, die da schon gelebt haben.

Das ist die Idee von Besatzung, die ja per se eigentlich temporär ist. Die Besatzungsmacht muss zugunsten der besetzten Bevölkerung agieren und wenn sie natürlich ihre eigenen Leute da ansiedelt in dieser Form, schafft sie ja Konflikte, nämlich zwischen den Siedlern, die da kommen und zwischen den Indigenen. Und kommt jetzt halt in die Situation, leider Gottes, wie das ja viele beschrieben haben.

Wir haben ja das schöne Buch von Meron Mendel zum Beispiel in dem Zusammenhang, dass plötzlich die israelische Armee, wie sie es noch früher gemacht hat, sehr interessant, in 1967 hat sie die Siedler noch abgehalten, hat sie sie kontrolliert und heute steht sie dabei, wenn die Siedler die Palästinenser angreifen. Wir haben also eine Umkehrung der Verhältnisse und das ist sozusagen… Steht dabei oder hilft ihnen teilweise.

Oder hilft ihnen sogar und dieses Grundproblem, dieses Kernproblem, nämlich die Palästinenser-Frage ist ungelöst und wird auch ungelöst bleiben. Wenn diese Politik nicht aufhört.

Da hat mir zum Beispiel der Kollege nochmal, mit dem ich gerade hier bin, aus Tel Aviv gesagt, wenn der Westen, übrigens die USA natürlich, aber auch die Europäische Union von vornherein, seien 67, konsequent gewesen wäre und gesagt hätte, wenn ihr nicht aufhört mit der Besiedlung, dann werden wir keine Wirtschaftsbeziehungen mehr haben. Dann wäre das vielleicht anders gekommen.

Also wenn das Völkerrecht eingehalten worden wäre, dann wären wir vielleicht heute in einer anderen Situation als in dieser völlig ausweglosen Situation, wo ein Palästinenser-Staat ja überhaupt nicht mehr denkbar ist. Auch das etwas, was zum Beispiel deutsche Politik nach meinem Gefühl, wenn wir fragen, wie müsste deutsche Nahost- und Israel-Politik eigentlich sein, was wir im Grunde nie klar adressieren. Und daraus resultiert auch der Vorwurf dieser doppelten Standards.

Ich meine, wenn man sich mal vorstellt, die beiden rechtsextremistischen Minister in der Regierung Netanjahu, Smotrich, der Finanzminister und der Minister für nationale Sicherheit, Ben Guir. Sind beides Leute, die leben in solchen illegalen Siedlungen. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das sind Leute, die im Kabinett sitzen. Das sind Leute, die israelische Politik betrachten.

Ganz maßgeblich mitbestimmen und dominieren und die immer wieder damit drohen, wir gehen raus aus dieser Regierung und damit platzt dann auch diese Regierung Netanjahu, wenn wir das nicht so weitermachen. Das heißt, die zwingen mit ihrer radikalen Siedlerbewegung Netanjahu ihre religiöse, ideologische Agenda auf und der kommt da im Grunde kaum raus. Also das ist sozusagen das Bild dahinter. Also ich finde interessant, du hast ja eine Frage gestellt da drin.

Also muss die deutsche Politik ihre bisherige Israel-Politik revidieren? War das historisch, Erbenbos, Sie haben gesagt, seit 1967 haben wir nichts Ernsthaftes unternommen, um die Siedlungspolitik im Westjordanland zu stoppen. Keine Wirtschaftssanktionen, keinen internationalen Druck, überhaupt nichts. Sicherlich ist auch völlig klar, dass Deutschland aufgrund seiner Geschichte nicht der Vorreiter einer solchen Entwicklung ist.

Deswegen würde ich das nicht so sehr an Deutschland in erster Linie adressieren, aber zum Beispiel an die Europäische Union. Wenn man sich fragt, können wir unsere bisherige Israel-Politik so aufrechterhalten? Was würden Sie darauf antworten? Dass in der Europäischen Union Deutschland zumindest Maßnahmen nicht blockieren soll. Also ich kann Ihnen das mal an einem schönen Beispiel machen.

Das ist die sogenannte Kennzeichnungspflicht. Also wir haben im Fall der Ukraine nach der Annexion der Krim in 2014 sofort einen Importstopp verhängt im Rahmen der Europäischen Union für jegliche Produkte aus der Krim und 2022 stehen erweitert auf die Ostukraine.

Bei den Produkten aus den Siedlungen, man muss das vielleicht nochmal den Hörern erklären, es gibt im Palästina eben das Kernland Israel, das wir natürlich, wie wir hier sitzen, alle unterstützen, also den Staat Israel in den Grenzen von 1967, die ja schon größer sind als die Grenzen von 1948 bei der Staatsgründung, aber um den geht es hier jetzt nicht. Es geht um den Teil Palästinas, der eigentlich den Palästinensern zusteht.

Übrigens auch mit zwei wichtigen Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs unter Beteiligung deutscher Richter. Und die Kennzeichnungspflicht haben wir bisher nicht durchgesetzt in der Europäischen Union und da ist Deutschland einer der großen Blockierer. Ja, das bedeutet, sie gehen in einen Supermarkt, sie kaufen Kiwis und wissen nicht, ob die jetzt aus den Siedlungen kommen oder aus dem Kernland Israel oder eben aus Spanien.

Und diese Entscheidung der Kennzeichnung, das ist ja noch weniger als ein Importstopp, also als eine echte Sanktion oder ein Boykott, wie wir es bei der Ukraine Russland gemacht haben. Das ist ein kleines Beispiel, wo wir auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs haben dazu. Das ist eigentlich eine Verpflichtung, aber auch das hat Deutschland verhindert.

Also Deutschland hat im Grunde alle Maßnahmen verhindert, auch die kleinsten Maßnahmen und Deutschland ist damit mitverantwortlich für die Verunmöglichung der Zwei-Staaten-Lösung. Das ist eben auch ein Widerspruch deutscher Politik. Man trägt die Zwei-Staaten-Lösung wie ein Mantra vor sich her, aber dieser Staat, dieses Staatsgebilde wird fragmentiert oder löchrig wie ein Schweizer Käse.

Wie soll denn dieser Staat aussehen? Insofern, ich sehe das auch so, wir haben eine historische Verantwortung gegenüber Israel. Ohne Deutschland wäre der Zionismus, der ja mit dem berühmten Buch von Herzl 1896 der Judenstaat begonnen hat, damals eine Minderheit war, hätten wir nicht ohne den Holocaust, hätte es diesen staatlich gegeben.

Und wir sind natürlich für den Holocaust verantwortlich und wir sind auch für den Schutz der Juden, vor allem in Deutschland verantwortlich und im Grunde auch für die Staatsgründung. Aber das kann ja nicht bedeuten, dass wir diese andere Gruppe, die da auch war, diese Araber oder Palästinenser auf diesem Gebiet, das war ja keine Terra Nullius, da gab es ja Menschen. Das kann ja nicht bedeuten, dass diese Leute nicht auch ein Recht haben.

Ihren Staat oder ihre Entität zu haben und dass Deutschland nicht seinen Staat, also seinen Staat Israel, mit dem wir eine besondere Beziehung haben, auch ermahnt dazu, das Völkerrecht einzuhalten. Was glauben Sie ist das stärkere Motiv für die deutsche Israel-Politik? Die historische Schuld? Oder der Versuch, keinen Graben zu den USA aufkommen zu lassen? Also es gibt ein schönes Buch von Daniel Mavecki, einem Historiker, das heißt Absolution. Für mich ist das alles eine Frage unserer Schuld.

Letztendlich, das lässt sich historisch entwickeln. Es war immer eine Beziehung, die von Interessen geprägt war unter Adenauer beim berühmten Luxemburger Abkommen. Also dem ersten Abkommen zur Entschädigung war ja Deutsch verbannt als Sprache, weil in der Knesset gab es riesigen Streit, können wir mit diesen Mördern überhaupt verhandeln? Deswegen war das in Luxemburg auf neutralem Territorium.

Die Israelis haben das Geld gebraucht, da haben sich die Realpolitiker durchgesetzt gegen die Fundamentalisten, die gesagt haben, mit denen werden wir kein Wortwechsel. Und die Deutschen haben es gebraucht, um nach dem Zivilisationsbruch des Holocaust wieder in die westliche Wertegemeinschaft, in Anführungsstrichen, eingebunden zu werden. Das war also keineswegs altruistisch. Das ist sozusagen das Verlogene der deutsch-israelischen Beziehung.

Deutschland hatte immer massive Interessen und dann hat Deutschland natürlich auch Waffen an Israel geliefert. Sie denken an die U-Bote mit atomwaffenfähigem Material und heute, das wird ja bezahlt. Israel bezahlt das ja. Also das ist ja nicht so wie eine Entwicklungshilfe an die Ukraine, wo wir vielleicht was schenken. Das heißt, es gibt auch da massive wirtschaftliche Interessen. Das ist also keine moralisch sozusagen motivierte Politik.

Es geht immer um den deutschen Schuldkomplex und die Abarbeitung dieser Schuld gegenüber, so wie man das sieht, aufgrund des Holocaustes. Aber wenn man es mal historisch analysiert, wie es Herr Mawiecki eben gemacht hat in diesem Buch, ist diese Beziehung geprägt von gegenseitigen Interessen.

Insofern sollten wir das auch nicht verbrämen, aber gleichzeitig können wir einen Staat wie Israel, der ist ja als Staat anerkannt, ist Mitglied der UNO, wir erkennen ihn an, können wir doch kein Sonderrecht für diesen Staat erlauben und sagen, das Völkerrecht gilt nicht. Also so im Sinne von, da gibt es eigene Gesetze, wie Michael Wolfson das sagt. Sondern nein, es gilt eben das Völkerrecht. Für alle 190 plus Staaten dieser Welt gilt auch für Israel das Völkerrecht und

nicht mehr oder nicht weniger wenden wir für Israel an. Das ist alles. Ich habe nochmal eine letzte Frage, Herr Ambos, auch an Sie. Ich habe einen Satz von Eva Illus in der Zeit gelesen, die sagt, Israel hat das Recht, sich gegen eine existenzielle Bedrohung zu verteidigen, gar keine Frage, aber es tut das und das ist der entscheidende Punkt.

In einer Zeit, in der die demokratischen Grundlagen des Landes von innen heraus, die Siedler und die Ultraorthodoxen, die Fanatiker gerade gesprochen, ausgehöhlt werden und das Vertrauen der Bürger in ihre Führung erschüttert ist. Und sie sagt dann, eine Nation zu verteidigen, die sich selbst untergräbt, ist nicht nur ein strategisches Paradoxon, das ist eine nationale Tragödie. Hat sie recht?

Das ist ja das Argument, was Leute wie Meryn Mendel bringen, dass wir müssen uns endlich klar machen, welche Regierung da in Israel an der Macht ist. Das ist eben nicht die Regierung von Yitzhak Rabin von vor 20, 25 Jahren des Osloer Friedensprozesses. Das ist eine Regierung, die in Teilen rechtsextremistisch ist, in denen die Siedlerbewegung, die Orthodoxen eine ganz wichtige Machtfunktion haben.

Zum Beispiel das Thema Orthodoxie in die Armee. Wenn Sie da mit Israel-Experten sprechen, das wird nicht gelöst werden. Dieses Thema wird nicht gelöst. Das wird immer wieder vertagt werden. Insofern, es geht ja nicht um den Staat Israel und schon gar nicht geht es um die Israelis und schon überhaupt nicht geht es um die Juden. Es geht um diese Regierung. Denn diese Regierung repräsentiert Israel und wir müssen da schon sehen, um welche Regierung es geht.

Es geht um eine Regierung, deren Ministerpräsident innerstaatliche Ermittlungen befürchten muss wegen Korruption, der gegen die Generalstaatsanwältin Attorney General Massiv vorgeht, der die Gewaltenteilung untergräbt und gegen den es gleichzeitig einen Haftbefehl des ISTGH gibt. Das ist vielleicht das geringste Thema für die innerisraelische Politik, dieser Haftbefehl und der eben solche Politiker wie Ben Quir und Modric hat, die ja...

Einerseits sprechen wir davon, von der Auslöschung Israels durch den Iran, was zu verurteilen ist. Aber diese gleichen Politiker sprechen von der Auslöschung der Palästinenser. Diese gleichen Politiker sagen, Gaza muss etnisch gesäubert werden. Das ist der rechtsextreme Sound. Und ich sage nicht, dass das die ganze israelische Regierung sagt, aber von diesen Politikern haben wir diese Statements. Also Deportation, Riviera-Lösung.

Wenn wir morgen anbieten würden, Herr Lanz, Schleswig-Holstein für die Palästinenser, da wäre die israelische Regierung happy. Die würden sagen, die Palästinenser würden da nicht hinwollen. Das ist viel zu kalt für die, Schleswig-Holstein. Aber das wäre die Lösung, die die israelische Siedler bewegen und die rechtsextreme Regierung will. also Entvölkerung des Gaza-Streifens und letztendlich keine Anerkennung. Smotrich sagte, es gibt nicht sowas wie ein palästinensisches Volk.

Was ist das anders als zu sagen, wenn Khamenei sagt, Israel muss zerstört werden? Vielleicht ist das graduell noch nicht so schlimm wie Khamenei, aber zu sagen, es gibt kein palästinensisches Volk, ist die Negierung einer palästinensischen Identität, einer existierenden Bevölkerungsgruppe, die da lebt. Also das müssen wir uns klar machen. Und da muss man sich einfach abgrenzen.

Wir müssen, genauso wie in den USA, uns verbünden mit Leuten wie den von Ihnen sehr geschätzten Historiker aus Harvard oder Yale, den kritischen Eliten in Israel, der New Israel Foundation, die es in Deutschland inzwischen sehr aktiv ist. Also mit den kritischen jüdischen Israelis, mit denen müssen wir uns verbinden, mit Beth Selem, mit den verschiedenen NGOs.

Aber wir müssen auch ganz klar sagen, wo diese Regierung eben die Grenzen überschreitet und man muss einfach diese Wahrheit anerkennen, auch wenn das schwerfällt. Und auch der historische Kontext ist wichtig. Gaza ist auch Gaza. Wenn wir über Siedlungspolitik reden und über fanatische Siedler. Gaza ist sozusagen der Stachel im Fleisch der Siedlerbewegung.

Als damals Ariel Sharon 2005 der Ministerpräsident entschieden hat, die 8000 Siedler, die es auch mal im Gaza-Streifen gab, sozusagen da rauszuholen. Da waren ja damals viele Israelis erleichtert, dass ihre Söhne, ihre Soldaten nicht mehr diese 8000 Fanatiker inmitten von zum Teil zwei Millionen hasserfüllten Palästinensern schützen mussten, sondern dass das vorbei war.

Ja, und ich glaube, was wir nicht so richtig parat haben, ist, dass bei diesen Fanatikern diese Bilder von damals immer noch nachwirken. Und das erklärt zum Teil diese Brutalität, wenn es darum geht, Hilfslieferungen zu behindern. Das erklärt diese Brutalität, wenn es darum geht, einfach auch zwei von drei Häusern zu zerstören.

Das erklärt vieles von dem, was uns so wahnsinnig empathielos erscheint und man sagt, wie kann man das machen, wie kann man das zulassen, aber das hat diesen historischen Kontext, das muss man einmal verstehen. Ich danke euch ganz herzlich, viel gelernt heute, wird noch lange in mir nachhalten, vielen Dank für die Zeit, Herr Amboss, dank dir, Richard und wir hören uns nächste Woche. Ja, ich bedanke mich auch, also Herr Amboss, ganz, ganz vielen Dank und tschüss

Markus, bis nächste Woche. Ebenso, danke für die Einladung, alles Gute. Eine Produktion von M hoch 2 und. Music.

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