AUSGABE 185 (Milliarden für Waffen: Vernunft oder Massenwahn?) - podcast episode cover

AUSGABE 185 (Milliarden für Waffen: Vernunft oder Massenwahn?)

Mar 21, 202553 min
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„Massenwahn“ nennt Richard David Precht die aktuelle Begeisterung für militärische Aufrüstung in Politik und Gesellschaft. Precht fühlt sich an den Beginn des 20. Jahrhunderts erinnert, als die europäischen Mächte wie Schlafwandler in den Ersten Weltkrieg zogen und nicht miteinander sprachen. Markus Lanz verweist auf das Telefonat zwischen Donald Trump und Wladimir Putin. Dort sei klar geworden, dass Putin derjenige ist, der „absolut kein Interesse daran hat, dass es endlich zu einem stabilen Frieden kommt“. In dieser Folge fragen sich die beiden außerdem: Wird Deutschland vom Land der Autoindustrie zum Land der Panzerindustrie? Könnten es Europas Armeen im Ernstfall mit Russland aufnehmen? Und brauchen wir die Wehrpflicht zurück?

Transcript

Music. Schönen guten Morgen, Richard. Guten Morgen, Markus. Wo erreiche ich dich? Zu Hause. In der Chimernate. Ja. Richard, spannende Woche, unglaubliche Tage liegen hinter uns. Und vielleicht hilft es, um sich die Dinge klarzumachen, einfach mal ein paar Zitate an den Anfang zu stellen. Bedrohungslage geht vor Kassenlage. Boris Pistorius, dieser Tage im Bundestag. Vielleicht ist dieser Sommer der letzte Sommer, den wir auch im Frieden erleben.

Sönke Neitzel, Militärhistoriker, bei uns in der Sendung. Wir befinden uns in der Vorkriegszeit. Wenn wir vom schlimmsten Fall ausgehen, kann es dazu kommen, dass wir schon im kommenden Jahr einen größeren Krieg in Europa haben. Gustav Kressel, Militärexperte, neulich in der Welt. Rüstungsinvestitionen sind Wachstumstreiber. Moritz Schularik, wirklich bedeutender deutscher Ökonom und so weiter.

Deutschland ist neben Frankreich das klassische Wehrpflichtland, auch wieder Sönke Neitzel oder Joschka Fischer, neulich im Stern. Die Wehrpflicht muss wieder eingeführt werden und zwar für beide Geschlechter. Ohne diesen Schritt werden wir beim Schutz Europas nicht vorankommen. Wie geht es dir, wenn du all das hörst? Mir fällt ein Wort dazu ein.

Massenwahn. Ich glaube, da spinnen ganz viele ganz, ganz beträchtlich und es ist ihnen gar nicht klar, wie sehr sie spinnen und was für ein Unheil sie damit anrichten. Mich erinnert das daran, wie in dem hervorragenden Buch von Christopher Clarke es beschrieben wurde, die Schlafwandler. Wir steigern uns von Tag zu Tag in immer größere Bedrohungsfantasien rein, fangen an diese Bedrohungsfantasien tatsächlich mit der Realität zu verwechseln.

Glauben, dass die Russen unmittelbar davorstehen, Polen anzugreifen oder Deutschland anzugreifen. Wir haben das ausführlich erörtert. Ich sehe dafür überhaupt kein Indiz. Ich halte das für ausgesprochen unwahrscheinlich, dass das passiert. Ich halte es sogar für völlig absurd, sich diese Vorstellung zu machen, dass die Russen, die sich so eine blutige Nase in der Ukraine geholt haben, jetzt davon träumen, weitere Territorien in Europa zu erobern.

Also ich finde, das alles ist so absurd, die Grundlage dieser Angst und dieser Befürchtungen. Aber man weiß ja, wie das ist. Wenn bestimmte Behauptungen, bestimmte Thesen, bestimmte Befürchtungen, bestimmte Ängste wiederholt und wiederholt und wiederholt werden, fangen immer mehr Menschen an, das für die Realität zu halten und dann beginnt ein sich verselbstständigender Prozess.

Und das ist das, was ich glaube, was wir im Augenblick erleben und solche Prozesse sind dann wirklich wahn und die sind gefährlich. Also es ist wirklich interessant, wie viele Bereiche das erfasst hat. Also auch wenn du dir beispielsweise mal die Wirtschaft anschaust. Winfried Kretschmann, der natürlich ein riesiges Thema hat, weil ungefähr, ich glaube, ich habe die Zahl richtig im Kopf, 200.000 mindestens Arbeitsplätze von der Autoindustrie in Baden-Württemberg abhängen.

Die schauen sich mittlerweile um und überlegen sich, können wir sozusagen statt Autos in Zukunft möglicherweise Panzer bauen. Du hörst Hans-Christoph Atz-Prodien, der Geschäftsführer des Rüstungslobbyvereins, der sagt, das Motto muss lauten Autos zur Rüstung, fordert Fachkräfte und Fabriken von der Autoindustrie in die Rüstung zu verschieben und so weiter. Und die Frage ist, beginnt jetzt sozusagen ein Prozess, Deutschland vom Autoland hin zum Panzerland.

Wenn ich das alles so höre und diese Träume von einem, wie soll man das nennen, einem olivgrünes Wirtschaftswunder so höre, dann habe ich tatsächlich das erste Mal selber auch so ein komisches Gefühl, weil ich mich frage, wo soll das eigentlich alles hinführen? Ja, mir geht das ganz genauso. Ich halte das für volkswirtschaftlichen Unsinn.

Natürlich kann man kurz- und mittelfristig die Wirtschaft ankurbeln, indem man mit gigantischem Geld, was man sich pumpt, was man ja in Wirklichkeit nicht hat, also im Grunde mit erfundenem Geld, hier eine Rüstungsindustrie aufbaut. Aber wir haben auch schon darüber gesprochen, es gibt sehr viel volkswirtschaftlich produktivere Industrien als die Rüstungsindustrie. Es gibt ja so Kennzahlen, dass man sagt, wie viel kommt dann am Ende raus bei der Rüstungsindustrie, liegt es irgendwie bei 1 zu 1.

Dass man also sagt, es bringt so viel ökonomischen Nutzen, wie es auf der anderen Seite kostet. Also es ist jetzt nicht so, als ob man damit tatsächlich ein riesen dauerhaftes Wirtschaftswachstum erwirtschaften kann, eben mit dem bekannten Grund. Und weil das, was ich hier herstelle, Dinge sind, mit denen ich volkswirtschaftlich nichts Nützliches anfangen kann. Ein Panzer ist volkswirtschaftlich einmal gebaut nicht nützlich. Ja, das gilt auch für eine Drohne und so weiter.

Das ist halt der große Unterschied, wenn ich das gleiche Geld in die Forschung stecke, wenn ich das Geld in die Bildung stecke, wenn ich das in die Produktion von Maschinen, die wiederum etwas herstellen, stecke. Das ist natürlich volkswirtschaftlich alles sehr viel sinnvoller.

Also was wir hier gerade machen, wir haben Angst vor einer dauerhaften Rezession und wenn wir jetzt hingehen und stellen uns auf eine Kriegswirtschaft um, wie Manfred Weber das gefordert hat, dann ist das Selbstmord aus Angst vorm Sterben. Ja, aber der Umbau hat schon begonnen. Das ist das, was daran so seltsam ist. Es fühlt sich einfach so falsch an.

In Görlitz beispielsweise gibt es einen deutsch-französischen Rüstungskonzern, die machen mittlerweile Panzer in einem Werk, das vor ein paar Wochen noch dem Zughersteller Alstom gehört hat. Ja, der deutsche Rüstungskonzern Hensoldt, glaube ich, bietet Mitarbeitern von Continental jetzt die Übernahme an. Die sagen, pass auf, ihr verliert da euren Job. Kommt zu uns.

Volkswagen, VW. Ich habe dieser Tage den CEO von VW, Oliver Blume, gehört, der sagte, man schaue sich die Entwicklung in der Rüstung sehr gezielt an. Zitat Ende. Und dann weiter, man sei, nochmal Zitat, grundsätzlich offen für Rüstungsaufträge. Und dann schaut man sich mal Rheinmetall an, die suchen händeringend Leute, haben in den letzten drei Jahren jährlich zwischen 6, 8, manche sagen auch 10.000 Leute eingestellt, haben Aufträge so viele wie noch nie.

Der Umsatz ist in 2024 um 36 Prozent auf, glaube ich, fast 10 Milliarden gestiegen. Und wenn du dir das einfach mal klar machen willst, was da für eine Dynamik drin ist, dann mach dir klar, eine Aktie, glaube ich, von Rheinmetall hat Anfang 2022, also kurz vor dem Krieg, noch 90 Euro gekostet. Heute 1.400 Euro. Ich würde dir gar nicht vorstellen, wie viele Leute unermesslich reich dadurch geworden sind. Auch das. Also all die Leute, die Tausende von Aktien und so weiter gekauft haben.

Ein Bombengeschäft im wahrsten Sinne des Wortes. Ja, aber das Merkwürdige ist, wir suchen ja jetzt volkswirtschaftliche Argumente für die Aufrüstung. Ja, weil... Das ist natürlich eine sehr seltsame Situation, weil wir wollten ja eigentlich nicht aus volkswirtschaftlichen Gründen aufrüsten, weil wir eben wissen, da kann man mit dem Geld viel sinnvollere Dinge machen, als es in die Rüstung zu stecken. Wir versuchen das im Nachhinein damit zu rechtfertigen.

Ich frage mich, was ist eigentlich, wenn in einigen Wochen, vielleicht in einigen Monaten irgendwann Frieden in der Ukraine ist? Was ist eigentlich, wenn sich Trump und Putin tatsächlich darauf verständigen sollten, ihre Truppenarsenale zu reduzieren? Davon ist ja die Rede. Trump sagt ja, wir müssen abrüsten, weil die Rüstungsindustrie in den USA eben volkswirtschaftlich nicht nur nützlich, sondern auch schädlich ist. Der will ja, dass die Europäer aufrüsten. Er selber will ja abrüsten.

Er ist ja klug genug, das zu tun oder das zumindest anzukündigen und zu wollen. Und wir sind dann die Deppen, die dann bis zum Gehtnichtmehr uns bewaffnen, aufrüsten und dabei unsere Volkswirtschaften mit Schulden überstrapazieren bis zum Gehtnichtmehr. Wollen wir nicht eigentlich mal ein paar Wochen abwarten, wie die Entwicklung erstmal weitergeht, bevor wir hier Aufträge vergeben, die wir nachher gar nicht brauchen?

Ich meine, wir haben, und du sagst es gerade so andeutungsweise, wir haben eine schwierige Lage. Allein 2024 sind in der deutschen Industrie ungefähr 100.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Muss man sich mal klar machen. Wir verlieren Woche für Woche, Monat für Monat diese wertvollen deutschen Industriearbeitsplätze. Das sind nicht irgendwelche Jobs. Das sind die Jobs, die dieses Land stark machen. Das sind die Jobs der gut bezahlten Facharbeiter.

Das sind die Leute, die den ganzen Karren ziehen tatsächlich, weil sie sehr, sehr viele sind und weil sie sozusagen das Symbol für diese deutsche Erfolgsgeschichte in den letzten 80 Jahren sind. Und diese Jobs gehen zunehmend verloren und da gibt es sozusagen von politischer Seite einen großen Druck und man hat tatsächlich das Gefühl, da greift man jetzt nach diesem Rettungsring, weil man das Gefühl hat, damit könnten wir uns möglicherweise über eine gewisse Zeit retten.

Ich muss sagen, ich verstehe den politischen Reflex, dahinter den verstehe ich schon. Politiker stehen im Moment unter einem unfassbaren Druck, irgendwie eine neue Erfolgsidee, eine neue deutsche Erfolgsgeschichte, ein neues deutsches Erfolgsmodell irgendwie auf die Beine zu stellen. Und die große Frage ist, woher soll das kommen?

Also unser altes Erfolgsmodell, das aufbaut auf dieser günstigen russischen Energie und auf diesen wahnsinnigen Exporten nach China insbesondere und auf der Sicherheit garantiert durch Amerika, das ist sozusagen vorbei. Und jetzt kommen wir in wirklich schwieriges Fahrwasser, weil es multiple Krisen sind, die auf uns einströmen und in der Zeit müssen Politiker Entscheidungen treffen. Und ich glaube, das ist einer der Gründe, warum ein so.

Wie soll ich sagen, im besten Sinne netter, harmloser, freundlicher, zugewandter Manfred Weber, den ich für einen wirklich verantwortungsbewussten Menschen halte. Hielt ich bislang auch, aber seit diesem Satz habe ich daran Zweifel. So, der sagt jetzt, wir müssen auf Kriegswirtschaft umstellen. Ich glaube, das ist das, was ihn dazu treibt, so etwas zu sagen. Also jetzt kann man ja sagen, es gibt ja offensichtlich zwei Ängste.

Die eine Angst ist die Angst, dass die Russen uns angreifen oder präziser gesagt, das glaubt ja keiner, aber dass sie das Baltikum angreifen können und die Situation auslösen. Glaubst du das? Hältst du das für möglich? Also, dass sie Deutschland angreifen, halte ich für 0,000 wahrscheinlich. Soweit würden sie auch im Zweifelsfall gar nicht kommen und ich glaube auch, das war noch nie auf der russischen Agenda, noch nie in der ganzen Geschichte Russlands.

Dass sie das Baltikum angreifen, halte ich für sehr, sehr unwahrscheinlich, das kann ich nicht ausschließen. Aber ich halte es trotzdem für sehr, sehr unwahrscheinlich. Warum soll man in dieser Situation den Dritten Weltkrieg provozieren? Ich kann überhaupt kein ernstzunehmendes Motiv, ja um mal anzutesten und wie auch immer, was ist denn das für ein Test? Das ist ein Test, der im Zweifelsfall den Dritten Weltkrieg mündet. Also deswegen glaube ich ist das nicht besonders wahrscheinlich.

Ich kann ja verstehen, dass man sagt, die haben jetzt über eine Million Menschen unter Waffen, die haben eine kriegsprobte Armee, wenn auch keine besonders erfolgreiche, muss man nach wie vor dazu sagen.

Es gibt irgendwo diese Zahl, dass Putin gesagt haben soll, sie wollen anderthalb Millionen Leute unter Waffen haben, dass einem das Angst macht, weil man weiß, dass man selber keine kriegstaugliche Armee hat, dass das ein mulmiges Gefühl ist, dass man sieht, dass Russland am Ende mit Gebieten belohnt wird für seinen Angriffskrieg und dass man das irgendwie furchtbar findet. Das kann ich alles nachvollziehen. Aber man muss die Kirche trotzdem im Dorf lassen.

Daraus jetzt einen Angriff auf die NATO zu konstruieren und zu denken, wir sind unmittelbar in unserer Sicherheit bedroht oder denken im nächsten Sommer bricht der Dritte Weltkrieg aus. Also wer mit solchen Begriffen zündet, wer solche Ängste in die Bevölkerung streut, das finde ich völlig verantwortungslos. Und auf Kriegswirtschaft umstellen. Man muss mal überlegen, wie diese Sätze von Manfred Weber, hohes Tier im Europäischen Parlament, wie das in Russland aufgefasst wird.

Ja, wenn der ankündigt, wir werden jetzt auf Kriegswirtschaft umstellen, dann heißt das für Russland, okay, wir werden auf gar keinen Fall nach dem Ukraine-Krieg abrüsten, sondern wir müssen massiv aufrüsten, weil die EU macht das auch. Und dann haben wir diese klassische Hochschaukelei, von der ich ja schon häufiger gesagt habe, dass Russland in diesem Fall, anders als damals in Zeiten des Kalten Krieges, eher überlebt als Europa. Also ich glaube, wir sind auf ganz, ganz gefährlichen Abwägen.

Und was ich mich bei der ganzen Sache frage ist, wieso reden die Europäer eigentlich nicht mit Russland? Es ist die höchste Zeit, bevor man Billionen, Tausende von Milliarden in Rüstung investiert, sich vielleicht mal mit Russland zu verständigen, mal wieder diplomatische Beziehungen aufzunehmen, zu versuchen auszuloten, was man begrenzen kann, die Gefahren realistischer kalkulierbar zu machen. Das ist jetzt das Gebot der Stunde.

Und da heißt es immer, Putin kann auch nicht reden, das machen wir nicht, wir können einfach nur aufrüsten. Und das ist das, was mich an die Schlafwandler vor dem Ersten Weltkrieg erinnert. Tatsächlich gerade ein interessanter Punkt, Richard. Manfred Weber war kürzlich bei uns in der Sendung und ich habe ihm exakt diese Frage gestellt. Ich sagte zu ihm, Herr Weber, warum muss eigentlich erst Donald Trump ins Weiße Haus kommen, damit sozusagen eine echte diplomatische Initiative zu sehen ist?

Und die Antwort darauf war, wie du dir vorstellen kannst, ziemlich dürftig. Ich muss aber ehrlich sagen, ich bin jetzt auch unter dem Eindruck dieses Telefonats, das die beiden da geführt haben, bin ich so ein bisschen ratlos. Und es überrascht mich auch nicht wirklich, als jemand, der auch die Verhältnisse in der Ukraine so ein bisschen kennt, der gehört hat, wie die Ukrainer darüber reden. Schau dir bitte Putin an. Lässt erst Trump, ich glaube, eine Stunde warten.

Dann gibt es eine Podiumsdiskussion. Dann sagt der Moderator, sagen Sie, müssen Sie nicht eigentlich los? Der Trump, der wartet doch auf Sie. Sie wollten doch jetzt telefonieren. Es ist nicht irgendein Telefonat. Es ist auch nicht ein Telefonat zur Amtshandführung, wo man sich freundlich ein paar warme Worte zuruft, sondern es ist das Telefonat der letzten Jahre.

Und ich sage mal so, wenn du das mit einer gewissen Ernsthaftigkeit unterlegen willst, dann lässt du einen amerikanischen Präsidenten nicht entspannt eine Stunde warten und lächelst diabolisch vor dich hin und sagst, wir haben Zeit. Das ist dieses alte psychologische Spiel, das Putin immer spielt. Das ist legendär, wie häufig er Angela Merkel zwei, drei und vier Stunden hat warten lassen, bis er dann endlich gnädigerweise zum Termin erschienen ist. Und dann führen die dieses Telefonat.

Und ich sage mal so, spätestens seit diesem Telefonat haben hoffentlich auch Menschen wie Sarah Wagenknecht klar, wer für diesen Krieg verantwortlich ist und wer absolut kein Interesse daran hat, dass es endlich dort zu einem stabilen und dauerhaften Frieden kommt. Das kann ich so nicht interpretieren, das verstehe ich nicht.

Also er hat kein Interesse an einem 30-D-gegen-Waffenstillstand, weil die Russen gerade oben in Kursk, die Ukraine gerade dabei sind zu besiegen, Das ukrainische Armee zu besiegen, aus Russland zu verdrängen. Sie kommen auch in anderen Frontabschnitten, jetzt neuerdings in Saporizia, aber auch in Donetsk. Sehr, sehr langsam, sehr, sehr mühselig, aber vorwärts. Der Krieg geht nur in eine Richtung.

Und in der Situation jetzt 30 Tage, damit die anderen irgendwelche Panzersperren oder so errichten können, macht aus Putins Perspektive keinen Sinn. Sie haben sich ja darauf geeinigt, dass sie sich die Infrastruktur, insbesondere die Energieinfrastruktur jetzt erstmal die nächsten 30 Tage nicht bombardieren, das ist zumindest ein kleiner Erfolg, wenn auch kein besonders spektakulärer, das räume ich gerne ein.

Aber hinter den Kulissen, ich meine das nächste Treffen der Delegationen soll ja glaube ich schon am Samstag stattfinden. Hinter den Kulissen geht es um was anderes. Es geht nicht darum, Putin sagt, wir brauchen jetzt keinen Effekt, irgend so einen Waffenstillstand als Symbol. Sondern wir müssen uns darauf einigen, wie die Sicherheitsarchitektur nach Ende des Krieges aussieht. Und daran wird massiv gearbeitet.

Deswegen kann ich überhaupt nicht aus diesem Telefonat schließen, Putin will keinen Frieden. Ich glaube die Leute, die immer schon gesagt haben, Putin will keinen Frieden, die nehmen alles als Indiz dafür, dass er keinen Frieden will. Und ich glaube, das ist einfach ein winziger kleiner Schritt und es war Putin wichtig zu sagen, dass dieses Telefonat jetzt nicht diese herausgehobene Bedeutung hat.

Er möchte auch nicht dastehen als jemand, dem der amerikanische Präsident in einem einzigen Telefonat einen Frieden abgerungen hat. Sondern der hat ja von Anfang an schon klar gemacht, dass Trumps Vorstellung, in 24 Stunden den Krieg zu beenden und so, dass das die Allmachtsfantasien eines Phantasten sind.

Sondern, dass es jetzt hierbei geht, im Hintergrund Bedingungen zu schaffen, die diesen Krieg beenden und vor allen Dingen den Frieden so stabil machen, dass nicht in kürzester Zeit der nächste Krieg vor der Tür steht und sowas dauert. Wenn man sich das mal anschaut, interessant ist ja immer, dann wirklich in die Details zu gehen, wie da geredet wird. Trump schreibt, wir haben uns auf einen sofortigen Waffenstillstand für alle Energie- und Infrastrukturziele geeinigt.

So, dann schaust du dir bitte mal das an, was Moskau dazu sagt. Da ist nur die Rede von einem Stopp der Angriffe auf Objekte der Energieinfrastruktur. Ja, was ist der Unterschied? Naja, also ein Waffenstillstand für alle Energieziele und auch Infrastrukturziele ist was anderes als ein Stillstand auf Objekte der Energieinfrastruktur, weil das eine meint, die russische Sicht meint, wir hören auf, deren Kraftwerke zu bombardieren.

Richtig. Klammer auf, kostet uns nicht viel, weil damit treffen wir die armen Ukrainer jetzt gar nicht mehr wirklich empfindlich, weil es nämlich Gott sei Dank endlich wärmer wird. Deswegen, die Nummer kostet uns gar nichts. Während Trump sagt, wir haben uns geeinigt auf einen Waffenstillstand für alle Energie- und Infrastrukturziele und zu Infrastruktur zählt für mich neben der Frage, wo kommt eigentlich das warme Wasser her, Die Frage der Krankenhäuser, die Frage der Schulen.

Letzten Endes auch die Frage der Versorgung, Supermärkte etc. Die Infrastruktur beginnt bei Straßen. Und da wo jetzt im Augenblick die Frontabschnitte sind, bei Toretsk und Prokowsk und so weiter, da ist ja das Normalste von der Welt in diesen Stellungskriegen, die da stattfinden, dass da Infrastruktur kaputt geht. Also darüber werden die auch nicht verhandelt haben.

Dann kannst du jegliche Kriegshandlung einstellen, weil immer nur eine Artilleriegeschosse darüber steht, es gehen Straßen kaputt, es gehen Gebäude kaputt und so weiter. Das war bei dem Abkommen nicht gemeint. Es ging ja tatsächlich darum, dass man nicht weiter die Kraftwerke und die Hochspannungsleitungen und so weiter zerstört. Also du sagst, das ist sozusagen eine sprachliche Ungenauigkeit, die da drin ist in diesen Verlautbarungen. Nichts anderes.

Und du sagst, es geht nur um die Energieinfrastruktur. Ich sag mal so, Richard, ich habe ein Problem damit, und nicht persönlich nehmen, ich habe ein echtes Problem damit, dass du das sozusagen so abtust, als etwas, was halt so nebenbei in diesem Krieg irgendwie kaputt geht. Ich habe dort etwas anderes gesehen. Und das ist auch das, worunter die Ukraine so unglaublich leidet. Dieser absolute Terror. Du abgetan habe ich das nicht, Markus. Bevor du dich aufregst.

Ich habe das nicht abgetan, sondern ich habe versucht zu klären, auf was sie sich da eigentlich geeinigt haben. Abgetan habe ich gar nichts. Nee, aber wenn du sagst, da schießt man rein und natürlich gehen dann auch Straßen kaputt und so weiter. Quasi Kollateralschaden. Ja, das ist Krieg. Es ist ein Unterschied, ob du Krieg führst an einer Front und nebenbei wirklich noch Tod und Terror verbreitest.

Es ist ein Unterschied, ob du hingehst, an einer Front irgendwo in der Ostukraine kämpfst und dort Dinge zerstörst und dabei mit Sicherheit auch Dinge kaputt gehen, eben weil sie genau in diesem Frontabschnitt liegen. Ich habe das gesehen, ich war in so einem Dorf, wo die Front mal verlaufen ist. Wir haben ja damals darüber geredet, es ist unvorstellbar in der Nähe von Chasson. Da ist kein einziges Gebäude, das nicht in irgendeiner Form beschädigt ist.

Und wer genau das wann war, das lässt sich wahrscheinlich in der Klarheit überhaupt nicht mehr herausfinden. Was du nur siehst, ist, welche unvorstellbare Zerstörungswut dort diesen Krieg ausmacht und du verstehst, worum es da geht. Da geht es einfach um Vernichtung. Was genau getroffen wird, wer genau getroffen wird, am Ende total egal. Aber ich habe auch noch lebhafte Erinnerungen. Deswegen bin ich ja auch gegen jede Form von Krieg.

Ich bin ja in meiner Grundgesinnung noch pazifistischer als du. Ob das jetzt im Osten der Ukraine passiert, ob das in Gaza passiert und so weiter. Ich finde das alles unvorstellbar, grausam und schrecklich. Und alles, was Krieg als Mittel bedarf, halte ich für grundsätzlich absolut für falsch. Aber das war vorhin nicht deine Frage gewesen, sondern die Frage war gewesen, auf was die beiden sich da geeinigt haben. Ja, ich will noch einen Punkt kurz machen.

Ich habe auch noch das Gespräch mit dieser Mutter in Erinnerung. Die erleben musste, wie bei einem gezielten Angriff auf dem Bahnhof in Lviv versucht ihre Großmutter da zu treffen. Die Enkel laufen dahin, der eine läuft hin, die andere bleibt stehen und dann sind einfach plötzlich bei diesem armen Mädchen beide Beine weg. Das ist eine solche Brutalität.

Und das ist das, was ich meine, wenn ich sage gezielt Infrastruktur treffen, um der Bevölkerung das Gefühl zu geben, fühlt euch in keiner Sekunde eures täglichen Lebens auch nur für eine Nanosekunde sicher. Fühlt euch niemand, wir schlagen irgendwo zu, das hat überhaupt keine innere Logik, das machen wir einfach nur, weil wir es können. Und das ist tatsächlich etwas anderes.

Das andere in diesem Telefonat. Trump schreibt, da gibt es sozusagen ein gemeinsames Verständnis darüber, dass wir möglichst schnell einen vollständigen Waffenstillstand erreichen. In der russischen Stellungnahme heißt es, wir werden es dann über einen Waffenstillstand sprechen, wenn die Ukraine, Achtung, die Mobilmachung neuer Soldaten einstellt und auch die Waffenlieferungen aus dem Westen sozusagen vollständig ausbleiben.

Von einem schnellen Erreichen der Waffenruhe ist dort absolut keine Rede. Deswegen denke ich, haben die zwei unterschiedliche Telefonate geführt? Das Verhältnis von Donald Trump zur Wahrheit ist, wie wir alle wissen, sehr strapazierfähig. Und er beherrscht diese Kunst, sich die Dinge so zurechtzulegen, dass sie gut zu ihm passen, in einem Ausmaß, dass es mich auch nicht wundert, dass er das Telefongespräch anders interpretiert, als es wahrscheinlich gewesen ist.

Es gibt noch eine andere Passage in diesem Kreml-Protokoll. Ich lese dir die mal vor. Es wurde betont, dass die vollständige Beendigung der ausländischen Militärhilfe für Kiew und die Einstellung der Bereitschaft von Geheimdienstinformationen an Kiew, die zentrale Voraussetzung dafür ist, Achtung, eine Eskalation des Konfliktes zu verhindern und an einer diplomatischen Lösung zu arbeiten. Das heißt, mit anderen Worten, du weißt, die Russen sind Meister der Diplomatie.

Du musst da immer wirklich genau und zwischen den Zeilen versuchen zu lesen und man versteht das als Laie auch gar nicht. Und dann muss man mit Leuten wie Rüdiger von Fritsch zum Beispiel mal sprechen, der lange deutscher Botschafter in Moskau war, gerade auch in der kritischen Zeit. Du musst das immer übersetzen und genau dekodieren, was die meinen. Übersetzt heißt das, wenn Trump seine Unterstützung für die Ukraine nicht einstellt.

Dann wird er im Zweifel auch weiter eskalieren. Das ist ja die Frage, was zuerst aufhören soll. Also die streiten sich jetzt um die Frage, was hört erst auf. Also müssen erst die Waffenlieferungen aufhören, damit die Russen bereit sind, ernsthaft über den Frieden zu verhandeln oder müssen, was wir ja immer sagen in Europa, die Waffenlieferungen erst recht erfolgen, um die Russen zu zwingen, ernsthaft über Friedensverhandlungen nachzudenken.

Das ist sozusagen die Frage, wer stellt er sozusagen seine Mittel ein. Und dass man sich darauf noch nicht geeinigt hat, das wundert mich nicht. Es gibt noch so interessante Chiffren, die mir immer wieder auffallen. Die Ursachen dieser Krise, nennen sie einmal Krise, Konflikt, das ist ja die Spezialoperation. Die Ursache dieser Krise muss erstmal beseitigt werden. Auch das ist etwas, was jedem einleuchtet. Da sagst du, ja, da schaut man drauf, Ursache der Krise, klar.

Manchmal benutzen sie auch die Formulierung, man muss erstmal an die Wurzeln dieser ganzen Geschichte ran. Aber was meinen die damit tatsächlich? Was sie damit meinen ist doch ganz offensichtlich, wir wollen, dass Amerika, dass die NATO sich zurückzieht aus Europa und dass Russland wieder die dominierende Macht in diesem Europa wird. Sagen wir nicht aus Europa. Das ist nicht das Kriegsziel gewesen, 22 beim Ukraine-Krieg. Nicht in der beiden Zeit haben die Russen von sowas nicht geträumt.

Sondern das Ziel ist tatsächlich der Rückzug der USA aus der Ukraine. Aus der Ukraine? Wie meinst du das? Der Rückzug der USA, die USA haben die Ukraine massiv mit Militär, auch mit Militärberatern, schon lange vor dem Krieg unterstützt. In der Zelensky-Zeit, ganz, ganz extrem. Würde ich so nicht stehen lassen wollen, Richard, den Satz. Doch, das ist faktisch sehr, sehr genau belegt. Ja, ich weiß, was du meinst, Richard.

Aber das, was du mit der Formulierung vor dem Krieg meinst, meint nicht das, was ich im Kopf habe. Ich meine damit seit 2014. In der Ukraine herrscht seit zehn Jahren Krieg. Seit mehr als zehn Jahren. Aber in dieser Zeit, aber in dieser Zeit auch seit 2014, hat der Westen insbesondere natürlich die USA, die Ukraine sehr, sehr stark aufgerüstet. Das ist ein Faktum. Und das betrachtet Russland als die Ursache aus der russischen Perspektive.

Ich rede da nicht von meiner Perspektive. Ich versuche zu erklären, wie dieser Satz, den die Russen da formulieren, dieser Protokollsatz, wie der gemeint ist. Und im Grunde genommen wollen sie sagen, Ami ist raus aus Ukraine. Das ist das, was sie sagen, wenn sie von den Ursachen sprechen. So und in dem Punkt ist Trump sich nicht schlüssig.

Also ich glaube, auf der einen Seite denkt er sich, im Zweifelsfall kann er das herschenken, damit er einen Friedensnobelpreis kriegt, den er sowieso nicht kriegt. Und auf der anderen Seite gibt es natürlich ganz veritable Interessen der US-amerikanischen Rüstungsindustrie, sich überhaupt nicht aus der Ukraine zurückzuziehen. Und ich glaube, da gibt es gegenwärtig bei Trump und seinen Leuten überhaupt keinen Konsens in der Frage.

Es gibt ja Sicherheitspolitikerinnen in dem Fall, wie Maria Agnes Strack-Zimmermann, die sagt, könnte durchaus sein, dass die beiden sich einfach Europa aufteilen wollen, Trump und Putin. Ach was, nein, also man muss immer die Kirche im Dorf lassen. Ich zitiere, ich zitiere. Ja, ich weiß, aber du weißt, was ich von den analytischen Fähigkeiten von Maria Agnes Strack-Zimmermann halte. Also wir müssen nicht immer mit massiven Übertreibungen arbeiten.

Ich meine, die Sache ist schon schlimm genug, oder? Ja, ich meine, Russland wird in jedem Fall für seinen Angriffskrieg belohnt werden, dadurch, dass es Gebiete erobert hat, selbst wenn die so zerstört sind, dass es nicht viel davon hat. Es ist auf jeden Fall nicht eingetreten, was wir uns erhofft haben, dass die Ukraine sich so wird verteidigen können, dauerhaft, was eigentlich auch immer illusorisch war, was ich ja, wie du weißt, von Anfang an nicht geglaubt habe.

Aber dass es irgendwie dazu kommt, dass die Russen zurückgeschlagen werden und die alte Ordnung wiederhergestellt wird. So, das wird nicht passieren. Damit müssen wir uns abfinden, dass es nicht passieren will. Und jetzt geht es einfach darum, in der Situation irgendetwas zu schaffen, womit die Ukraine leben kann, was schlimm genug sein wird. Die große Verlierer dieses Krieges ist sie in jedem Fall. Und etwas, was nicht dazu führt, dass wir in einem Jahr den nächsten Krieg erleben.

Und das wird im Hintergrund im Grunde genommen jetzt ausgehandelt. Das heißt, es ist aus unserer Perspektive schlecht gelaufen. Aber es geht darum, dass es in Zukunft nicht noch schlechter wird. Und das ist, glaube ich, das, worum wir ganz realistisch jetzt arbeiten müssen. Und ich bin ganz sicher, dass die USA und Russland darüber, jenseits von diesem Mickey-Maus-Telefonat, dass sie darüber ganz ernsthaft und auch kluge Leute darüber Schritt für Schritt verhandeln.

Was sieht da gerade etwas sehr interessantes? Wenn du Jan van Acken in eine Sendung einlädst, dann musst du nicht lange warten, dann kommt irgendwann eine Zahl. Dann sagt er irgendwann, 430 Milliarden Euro geben die europäischen NATO-Staaten jährlich für Rüstung aus. Und sagt Russland dagegen, kaufkraftbereinigt nur 300 Milliarden. Und das Fazit ist, wir müssen uns keine Sorgen machen. Das geht zurück unter anderem auf eine Studie von Greenpeace, von anderen, die das so errechnet haben.

Westliche Geheimdienste, die NATO selbst, Generäle der Bundeswehr sehen das alles ganz, ganz anders und verweisen darauf, dass man schon am Munitionsvorrat der Bundeswehr sieht, was für ein Thema wir eigentlich haben. Der Munitionsvorrat der Bundeswehr würde, angenommen wir wären jetzt plötzlich ernsthaft in Kämpfe verwickelt Und da reden wir nicht und deswegen muss man auch aufpassen, wenn man sozusagen den Leuten Kriegstreiberei vorwirft.

Auch Leute wie Sönke Neitzel zum Beispiel, die sind total bei dir. Auch Carlo Masala und andere. Ich glaube auch Marie-Agnis Strack-Zimmermann würde das so sehen. Die sagen nicht, dass sie davon ausgehen, dass morgen Polen angegriffen wird oder sogar Deutschland angegriffen wird. Dafür führen sie das Szenario aber häufig genug im Munde und mir wäre lieb,

sie würden es nicht tun. Ich finde es lohnt, also du hast recht Richard, es kann dieser Eindruck entstehen und deswegen ist auch gut, dass wir das mal versuchen ein bisschen differenziert zu betrachten. Wenn man genauer hinschaut, meinen sie vor allen Dingen das Baltikum und wir wären im Baltikum beispielsweise und da gibt es sehr berechtigte und historisch auch absolut nachvollziehbare Ängste vor Russland. Schau nach Finnland beispielsweise, die gibt es dort auch. Das hat Gründe.

Denk an den Winterkrieg und das ist auch einer der Gründe, warum in Finnland sehr viele Menschen bereit wären, ihr Land zu verteidigen. In Deutschland sind es vergleichsweise wenige und darüber müssen wir auch gleich mal einen Satz reden. Die Geburtsstunde des Molotow-Cocktails. Der Winterkrieg. Die Russen hatten Finnland überfallen und die Finnen waren ihnen hilflos ausgeliefert. Und die Waffe des kleinen Mannes ist dann die angezündete Schnapsflasche,

den Socken reingesteckt und angezündet. Das ist der Molotow-Cocktail. Den hat nicht der damalige russische Außenminister Molotow erfunden, sondern dieser Molotow-Cocktail war gegen Herrn Molotow gerichtet. Richtig. Schau dir mal die Eckdaten an. 180.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten, von denen aber tatsächlich nur ungefähr 80.000 kämpfen könnten. Die anderen 100.000 sind in Stäben, in Ämtern tätig und so weiter.

Das heißt, die könntest du gar nicht einsetzen. Russland kann dagegen auf ungefähr 700.000 Soldaten gerade zurückgreifen, auf Leute, die in Feuergefechten standen, auf Leute, die gelernt haben, Drohnen auszuweichen und so weiter. Im kommenden Jahr soll diese Armee auf 1,5 Millionen Soldaten vergrößert werden.

Im vierten Kriegsjahr gelingte es Putin, die ungefähr, man weiß es nicht so genau, aber wahrscheinlich 100.000, vielleicht auch 200.000 gefallenen russischen Soldaten einfach zu ersetzen und neue zu rekrutieren. Wenn man sich mal anschaut, wir haben sogenannte Reservisten. Du weißt, es gibt 900.000 Deutsche, die haben einmal Wehrdienst geleistet. Die könnten als Reservisten eingesetzt werden.

Aber mit der Aussetzung der Wehrpflicht hat Deutschland die Kreiswehrersatzämter, schlimmes Wort, aufgegeben. Da lagerten alle Daten, alle Adressen, Telefonnummern und so weiter. Das heißt, wir wissen gar nicht mehr, wo wir die überhaupt anrufen könnten. Wir können diese Reservisten gar nicht erreichen. Wir haben gar keinen Kontakt zu denen. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass diese Reservisten, das ist ja auch bis hin zu meinem Jahrgang.

Ja, genau. Dass die im Falle eines Krieges in Schützengräben gehen würden und sich zu Krüppeln schießen lassen würden. Das wird doch sowieso nicht passieren. Darüber haben wir ja schon geredet. Also wir haben einmal die nackte Zahl, die ganz klein ist. Das sind diese ungefähr 80.000 Soldaten, die wir einsetzen könnten. Und von denen über 90 Prozent absolut in keinster Form kriegserprobt ist und so weiter, bis auf die Leute, die wir in Afghanistan hatten oder so.

Das heißt, im Grunde genommen haben wir keine Bundeswehr, die wir ernsthaft in einem Krieg einsetzen können. Ja, wir könnten vielleicht ein kleines Heer von Elite-Soldaten, 10.000 Leute zusammenstellen, die wir in den Baltikum schicken. Aber wir können keine Hunderttausende mobilisieren, die im Zweifelsfall bereit wären, sich in den Schützengraben zu legen. So, darüber haben wir schon geredet und das wird sich auch nicht ändern.

Also selbst wenn wir, im Augenblick ist es ja so, in den letzten Jahren ist die Zahl der Bundeswehrsoldaten ja sogar noch zurückgegangen. Selbst wenn wir die wieder ein bisschen anheben würden, würde das nicht passieren. Und der abstruseste Gedanke in der ganzen Diskussion ist die Vorstellung, wir müssen die Wehrpflicht wieder einführen. Und zwar deswegen abstrus. Ich bin ja ein großer Freund der Pflicht. Ich will ja ein allgemeines Gesellschaftsjahr.

Damit habe ich ja auch mal mit Carsten Dinnemann inspirieren können, der die Idee ja auch gut findet. Ich finde schon, dass man Pflicht gegenüber seinem Staat wahrnehmen soll und sei es auch nur für ein Jahr oder zweimal im Leben, vielleicht auch nochmal im Alter. Das alles finde ich gut. Aber die Illusion besteht darin zu glauben, dass wenn wir eine Wehrpflicht einführen würden, wir anschließend hunderttausende

von kriegstauglichen und kriegstüchtigen Soldaten hätten. Die haben wir natürlich nicht. Also jeder von uns, der mal seinen Grundwehrdienst geleistet hat, der weiß das ganz genau. Du hast das ja auch gemacht in Italien. Ich möchte gerne mal wissen, wie gut du an der Front wärst. Ja, also da gibt es normalerweise die Ausbildung in meiner Generation. Ich habe Zivildienst gemacht, aber die meiner Freunde und Kumpels bestand in diesen drei Monaten Grundwehrdienst.

Und in der restlichen Zeit wurde ziemlich viel getrunken und viel Karten gespielt und die Stube sauer gemacht. Also das produziert doch keine kriegstauglichen oder kriegstüchtigen Soldaten. Da müsste so ein Wehrdienst sehr viel länger sein. Dann müsste hier ein militärischer Drill eingeführt werden, wie bei der Roten Armee oder wie er bei der US-amerikanischen Armee ist. Ja, was meinst du wie kriegstaugliche Soldaten? Guck dir mal den Drill in Israel an, in Russland an, in den USA an.

Das hat nichts mit der Bundeswehr zu tun. Das ist eine ganz andere Kultur. Das ist Härte, das ist Ungerechtigkeit, das ist Autorität, das ist Befehl, das ist Befehl. Ja, da müssen Menschen überhaupt erstmal zu Soldaten gemacht werden. Das in der Bundesrepublik im Jahre 2025, völlig undenkbar. Spannend ist das und das bildet sich auch ab, wenn man sich mal den deutschen Wehrertat anschaut.

52 Milliarden Euro umfasst der. Schätze mal, wie viel davon ist sozusagen gegangen in die reine Beschaffung von neuen Waffen? Ja, ich denke mal, Pensionen und Sold werden schon ein Riesenteil des Ganzen, vor allem die ganzen Pensionen, die wir zahlen, weil Offiziere werden ja meistens, glaube ich, recht früh pensioniert. Ich weiß jetzt nicht genau, in welchem Alter, aber ich glaube, die arbeiten nicht alle bis 65, soweit ich das in Erinnerung habe.

Ja, 52 Milliarden, ungefähr zwei Milliarden, ein bisschen mehr, ist in die Beschaffung neuer Waffen gegangen. Das ist sozusagen alles das, was man eigentlich wissen muss. Die Bundeswehr hat seit zwei Jahren ein Panzerbataillon ohne einen einzigen Panzer. Die Bundeswehr hat ein paar Dutzend neuer Drohnen bestellt. Russland baut iranische Kampfdrohnen, diese Schahels in Lizenz nach, massenhaft diese Kamikaze-Drohnen.

Wenn du dir die Sache bei den Panzern nochmal anschaust, Deutschland verfügt, glaube ich, die genaue Zahl gibt es gar nicht, die ist ja geheim, 300 Kampfpanzer ungefähr. Russland produziert so viele Panzer in weniger als zwei Monaten. Das ist sozusagen mal die Dimension, die schiere Masse auch an Gerät. Und ich frage mich natürlich immer, sollte uns das Angst machen oder sollte es nicht?

Ja, mir macht das keine Angst. Aber das Lustige ist, manche Leute folgern daraus, dass wir jetzt ganz, ganz, ganz, ganz schnell unheimlich viele Panzer bauen müssen. Und andere Leute wie ich folgern daraus, dass wir diesen Rüstungswettlauf nur verlieren können und uns deswegen gar nicht auf ihn einlassen sollten. Dass wir also alle Anstrengungen in die Richtung machen, bloß nicht in eine Situation zu kommen, so viel Panzer produzieren zu müssen wie Russland.

Und auf dem Gebiet passiert ja nichts. Also das ist ja sozusagen die Flanke, die völlig brach liegt. Da kommt das Pauschalargument, mit Putin kann man nicht reden und den kann man nicht auch noch belohnen und dem kann man nicht trauen und so weiter. Und dann ist man aus der Nummer raus.

Und dann landet man am Ende in der Situation, dass wir unsere Volkswirtschaft bis zum Gehtnichtmehr überreizen und uns das Ganze dann auch noch schön trinken, indem wir sagen, ja wieso, das ist doch jetzt hier, wir können doch statt Autos einfach Panzer bauen und so. Also diese volkswirtschaftliche Naivität, die dahinter liegt. Also ich würde mir so wünschen, wir hätten ein Infrastrukturprogramm, das richtig ernsthaft Wirtschaftsförderung betreibt. Du kennst ja meine Lieblingsidee dazu.

Überhaupt politisch bislang nicht diskutiert. Wir haben das große Problem, dass unsere ganzen Firmen und Entwicklungsmodelle für die Zukunft, im gesamten IT-Bereich zum Beispiel, die werden vielleicht auch schon mal vom Staat so ein bisschen gefördert und wenn sie groß genug sind, werden sie an Google und Facebook oder an Elon Musk verkauft. Warum? Weil wir keine entsprechenden Investitionsvolumina haben.

Die großen Investoren der Welt investieren im Silicon Valley, die investieren nicht in Deutschland. Warum übernimmt der Staat nicht diese Rolle? Das ist kein Sozialismus, das ist Kapitalismus pur. Ich will, dass der Staat einen riesigen Fonds auflegt und mit diesem Fonds in erfolgreiche Wirtschaftsmodelle der Zukunft investiert. Quasi so, als wäre er ein Privatinvestor. So wie das im Silicon Valley Saudi-Arabien machen oder der norwegische Ölfonds oder die Pensionsfonds oder BlackRock.

Ja, das wäre ein Programm, das würde sich dermaßen auszahlen und amortisieren. Hier würde ein Gründerboom in Deutschland entstehen. Wir kämen endlich mal richtig nach vorne. Aber was machen wir? Wir geben diese hunderte von Milliarden in Aufrüstung. Das wird sich so dermaßen bitter rächen. Markus, ich glaube, die Leute, die sich gerade in dem Massenwahn befinden, werden schon in wenigen Jahren sich nicht mehr richtig erinnern können, was in diesem Moment in ihren Köpfen vor sich gegangen ist.

Also mir macht das Angst. Mir macht nicht Russland Angst im Augenblick, mir macht dieser Wahnangst, dass wir unmittelbar vor einem Krieg stehen und das Herangerede und Herumgerede um einen Weltkrieg. Weißt du, was mich in der ganzen Debatte am allermeisten irritiert? Dass wir so unglaublich wenig mit denen sprechen, die es eigentlich betrifft.

Also um es mal so zu sagen, Menschen unserer Generation, gerne auch Leute Ü60, die selber nicht mehr zum Wehrdienst eingezogen werden können und das wissen die auch ganz genau, reden darüber, dass junge Leute jetzt gefälligst bereit sein sollen, ihr Vaterland zu verteidigen, Wehrpflicht wieder einzuführen, zur Bundeswehr zu gehen.

Selbst bei den Grünen, das ist interessant, die Grünen sind ja eigentlich die Partei, man wundert sich ja, du erinnerst dich, dieser legendäre Moment ist mir so kleben geblieben. Einer der Wegpunkte sozusagen in der Geschichte unserer kleinen Sendung, wie Anton Hofreiter mir alle Waffengattungen runter erzählt und genau über alles Bescheid weiß.

Und Daniel Hofreiter ist ein kluger Mensch, ein wirklich schlauer Mensch, der das alles sehr genau durchdringt und der kommt zum klaren Ergebnis, wir haben gar keine andere Wahl, wir müssen jetzt aufrüsten, wir müssen das tun, wir müssen sozusagen eine militarisierte Gesellschaft wieder werden und ich sage zu ihm, aber sie kommen doch aus einer pazifistischen Tradition. Und dann sagt er ja, aber wir sind auch die Partei der Menschenrechte und daraus leitet er sozusagen alles ab.

Aber es gibt einen Unterschied, ob ich alle Waffengattungen und genau ausrechnen kann, wer hat wie viel von wem oder ob ich glaube, dass wir unmittelbar bedroht sind, weil ich Putin so einschätze wie einen durchgeknallten Diktator, der sich jetzt alles holt, was er irgendwie kriegen kann.

Und in dem Punkt muss ich leider sagen, dass der gute Anton Hofreiter, den ich früher für seine Landwirtschaftspolitik und für seine Tierschutzpolitik mal sehr geschätzt habe, der Inbegriff jenes Massenwahns ist, der uns im Augenblick in eine Situation bringt und in eine Richtung drängt, die wir schon in wenigen Jahren, wie ich gerade gesagt habe, wo wir nur noch kopfschüttelnd dastehen können und gedacht haben, mein Gott, was war in diesen Jahren bloß mit uns los.

Ich habe nur deswegen so weit ausgeholt, gerade Richard, weil es einen spannenden Wert gibt. Es gibt eine Umfrage, wie viel Prozent der Grünen-Wähler wären bereit, Deutschland im Falle eines Angriffs mit der Waffe zu verteidigen? 22 Prozent. Das ist der niedrigste Wert aller Parteien. Und das ist auch noch eine Lüge. Das sind die, die das bei einer Umfrage sagen. Aber wenn es hart auf hart kommt, ihre Kinder nach Mallorca verstecken.

Möglicherweise auch das. Ach, das sind doch keine 22 Prozent von den Grünen-Wählern. Wenn ich einen Spaziergang mache durch Berlin-Mitte, wo die Anzahl der Grünen-Wähler die besonders hohe Dichte erreicht hat und mir dann überlege, wer von dem Ganzen würde seine Kinder in den Krieg schicken oder ich gucke mir die Kinder selber an, also die 18, 20, 25, 30-Jährigen, die da rumlaufen. Wen von denen will die Bundeswehr denn überhaupt haben?

Wer von denen wäre denn kriegstüchtig? Das ist doch totaler Blödsinn und das rächt mich natürlich auf, dass ausgerechnet die Leute, die selber nicht in den Krieg gehen würden, die auch gar nicht in der Lage wären, Krieg zu führen, am lautesten die Moral vorschieben und für Aufrüstung plädieren. Das ist doch wirklich eine merkwürdige Schizophrenie, die sich hier abspielt. Und ich wundere mich auch, dass die Presse da nicht viel mehr drüber herfällt.

Ja, du beschreibst es als Massenwahn, möglicherweise gehört auch das dazu. Ich habe neulich einen Kommentar gelesen von Maximilian Heimatsheim. Das ist ein junger Mann, 98 geboren, glaube ich. Der hat in der Welt, glaube ich mal, aus seiner Sicht geschrieben, was das eigentlich heißt. Und die Überschrift war, und wir sollen mit unserem Leben für eure Fehler bezahlen. Und er sagt, und die Wehrpflicht soll immer nur für die zurückkommen, die selber nicht mehr eingezogen werden können.

Und er sagte, die Politik führt die Debatte auf dem Rücken einer Generation. Die ohnehin schon die größten Lasten trägt. Hat das damals mit der Corona-Krise verglichen und sagt, dieselben Politiker, die die Bundeswehr kaputtgespart haben, fordern jetzt von uns ihre sicherheitspolitischen Versäumnisse auszubaden. Und der ist differenziert, der sagt, Sicherheit ist notwendig, Abschreckung ist auch notwendig.

Aber eine Wehrpflicht, schrieb er dann am Ende, wird nur dann Akzeptanz finden, wenn die junge Generation, die ohnehin schon genug zu schultern hat, endlich politisch und gesellschaftlich ernst genommen wird. Ja, ich finde das eine gute Idee. Fragen wir uns, für was sollen wir eigentlich kämpfen? Pass auf, Richard, noch ganz kurzer Bogen. Und dann lese ich dieser Tage und dann bist du wieder bei dieser Generation und hat eigentlich mit dem Krieg gar nichts zu tun, aber irgendwie eben doch.

Wenn alles das kommt, wenn wir jetzt anfangen, die Mütterrente weiter auszubauen, 5 Milliarden im Jahr und die, die es kriegen, kriegen am Ende 20 Euro mehr im Monat. 5 Milliarden im Jahr, damit Markus Söder sagen kann, guck mal, läuft doch, wir halten unsere Wahlversprechen. Dann würde all das und noch viele, viele andere Dinge, die Pläne zur Alterssicherung, Stichwort, trauen wir uns jetzt endlich mal eine echte Strukturreform und so weiter. Nein, trauen wir uns nicht.

Und die deutsche Rentenversicherung hat ausgerechnet, dass der Satz von derzeit 18,6 Prozent. Bis 2040 auf mindestens 22,8 bis 22,9 Prozent steigen wird. Das heißt, ab 2030 geht es dann richtig los und dann redest du genau über die Generation Heimatsheim, die dann da steht und sagt, okay, Wehrpflicht, im Zweifel müssen wir auch bereit sein, unser Land zu verteidigen und auf unserem Rücken werden sozusagen weiter Rentenpakete geschnürt, die wir dann am Ende zu bezahlen haben.

Und es ist kein Geld für die Bildung da und so weiter. Warum sollten wir denn nicht einfach mal sagen, über Fragen von Aufrüstung und Wehrpflicht sollen alle unter 35 in diesem Land entscheiden und alle über 35 dürfen nicht mehr mitreden. Ja, wir wollen ja unser Land zukunftssicher machen und verteidigen für die nachkommenden Generationen.

Und vielleicht sollten wir aber die nachkommenden Generationen fragen, ob sie glauben, dass wir da im Augenblick richtig handeln oder ob wir verantwortungslos handeln, während wir gleichzeitig pausendlos das Wort Verantwortung im Munde führen.

Ja, möglicherweise hat ja Richard jemand wie Robert Habeck, ich hätte fast gesagt mal wieder recht, wenn er darauf hinweist, dass wir alle ja aus ganz unterschiedlichen Perspektiven, aus unterschiedlichen Ländern, aus unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten kommen. Deutsche Politiker und Anführer haben zweimal Weltkriege angezettelt und haben nicht nur unglaubliches Leid über andere Länder, sondern auch über das eigene gebracht.

Und deshalb ist ja in diesem Land eine große Skepsis da, wenn es darum geht, Probleme mit Gewalt zu lösen. Und eine Skepsis gegenüber der Idee, dass man die Dinge mit Krieg ändern kann. Es gibt eine große Skepsis allem Militärischen gegenüber und ich finde, das ist gut so, das ist richtig so, das ist die richtige Lehre aus der deutschen Geschichte.

Aber in anderen Ländern ist das natürlich anders. Diese Länder haben Kriege gewonnen, die haben Länder, die von den Deutschen angegriffen wurden, verteidigt, haben am Ende diese Kriege zum Teil gewonnen. Diese Länder sind nicht skeptisch gegenüber ihrem Militär, die sind stolz auf ihr Militär. Das heißt, da gibt es einfach ganz unterschiedliche Lebenswirklichkeiten. Es gibt aber eine Sache, eine Konfliktlinie, finde ich, die ist nicht neutral.

Und die muss man irgendwie so klar sehen. Und an der Konfliktlinie entscheidet sich gerade, wie es jetzt weitergeht, weil sie für uns alle von existenzieller Bedeutung ist. Es gibt sozusagen eine Konfliktlinie zwischen Freiheit und Gewalt. Da verläuft es gerade. Und ich finde schon, dass wir uns da als Angehörige dieser Wertegemeinschaft, die dieser Westen mal war und hoffentlich immer noch ist, an dem Punkt, finde ich, müssen wir uns schon irgendwie eindeutig verhalten.

Oder siehst du das anders? Also dass die freiheitlichen, liberal-demokratischen Gesellschaften einen ganz, ganz hohen Wert darstellen. Das sehe ich genauso wie du. Aber meine Hoffnung geht darauf, dass es sich nicht am Ende militärisch entscheidet, ob diese freiheitlich-liberalen Demokratien weiter existieren oder nicht. Und ich persönlich halte Bedrohungen, wie das, was in den USA gerade vor sich geht, wo eine freiheitlich-demokratische Grundordnung von sich aus implodiert.

Für die sogar größeren Bedrohungen, für die Freiheit in den westlichen Ländern, als die mutmaßlichen Aggressoren wie China oder Russland. Ich meine, man muss ja sagen, Richard, es implodiert ja nicht nur, sondern es wird lustvoll eingerissen. Das ist ja ein aktiver Vorgang. Ja, und das passiert nicht von irgendwelchen manipulierten Kräften von außen, sondern das passiert von innen heraus.

Und wir haben auch in Europa hinreichend Länder, die diesbezüglich bedroht und gefährdet sind, dass Parteien an die Macht kommen können, die die liberalen Demokratien abschaffen. Und das halte ich für das viel größere Freiheitsproblem als eine militärische Bedrohung durch Russland. Aber wie immer bei diesen Überlegungen ist es so, dass man das, was man denkt, nicht beweisen kann.

Man kann also nur aus ganz, ganz vielen Indizien, inzwischen auch aus ein bisschen Lebenserfahrung heraus überlegen, die Sache so weit es geht aus der Distanz zu betrachten, aus der Distanz zu analysieren und aus möglichst vielen Perspektiven zu analysieren. Weil das Gefährliche an dem von mir sogenannten Phänomen hier des Massenwahns, Das besteht darin, dass man zwar die eigene Perspektive sieht, dass man aber die anderen Perspektiven unter Umständen nicht mehr klar sieht.

Abschließend gefragt, Richard, du hast doch Ivan Krastev getroffen, ne, dieser Tage? Ich habe gerade mit Ivan Krasseff eine neue Sendung aufgenommen und es ist immer eine große Freude, mit einem Menschen zu sprechen, der mit List, Ironie, aber vor allen Dingen mit klarem Verstand und sehr abstandnehmend auf die Dinge blickt.

Und auch er hat wiederum gesagt, was ich gerade sinngemäß auch gesagt habe, wenn man wirklich die Lage der Welt verstehen will und die Konflikte der Welt verstehen will, dann muss man darüber auch mit Indern reden und man muss mit Chinesen reden und mit Türken reden und mit Arabern reden, weil ganz, ganz viele Länder so eine völlig andere Perspektive haben auf das, was wir für ein reales Geschehen halten. Die bewerten Dinge ganz, ganz anders.

Und wir dürfen nicht davon ausgehen, nur weil wir wir sind. Dass wir die Dinge richtiger sehen, als andere sie sehen. Und diese Klarheit, diese analytische Klarheit, aus vielen Perspektiven auf die Dinge zu blicken, die sollte uns dazu helfen, wieder einen klaren Kopf zu kriegen, denn den haben wir im Augenblick nicht. Vielleicht ist das ein guter letzter Gedanke, Richard, um ein Thema demnächst mal vorzubereiten.

Ich erinnere mich so ganz dunkel, Ivan Krastev hat mal zur Motivation von Putin gesagt, der hat Demografiepanik. Ja, das ist seine Lieblingsthese. Er gibt mir recht, wenn ich immer sage, Russland braucht doch kein Gebiet. Das größte Land der Welt ist viel zu groß, um es richtig regieren zu können. Die brauchen doch keine Gebiete. Und er sagt ja, nein, die brauchen keine Gebiete, aber die brauchen Menschen. Das ist seine These, weil er sagt, die Russen haben Angst, dass die Russen aussterben.

Und das ist sowieso eine interessante These von Ivan Krassev, dass er meint, und damit endete auch unsere Aufzeichnung. Dass es eine gefühlte Dämmerung gibt.

Eine gefühlte Dämmerung in den USA, eine gefühlte Dämmerung in Europa, dass alles den Bach runtergeht und eine gefühlte Dämmerung in Russland, dass alles das, was Russland ist, was Russland ausmacht, in der Zukunft nicht mehr existiert, weil die Russen sich nicht mehr genug fortpflanzen und es irgendwann eigentlich keine Russen mehr gibt oder sie zumindest relativ kein Faktor mehr sind. Er sagt, es gibt nicht nur eine Extinction Rebellion von links.

Das ist die Angst, dass die Menschheit ausstirbt. Sondern es gibt auch eine Extinction Rebellion von rechts. Das ist die Angst, dass die Deutschen aussterben oder die Russen. Angst, dass die Russen aussterben. Die nationalistische Variante. Das ist die nationalistische Variante. Macht sich um die Menschheit gar keine Gedanken, aber man hat Angst, dass das eigene Volk ausstirbt. Vielleicht sollten wir darüber mal intensiver sprechen, Richard.

Mir ist das damals hängen geblieben. Das ist schon lange her. Da hat er dieses Wort benutzt. Demografie, Panik. Und ich dachte, das leuchtet total ein. Und das betrifft uns ja alle als Gesellschaft. Und das ist ja letzten Endes auch das, was die jungen Leute, was die so betrifft.

Und wird dann ganz konkret, wenn du über endlos und immer weiter steigende Rentenbeitragsätze redest und die schauen in ihr Portemonnaie und die schauen auf ihren Lohnstreifen und sagen, warte mal, Steuern, okay, aber was ist dieses andere da, was ich da noch alles bezahle? Warum bleibt mir von meinem Geld eigentlich nichts übrig? Antwort, weil wir offenbar den Mut nicht haben, echte Strukturreformen anzugehen.

Und deswegen verstehe ich diese junge Generation so gut, die dann sagt, Freunde, das deckt ihr alles einfach mit Geld zu und dann sagt ihr übrigens, und noch Wehrpflicht bitte, das hätten wir jetzt auch noch gerne. Und das machen wir nicht mit. Ich würde da noch einen Gedanken ran machen. Wenn wir jetzt wie Krastev argumentieren und sagen, die Demografie ist viel wichtiger, als wir das normalerweise merken, spielt eine viel größere Rolle für die Mentalität.

Dann kann man ja auch sagen, und das wissen wir ja alle, wir sind in Europa maßlos überalterte Gesellschaften. Und maßlos überalterte, die älteste Gesellschaft, die es je auf der Welt gab. So wenig Kinder waren nie. Ja, und so alte Leute sind auch nie so alt geworden und vielleicht ist ein Grund für den Massenwahn, den wir im Augenblick haben, der sich aus einer riesigen Angst nähert, dass wir so eine ängstliche.

Verängstigte Gesellschaft geworden sind, weil wir so wenig junge Leute haben und so wahnsinnig viele alte Leute, die ständig Angst haben, etwas zu verlieren. Entweder ihre Rente zu verlieren, ihren Besitz zu verlieren oder im Zweifelsfall von den Russen angegriffen zu werden, was ja noch in der DNA der alten Leute steckt, nicht so sehr in der DNA der jungen Leute. Und vielleicht ließ es sich dadurch auch erklären, dass wir uns gerade in einem solchen Massenwahn befinden.

Das wäre jedenfalls mal ein interessanter Ansatzpunkt, weil du wirst kein Land finden. In dem die Jugend die Hauptrolle spielt, wie in den meisten Ländern der Welt, vor allem im globalen Süden, in dem es einen vergleichbaren Massenwahn gibt und in dem es eine vergleichbare düstere Zukunftsprozesseiung aussieht. Das heißt also, das Alter der Bevölkerung bestimmt letztlich darüber, wie positiv oder negativ man die Zukunft sieht.

Wer selber keine Zukunft mehr hat, und das gilt leider für alle alten Leute, der sieht auch für die Welt meistens keine Zukunft mehr. Ja, deswegen muss ich schmunzeln, wenn wir dann dieser Tage so viel hören über eine europäische Armee, die wir dringend brauchen. Eines ist sicher, wenn es diese Armee eines fernen Tages möglicherweise geben wird, dann wird diese europäische Armee vor allen Dingen eine sehr sklerotische Armee sein, würde ich sagen.

Und sie wird eine Armee sein, die nie eingesetzt wird, weil man die Zustimmung aller Mitgliedstaaten dafür braucht. Auch das, auch das. Richard, dank dir sehr. Spannender Austausch. Ja, ich danke dir auch. Und wann kommt die Folge mit Krastev? Wann sehen wir das? Ja, die wird, glaube ich, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, am 30. März ausgestrahlt. So, Pflichttermin, muss ich mir anschauen. Richard, danke dir sehr. Habt eine gute Woche und ich freue mich auf die nächste.

Ja, du auch. Tschüss, Markus. Bis dann. Ciao. Ciao. Music. Eine Produktion von M2 und Potsdam bei OMR im Auftrag des ZDF. Vielen Dank.

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