Music. Schönen guten Morgen Richard. Guten Morgen Markus. Wie geht es dir? Oh ganz gut. So weit so gut. Der Papst ist tot Richard. Oder wie du vorhin so schön sagtest, die größte Immobilienfirma der Welt ist in Not. Sie sucht einen neuen Geschäftsführer. So könnte man das auch sagen. Das ist die Meldung dieser Woche. Und ich würde mich heute gerne mal mit dir darüber austauschen. Über Religion, über Kirche, über Spiritualität.
Aber auch mal über ein paar Eckdaten, die man so findet, wenn man über die Kirche redet. Und die Frage, welche Rolle spielen die heute eigentlich noch? Und das, was du vorhin so süffisant gesagt hast, die größte Immobilienfirma der Welt, das stimmt ja tatsächlich. Ich habe eine Zahl gefunden, die hat mich umgehauen. Die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland verfügt nach Schätzungen über ein Vermögen von ungefähr 430 Milliarden Euro.
Davon 160 Milliarden in Aktien, 220 Milliarden in Immobilien, 65 Milliarden in Stiftungen und anderen Vermögenstiteln. Das ist eine Zahl, Tagesspiegel hat das mal recherchiert, 2017, schon ein bisschen älter. Ein bisschen mit Vorsicht zu betrachten, weil die Kirchen ihre Vermögenswerte nicht öffentlich machen. Aber es gibt so ein paar offizielle Zahlen. Das Erzbistum München beziffert sein Vermögen auf über 5,5 Milliarden Euro.
Das Erzbistum Köln, weißt du ja selber viel besser als Rheinländer, gehört zu den zehn reichsten Bistümern der Welt. Hatte vor einigen Jahren schon 2,8, also fast drei Milliarden Euro am Finanzmarkt investiert. Das ist, glaube ich, die größte Immobilienfirma in Köln, soweit ich weiß. Gehören, glaube ich, auch in Düsseldorf Teile der Kühe. Genau. Und dazu hast du Kirchensteuer in Höhe von sieben Milliarden Euro.
Jedes Jahr. Also das ist eine richtige Wirtschaftskraft. Damit hat sich die so viel gestellte Frage, hat die Kirche eine Zukunft, wird sie überleben, lässt sich ganz klar bejahen. Die Frage ist nur, als was? In welcher Aufgabe und in welcher Funktion? Also sie wird auf jeden Fall sich nicht in Rauch auflösen, weder in weißem noch in dunklem Rauch, sondern die Kirche wird es noch sehr lange geben, auch in den Ländern, in denen eher die Gläubigen abhanden kommen.
Und die Frage wird nur sein, als was und in welcher Funktion. Interessant ist, woher das zum Teil kommt. Das hat ja historische Gründe, liegt gut 200 Jahre zurück. Braucht mal ein bisschen Geschichtsunterricht. Am 25. Februar 1803 kommen in Regensburg die Reichstände zusammen, um eines der letzten Gesetze des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation zu beschließen, nämlich den Reichsdeputationshauptschluss. Der zu tun hat mit den napoleonischen Kriegen.
Genau, eigentlich ist der Reichsdeputationshauptschluss das Ende des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Das geht da zu Ende. Ich meine, das Heilige Römische Reich war nie heilig und nicht römisch und kein Reich. Aber trotzdem an die tausend Jahre bestanden. Und das löst sich damit offiziell auf. Der Hintergrund ist, in diesen napoleonischen Kriegen fallen die linksrheinischen Territorien dieses Reiches an Frankreich.
Das heißt Preußen, Bayern, Baden-Württemberg erleiden da massive Gebietsverluste und verlangen dafür Entschädigung. Die betroffenen Fürsten verlangen Entschädigungen und dann fällt der Blick sozusagen auf das gigantische Vermögen der Kirchen. Dann werden Ländereien der Kirchen enteignet und diesen Fürsten zugeschlagen. Säkularisiert, genau. So wird diese Enteignung genannt. Und dadurch entgehen sozusagen den Kirchen hohe Vermögenswerte und Einnahmen und dadurch entsteht eine finanzielle Notlage.
Und das ist der Grund, warum der deutsche Staat bis heute den Kirchen entschädigt. Und die nicht von der Kirche selber finanziert werden, sondern dass sie quasi Landesbeamte sind. Das heißt, es gibt die Kirchensteuer und dann gibt es noch direkte Zuwendungen. Also über 500 Millionen Euro jährlich, 22 waren es sogar 600 Millionen, die direkt vom deutschen Staat an die Kirchen fließen. Und es hat mal jemand ausgerechnet, dass die mittlerweile um den Faktor 194
entschädigt worden sind. Also diese Enteignung hat sich gewissermaßen gelohnt. Ja, hat sich gelohnt, genau. Und das macht der Staat auch unter anderem wegen der sozialen Serviceleistungen der Kirche. Allererseits natürlich die Kindergärten, die sie macht oder das Beerdigungen und was alles. Das sind ja im Grunde genommen Leistungen für und an der Gesellschaft, die vom Staat subventioniert werden. Und darüber hinaus eben das Bezahlen der Gehälter.
Interessant ist allerdings, dass der Staat das zum Teil finanziert, zu 100 Prozent. Die Kirche als Arbeitgeber, das zahlt in Wahrheit meistens gar nicht die Kirche, sondern die Kirche ist sozusagen nur der Träger. Der Staat finanziert das, aber die Kirche ist der Träger und hat dann so seltsame Sonderrechte, kann Mitarbeitern aus sehr absurden Gründen kündigen. Zum Beispiel, wenn sie homosexuell sind oder wenn sie sich scheiden lassen oder wenn sie die falsche Konfession haben und so weiter.
Das dürftest du als private Firma oder auch als Staat darfst du das ja nicht machen. Die Kirche darf das, weil sie eben diese Sonderrechte hat. Also auf der einen Seite hat sie diese Sonderrechte eben aus historischer Zeit und auf der anderen Seite wirtschaftet sie genauso kapitalistisch wie jedes Privatunternehmen auch und achtet eben darauf, dass sie eine entsprechende Rendite kriegt. Das ist jetzt auch nicht berühmt dafür, dass man da die niedrigsten Mieten der Welt zahlt und so weiter.
Also benimmt sich im Grunde genommen genau wie ein gewinnbringendes Unternehmen und die Leute, die da arbeiten, das sind ja auch keine Heiligen, sondern das sind eben Leute, die geschult darin sind, Business zu machen. Ich habe vor einiger Zeit mal Till Reiners gehört, der hat sich mal mit den Rechten der Kirche auseinandergesetzt, schöne Grüße an der Stelle.
Der darauf hinwies, dass auch die Leute, die an den Unis die Religionslehrerinnen ausbilden, werden nicht von der Uni ausgesucht, sondern von den Kirchen. Also an einer Uni, wo es um Wissenschaft geht und er sagte damals, das sei ungefähr so, als würde Shell die Ausbildung von Klimaforschern organisieren. Das fand ich irgendwie einen schönen Vergleich. Und all das, ich sage das nur einleitend deswegen, Richard, weil all das...
Finde ich so hart kontrastiert mit diesem Papst, der das wie kein anderer in Frage gestellt hat und der sozusagen im Grunde etwas gemacht hat, was glaube ich vielen auch in der Kirche nicht gepasst hat, was auch intern große Widerstände hervorgerufen hat, der sozusagen versucht hat, die Kirche wieder dahin zu führen, wo sie eigentlich ursprünglich herkommt. Und damit ging für mich, als er Papst wurde, ein Traum in Erfüllung.
Bevor er Franziskus Papst wurde, bin ich gefragt worden, ich glaube vom Stern. Was ich mir denn vom künftigen Papst erwarten würde. Und da habe ich geschrieben, ich würde mir erwarten, dass er ein Mann des Friedens ist und der die Kirche wieder zurückbringt in ihre eigentliche Aufgabe, nämlich demütig zu sein und sich um die Armen und die Verlierer dieser Welt zu kümmern. Also sich wieder auf die christliche Soziallehre besinnt und sie in den Mittelpunkt ihrer Theologie stellt.
Was ich mir nicht von dem Papst erwarte, sind strukturelle Reformen im Hinblick auf, dass Frauen Bischöfe werden können oder gravierende Veränderungen in der Sexualmoral und so weiter. Das sind alles Wünsche, die zwar aus Ländern wie Deutschland an die Kirche herangetragen werden, die aber nicht die zentralen Themen der Kirche im globalen Maßstab sind. Wenn er an beides rangeht, wird er scheitern.
Und ich fand das, wofür Franziskus sich entschieden hat, nicht so sehr die innenpolitischen Reformen, sondern in erster Linie wieder ein völlig anderes Selbstverständnis und Erscheinungsbild der Kirche, ein anderes Rollenverständnis der Kirche wieder zurückzuholen, was ihren sozialen Markenkern anbelangt. Und das hat er getan und ich glaube, da hat er sehr viel richtig gemacht.
Ich weiß, es gibt viele Leute, die, ich habe gestern noch energisch darüber diskutieren müssen, die ihm vorwerfen, dass er keine gute Rolle im Missbrauchsaufarbeitung gespielt hat und so weiter. Ich kann das im Detail nicht beurteilen, aber da sicherlich ist er nicht so weit gegangen, wie er hätte gehen müssen.
Aber ich glaube, dass insgesamt für die Rolle in der Welt und gerade in unseren Zeiten das, was Franziskus geleistet hat, also die Kirche als Anwalt der Schwachen wieder zu sehen und als Anwalt des Friedens, dass er da eine große historische Rolle gespielt hat. Und ich bin sehr dankbar, dass wir diesen Papst gehabt haben.
Ich habe den mal getroffen sozusagen beiläufig, das war nach einem Gespräch mit seinem Vorgänger, mit Papst Benedikt und ich war noch so ganz in Gedanken von diesem Gespräch und wir gingen dann in diese Kantine, so eine Kantine in der sozusagen nicht die normalen angestellten Mitarbeiter des Vatikans essen, sondern da siehst du dann sehr viele Kardinäle und so weiter. Da durftest du auch essen? Ja, da durfte ich essen. Wie bist du denn in dieses Privileg gekommen?
Ich glaube, durch das Gespräch mit Benedikt. Ich habe dir davon ja schon mal erzählt. Hat er dich dann gleich anschließend mitgenommen in die Kardinalskantine? Nein, nein, nein. Der war damals schon in einer Situation, der war gar nicht in der Lage, mich da noch irgendwo hin mitzunehmen, sondern der blieb in seinem kleinen Kloster da im Vatikanischen Garten, wo er untergebracht war, wo er die letzten Jahre seines Lebens verbracht hat. Aber wir waren damals, Manfred Lütz war mit mir da unterwegs.
Der kennt dort sehr viele Menschen, der ist jemand, dessen Rate auch im Vatikan, das habe ich selbst auch miterlebt, immer wieder eingeholt wird. Selber Theologe, Philosoph, kennst du mit Sicherheit. Und Manfred Lütz ist ein sehr streitbarer Geist und dafür schätze ich ihn. Er ist ja Psychiater eigentlich von Haus aus. Jemand, der immer in der Lage ist, sowohl das eine als auch das andere zu sehen. Aber insgesamt eher für die konservative Ausrichtung der Kirche steht.
Ja, weil ich glaube, ihm geht es da um etwas Ähnliches wie dir auch. Es geht ihm eher sozusagen, wenn du so willst, um den Markenkern. Ja, genau. Die größte Angst ist, dass die Kirche beliebig durch Reformen wird. Ja, genau. Und weil du das gerade sagst, das ist ja gerade auch die Debatte, die jemand wie Julia Klöckner gerade angestoßen hat und dafür fürchterlich verprügelt worden ist. Völlig zu Recht.
Völlig zu Recht. Ja, natürlich. Ja, aber natürlich. Wie kann man denn sagen, die Kirche soll sich aus großen politischen Fragen raushalten? Ich meine, der Anlass wird sicher gewesen sein, dass Franziskus in seiner Osterpredigt nochmal gegen Aufrüstung geredet hat und nochmal klargemacht, was das für eine Sünde ist und was für ein großer Fehler dahinter steckt im Wettrüsten und auch gegen den Konsumkapitalismus gesprochen hat und so weiter.
Das passt natürlich alles der CDU im Augenblick überhaupt nicht. Aber man darf ja nicht vergessen, die Kirche hat es, seit es sie gibt, Politik gemacht. Es war ein wesentlicher Bestandteil der Kirche, immer Politik zu machen und nicht, wie Julia Klöckner sagt, sich nur um das Sterben und um solche metaphysischen Dimensionen zu kümmern.
Also ich meine, Jesus, der mit den Zöllnern verkehrt hat, der mit den Ärmsten der Armen sich umgeben hat, der sich für die Schwachen, für die Abgehängten, für die Ausgegrenzten der Gesellschaft eingesetzt hat, das gehört alles absolut zur Kirche dazu. Und da kann man nicht sagen, jetzt hören wir mal auf, damit hier Politik zu machen. Das ist ja Politik, Sozialpolitik in diesem Fall. Das ist Verantwortung zu übernehmen für Menschheitsentwicklungen.
Versuchen sie positiv zu beeinflussen. Sich aus alledem rauszuziehen. Ja, was bleibt denn von der Kirche da am Ende übrig? Was für ein esoterischer Haufen soll denn das nach der Vorstellung von Frau Klöckner sein? Stopp, stopp, stopp. Julia Klöckner ist ja glaube ich Theologin von Haus aus. Ja, aber die hat da kräftig in ihrer Bank geschlafen im Theologiestudium. Also wie kann man denn auf die Idee kommen, dass die Kirche sich von der Politik fernhalten soll? Ja, okay.
Also für dich ist sie die Weinkönigin, für mich ist sie die Theologin an dem Punkt. Und du hast recht, Richard, wenn du sagst, natürlich ist... An einer Stelle, an der sich so viel Macht ballt, wenn du Verantwortung hast für über 1,4 Milliarden Menschen und wachsend. Unser Gefühl ist ja, Kirche schrumpft. Ja, aber nur bei uns. Sie wächst am stärksten in Afrika, sie wächst auch nach wie vor in Lateinamerika und so weiter.
Und natürlich, wenn du an der Spitze einer solchen Organisation stehst, dann ist das keine politikfreie Zone. Das ist klar, da bin ich völlig bei dir. Und ein Papst ist sicher immer politisch und der kann überhaupt nicht unpolitisch sein. Das siehst du allein daran, wer ihn besucht hat. Ich meine, der letzte wichtige Besucher war J.D. Vance und mein Gefühl war, danach hat er einfach aufgegeben. Das hat keinen Sinn mehr, das ist irgendwie frustrierend.
Aber nochmal Julia Klöckner, ich habe mir diesen Satz nochmal angesehen in Vorbereitung auf die Sendung und für mich schon das zweite Mal, dass ich sie verteidige. Eine schräge Passion von dir, ja. Ja, jeder hat seine Hobbys. Julia Glöckner hat Folgendes gesagt. Sie hat gesagt, wenn Kirche manchmal, bitte jedes Wort wichtig, manchmal zu beliebig wird oder zu tagesaktuellen Themen Stellungnahmen abgibt wie eine NGO.
Kritikobjekt der CDU ganz grundsätzlich gerade und nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick hat, dann wird sie leider auch austauschbar. Ich meine, klar kann sich Kirche auch zu Tempo 130 äußern, aber dafür zahle ich jetzt nicht unbedingt Kirchenstelle. Und wenn der Papst sich über Aufrüstung mokiert, dann nimmt er damit zu Fragen von Leben und Tod Stellung.
Ja, aber es hat eher gar nicht konniert. Weil Aufrüstung, nicht nur weil das was mit Krieg zu tun hat, was mit Leben und Tod zu tun, das hat auch was damit zu tun mit CO2-Ausstoß, mit Ölverbrennung und allem Möglichen. Alles das, worunter die Länder in der dritten Welt leiden, die dann zunehmend weiter versteppen, weil wir also wie bekloppt weiter, um aufzurüsten, CO2 in die Atmosphäre ballern.
Das sind hochpolitische Themen und dabei geht es und zwar nicht nur metaphorisch, sondern ganz direkt im Hinblick auf das Überleben im globalen Süden um Leben und Tod. Und deswegen muss der Papst sich dazu äußern. Ja, aber nochmal, das hat sie so nicht gesagt. Ich will, ich nochmal, ich meine nur. Doch, sie hat gesagt, nur über Fragen von Leben und Tod. Das hast du gerade genau zitiert. Hat sie nicht gesagt. Ich habe sie ja gerade vorgelesen.
Ich meine nur, auch da wieder, jemand drückt sich ein bisschen missverständlich. Beim letzten Mal war es so mit der AfD, erinnerst du dich? Wo sie im Grunde gesagt hat, pass auf, ihr müsst nicht AfD wählen, wählt doch einfach die CDU. Weil wir machen euch das viel bessere Angebot. Das war sozusagen das, was es insinuiert hat. Der drückt sich jemand ein bisschen ungeschickt aus. Dann kommt Stufe 2. Du verstehst ihn absichtlich miss. Das tue ich aber.
Nee, nee, nee, nee, Markus. Doch, nee, nee, nee. Bösartige journalistische Unterstellung. Also das ist hier kein Missverstehen. Sondern es geht vermutlich darum, dass Julia Klöckner die politische Ausrichtung des Papstes nicht gefallen hat. Aber selbst ein Papst, der eine umgekehrte politische Ausrichtung hatte, wie der gerade von dir noch erwähnte Benedikt, macht ja auch Politik. Also wenn die Kirche sich aus den großen Fragen der Menschheit raushält, ist das auch ein Statement der Kirche.
Die Kirche kann gar nicht unpolitisch sein. Sie ist auch politisch, wenn sie zu bestimmten Entwicklungen in der Welt schweigt. Ja, und deswegen ist das ein völlig unrealistischer Anspruch. Ja, dieser Papst, irgendwie hat er von Anbeginn an keinen kalt gelassen. Ich habe eben gerade gesagt, ich habe den damals beim Mittagessen nur kurz gesehen.
Und das war eine schöne Begegnung, weil ich sah jemanden in einer weißen Soutane so hinten in der Ecke sitzen mit dem Rücken zu mir und dachte, warte mal, diese Farbe gibt es im Vatikan eigentlich nur einmal. Den einen hatte ich gerade getroffen und dachte, okay, dann muss das offensichtlich der andere sein. Und ich kaute weiter so auf meinem Essen rum, auf meinen Nudeln und ging dann irgendwann ans Buffet, um mir so einen kleinen Salat zu holen und drehte mich nach links an.
Dann stand er da plötzlich direkt neben mir und hat mir dann den Vortritt bei den Tomaten gelassen. Das hat mir gut gefallen. Das ist seine bescheidene Art. Das finde ich großartig. Das hätte nicht jeder Papst in der Geschichte gemacht. Aber wo du gerade sagtest, es kann nur einen geben, der weiß trägt. Wie ist denn das? Also als Ex-Papst, darf der dann auch noch Weiß tragen? Ja, oder Grau? Und zwar mit allem, mit allem drum und dran. Das ist so wie beim Herrn der Ringe.
Also Saruman der Weiße und Gandalf der Weiße. Es gab zwei Weiße. Ja, deswegen war ich ja so, wie soll man sagen, elektrisiert. Weil mir war sozusagen das Historische an diesem Moment, war mir durchaus klar. Ich dachte im Wahnsinn, das so in diesem Leben mal zu erleben. Zwei Päpste. Zwei Päpste, genau, lebende Päpste. Das hätte man, glaube ich, zuletzt in der Zeit des Schismas gehabt, als die Gegenpäpste in Avignon waren. Ja, genau. Und ich habe Johannes Paul II. auch mal kennengelernt.
Der hat mich damals auch beeindruckt, muss ich wirklich sagen. Der war schon sehr schwer krank. Und die Art und Weise, wie er das so ertragen hat, der fragte mich dann, woher ich komme. und dann sagte er, ich komme aus Deutschland und dann sagte er, Gott segne sie, mit seinem polnischen Akzent. Du hast drei Päpste persönlich erlebt und ich keinen einzigen. Siehst du mal. Das ist ein großer Unterschied zwischen uns beiden.
Weißt du, wofür das tatsächlich gut war? Ich hatte immer ein Problem damit, dass sozusagen medial das Bild gezeichnet wurde. Da ist dieser Papst Franziskus, der so demonstrativ bescheiden lebt. Und der andere, Benedikt, hat im Apostolischen Palast gelebt und so weiter. Und das war ja Prunk und Pomp und so weiter. Ich war da mal drin. Da ist nichts mit Prunk und Pomp, sondern das ist alles Renaissance.
Wenn du kunsthistorisch ein bisschen Fühler hast und ein Gefühl für Architektur und Geschichte, dann geht die eine Gänsehaut nach der anderen den Rücken runter. Das ist einfach wirklich große Kunstgeschichte und ich bin ein bisschen kunstinteressiert und mich hat das damals wirklich gekriegt. Als ich im Vatikan war, war Sonntag und ich wollte eigentlich die Stanzen sehen.
Also das waren die ursprünglichen Räume, in denen der Papst drin war, die von Raphael ausgemalt worden sind, unter anderem mit dem berühmten Bild, die Schule von Athen. Und es war noch just zu dem Zeitpunkt, als ich meinen ersten Band der Philosophiegeschichte geschrieben habe, wo dieses Bild auch drauf ist. Dieses ganz berühmte Bild mit Plato und Aristoteles und die ganzen Philosophen auf der Treppe und so. Naja gut, es war Sonntag und es war zu. Und eine andere Möglichkeit gab es nicht.
Also insofern hast du mir da einiges voraus. Das ist ja Teil unserer Geschichte, Teil unserer Identität. Und ich finde, dieser Papst steht ja, Richard, wie kein anderer für diesen Konflikt, den wir gerade überall beobachten, der Konflikt zwischen Veränderung und Bewahrung. Das ist es doch eigentlich. Und dann gibt es die Leute, die sagen, der ist uns dann doch nicht progressiv genug, vor allen Dingen deutsche Kirchen. Das geht mir auf die Nerven.
Ja, aber das ist viel, viel zu deutsch oder europazentriert gedacht. Also da in Europa ohnehin die Anhängerschaft schwindet. Und ich glaube, der Papst hat größere Sorgen als die Sorgen, die hier die einen oder anderen progressiven deutschen Katholiken haben. Und das muss man auch einfach mal anerkennen. Und die Gefahr besteht immer, dass der ganze Laden auseinanderfliegt.
Also ein Papst nach dem Geschmack der Progressiven in der katholischen Kirche bei uns, der hätte das Schicksal von Gorbatschow. Dem würde der ganze Laden wegfliegen. Das ist auch das, was Lütz meint, wenn er also Angst um den Markenkern hat. Also die katholische Kirche darf man einfach nicht vergessen, ist ein Männerbund. Das ist ein 2000 Jahre alter Männerbund. Und das gehört quasi zur Identität oder zur DNA der katholischen Kirche dazu.
Das ist jetzt für Frauen nicht besonders schön, aber man kann ja auch immer sagen, können sie auch ihren eigenen Bund gründen. Das hört man jetzt nicht so gerne als gläubige, überzeugte Katholikin. Aber es ist ja einfach die Wahrheit. Und das könnte man natürlich ändern und man könnte ganz vieles ändern. Auch die Sexualmoral könnte man ändern und so. Man kann so viel ändern, bis ich am Ende die Frage nicht mehr beantworten kann, was ist eigentlich die katholische Kirche?
Richtig. Dann ist das einfach sozusagen eine ganz moderne Religionsgemeinschaft. Noch moderner, als die Protestanten es sind. Und dann kann man sich wechselseitig überbieten, wie modern man ist und so weiter. Aber alles das würde der Kirche überhaupt nichts nützen. Sie würde beliebig und verwechselbar werden. Und wir haben ja ohnehin die Tendenz, dass Menschen sich, was ihre Überzeugungen anbelangt, ungern verbrüdern heute.
Wir sind ja alle was ganz Besonderes und wir sind ja völlig singulär in unserer Art zu sein. Über Individualismus. Wir haben ja, genau, jeder hat sein eigenes Müsli und so hat auch jeder seine eigene Glaubensüberzeugung. Wir sind Heimwerker des Glaubens. Heimwerker des Glaubens. Und deswegen schließen wir uns dann nicht mehr gerne zu großen LPGs zusammen oder großen Erzeugergemeinschaften oder Genossenschaften.
Und das ist das Hauptproblem, was die Kirche hat. Nicht, dass die Leute kein religiöses Bedürfnis haben. Nicht, dass die Soziallehre der katholischen Kirche und die soziale Moral, die christliche Sozialmoral überholt wäre und so weiter. Da ist immer noch ganz viel Weises und Gutes und so weiter dran. Aber wir wählen heute aus einem explodierten Supermarkt aus. Wir gucken überall, wo ist das, wo ist das, wo ist das, was passt zu mir. Wir können das auch wechseln.
Ich meine, wer früher katholisch war, der musste katholisch bleiben. Und wenn er dann austrat, dann hatte er ein riesiges Problem. Ja, dann musste er damit rechnen, also abgesehen davon, dass er dann nicht mehr kirchlich heiraten konnte, er musste damit rechnen, in die Hölle zu kommen und was auch immer alles.
Heute kann man auch mal zehn Jahre katholisch sein und dann glaubt man irgendwie an Zahlenmüstik und dann findet man die Kabbalah wahnsinnig interessant, so wie Madonna und naja, es gibt ja auch in der muslimischen Welt so die Sufis und so, viel, viel spannende Weisheit. Also wir können ja im Grunde aus einem Riesensortiment raussuchen. Früher war Glaube etwas, das konnte man sich nicht aussuchen. In den Glauben wurde man hineingeboren. Richtig. Das heißt, das gehörte zu den Unverrückbarkeiten.
Das kommt ja zu den Lebensdingen, die man sich nicht aussuchen kann. Wenn man sich seine Eltern nicht aussuchen kann, konnte man sich seine Religion nicht aussuchen. Heute leben wir in einer Gesellschaft, da können wir uns alles aussuchen. Und das macht es schwierig, dauerhafte Gefolgschaft zu finden. Und das Zweite eben, wie ich vorhin sagte, wir schließen uns nicht mehr gerne zu großen Verbänden und Vereinen zusammen. Sondern jeder von uns ist gerade in diesen inneren Fragen was Besonderes.
Beim Fußballverein funktioniert das. 100.000 Fans und Mitglieder des FC Bayern oder vom Borussia Dortmund, das geht. Das nötigt einem auch eine Glaubensüberzeugung ab, das ist schon klar. Aber die unterscheidet sich noch ein bisschen. Also es hat auch viel mit dem Sinn des Lebens zu tun, das würde ich auch gerne glauben. Aber es ist trotzdem nicht ganz das Gleiche. Ja, es ist Cherrypicking, wie man heute sagt, oder Religion to go. Genau. Das ist eigentlich die Idee.
Ich habe ein Essay gelesen von Hannes Leitlein, der in der Zeit darüber geschrieben hat, schon vor ein paar Jahren, wo er sozusagen beschrieben hat, dass das Gefühl, das wir so haben, Religion ist tot, Religion spielt keine Rolle mehr, die Kirchen schrumpfen, die Zahl der Kirchenaustritte schnellt in die Höhe. Übrigens auch das, Kuriosität, wenn du aus der Kirche austreten willst, musst du 30 Euro bezahlen, sonst lassen sie dich nicht raus.
Also du musst eine Austrittsgebühr bezahlen. Das gibt es, glaube ich, auch nur bei der Kirche. Ich weiß nicht, ob die Zahl noch aktuell ist, aber irgendwas um den Dreh herum. Das gibt es wirklich? Ja, offensichtlich. Du zahlst 30 Euro, wenn du aus der Kirche austrittst? Also ich bin nie aus einer Kirche ausgetreten, aber... Offensichtlich. Okay, ja. Also ich frage mich, warum es die gibt. Also glaubt die Kirche dann,
dass der Leute denkt, was, 30 Euro? Na, dann bleibe ich lieber doch in der Kirche. Also ich glaube, in der Kirche sein ist ja deutlich teurer als 30 Euro. Aber da so eine Mahngebühr oder so eine Abschreckungsgebühr da hinzusetzen, also da finde ich, da sollte man jetzt mal gegen vorgehen. Also das erwarten wir mal vom nächsten Papst, dass diese Austrittsgebühr, dass die abgeschafft wird. Aber was er da beschreibt ist, Religion kommt in Wahrheit zurück.
Und zwar ganz anders, in einer eigenen Gestalt, in einer neuen Form, losgelöst, genau wie du es gerade beschrieben hast, von Institutionen. Du holst dir das da raus, was du tatsächlich brauchst. Und er beschreibt dann aber, und das fand ich bemerkenswert, in wie vielen Alltagshandlungen, die wir so Tag für Tag machen, was wir, selbst wenn jemand sagt, ich räume mal meine Bude auf, dieses ritualisierte Ordnung halten, Alltagsgestaltung, das ist seit jeher essentieller Bestandteil von Religion.
Und er sagt, wenn du zum Yoga gehst, dann glaubst du ja nicht unbedingt an die Religion dahinter. Du glaubst daran, dass Yoga deinen Rücken entspannt. Du glaubst aber nicht unbedingt an die Hinsicht. Aber meine Seelenkräfte stärkt vielleicht auch. So genau. Das schon. Also das ist ein bisschen was Spirituelles, ist da vielleicht schon bei.
So genau, wir picken uns das raus, was sozusagen uns sinnvoll erscheint, aber es ist immer Religion, mit der wir uns dann plötzlich umgeben und er schreibt selbst das schummerige Licht einer Kerze, das gewisse wohlige sentimentale Gefühle auslöst, das kommt dann nicht irgendwie aus dem Nichts und das hat nichts damit zu tun, dass wir irgendwie an übernatürliche Kräfte glauben, aber es bewirkt ein angenehmes Gefühl und er sagt, warum stellen wir diese Kerze auf?
Wir könnten doch einfach auch eine warme LED-Birne nehmen. Aber dieses schummrige Licht löst in uns nostalgische Gefühle aus und wir mögen das lieber als diese elektrische Variante davon, weil wir als aufgeklärte Menschen doch irgendwie noch etwas mehr brauchen, eine metaphysische Überhöhung, etwas, was uns sozusagen das Gefühl gibt, da muss doch irgendwie ein Sinn dahinter sein. Und das ist totaler Zeitgeist, Sinnsuche. Ja, aber dafür brauchen die Leute heute keine Religion.
Also wir reden über Spiritualität. Das spirituelle Bedürfnis ist keineswegs kleiner geworden. Aber das religiöse Bedürfnis, sich an etwas zu binden, sich einer Glaubensüberzeugung zu beugen, das ist etwas... Das haben die meisten Leute keine Lust mehr zu. Religion hat auch immer was mit Demut zu tun. Religion bedeutet, Dinge über mir anzuerkennen und zwar nicht nur den lieben Gott, sondern auch noch die heilige Institution der Kirche.
Ja, also auch das, was der Bischof sagt, dem eine andere Bedeutung beizumessen, als dem, was man selber denkt. Das hat ja auch was Hierarchisches, was Unterordnen, ein kleines Rädchen in einem großen Getriebe zu sein, in einem Schiff, das sich Gemeinde nennt. Und das alles sind die Dinge, die heute für viele Menschen nicht mehr besonders verführerisch sind.
Das andere, der Kerzenschein und die Fragen nach dem Sinn und die Besinnlichkeit und die Besinnung auf sich selbst und so weiter, die gibt es natürlich in Hülle und Fülle. Nur ist dann da die christliche Kirche nur noch ein Angebot unter sehr vielen.
Und da die meisten Kinder heute nicht mehr in diese Welt hineinwachsen, wird der Zauber der Kerze dann irgendwann auch nicht mehr mit dem Adventskranz vielleicht noch, aber nicht mehr mit der Bedeutung, die das Ganze hat und nicht mehr mit der Kirche verbunden. Also bei mir ist das noch ein bisschen anders. Ich bin ja sehr kirchlich geprägt. Also meine Eltern waren ja Atheisten, die eine Schwäche für die Kirche hatten.
Interessant. Ich war als Kind in der evangelischen Jungschar über mehrere Jahre hinweg. Ich habe als einziger in meiner ganzen Jahrgangsstufe in katholischer Religion schriftlich Abitur gemacht. Und ich habe in der evangelischen Kirche Zivildienst gemacht. Weil ich ja nicht getauft war, konnte ich mir dann jeweils das Angebot aussuchen. Ich habe in der Schule auch mal den Religionsunterricht von evangelisch zu katholisch gewechselt. Und mich hat das alles immer sehr interessiert und fasziniert.
Und ich finde, das findet diesen enormen Glaubensschatz der Kirche, einschließlich der damit verbundenen Ästhetik, die ganze kirchliche Ästhetik und Malerei, du hast ja vorhin davon gesprochen. Ich meine, Renaissance ist die Zeit, in der die weltliche Kunst mit der christlichen und kirchlichen Kunst konkurriert.
Verschmilzt, indem sich die toskanischen Landesfürsten und die Florentiner und die Venezier angefangen haben, selber mit Heiligenscheinen darzustellen und ihre Familiengeschichte zu glorifizieren und auf irgendwelche Heiligen zurückzuführen und so weiter. Also es ist ja quasi die Verschmelzungszeit zwischen kirchlicher und weltlicher Repräsentation. Aber eben diese grandiose Kunst, die daraus entstanden ist.
Ich kann nicht in eine Kirche gehen, also in wenige Kirchen, da ist das anders, aber in den allermeisten Kirchen, ohne dass ich so einen leichten Schauder bekomme und dieses lustvolle sich klein fühlen angesichts der großen metaphysischen Dimension des Lebens, das kann ich alles wunderbar nachvollziehen. Das ist ja sozusagen genau das, was Zeitgeist heute nicht mehr ist.
Und die Frage ist, ob das sozusagen das ist, was jemand auch wie Benedikt im Kopf hatte, als er damals gesprochen hat, du erinnerst dich von der Diktatur des Relativismus. Ich muss so oft an den denken und an diesen Satz, über den ja damals irgendwie viel geredet worden ist, die Diktatur des Relativismus. Und man trifft das so häufig, man trifft das so unglaublich viel in Lebenssituationen heute. Alles ist plötzlich nur noch relativ. Nichts mehr ist absolut.
Und ich finde ja gut, dass wir nicht mehr mit diesem untertänigen Geist durch die Gegend laufen. Und das Gefühl haben, da gibt es diese übermächtige Kirche und diesen übermächtigen Gott und der kontrolliert alles. Ich bin auch in diesem Gefühl aufgewachsen. Ich meine in einer unglaublich katholisch geprägten Gegend. Messdiener, katholische Schule, einem alten Kloster, einem Kloster Neustift. Und das ist ein wirklich wichtiger Teil meiner Prägung.
Aber ich kenne eben auch den anderen Teil. Ich kenne den Teil, der da auch immer mit dabei ist. So eine seltsame Sexualmoral und dieses Gefühl, wer die Sexualität eines Menschen kontrolliert, der kontrolliert eben den ganzen Menschen. Das wussten die ganz genau. Also die hatten was drauf in Sachen Psychologie. Und das ist auch das, was du heute im Islam beispielsweise wiederfindest.
Das ist auch das, was du siehst, Wenn du durch bestimmte Ecken von Damaskus gehst und du sofort an der Verschleierung der Frauen erkennst, wer hier lebt und was für eine Art von Religionsauslegung dort das Thema ist. Wenn du dann Frauen kaum noch erkennen kannst, weil du einfach nichts mehr siehst, du alles komplett verhüllt sein musst. Das ist Machtausübung, das ist nichts anderes. Und das ist der Teil von Religion, der mir immer suspekt war.
Auf der anderen Seite, und das spürtest du eben, wenn du jemanden wie Benedikt getroffen hast oder eben auch Franziskus am Tomatenbuffet, die denken in anderen Linien, in größeren Linien und in jahrhundertenlanger Tradition. Und das führt sozusagen zu einer anderen Art zu denken und zu einem, wie soll man sagen, zu einem Absolutheitsanspruch. Zu einem gewissen Kontinuitätskult. Ja, richtig. Wie in Monaco Franze. Du kennst die berühmte Szene aus der Polizeikantine.
Wo Monaco sagt, das Essen hier ist immer anders, aber die Sauce ist immer gleich. Und da steckt eine unheimliche Kontinuität drin. Das ist genau das, das ist Kirche. Aber da könnt ihr ja sagen, das ist doch ein schönes Bild für die katholische Kirche. Sie passt sich immer der jeweiligen Zeit an, aber die Sauce ist immer gleich. Also muss Frau Klöckner sich keine Sorgen machen.
Die Sauce wird nicht geändert. So und diese immer gleiche Zusammensetzung, die ist natürlich in einer Zeit, in der alles erstens relativ ist und in der plötzlich Menschen unterwegs sind, wir haben ja vorhin über J.D. Vance gesprochen, die sich das dann greifen. Die dann sagen, da müssen wir jetzt mal ein bisschen genauer hingucken, der globale Rechtspopulismus greift sich sozusagen, diese Macht, die mit Religion auch verbunden ist und versucht das umzudeuten.
Und es ist kein Zufall, dass der den Papst besucht hat, ist ja zum Katholizismus konvertiert, soweit ich weiß. Und dann steht da plötzlich jemand, der seine harte Abschiebungspraxis und was da in Amerika gerade läuft, das ist wirklich… Versucht religiös zu rechtfertigen. Richtig, mit dem heiligen Augustinus.
Er spricht von einer Hierarchie der Nächstenliebe und behauptet, dass es wichtiger sei, seine eigene Familie, sein eigenes Umfeld, sein Land zu schützen, als sozusagen Migranten aus einem fernen Land zu holen. Ja gut, da muss man ja sagen, das ist ja bis zu einem gewissen Grad eine Binse. Also es ist ja natürlich so, dass uns Familienangehörige in der Wertigkeit sehr viel höher sind als Leute, die wir nicht kennen.
Das ist ganz normales menschliches Verhalten. Das hat auch mit Gott nichts zu tun, das hat mit unserem Primatenerbe zu tun. Dass wir auch von Natur aus früher in kleinen Hordenverbänden gelebt haben und dass es immer wir nur dadurch entsteht, dass es auch die gibt, von denen man sich abgrenzt und dass quasi der empathische Nahhorizont des Menschen nicht auf die Menschheit ausgerichtet ist, sondern vor allen Dingen auf die Menschen, die einem nahe stehen.
Das können Familienangehörige sein, sind es häufig, sind es aber nicht immer und sehr gute Freunde und so. Das ist ja alles erstmal ganz normal. Aber daraus die politische Konsequenz zu ziehen, dass man für Leute aus anderen Ländern nicht verantwortlich ist, da muss ich nochmal ein kräftiges Wort zu sagen. Also ich lese mir ja gelegentlich die YouTube-Kommentare durch. Und man fiel mir wieder auf, als wir beim letzten Mal über Syrien geredet haben.
Wie viele Menschen gesagt haben, ja, ja, so weit kommt es noch, dass wir jetzt noch Geld nach Syrien und dass wir uns in Syrien engagieren und den Leuten helfen, als wenn wir nicht genug Probleme bei uns hätten. Also ich würde mal ungeachtet von christlicher Nächstenliebe und so weiter denen noch was anderes um die Ohren hauen. Weil wenn wir den Menschen in Syrien nicht helfen, dann kommen die Menschen aus Syrien zu uns.
Das ist doch in unserem eigenen Interesse, das zu tun. Wie kann man denn so kurzsichtig sein, nicht zu begreifen, dass wir hier etwas nicht nur aus Nächstenliebe tun, sondern dass wir sozusagen Präventionspolitik, Fluchtursachenbekämpfungspolitik machen. Das will ich nochmal ganz deutlich loswerden, weil das haben wirklich 20 oder 30 Leute von sich gegeben. Und ich denke immer, können die nicht von A bis B denken.
Ich will nur mal daran erinnern, in dem Zusammenhang, Richard, auch das nur noch mal in Klammern dazugefügt und fürs Protokoll, Dass 2015, 2016 in Deutschland eingetreten ist, dass plötzlich so viele Menschen auf der Balkanroute unterwegs Richtung Europa und dann insbesondere Richtung Deutschland waren, hat genau damit zu tun, dass wir diese Flüchtlingscamps und Flüchtlingslager, die UN-Auswahl, Und auch Deutschland als Teil davon, dass wir die nicht mehr wirklich finanziert
haben, dass wir die Leute dort im Grunde im Stich gelassen haben. Das war der Grund, warum die diese Lager verlassen haben und sich auf den Weg gemacht haben. Das hat diese Fluchtbewegung, diese gigantische ausgelöst. Und wenn wir nicht aufpassen, kommt bald die nächste. Wenn wir zulassen, dass dort Alaviten abgeschlachtet werden. Ja, genau das. Wie du sagst, das ist in unserem ureigensten Interesse. Das hat mit Nächstenliebe in Wahrheit nur am Rande zu tun. Ich finde, das ist auch wichtig.
Aber das hat in erster Linie auch mit eigenem Interesse zu tun. Aber du wolltest auf J.D. Vance. Auf J.D. Vance, genau. Der deutet das sozusagen um. Und da kommen wir jetzt zur Sus, die immer gleich bleibt. Da geht dann dieser Papst hin und schreibt einen offenen Brief und sagt, na.
Wir lassen das nicht zu, dass sie das sozusagen vereinnahmt und instrumentalisiert und appelliert an alle Frauen und Männer guten Willens, so hat er sich damals ausgedrückt, sich nicht auf diese Narrative einzulassen. Er hat dann die US-Bischöfe geschrieben und sagt, pass auf, ihr diskriminiert diese Leute und das sind unsere Brüder und Schwestern. Jetzt kann man das finden, wie man will.
Aber dass jemand da hingeht und sagt, ist mir völlig egal, ob du ein amerikanischer Präsident oder sonst was bist. Ich sage dir, das ist nicht unsere Tradition. Diese Vereinnahmung meines Glaubens, für den ich stehe, für den ich so lange auch in den Straßen von Buenos Aires eingetreten bin und gekämpft habe, den lasse ich mir von dir nicht so umdeuten. Das ist eben genau das Gegenteil von Relativismus.
Und das ist sozusagen diese Kontinuität, das ist diese Sus aus der Polizeikantine, die immer gleich bleibt. Und das ist in Zeiten wie diesen ein Wert an sich. Es ist auch nicht an J.D. Vance, das umzusortieren. Da muss man mal wirklich sagen, also wenn er Mitglied der katholischen Kirche ist, ist der Papst sein Boss. Und von dem soll er sich erklären lassen, was die richtigen Glaubensinhalte sind.
Und ich kann mir vorstellen, dass die katholische Kirche, dass die in den USA, dem Vatikan, also gerade Franziskus, schon lange ein Dorn im Auge ist. Das ist eine ziemlich rechtspopulistische Sekte. Die hat nicht allzu viel zu tun mit der katholischen Kirche in Deutschland. Das muss man auch ganz, ganz klar machen. Und dass er nicht will, dass die da ihre eigene Suppe kochen und zu einem nicht unerheblichen Teil auch Donald Trump unterstützen, das finde ich völlig richtig.
Und auch hier freue ich mich wieder, dass wir einen Papst hatten, der sich politisch eingemischt hat. Ich habe dieser Tage ein Meinungsstück gelesen von Bernd Ulrich und Georg Löwisch. Das empfehle ich wirklich sehr zu lesen. Zeit, wo die beiden schreiben, dass es immens wichtig ist, wer jetzt Papst wird. Weil in Zeiten eines kollektiven Rechtsrucks muss man die Demokratie vor der Aushöhlung durch moderne Unchristen beschützen.
Das fand ich sehr interessant. Und er sagt irgendwie in diesem Text, es kommt ja im Grunde gar nicht mehr oft vor, dass die katholische Kirche plötzlich so ins Zentrum der Weltöffentlichkeit tritt. Außerhalb von schrecklichen Skandalen, von Missbrauchsskandalen, von hohen Feiertagen und so weiter, ist es eigentlich nur noch die Zeit zwischen dem Tod eines Papstes oder die Zeit rund um den Tod eines Papstes oder den Wahl eines Neuen.
Und so eine Zeit hat jetzt wieder begonnen und dann kommt dieses öffentliche Schulterzucken, okay, der Papst ist tot, wozu überhaupt noch Kirche, wozu braucht man die eigentlich? Und was die beiden da sehr gut herausarbeiten ist, dass sozusagen Demokratie, das was uns wichtig ist, unsere Werte, über die wir ja so häufig reden, auch in Sonntagsreden, dass die im Grunde das Erbe dieser Religion verinnerlicht hat. Und sagt, sie hat ihre eigenen Begriffe gefunden.
Aber die drei wichtigsten Prinzipien sind enge Verwandte. Alle Menschen sind gleich. Vor Gott oder vor dem Gesetz. Keine Gemeinschaft ohne Barmherzigkeit. Die Demokratie würde dazu sagen, oder ohne Solidarität. Und keine Zivilisation ohne Freundlichkeit beziehungsweise ohne Respekt. Und die Demokratie ist von diesem Erbe, egal wie christlich oder gläubig wir sind, lange, lange Zeit getragen worden. Das stimmt. Und die beiden sagen, aber jetzt sind wir gerade dabei, das zu verraten.
Das sind sozusagen die Rahmenbedingungen dieser Tage. Während die Kirche, so schreiben sie, ihren Papst beerdigt und einen Nachfolger sucht, versuchen Teile der westlichen Welt, oftmals schon Mehrheiten, sich dieses christliche Herz aus dem Leib zu reißen und starten ein Großexperiment. Kann es Demokratie als reine Mehrheitsherrschaft geben, die ohne Gleichheit, Barmherzigkeit und Respekt auskommt. Ja, ich würde es anders formulieren.
Ich würde es nicht so pathetisch formulieren. Aber es ist gut auf den Punkt. Ja, es bringt es auf den Punkt. Also ich habe ja letztens erst erzählt, was Donald Trump macht, ist Kapitalismus-Programm. Also keine Werte, keine Überzeugungen mehr, keine Weltanschauung mehr, sondern nur noch, das ist auch der Relativismus, von dem Benedikt gesprochen hat, der Kapitalismus kennt keine absoluten Werte, der kennt nur Geldwerte und zu allem mehr gibt es noch mehr.
Also das ist sozusagen die rein schnöde Logik des kapitalistischen Denkens. Und das ist quasi die DNA unserer Zeit. Und jetzt haben wir tatsächlich einen amerikanischen Präsidenten, der auch nichts anderes mehr als diese DNA gelten lässt. Das ist die interessante Veränderung, die da drin steht. Und die Frage ist, wird dieses Experiment funktionieren? Also wird Politik erfolgreich sein können, wenn sie sich grundsätzlich von Werten und Weltanschauungen fernhält?
Wenn sie nur auf Effizienz und auf Maximierung ausgerichtet ist und so weiter. Also so würde ich die Frage stellen. Deswegen, was mir bei dem anderen nicht gefällt, da wird so getan, als wäre sozusagen der Rechtspopulismus die größte Bedrohung für die Demokratie. Ich halte den Rechtspopulismus durchaus für eine Bedrohung der Demokratie, aber ich halte die durch und durch Kapitalistwerdung auch für eine große Problem der Demokratie.
Und der Rechtspopulismus bei uns, der ist nicht identisch mit dem Rechtspopulismus von Donald Trump. Das sind verschiedene Dinge. Und deswegen muss man das, finde ich, ein bisschen auseinander sortieren. Also die spannende Frage ist, wo kommen in einer Welt, wo alle Menschen den maximalen Profit aus ihrem Leben ziehen wollen, eigentlich noch verbindende und gemeinsame Werte her? Wenn wir es so formulieren, und das steckt in diesem Text auch mit drin, dann würde ich ihn unterschreiben.
Und deswegen ist auch die Kirche natürlich wichtig. Es sind alle diese metaphysischen Horte, die sich dem rein kapitalistischen Effizienzdenken entgegenstellen. Mal völlig ungeachtet von dem, was wir angesprochen haben, dass die auch effizient ihre Immobilien verwalten und so weiter. Ja, das weiß ich alles. Und dass auch die Caritas genauso kapitalistisch denkt und organisiert ist wie nicht kirchliche Organisationen, das weiß ich auch alles.
Aber dass wir eine Organisation haben, die von ihrem Selbstverständnis her für andere Dinge steht, als für Effizienz denken. Dass es das überhaupt noch gibt in unserer Welt im 21. Jahrhundert und dass es sich in Afrika und Lateinamerika auch noch steigenden Zulaufs erfreut. Das ist nicht unwichtig, dass es das gibt.
Übrigens würde ich angesichts der Tatsache, dass die meisten Christen heute in Afrika leben, es für durchaus wahrscheinlich halten, dass wir tatsächlich einen Papst aus Afrika bekommen.
Ja, bin ich gespannt ich höre auch, dass dass der wie nennt man den, den Patriarchen glaube ich aus Jerusalem, Italiener glaube ich dass der ein ganz heißer Kandidat ist, bin sehr gespannt, was da noch kommt aber nochmal zu diesem Gedanken das ist im Grunde genau die Idee, also ich sag mal, Leute wie Trump, dieser Ultrakapitalismus, der sagt im Grunde, schau auf dich selbst und dann ist auf jeden geschaut. Kümmer dich um dich, das reicht. Und das krasse Gegenteil ist eben diese Botschaft,
die letzten Endes in der Bibel steht. Und das ist ja auch das, was Franziskus, finde ich, bei aller Widersprüchlichkeit, die das auch hat. Also sozusagen zu entscheiden, ich wohne nicht mehr im Apostolischen Palast, weil ich bin ja so bescheiden. Das hat ja auch eine andere Seite. Darüber wird wenig geredet. Ich glaube, das hat eine Menge Geld gekostet, sicherzustellen, dass er dort in dem Kloster untergebracht werden konnte, wo er dann gewohnt hat.
Aber es geht um die Geste, ne? Es geht um die Geste, genau. Selbst wenn es ein bisschen teuer ist, aber es ist eine wichtige Geste. Und dagegen jemand wie Benedikt, der ja ein zutiefst bescheidener Mensch war, so habe ich den erlebt, ein zutiefst bescheidener Mensch, aber der sah sich sozusagen in einer anderen Tradition und hat dann diese Schuhe angezogen und diese Dinge getragen, weil er das Gefühl hatte. Wegen der Soße. So. Ja, aus Kontinuitätskulten. Aus der Kontinuitätskult.
Kontinuitätskult. Ja, genau. Aber diese Frage, die die beiden aufwerfen in diesem Stück, ist schon richtig und sagen, da gibt es dieses große gekränkte Wo-bleibe-eigentlich-ich-Gefühl. Das ist das, was Zeitgeist ist. Das ist das, womit so viele und wir alle letzten Endes irgendwie rumlaufen. Und sie sagen, dieser neue Egoismus ist eigentlich nicht nur eine Schande, sondern es ist noch viel schlimmer, es ist eigentlich total leer.
Und dieser Blick sozusagen auf den Menschen, dieses andere Menschenbild, das ist der Grund, warum dieses christliche Ideal etwas wert ist. Der Mensch schaut auf den Mitmenschen, nicht nur auf sich. Es geht um unser Gegenüber, es geht um Recht auf Würde, um Unversehrtheit. Es geht sozusagen nicht um die Frage, wo bleibe ich, sondern es geht um die Frage, wo bleiben wir. Du betrachtest dich als Gemeinschaft, Nächstenliebe und so weiter.
Lauter so altmodische Dinge. Ja, man darf auch nicht vergessen, diese Religionen stammen aus einer Zeit, in der man auf die anderen auch ganz enorm angewiesen war. Auf den Clan, auf die Dorfgemeinschaft und so weiter, unter Hirtenvölkern, wie das Ganze mal entstanden ist. Das hat natürlich ganz andere Wurzeln. In einem kulturellen Kapitalismus, in dem wir leben, würde nie so etwas wie das Christentum geboren werden oder entspringen.
Sondern es entspringt natürlich vor kapitalistischen Gesellschaften. Und Gesellschaften eben, wo man starken Umwelteinflüssen ausgesetzt war. Und wo Gastfreundschaft zum Beispiel eine riesige Rolle spielte. Du hast da keine großen Unterschiede zwischen Christentum und Islam. Genau, richtig. Das ist das Gleiche. Das sind die gleichen Werte. Das ist die Zusammengehörigkeit, das ist der Stamm, das Dorf, das religiöse Oberhaupt, der Zusammenhalt, die Gemeinsamkeit und so weiter.
Das haben die Hirtenvölker der Levante aus ihrer täglichen Erfahrung mit dem Leben heraus generiert. Und das ist natürlich eine andere Lebenserfahrung als die, wenn man heute als Kind in Berlin-Mitte geboren wird. Das ist genuin vollkommen anders. Dann stammen diese Religionen aus einer Zeit, als die Menschen sich erleben, kaum aussuchen konnten. Und heute können wir unser Leben natürlich in All-Himmels-Richtungen und in jeder Variante und in jeder Version und so weiter aussuchen.
Und deswegen sind wir eben auch nicht mehr bereit, uns so leichter unterzuordnen oder etwas einzugliedern, wie das in der damaligen Zeit so war. Also wir tragen hier quasi ein altes Erbe aus einer völlig anderen Zeit und Kultur. Erstaunlicherweise mit großem Erfolg, schon seit sehr, sehr langer Zeit weiter. Aber der Anschlag, der heute darauf verübt wird, einfach durch die Art der Gesellschaft, in der wir heute leben, der wird eigentlich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt größer.
Und das macht die Situation für die Kirchen auch immer schwieriger. Und deswegen brauchen wir auch genau einen Papst, der für diesen Markenkern, also für diesen Teil der Soße jedenfalls steht. Genau. Ich habe vor einiger Zeit in dem letzten Buch von Emmanuel Todd gelesen. Das ist ein französischer Historiker, sehr interessanter Mann, der, glaube ich, schon Mitte der 70er Jahre, ist ein Anthropologe auch, der hat sehr präzise damals den Zusammenbruch der Sowjetunion vorausgesagt.
Und 15 Jahre später war es dann auch soweit. Und der hat sich sehr kritisch mit dem Westen auseinandergesetzt. Und eine der Thesen in diesem Buch ist, dass der Berichter, Westen unwiederbringlich und unwiderruflich im Niedergang begriffen ist. Und einer der Faktoren, die dazu führen, sagt er, ist das Verschwinden des amerikanischen Protestantismus. Und sagt, dieses Buch ist im Grunde eine Fortsetzung von Max Weber, die protestantische Ethik.
Weil Weber, so argumentiert er, hat 1914 schon, also kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, richtig erkannt, dass der Aufstieg des Westens im Grunde auf den Aufstieg des Protestantismus in der Welt zurückzuführen ist. In England, in den Vereinigten Staaten. Protestanten haben den Kapitalismus erfunden. Die dazu gehöre Arbeitsmoral. Genau, weil er sagt, der Protestantismus hat ein unglaublich hohes Niveau an Bildung hervorgebracht, das es so in der Menschheitsgeschichte noch nie gegeben hat.
Und außerdem eine universelle Alphabetisierung, weil er verlangt hat, dass jeder Gläubig in der Lage sein muss, die Heiligen Schriften selbst zu lesen. Und einen irrsinnigen materiellen Ehrgeiz, weil man an den materiellen Errungenschaften in seinem Leben ablesen kann, wie sehr Gott einen liebt. Die Grundlage dafür ist übrigens, das würde ich kurz noch ergänzen.
Also die Hirtenvölker der Levante hatten also nicht nur, dass sie das Wir und das Dorf und den Clan und den Stamm in den Mittelpunkt gestellt haben und nicht das Individuum. Sondern sie hatten auch noch etwas anderes. Das Christentum, das ist mir immer sehr wichtig, das Christentum hat die Arbeit geadelt. Das war die Voraussetzung, dass der Kapitalismus möglich wurde. Früher waren die Adeligen, die Gott liebte, die, die nicht arbeiteten.
Das Christentum hat den einfachen Leuten gesagt, du arbeitest und wenn du schlecht bezahlt wirst, du arbeitest aber immer noch für Gotteslohn. Gott gefällt das, dass du arbeitest. Und wir haben das Selbstbewusstsein der kleinen Leute angesprochen. Deswegen umgibt sich ja Jesus mit Fischern und Hirten und so weiter und Zimmerleute, alles einfache Berufe, die da vorkommen oder verpönte Berufe wie Zöllner und so weiter. Also das Christentum schafft den Gott der kleinen Leute.
Das ist eine wahnsinnige Innovation gewesen und der Protestantismus konnte auf die Arbeitsmoral, die im Christentum immer schon wichtig war, Gemeinde aufbauen, die Gemeinde geben, gemeinsam was schaffen, was herstellen, was aufbauen, füreinander da sein. Da konnte der aufsatteln und damit konnte der Kapitalismus sich in der westlichen Welt entfalten.
Deswegen ist das merkwürdige, ja, wir haben ja vorhin auf den Kapitalismus geschimpft, der kulturelle Kapitalismus, der sozusagen alles relativiert und in dem wir keine metaphysischen Werte mehr haben, der ist aber selber aus der christlichen Religion hervorgegangen. Das heißt also, das Christentum ist für beide Seiten verantwortlich. Wenn wir heute den Kampf zwischen dem Materialismus und dem Spirituellen sehen, dann müssen wir sagen, beides hat christliche Wurzeln.
Danke dir sehr. Das war ein interessanter Austausch. Ich danke dir auch. Mal sozusagen jenseits der ganzen Skandale und auch der schlimmen Seiten, die Kirche und auch Religion haben. Die haben wirklich viele schlimme Dinge auch mit angezettelt. Das wäre dann nochmal ein eigener Podcast. Wir haben auch schon häufig drüber geredet. Aber mal zu gucken, was eigentlich auch am Ende unser Erbe ist, was die Soße ist, die uns alle so zusammenhält.
Schön mit einem Ex-Mess von Herd darüber reden zu können. Ja, und mit einem... Du bist doch eigentlich... Salonkommunist kann man doch sagen. Hobbykommunist oder nicht? Findest du. Aber in gleichem Maße eben dann auch Hobby-Protestant und Hobby-Katholik. Hobby-Katholik, genau. Was ist dir eigentlich sympathischer? Protestantismus oder Katholizismus? Mir ist von den Glaubensinhalten der Katholizismus sympathischer. Ich bin natürlich auch geschädigt durch meinen Zivildienst in der evangelischen
Kirche. Das war wirklich der gottloseste Ort, wo ich war. Warum? Ja, das ging auch einfach mit persönlichen Dingen zusammen. Ich habe mich mit dem Pfarrer überhaupt nicht verstanden. Und das war ein sehr, sehr machtbewusster, machtlusterner und eitler Mensch. Und wir sind da sehr, sehr heftig aneinander geraten. Also da musste dann der Bundesbeauftragte für den Zivildienst kommen und sich die Situation vor Ort angucken und so weiter.
Man könnte sehr viele lustige Geschichten aus dieser Zeit erzählen, weil ich wurde da auch gemäß meiner Fähigkeiten dann irgendwann eingesetzt, was mich gefreut hat. Also neben den ganzen Sozialkaritativen hatte ich dann auch noch so großartige Aufgaben wie ein Schachspiel zu schnitzen.
Und es war ein Schachspiel, nicht so ein kleines, sondern so ein 2 Meter mal 2 Meter oder 250 mal 250 aus Lindenholz, die sich der Pfarrer, bei dem ich arbeitete, in der Manier eines ostelbischen Junkers von mir da anfertigen ließ. Und als dann der Zivildienstbeauftragte gesehen hat, für was für persönliche Anliegen ich da eingesetzt wurde, hat das langfristig sogar dazu geführt, dass ich glaube, die Zivildienststelle irgendwann gestrichen worden ist.
Aber das ist eine andere lange Geschichte. Nein, insgesamt habe ich gewisse Probleme mit einigen Inhalten des Protestantismus, insbesondere mit der Prädestinationslehre. Dass dein Leben im Grunde genommen von Gott vorherbestimmt ist. Und das ist etwas, was ich für sehr unheilvoll halte und das ist der eigentlich wesentliche Glaubenskern des Protestantismus gewesen, neben einigen anderen. Und das ist ein, den ich überhaupt nicht akzeptieren kann. ist mehr als Katholik fremd.
Da ist das Gefühl, streng dich an und mach was draus. Ja, und hier ist es so, du sollst dich auch im Protestantismus anstrengen und was draus machen, aber letztlich, wie Luther sagt, reitet einen der liebe Gott oder es reitet einen der Teufel und man kann sich das selbst nicht aussuchen. Und das gefällt mir überhaupt nicht. In diesem Sinne, Richard, dank dir sehr. War spannend. Bis nächste Woche. Ciao. Tschüss Markus. Music.