AUSGABE 178 (Friedrich Merz - zu hoch gepokert?) - podcast episode cover

AUSGABE 178 (Friedrich Merz - zu hoch gepokert?)

Jan 31, 202556 min
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Gemeinsam mit der AfD stimmt die Union im Bundestag für eine striktere Migrationspolitik. Ein Tabubruch? Ein Fehler? Oder ein Befreiungsschlag für die Demokratie? Darüber diskutieren Markus Lanz und Richard David Precht in dieser Ausgabe. Nach der turbulenten Bundestagsdebatte über die Unionsanträge wird deutlich, dass „es jetzt tatsächlich um das Herzstück dessen geht, was wir als DNA dieses Landes verstehen“, meint Markus Lanz. Richard David Precht fragt sich dagegen, ob es wirklich „um das Wohl des Landes oder um das Wohl der CDU“ geht. Migration sei viel zu komplex und vielschichtig, als dass man sie auf fünf Punkte reduzieren könne. Die Meinungen von Markus Lanz und Richard David Precht gehen diesmal stark auseinander.

Transcript

Music. Schönen guten Morgen Richard. Guten Morgen Markus. Und wo erreiche ich dich? In der Kemenate. Und die Frage, die mir eigentlich durch den Kopf geht, ist, wie geht es dir im Sinne von, bist du auch so aufgewühlt wie viele in diesem Land und ehrlich gesagt wie auch ich nach dieser Woche. Alles redet über den spektakulären Sinneswandel von Friedrich Merz. Friedrich Merz geht all in.

Das ist so ein feststehender Begriff geworden. Die Frage, ob es einfach nur Demokratie ist, wenn man Mehrheiten mithilfe der AfD erreicht oder ob das ein echter Tabubruch ist. Und wenn man sich mal anschaut, wie heftig die Debatten toben, dann merkt man, da geht es jetzt tatsächlich um das Herzstück dessen, was wir eigentlich, glaube ich, als DNA dieses Landes verstehen.

Naja, wenn man sagen würde, diese Debatte gibt es jetzt, also die Migrationsdebatte zu diesem Zeitpunkt und mit diesen fünf Punkten aus Sorge um das Land. Dann könnte man ja verstehen, warum es dann zu einer solch heftigen Auseinandersetzung kommt. Aber dass diese fünf Punkte von Friedrich Merz jetzt diskutiert werden mussten zu diesem Zeitpunkt und diese Debatte im Parlament jetzt im Wahlkampf stattfinden musste, Das teilt sich mir ehrlich gesagt nicht mit.

Also ich würde mal sagen, das Thema Migration ist viel zu komplex und viel zu vielschichtig, als dass man es jetzt so dermaßen auf diese fünf Punkte reduziert und mit diesen fünf Punkten dann den Eklat zusammen mit der AfD abzustimmen in Kauf nimmt. Also ich frage mich, welche Wahlkampfberater Friedrich Merz eingeflüstert haben, dass das eine gute Idee sei, das zu tun. Und ich vermute mal, dass er gedacht hat, hat in Dänemark ja damals auch gut funktioniert.

Mette Fredriksen hat im Grunde genommen die gesamte Migrationspolitik der dänischen Volkspartei, also der dänischen AfD übernommen und hat damit einen gewaltigen Sieg errungen. Andererseits müssen wir sagen, in den allermeisten Ländern, in denen man das versucht hat, hat es nicht funktioniert. Und gerade zuletzt in Österreich hat man gesehen, dass die Leute im Zweifelsfall dann das Original wählen und nicht die Kopie.

Ich meine, im Grunde ist die Idee sozusagen, du stimmst mit der AfD, um am Ende die AfD zu verhindern. Das ist der Gedanke, aber was du dabei eigentlich nicht berücksichtigt ist, du machst das Thema der AfD, also das ganz, ganz große Thema der AfD, danach kommt lange nichts, Migration, selber zum wichtigsten Wahlkampfthema. Und ich würde mal sagen, in der Debatte kannst du dann gegen die AfD auch nur verlieren.

Ich denke, Deutschland hat viele Probleme, viele große Probleme und die sehr komplizierte Frage der Migration ist eines davon. Das jetzt so in den Fokus zu rücken, dass wir wahrscheinlich die nächsten vier Wochen nur noch über Migration reden, das halte ich für einen sehr großen Fehler und ich glaube, das könnte sich auch für Friedrich Merz wirklich rächen und dafür sorgen, dass die AfD nochmal einen richtigen Endspurt hinlegt.

Also das eine ist ja sozusagen das Wahltaktische. Ich erlebe da viele Leute in heller Aufregung, die einen dir unterstellen, das ist einfach reine Wahlkampftaktik, um jetzt auf den letzten Metern ganz populistisch Stimmen einzusammeln. Ich erlebe aber auch sehr viele nachdenkliche Stimmen und über alledem steht ja Richard, was da passiert ist. Es steht Aschaffenburg, diese Messerattacke. Es ist eine Geschichte, die mich persönlich wahnsinnig auffühlt, gerade wenn du selber auch Kinder hast.

Das ist etwas, das kann einen nicht kalt lassen. Und ich hatte in dieser Woche Michael Kürath zu Gast. Das ist der Vater des Mädchens von Anne-Marie aus Brockstedt, die mit ihrem Freund Dani im Regionalzug von Kiel nach Hamburg fährt und dann in Brockstedt stirbt. Und die Geschichte dieser beiden jungen Menschen, und das kann man sagen, das ist sozusagen jetzt reine Emotion. Man muss da nüchterner drauf gucken.

Aber ich kann das nicht. Die Geschichte dieser beiden jungen Menschen ist mir damals unglaublich nahegegangen. Das waren zwei junge Menschen, die hatten die beste Zeit ihres Lebens. Die waren gerade frisch verliebt. Und der Vater erzählt, wie die das erste Mal dann gemeinsam zu Hause auftauchen und wie sie so ein bisschen schüchtern und verschämt, so unterm Tisch, damit die Eltern das nicht sehen, Händchen halten und so weiter.

Und parallel dazu wird dieser Mann freigelassen, der unglaublich viele Verfahren schon am Hals hatte, der im Gefängnis selber Beamte dort, Justizvollzugsbeamte angegriffen, bedroht hat, der offenkundig hochgefährlich war. Und der wird dann einfach freigelassen aus dem Gefängnis, hüpft durch mehrere Bundesländer, so hat Herr Kürat das geschildert, ist überall sozusagen unterwegs, die Behörden wissen gar nicht, wo er ist, aber die Sozialhilfe für ihn, die fließt die ganze Zeit.

Das ist sozusagen nur der eine ironische Seitenaspekt bei der Geschichte, der das Ganze auch so bitter macht. Aber man weiß nicht, wo er ist. Und plötzlich taucht er dann in diesem Regionalzug auf, nachdem er vorher aus einem ICE geflogen war, weil er keine gültige Fahrkarte besaß und macht dann, was er macht. Und jetzt überlegen die sich, wie soll das irgendwie weitergehen. Und er hat sehr eindrücklich, das ist kein Mann und deswegen geht mir diese

Geschichte so nah. Weißt du, das ist keiner, der ist ein kluger Mann, der hat keine komischen Positionen. Das ist ein Mensch aus unserer Mitte, das könnten wir alle sein. Das ist einer, der dieses weltoffene, liberale Deutschland liebt und mag und schätzt und der das auch seiner Tochter immer versucht hat zu vermitteln. Und der auch in der Sendung bis heute sagt, es kommt nicht auf Hautfarben an, es kommt nicht auf Herkunft an.

Es geht um die Frage, bist du gut oder bist du böse? Aber wenn du böse bist, dann erwarte ich, dass es eine Konsequenz gibt. Und ich frage mich, wie kann es sein, dass jemand, der so viel auf dem Kerbholz hat, dann trotzdem in diesem Land ist? Warum stellt sich dann eine Innenministerin daneben und sagt irgendwie, ja, das verstehe ich jetzt auch nicht, wie kann das eigentlich sein, dass der noch hier ist? Diese geballte Hilflosigkeit, die hat er vor zwei Jahren erlebt.

Und um jetzt den Bogen zu schlagen, Richard, diese geballte Hilflosigkeit habe ich jetzt auch in der Sendung wieder erlebt. Am Donnerstag, da war die SPD-Vize-Klara Geiwitz, Bundesbauministerin bei uns. Und diese Hilflosigkeit wieder zu sehen, und ich werfe ihr das nicht vor. Clara Geiwitz ist nicht zuständig für Migrationspolitik, aber sie ist eine sehr wichtige Frau in der SPD. Und du merkst diese Hilflosigkeit im Umgang.

Du merkst, es gibt keine Antworten. Und das ist sozusagen der zweite Teil, der mich so auffühlt, wenn du über Friedrich Merz sprichst. Also jetzt mit dem Finger auf Friedrich Merz und die Union zu zeigen und zu sagen, da machen die jetzt einen Vorschlag, der sehr weit geht, der, und das ist ja einer der wesentlichen Kritikpunkte, diese Kompromisslosigkeit beinhaltet. Also entweder macht ihr das so oder wir gehen den Weg alleine,

koste es politisch, was es wolle. Ja, aber da fängt der Unsinn ja schon an. Genau, nur ganz den Gedanken noch zu Ende. Aber dem gegenüber steht eine totale Hilflosigkeit auf der anderen Seite. Was hindert denn die SPD, was hindert auch die Grünen daran, ihr eigenes, ein gutes, ein stringentes, ein konsistentes Konzept vorzulegen und zu sagen, pass auf, wir wollen das nicht, aber wir wollen es bitteschön so machen.

Das ist der Teil, den ich nicht verstehe. Das kann ich dir aber eine Antwort drauf geben. Aber wenn Gerald Knaus sagt in der Sendung, bei diesem Thema haben ein weiteres Mal alle Parteien kläglich versagt. Ja, weil ich wüsste auch gar nicht, selbst wenn du die fünf Punkte von Friedrich Merz versuchst, politisch umzusetzen, hast du das gleiche Problem immer noch. Was die Leute offensichtlich nicht verstehen, ist, dass es nur in zweiter Linie eine Frage von Gesetzen ist.

Sondern in erster Linie ist es ja eine Frage von, du hast das ja am Rande gesagt, von Überforderungen. Also wir bräuchten die dreifache oder vierfache Menge von Leuten, die in den Ausländerbehörden arbeiten würden. Wir bräuchten entsprechende Taskfonds. Dafür müssten diese Leute existieren nicht. Für diese Leute müsste dann auch der Raum erstmal geschaffen werden. Da müssen die Büros eingerichtet werden. Das muss alles gemacht werden.

Das ist ein Prozess. Was meinst du, wie lange der dauert? Die Leute müssen ja entsprechend ausgebildet werden. Das große Problem jetzt im Fall von Solingen oder im Fall von Aschaffenburg besteht ja darin, dass es sich um Täter handelt, die hier eigentlich gar nicht mehr hätten sein sollen.

Und die nicht deswegen hier sind, weil die Grünen denken, das ist aber eine gute Idee, dass die noch hier sind oder die SPD, sondern die hier sind, weil die Bürokratie einfach nicht darauf ausgerichtet ist, diese enorm hohe Zahl an Asylbewerbern, die wir haben. Wirklich tatsächlich zu bewältigen. Und da wird vieles vertagt und im Fall von Solingen hat man den dann nicht angetroffen, obwohl man da früh morgens gekommen ist. Vielleicht ist er auch gewarnt worden, hat woanders geschlafen.

Und natürlich ist es richtig, sich zu sagen, ja, daran müssen wir jetzt unbedingt was ändern. Das würde ich auch sagen. Aber um daran was zu ändern, musst du erst in zweiter Linie möglicherweise Gesetze ändern. In erster Linie müsstest du hingehen und bräuchtest quasi Wirtschaftsberater oder was Ähnliches, die hingehen, sich die gesamte Bürokratie, die dafür zuständig ist, angucken und sehen, wie kann man das alles auf Vordermann bringen?

Wo gewinnt man Personal dafür her? Was für Abteilungen müssten da gegründet werden? Und das meiste davon. Das meiste davon geht auch mit der gegenwärtigen Rechtslage. Jetzt kann man sagen, es ist doch ein richtiger und guter Vorschlag, dass man diejenigen, die hier nicht bleiben dürfen, dass man die in Polizeigewase annimmt. Ja, das ist ein sinnvoller Vorschlag, damit die nicht zum Beispiel, wenn man sie abschieben will, nicht da sind und so. Das verstehe ich schon alles.

Jetzt muss man sich mal überlegen und das hat der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft ja auch darauf hingewiesen, was da auf die Polizei zukommt. Wo kommen denn die ganzen Arresträume her, in denen die Leute alle untergebracht werden sollen? Wo kommt denn das Personal her, was die Polizei dafür hat? Diese Leute müssen ja verköstigt werden, diese Leute müssen bewacht werden und, und, und, und, und. Und ich will jetzt nicht sagen, diese ganzen Probleme sind nicht lösbar.

Ja, weil natürlich, das muss angegangen werden, das muss gemacht werden und so weiter, aber es eignet sich nicht als Wahlkampfthema. Es eignet sich deswegen nicht, weil Friedrich Merz kann da seine fünf Punkte rausposaunen. Er steht vor den genau gleichen Problemen, vor denen jetzt die rot-grüne Regierung steht. Das heißt, das, was er hier so groß ankündigt, wird er nicht erfüllen können.

Und was dann passiert ist, dass dann die AfD sagt, ha ha ha ha, du hast hier groß erzählt, du willst jetzt hier keine Kompromisse und so weiter. Und dann passiert wieder irgendein Attentat und dann wird die AfD unglaublich davon profitieren und richtig nach oben durchmarschieren. Und davor habe ich Angst. Das ist sehr interessant, Richard, wie du argumentierst und ich stimme quasi an keinem Punkt zu. Du argumentierst so, wie jahrelang und eigentlich fast jahrzehntelang argumentiert wurde.

Dass ich sage, dass die Bürokratie völlig gründlich neu aufgestellt werden muss, dass man mit geltender Rechtslage überlegt, warum sind wir so ineffektiv und alles in Kräften dazustehende, das argumentieren wir seit Jahren, wüsste ich nicht. Doch. Und ich fand es ehrlich gesagt bezeichnend. Also zwei Dinge. Unmittelbar nach Aschaffenburg. Und das fand ich ehrlich gesagt nicht in Ordnung. Das macht man einfach nicht.

Stellt sich der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland hin und sagt, da sind offenbar in Bayern ein paar Dinge schiefgelaufen. Dasselbe macht die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Und ich sitze fassungslos davor und denke, nicht euer Ernst. Ihr nehmt das jetzt wirklich als Wahlkampfmanöver und als Wahlkampftaktik und sagt, da haben wir jetzt mal eine schöne Gelegenheit, um auf vermeintliche Versäumnisse von Markus Söder und seiner CSU hinzuweisen.

Ganz ehrlich, das gehört sich nicht. Es geht nicht um Markus Söder, es geht darum, dass es ja eine große Zuständigkeitsstreit gibt und die Frage, wer hat den Fehler gemacht, das Bundesinnenministerium oder haben die Bayern den Fehler gemacht? Und wir wissen es beide nicht, wer den Fehler gemacht hat. Aber am Ende ist es auch egal, weil wir haben es wieder mit dem Thema überforderte Bürokratie zu tun und wir haben es mit Leuten zu tun.

Die hier dafür sorgen sollen, dass Menschen, die sich in Deutschland nicht mehr aufhalten dürfen, tatsächlich das Land verlassen und die absolut nicht in der Lage dazu sind, das zu machen. Sei es, weil es zu wenig Personal da ist, sei es, weil man falsch organisiert ist und so weiter und so weiter. Und das ist das eigentliche Problem. Und das hat mit politischen Farben nichts zu tun. Nee, aber es hat ganz viel mit Politik zu tun.

Ich bitte dich nochmal. Ich stimme dir da wirklich nicht zu, weil das Problem beginnt vorher. Du machst jetzt das, was Scholz auch in seiner Regierung sagt. Jetzt bin ich mit Olaf Scholz gleich. Es geht, ich weiß, wie du es meinst. Nein, es geht darum, dass genau das die Argumentationslinie jetzt auch in diesem Schlagabtausch im Bundestag war.

Es war wirklich, und das fand ich so beschämend, du stellst dich hin und sagst, Da haben die Bayern versagt, da haben Behörden versagt, da hat das BAMF versagt, Klammer auf dessen Chef du selber übrigens bist, da hat die Verwaltung versagt. Nach unten einmal richtig durchtreten, um mit dem Finger auf kleine Verwaltungsbeamte zu zeigen. Sorry, das ist würdelos. Das gehört sich so nicht, weil du musst doch bitteschön auch mal dann die Frage beantworten, warum sind die denn offenkundig überfordert?

Aber die Frage habe ich ja gerade gestellt. Ich habe es ja nicht auf die persönliche Ebene gestellt und habe gesagt, die Person hier in Aschaffenburg oder der oder die zuständig in Solingen, sondern ich habe gesagt, die Strukturen, die wir vorfinden, die zuständigen Leute, die Behörden, wie sie jetzt sind, sind heillos überfordert.

Das muss grundsätzlich neu angegangen werden. Und es geht gar nicht um die Zuschreibung einer einzelnen Person, sondern es geht einfach zu sagen, wir haben einfach nicht das richtige Instrumentarium, um das in den Griff zu kriegen. Worauf ich hinaus will ist, es hat doch was mit gelebter Politik zu tun, dass diese Strukturen so unvorstellbar überfordert sind.

Ich habe in diesen Tagen, ich habe mit dem auch schon selber öfter gesprochen, Daniel Thümen ist ein sehr interessanter Mann, Migrationsforscher, der sehr hörenswert übrigens, im Podcast, glaube ich, mit Paul Ronsheimer war es, sagt, und das ist genau der Punkt. Das ganze Asylsystem ist wahnsinnig kompliziert. Und das funktioniert, wenn im Jahr ungefähr 50.000 Menschen kommen.

Aber wenn über Jahre hinweg 100, 200 und 300.000 Menschen kommen, wie das jetzt seit Jahren in Deutschland der Fall ist, dann gehen diese hochkomplizierten Einzelfallprüfungen nicht mehr. Und das ist sozusagen das, was Friedrich Merz jetzt verändern will, weil es einfach nicht funktioniert. Und dann hört man diese rein juristische Argumentation. Und auch das, finde ich, ist etwas, was an dem Punkt nicht geht. Ich möchte gerne eine politische Antwort haben. Aber stattdessen wird rein juristisch

argumentiert. Man sagt, ja... Von Seiten der Union, Zurückweisungen sind möglich. Und dann kommen SPD und Grüne und sagen, auf keinen Fall, das verstößt gegen Europarecht und gegen die Verfassung. Wenn man dann fragt, wer hat denn da jetzt eigentlich Recht? Was geht denn jetzt und was geht nicht? Dann sagt jemand wie Thym zu Recht, wie das so häufig ist bei Rechtsprechung, wir wissen es nicht so ganz genau. Oder anders gesagt, wir wissen es erst,

wenn die Gerichte es endgültig entschieden haben. Und es ist im Grunde nicht ganz klar. Also im Normalfall hat die SPD erstmal Recht. Nicht wegen der Verfassung, weil die Verfassung sieht eigentlich vor, dass es Zurückweisungen an der Grenze sehr wohl geben kann, sondern wegen Europarecht. Und weil das Europarecht dieses sehr komplizierte Überstellungsverfahren vorsieht. Das heißt, man muss die Leute erstmal einreisen lassen, dann prüft man, welches Land ist eigentlich zuständig und so weiter.

Dann muss man das Land bitten, ob sie die Leute wieder zurücknehmen. Ja, und da gibt es Länder wie Italien, die nehmen überhaupt keinen zurück. Österreich hat gesagt, wir nehmen auch keinen zurück. So, und dann hat man sechs Monate Zeit. Und allein wenn diese sechs Monate vorbei sind und das passiert, wegen der von dir zitierten Überforderung ganz, ganz häufig, dann kannst du die Leute dorthin gar nicht mehr zurückschicken. Das heißt, das funktioniert in der Praxis praktisch nie.

Und dann gibt es etwas... Aber es gilt trotzdem. Du setzt dich natürlich trotzdem über Europarecht hinweg, müsste es den nationalen Notstand ausrufen. Genau, eine Art Notsituation sozusagen, dass man sagt, wir halten uns jetzt aber nicht mehr an europäisches Recht.

Und Friedrich Merz ist offenbar der Meinung, und die ehrlich gesagt teile ich, dass diese totale Dysfunktionalität, dass die sozusagen so eine Notlage begründen und deswegen muss man ausnahmsweise jetzt auf nationales Recht zurückgreifen und nicht mehr auf europäisches Recht.

Okay, das nehme ich jetzt mal an und sage, okay, ja, also gesetzt den Fall, wir beurteilen die Situation so und sagen, wir befinden uns hier in einer nationalen Notlage und dann überlegen wir uns mal, und was ist, wenn das alle europäischen Länder machen? Dann können wir überhaupt keinen mehr zurückschicken, weil keiner mehr irgendjemanden aufnimmt. Dann haben wir ein noch größeres Problem, als wir mit dem jetzt dysfunktionalen Europarecht haben.

Dann haben wir lauter Staaten, die sich wechselseitig abschotten und niemand kann wieder zurückgeführt werden in die Länder, in denen zum ersten Mal die EU betreten hat. Das heißt, das Kuddelmuddel wird ja noch größer, wenn alle die nationale Karte spielen.

Das ist doch interessant, dass ausgerechnet Österreich, das ja nun wirklich sehr stark nach rechts gegangen ist und das schon seit sehr langer Zeit, am heftigsten die Pläne von Friedrich Merz kritisiert, so nach dem Motto, du glaubst doch wohl nicht, du kannst ja Leute nach Österreich wieder zurückschicken. Kurz gesagt, das, was Merz vorschlägt, geht nur, wenn es nicht alle machen.

Aber wenn Deutschland, dass mein Motor der europäischen Einigung gewesen ist, in den Zeiten von Helmut Kohl, ein bisschen noch in der Schröder-Zeit, dann unter Merkel ist der Motor ins Stottern geraten. Wenn wir sagen, okay, okay, das klappt hier alles europäisch nicht und so weiter. Wir ziehen hier die Karte nationaler Notstand, nationale Notlage und wir haben jetzt erstmal unsere Probleme zu lösen und der Rest ist uns egal.

Und das machen alle anderen europäischen Länder auch. Dann sind die Probleme noch größer, als sie jetzt schon sind. Da hast du definitiv einen Punkt, wenn Österreich auch sozusagen diese Notsituation erklärt, wenn andere Länder sie erklären. Die Dänen haben sie ja schon vor langer Zeit erklärt, die halten sich nicht mehr an europäische Gesetze. So genau, die haben auch übrigens von Anfang an schon Ausnahmeregelungen rein verhandelt, als es um den Beitritt zur EU ging.

In sehr, sehr weiser Voraussicht, das finde ich übrigens interessant in dem Zusammenhang. Aber klar, wenn die anderen die Notlage erklären und wir haben aber das Recht auf Asyl im Grundgesetz stehen, dann hat insbesondere Deutschland ein Problem. Aber es ist natürlich auch und daran merkst du sozusagen, wie kompliziert das alles ist und wie wenig... Politisch gewollt vieles davon ist. Also was mich wahnsinnig macht ist, mit welchen Nebelkerzen da gerade geworfen wird.

In jeder zweiten Sendung erzählt mir jemand von Grünen oder von SPD beispielsweise, wir haben ja jetzt die Migration signifikant nach unten gebracht. Dann schaue ich mir diese Zahlen an und denke, wie kommt ihr eigentlich darauf? In absoluten Zahlen betrachtet mag das objektiv so sein. Wir sind bei 250.000 gewesen im vergangenen Jahr sozusagen 100.000 weniger.

Immer noch eine unglaublich hohe Zahl. Und eine Zahl, die höher ist, immer noch höher ist als die Zahlen 2017, 2018, 2019, 2020, 2021, 2022. Wie kommst du auf die Idee, politisch zu verkaufen, dass da irgendwas im Griff ist? Wie kommst du des Weiteren auf die Idee, Menschen verkaufen zu wollen, dass diese Grenzkontrollen, die da jetzt gemacht werden, und das geht dann ehrlich gesagt auch an die Adresse der Union, dass das ernsthaft funktioniert.

Die Wahrheit ist, wir greifen ein paar mehr Leute auf. In dem Moment, wo der sagt, Asyl und ich werde politisch verfolgt, in dem Moment hast du gar keine andere Wahl. Rechtslage haben wir gerade erörtert, als ihn sozusagen ins Land zu lassen. Das heißt, das verändert nichts. Das Einzige, was ernsthaft etwas verändert hat, ist, und da kommt jetzt ausgerechnet die Rechtspopulistin Georgia Meloni ins Spiel, ist das Abkommen, das Georgia Meloni mit Tunesien geschlossen hat.

Das hat signifikant in Italien auch die Zahlen nach unten gebracht. Und ganz zum Schluss kam dann Ursula von der Leyen für das Foto mit dazu. Die EU bezahlt das zum Teil auch mit und so weiter. Aber das ist das, was funktioniert hat. Da kannst du doch nicht in Deutschland dich hinstellen und sagen, wir haben jetzt die Zahlen signifikant nach unten gebracht, wenn doch der Schlüssel zu diesen Zahlen ganz woanders liegt. Es hat ehrlich gesagt ganz wenig mit deiner eigenen Politik zu tun.

Und was ich, ein letzter Gedanke noch, Richard, und den würde ich gerne mal mit dir erörtern. Ich verstehe, wenn man sagt, und auch die Altkanzlerin hat sich jetzt dahingehend eingelassen, das ist ein Tabubruch. Ich kann das nachvollziehen. Und es war ja interessant zu sehen in der CDU. Wie sich das so im Laufe jetzt der Woche verschoben hat. Also erst, unmittelbar unter dem Eindruck von Aschaffenburg, große Einigkeit in der Union.

Alle standen sozusagen hinter diesem Fünf-Punkte-Plan. Und dann kippte das so langsam und dann merkten die einen oder anderen, welches Pferd man da eigentlich gerade wirklich reitet und was da eigentlich wirklich passiert und wie gefährlich das unter Umständen ist, können wir gleich noch drüber sprechen, weil es in der Konsequenz dann tatsächlich ein Tabubruch ist. Und dann kommt Daniel Günther und sagt, nee, Freunde, Mehrheiten mit der AfD, das machen wir hier nicht.

Und ich werde dem auch im Bundesrat nicht zustimmen, weil das ist eine Mehrheit, die ich nicht haben will. Genau da verläuft für mich sozusagen die rote Linie. Also da ist auch innerhalb der Union etwas passiert. Und wenn die nicht aufpassen, dann zerreißt sie es jetzt an dieser Stelle. Und muss man nicht sagen, die Union bei aller Kritik, die man da haben kann, ist die vielleicht jetzt auch kündig.

Nach vorne gekommen, einmal vor die Welle gekommen. In der Tagesschau gab es einen Kommentar, da sprach man von einem Befreiungsschlag. Das fand ich bemerkenswert. Dachte ja, vielleicht ist es auch das, weil es diese Debatte jetzt endlich mal ehrlicher macht und weil wir jetzt endlich mal von vorne argumentieren können und nicht die ganze Zeit uns in dieser Zwickmühle bewegen, aus der man nicht mehr rauskommt und die am Ende tatsächlich nur der AfD nützt.

Weil sie immer sagen können, guck mal, ihr kriegt es nicht auf die Reihe, weil ihr Angst habt vor uns und weil ihr Angst habt vor Europarecht und weil ihr Angst habt vor vielen, vielen anderen Dingen. Ihr wollt nicht rassistisch sein und deswegen kommt ihr aus dieser Lage einfach nicht mehr raus. Also es gibt zwei Dinge und das habe ich versucht mit dem ersten, was ich gesagt habe, deutlich zu machen.

Also ein Befreiungsschlag wäre oder ist, sich ehrlich zu machen und zu sagen, so wie das gegenwärtige Europarecht ist, darf es nicht weitergehen. Ein Befreiungsschlag wäre auch zu sagen, wir müssen grundsätzliche Dinge ändern im Hinblick auf Migrationspolitik, wir können nicht mehr so weitermachen wie bisher. Das ist alles richtig. Und trotzdem ist die Debatte verlogen. Und warum ist sie verlogen? Weil sie jetzt stattfindet, als Wahlkampfthema.

Ja, weniger als vier Wochen vor der Wahl. Warum lässt Friedrich Merz sich nicht zum Kanzler wählen? Einigt sich dann mit seinem Koalitionspartner, mutmaßlich mit der SPD, auf einen solchen Fünf-Punkte-Plan und beweist uns dann, wie er den großartig umsetzt. Stattdessen kommt er jetzt mit einem Fünf-Punkte-Plan, sagt auch noch, ich bin überhaupt nicht bereit, irgendwelche Kompromisse mehr einzugehen.

Obwohl das Erste, was er tun muss, nachdem er dann mit seiner CDU vielleicht seine 30 Prozent, vielleicht auch weniger erreicht hat, große Kompromisse einzugehen, um überhaupt einen Koalitionspartner zu finden. Und das ist doch von vorne bis hinten verlogen. Hier wird sozusagen das Thema, was dir aus dem Herzen spricht, machen wir uns endlich in der Asylpolitik ehrlich.

Dieses Thema, und da bin ich absolut bei dir, wir müssen uns ehrlicher machen, es muss sich eine Menge verändern, ist alles richtig, ob es die fünf Punkte sind oder vielleicht auch ein paar andere, darüber kann man dann diskutieren. Aber warum lässt man sich nicht wählen, sondern geht dann hin in die Debatte und guckt, was davon können wir realisieren und macht Ankündigungen, an denen man sich messen lässt, um zu gucken, wo stehen wir vier Jahre später.

Das passiert aber gerade nicht. Es passiert, dass mit Stimmen der AfD, die er nicht bräuchte, wenn er erst Kanzler wäre und sich mit der SPD geeinigt hätte, also quasi ohne Not. Ja, diese Debatte führt in der Hoffnung, dass die CDU im Wahlkampf davon profitiert. Also geht es am Ende doch nicht um das Wohl des Landes, sondern um das Wohl der CDU. Und das ist, was ich dieser ganzen Aktion vorwerfe.

Da geht es mir nicht um den Inhalt, sondern es geht um den Zeitpunkt und die Tatsache, dass er es für nötig gefunden hat, es mit der AfD zu machen, die er im Zweifelsfall gar nicht brauchen würde, wenn er erst Kanzler ist und eine eigene Mehrheit für seine Punkte organisiert hätte. Ja, ich frage mich nur gerade, Richard, also ich verstehe den Gedanken, aber ich frage mich gerade, ob wir da den Leuten in der Union möglicherweise Unrecht tun.

Weil es ist so, wie du sagst, man muss das jetzt so nicht machen. Man muss jetzt nicht unbedingt all in gehen. Man muss natürlich wissen, es gibt sozusagen einen Teil dessen, was da jetzt gerade eingebracht ist, der liegt bereits seit September, glaube ich, auf dem Tisch und in den Schubladen. Und es drohte sozusagen die AfD genau das einzubringen, den Unionsplan. Und diese Schmach wollte man sich natürlich nicht geben und gesagt, pass auf, dann machen wir das selber.

Dann klauen wir den Plan und verkaufen den als unseren und lassen es mit Hilfe der AfD abschieben. Nein, nein, nein, umgekehrt, Richard. Es ist deren Plan und die AfD hatte offenbar die Absicht, das vorher selber einzubringen. Aber es gibt und deswegen frage ich mich gerade, das ist ja die Frage nach der Motivation, warum tun die das?

Und ich habe mich neulich nach der Sendung sehr lange mit Thorsten Frei unterhalten, dem parlamentarischen Geschäftsführer der Union, sozusagen der mächtigste Mann hinter Friedrich Merz. Und der sagt, es gibt mindestens drei Punkte, drei Gründe, warum wir das jetzt machen. Er sagt, erstens die Anschläge Magdeburg, Aschaffenburg, die haben das Land dramatisch verändert. Und er sagt, wenn wir jetzt nicht handeln, dann stehen wir in einigen Jahren

vor einem absoluten Scherbenhaufen. Ja, den Zusammenhang verstehe ich nicht. Also ich verstehe, dass man sagt, Magdeburg, Aschaffenburg, Solingen und so weiter, das hat die Leute verständlicherweise enorm emotionalisiert. Aber da geht es nicht um die Sache in ein paar Jahren, weil das kann in ein paar Jahren, egal wie man die Gesetze ändert, trotzdem nochmal passieren, sondern da geht es darum, dass man sagt, diese Emotionalisierung wird der AfD mehr Stimmen bringen.

Und jetzt könnte ich jetzt sozusagen als Advokatus Diaboli von deiner Seite argumentieren und sagen, deswegen musste die CDU das jetzt einbringen, um das Schlimmste zu verhindern. Also so könnte man möglicherweise argumentieren, auch wenn es nicht meine Argumentation ist. Aber es geht nicht um die Situation in vier oder in fünf Jahren, sondern es geht darum, wer hat das Momentum auf seiner Seite. Ja, nochmal, das Momentum hättest du doch auch so gehabt.

Ich meine, wenn Friedrich Merz sich hingestellt hätte, das ist doch die interessante Frage. Es gibt eine ganz spannende Frage in dieser ganzen Geschichte. Wenn Friedrich Merz sich hingestellt hätte und hätte gesagt, am ersten Tag meiner Kanzlerstadt mache ich eins, zwei, drei, vier, fünf und hätte dann aufgehört. Wäre das Thema durch gewesen. Hätten wir jetzt diese Diskussion nicht? Hätten wir keine Abstimmung gemeinsam mit der AfD? Das wäre völlig absurd gewesen,

weil er nicht alleine kann. Er ist nicht der amerikanische Präsident. Das ist ja sowieso schon komisch, dass Friedrich Merz gesagt hat, dass er mit seiner Richtlinienkompetenz, was er am ersten Tag da alles gleich machen will. Da hat er bestimmt in der Nacht von Donald Trump geträumt und sieht sich, wie er also ein Dekret nach dem anderen erlässt. Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers ist überhaupt nicht ansatzweise zu vergleichen mit der Macht des amerikanischen Präsidenten.

Das hat er doch nicht gesagt. Abgesehen davon wird er nur dann Kanzler werden, wenn er tatsächlich einen Koalitionspartner findet. Erstens ist er noch gar nicht Bundeskanzler. Das kann auch noch ein sehr langer Weg und sehr, sehr lange Verhandlungen dauern, bis das soweit ist. Und dann wird er am ersten Tag gar nichts machen.

Ja, ich finde, du bist jetzt wirklich arg polemisch. Nee, weil da kündigt jemand lauter Dinge an, von denen jeder weiß, er wird sie nicht einlösen und nicht erfüllen können. Ich bin kein Volljurist und ich kann das nicht wirklich beurteilen. Ich sage nur, da haben Leute sich wahrscheinlich was dabei gedacht. Und ehrlich gesagt, der ernst gemeinte Versuch, statt immer nur zu erklären, warum alles gerade wiederum nicht geht.

Der ernst gemeinte Versuch, das endlich zu verändern und wirklich da diesen gordischen Knoten zu zerschlagen. Und wenn es beim Versuch bleibt, mir ist ein Politiker, der wenigstens versucht, etwas zu verändern, ehrlich gesagt lieber... Als diese totale Sprachlosigkeit, die ich über Jahre hinweg auf der anderen Seite erlebt habe.

Wir drehen uns im Kreis. Warum macht er das Ganze nicht die seine fünf Punkte zwei Monate später, nachdem er sie mit seinem Koalitionspartner abgestimmt hat und auch in der Lage ist, sie durchzusetzen? Gegenfrage, Henrik Wüst, 2023, macht einen Vorschlag und sagt, bitte lass uns zusammensetzen, wir brauchen Drittstaatenlösungen, wir müssen mit Ländern reden. Das Einzige, was bis heute wirklich funktioniert hat, waren Abkommen mit der

Türkei und mit Tunesien, hast du es jetzt wieder gesehen. Und das ist alles nicht perfekt, unbestritten so und das ist teilweise auch ziemlich brutal, was dort passiert. Aber wenn man sagen muss, als verantwortlicher Politiker bin ich dafür verantwortlich, dass die Zahlen endlich zurückgehen, damit im eigenen Land nicht das Gefühl von Kontrollverlust entsteht. Und das ist das Gefühl, das sich gerade an so vielen Stellen breit macht.

Da muss man doch sagen, dann habe ich die Aufgabe, das jetzt irgendwie sicherzustellen. Ich bitte dich, wollen wir Donald Trump im Amt haben? Das ist genau andersrum, Richard. Jemanden wie Friedrich Merz überhaupt nur in die Nähe von Trump zu rücken, gehört sich eigentlich nicht. Ich habe nicht gesagt, dass er die gleiche Persönlichkeit ist.

Ich habe nicht gesagt, dass er die gleichen Inhalte teilt. Ich habe nicht gesagt, dass er die gleiche Weltanschauung hat, sondern ich habe gesagt, dass er die Manier übernommen hat oder die Fantasie sich ausgemalt hat, dass er am ersten Tag mithilfe seiner Richtlinienkompetenz einen Riesenschritt macht zur Lösung des Migrationsproblems. Und dass das eine völlig unrealistische Vorstellung ist, weil du das als deutscher Bundeskanzler nicht kannst.

Und diesen Vergleich halte ich für absolut stadthaft. Der zweite Punkt, Richard, den Leute wie Thorsten Frei vorbringen ist, der sagt, taktische Überlegungen finden kein Verständnis mehr da draußen. Und er sagt selbst, er ist eigentlich immer schon der Meinung gewesen, dass man es nicht unbedingt, das ist ja der Knackpunkt, ist es eine Zusammenarbeit, wenn die AfD einem Vorhaben der Union zustimmt.

Wenn du das so definierst, dann verlierst du das Argument. Und das ist ja das Argument, das wir schon die ganze Zeit verloren haben. Wenn du jedes im Zweifel auch richtige Argument den Rechten überlässt, dann ist es irgendwann ein rechtes Argument. Und ist es nicht gut, ist es nicht richtig und ist es nicht wichtig, dass wir uns den Diskurs zurückholen und nicht diese Argumente ständig denen überlassen, von denen wir eigentlich nicht wollen, dass sie sie beherrschen.

Das ist doch der entscheidende Punkt. Die Parteien der politischen Mitte müssen doch bereit sein, Positionen anzupassen. Und es geht eben gerade nicht mehr um Taktik. Diese taktischen Erwägungen funktionieren jetzt nicht mehr. Und der dritte Punkt ist, diese Situation, die erfordert sozusagen außergewöhnliche Maßnahmen. Ich finde, man kann das so nicht einfach weiterlaufen lassen, ganz grundsätzlich.

Und deswegen diese Idee jetzt einfach all in zu gehen, weil ansonsten nur der politische Gegner profitiert. Ja, also wir haben es ja jetzt eigentlich zu Ende durchdiskutiert. Ich bin genau wie du der Überzeugung, dass Migration ein wichtiges gesellschaftliches Thema ist, dass wir ein Problem haben, dass Leute, die straffällig geworden sind, aus anderen Ländern zu uns gekommen sind, sich noch ewig hier aufhalten, zum Teil die Behörden gar nicht wissen, wo sie sind.

Das ist ein sehr großes Problem. Ich halte die fünf Vorschläge für etwas maulheldenhaft, weil sie nicht umsetzbar sind. Versuchen mal europäisches Recht zu ändern oder was wollen wir? Die nationale Notlage ausrufen und dann nochmal ausrufen und dann nochmal verlängern und dann nochmal ausrufen und dann nochmal ausrufen und dann machen das alle und am Ende haben wir größere Probleme als zuvor. Das hatte ich auch bereits gesagt. Dänemark mit seinen Grenzkontrollen hat eine wie lange Landgrenze?

Nur eine einzige zu einem Land, nämlich zu Deutschland von geschätzt vielleicht 70 Kilometern. Deutschland hat über 3000 Kilometer Grenzen, davon mehr als 2000 Kilometern gegenüber Ländern, aus denen Migranten zu uns kommen. Möchte gerne mal wissen, wie man da jetzt hingehen will und dafür sorgen, dass niemand mehr illegal reinkommt. Also ja, jetzt sagst du wieder, jetzt bin ich wieder derjenige, der wieder guckt und sagt, was alles nicht geht, statt zu sagen,

was alles geht. Das verstehe ich schon. Aber vielleicht denke ich ja manchmal, und das war ja auch mein Ausgangspunkt, es muss vielleicht nicht alles rechtlich geändert werden. Manches sicher schon, aber nicht alles. Aber es müsste zumindest ein Masterplan, ich hätte gerne von Friedrich Merz was anderes gehört.

Ich hätte gern einen Punkt gehört, der nicht aus vollwundigen Ankündigungen, die ich für unrealistisch halte, besteht, sondern eine realistische Ankündigung, wie man in den nächsten zwei Jahren die Ausländerbehörden so umrüstet, dass solche Fälle wie Aschaffenburg oder Solingen, dass Menschen, in dem Fall auch noch psychisch kranke Migranten aus Afghanistan, im geistig verwirrten Zustand, brisant gefährlich, dass die nicht hier einfach sich noch ewig aufhalten können.

Keiner ist zuständig und keiner schafft es, die abzuschieben. Einfach mal sagen, was passiert ganz konkret in den Behörden? Was für Taskforce werden da gegründet? Wer ist dafür zuständig? Wo werden Asylbewerber zukünftig untergebracht? Und, und, und. Also wenn man mir das vorgestellt hätte, dass was wirklich zur konkreten, unmittelbaren und rechtlich auch völlig unbedenklichen und auch gar nicht schwierigen Veränderung führt.

Das wäre eine Leistung. Also ich will sozusagen keine politischen Proklamationen. Ich will eine Managerleistung. Eine Managerleistung, wie jemand, der hingeht, ein Problem erkannt hat, was wir alle kennen und sagt, innerhalb von zwei Jahren werden die Strukturen so umgerüstet, dass solche Probleme so gut wie nicht mehr vorkommen. Das hätte ich super gefunden, ist aber nicht gekommen. Politischer Wille, Richard. Ich komme immer darauf zurück. Was ist aus dem Vorschlag

von Wüßt von 2023? Was ist daraus geworden? Nichts. Das lag ewig lange im Hause Feser rum, im Innenministerium, fünf Monate lang. Danach gab es irgendwie so eine Runde, wo sehr viele Migrationsexperten, NGOs, alles Mögliche, das Ganze so lange zerredet haben. Und das weiß ich von Leuten, die dabei waren, bis nichts mehr davon übrig geblieben ist. Das ist die Situation.

Das ist mangelnder politischer Wille. Und deswegen, wenn du sagst, wir schauen jetzt mal nach Dänemark, lass uns das doch einmal machen. Das ist doch wirklich interessant. Du hast recht. Ich kenne die Verhältnisse da gut. Meine Schwester lebt da. Meine Schwester lebte auch in einer Siedlung, die sie jetzt verlassen muss. Die Siedlung wird abgerissen, weil der Migrantenanteil in dieser Siedlung über 30 Prozent ist.

Das machen die wirklich? Ja, das machen die wirklich. Das ist ja das Ghetto-Bildungsgesetz. Und entweder versucht man die Leute zu verteilen oder wenn das jetzt ohne weiteres nicht geht, im Zweifelsfall wird die Siedlung abgerissen. Wow. Ja, nun muss man auch eins von Anfang an sagen. Es gibt irgendwie zwischen fünf und sechs Millionen Dänen. Also so ein Land ist, um es im Jargon der Rechten zu sagen, sehr, sehr schnell überfremdet.

Sehr, sehr viel schneller noch als ein Land mit 80 Millionen Einwohnern. Und die Dänen haben eine Heidenangst um ihre kulturelle Identität. Deswegen sind die Dänen da sehr, sehr sensibilisiert und sehr, sehr neuralgisch und greifen da zu sehr harten Maßnahmen. Also wer als Asylbewerber in Dänemark landet, falls er überhaupt noch reinkommt, was er jetzt im Regelfall ja nicht mehr tut, der findet innerhalb der europäischen Länder damit die härtesten Bedingungen vor.

Also der kriegt auch keine Sozialhilfe, sondern der kriegt das, was bei uns auch immer gefordert wird. Nur genug, dass er genug zu essen hat und ein Stück Seife. Also wenn du abgelehnt bist, dann kriegst du gar nichts mehr. Dann gibt es tatsächlich nur noch Essen und Trinken und das war es.

Ist tatsächlich so. Und für Ausreisepflichtige und Geduldete gibt es sogenannte Abschiebegefängnisse, die sehr weit abseits von urbanen Zentren liegen, irgendwo weit außerhalb von Kopenhagen und anderen Städten. Und es gibt tatsächlich auch ein Antifolterkomitee des Europarats, das immer wieder sagt, das was da in Dänemark passiert, das ist nicht für Menschen geeignet. Die sagen, selbst in Russland findet man bessere Bedingungen.

Und dann sagt der sozialdemokratische Integrationsminister darauf, ja gut, da soll es ja auch nicht behaglich sein, weil die sollen ja bitte schon ausreisen. Also das ist schon eine knüppelharte Ansage. Das geht ja auch so weit, dass die Behörden den Leuten Geld und Schmuck bis zu einem bestimmten Wert abnehmen. Ja, das bis 1350 darfst du besitzen.

Wobei ich mir jetzt davon ausgehe, dass der allergrößte Teil der Asylbewerber tatsächlich keine Schmuckgegenstände bei sich trägt, der deutlich wertvoller ist. Das Interessante ist ja, deswegen nochmal politischer Wille und das klare Signal.

Man hört das ja häufig hier, dass dieses dänische Modell sozusagen nachahmenswert sei und eines der Kernargumente ist ja immer, dass durch diese sehr restriktive Asylpolitik die Rechtsaußenpartei in Dänemark, die dänische Volkspartei im Grunde keine Rolle mehr spielt. Das ist ja auch offensichtlich der Gedanke, der in der CDU eine große Rolle spielt.

Warum wollen wir nicht in einigen Fragen, sicherlich nicht in allen, mit Sicherheit nicht in der Außenpolitik, aber in der Migrationspolitik nicht die Position der AfD übernehmen? Bei uns sind keine Nazis drin. Wir sind nicht suspekt. Wir betrachten uns als demokratische Partei. Wir haben keine größere Zahl undemokratischer Elemente bei uns. Also übernehmen wir einfach die Inhalte.

Ob das eine reine Überzeugungstat ist oder ob das der Versuch ist, an die Macht zu kommen, Markus, da sind wir beide uns nicht einig und da werden wir uns auch in diesem Podcast nicht mehr einig werden. Nee, das müssen wir auch nicht. Ich will aber trotzdem nochmal deutlich sagen, es kommt jetzt auf vernünftige Leute an. Auf Leute, die, schau mal, jemand wie Thorsten Frey zum Beispiel und über den kann ich tatsächlich ein bisschen mehr sagen.

Der sagt dir im Grunde, gerade deswegen, weil ich das erhalten möchte, weil mir das wichtig ist, müssen wir jetzt über bestimmte Brücken gehen, bestimmte Dinge tun. Ich argumentiere jetzt aus seiner Sicht heraus. Und genau deswegen ist es so wichtig, das jetzt zu machen, weil es ansonsten spätestens 2029 andere machen. Das ist der entscheidende Punkt. Und ich habe in dieser Woche, Richard, etwas sehr Interessantes gehört von Gerald Knaus. Der hat einen Autor zitiert, Justus Bender.

Ich weiß nicht, ob du von dem schon mal gehört hast. Ich lese den häufig FAZ-Autor. Ich weiß nicht, ob es Leute gibt, die sich so intensiv mit der AfD beschäftigen wie Justus Bender. Seit vielen Jahren schon. Und Gerald hat ein Buch mitgebracht. Von Justus Bender mit dem Titel Was will die AfD? Und ich habe mir das daraufhin nochmal angeguckt und jetzt ist wichtig zu verstehen, er entwickelt dort ein Szenario und dieses Szenario ist aber ein Szenario, das Justus Bender 2017 entwickelt.

2017 ist dieses Buch erschienen und ich lese die mal kurz vor, weil es wirklich interessant ist und auch brillant geschrieben. Nehmen wir also an, es ist ein Freitag im Sommer des Jahres 2026. Die Tagesschau um 20 Uhr beginnt mit einer Sendationsmeldung. Zehn Monate nach der Bundestagswahl im Herbst 2025 haben die Unionsparteien entschieden, sich an einer AfD-geführten Bundesregierung zur Beteiligung und André Pockenburg zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu wählen.

Der Bundesvorsitzende der CDU, Jens Spahn, tritt vor die Kameras. Meine Damen und Herren, diese Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen. Wir sind mit der AfD in vielen Dingen nicht einer Meinung, besonders in weiten Teilen der Europa- und Islampolitik.

Als Partei der Verantwortung und Stabilität haben wir uns aber dennoch entschlossen, eine Staatskrise abzuwenden und einen Zustand zu beenden, der für uns nicht tolerierbar ist, nämlich dass die Bundesrepublik seit fast einem Jahr von einer kommissarischen Bundesregierung regiert wird und in diesem Land Stillstand und Unsicherheit herrschen.

Tatsächlich hatte die AfD bei der Bundestagswahl 25 nach einer schwarz-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Merkel bis 2021 und einer, Achtung, rot-rot-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz einen Erdrutschsieg erlangt. Und dann zählt er diese Ergebnisse auf und sagt, die übrigen Prozente waren an Parteien gegangen, die an der 5%-Hürde scheitern. Und jetzt pass auf, die Wahl fand in dramatischen Zeiten statt.

Ein islamistischer Selbstmordattentäter hatte in der gläsernen Besucherkuppel des Bundestags wenige Wochen vor der Wahl etliche Touristen und Abgeordnete getötet. Das Reichstagsgebäude brannte einen ganzen Tag lang. Die Bilder gingen um die Welt. Die seit der Bundestagswahl kommissarisch regierende Scholz-Regierung verhängte den Ausnahmezustand. Bundeswehr kam zum Einsatz, Feldjägereinheiten, Soldaten des Kommandos Spezialkräfte, GSG 9.

Seither bewachten sie das Regierungsviertel mit Betonsperren, NATO-Stacheldraht, Fuchsradpanzern. Der Anschlag hatte die Stimmung im Land radikalisiert. Rot-Rot-Grün verlor seine Mehrheit. Auch Schwarz-Grün oder eine große Koalition waren nicht möglich. Monatelang verhandelte ein Afghanistan-Bündnis, genannt aus Union, SPD und Grünen, über eine Regierungsbildung, um Poggenburg als Kanzler zu verhindern.

Doch als die Sondierung mit einem für alle Seiten schmerzhaften Kompromiss endete, kam es zu einem spektakulären Mitgliederentscheid, in dem sich die SPD-Basis gegen weitere Koalitionsverhandlungen aussprach. Bei den Sozialdemokraten hatten sich Wortführer durchgesetzt, die Annahmen, dass die Neuwahlen der SPD nutzen würden, aber auch die CDU erniedrigen würden, wenn sie gezwungen wäre, mit der AfD zu koalieren. Ende. Du liest das und du denkst, oh, Österreich.

Hammer. 2017 schreibt Justus Bender genau, dass 2021 Olaf Scholz Kanzler ist. Nicht genau dieses Bündnis, aber fast ganz genau. Und du liest dieses, mir geht es kalt den Rücken runter, wenn ich das lese. Weil das ist plötzlich alles denkbar. Interessant ist auch, wie er beschreibt, schon 2017 diese Mechanismen. Das, was ich auch erlebe. Wenn du mit AfD-Vertretern sprichst, du hast es jetzt in dieser Woche erlebt, dann wirft Beatrix von Storch Thorsten Frey sofort vor, ihr kopiert unser Programm.

Bam. Haben die schon 2017 genauso gemacht, 2016 schon so gemacht. Ihr kopiert unser Programm. Wenn ihr es nicht tut, dann seid ihr schwach und unfähig und ihr habt nicht die Kraft dafür. Auch genau so passiert in dieser Woche. Musste sich Friedrich Merz in dieser Woche im Bundestag anhören. Ja, aber es ist ja auch nicht falsch. Genau. Aber es ist sozusagen, es reicht sozusagen, dagegen zu sein. Es reicht, Ressentiments zu haben. Und du merkst plötzlich, okay, was passiert denn da eigentlich?

Wenn du dir das mal anschaust, die große weltweite Bewegung, die es da gerade gibt. Trump, Militär, aufrüsten. Orban redet seit langer, langer Zeit von einem starken Militär. Alice Weidel sagt, 5% für die Bundeswehr kann ich mir absolut vorstellen. Wir wollen eine andere Bundeswehr. Also all diese Leute... Haben offensichtlich etwas im Kopf, das hat nichts mehr mit Verträgen zu tun, das hat nichts mehr mit der Europäischen Union zu tun.

Die Europäische Union ist eine Idee, weil du vorhin sagtest, das verstößt alles gegen europäisches Recht. Aber die Europäische Union ist kein Land, die hat keine Armee. Das ist eine Idee, eine großartige Idee. Aber wenn jemand dagegen verstößt, dann sagt man, jetzt müsst ihr bezahlen. Und dann sagen die, ja gut, da ist doch nichts mir noch egal. Die großartige Idee wird schon einen entscheidenden Schritt rückabgewickelt. Richtig. Durch das, was jetzt passiert.

Und sie wird vielleicht dann nie mehr das werden, was sie vielleicht einmal werden sollte. So, und das ist das, was die Rechtspopulisten wollen. Die Rückabwicklung der Europäischen Union. Das ist so. Das wollen die Rechtspopulisten in nahezu allen europäischen Ländern. Aber es ist nicht das, was die CDU will. Die CDU will ein starkes, geeintes Europa. Ein entschlossenes Europa als zunehmend handlungsfähiger, politisch handlungsfähiger, wehrhafter und so weiter Pol. Also genau das Gegenteil.

Aber wenn ich hingehe und in der Migrationsfrage jetzt an einem ziemlich entscheidenden Rädchen das Rädchen zurückdrehe, dann löse ich damit einiges aus, auch in den Nachbarländern. Dann ist Deutschland einfach auch weniger Motor der Europäischen Union. Also ich meine, ich verstehe, dass das Europarecht so wie es jetzt ist, nicht bleiben darf.

Aber die Gefahren, wenn wir das quasi rückabwickeln und sagen, jetzt gehen wir mal wieder in die Zeit zurück, bevor das alles irgendwie europäisch geregelt wurde und jeder Staat regelt das alleine, führt zu einem Abbau von Europa. Das nehmen wir hier billigend in Kauf. Und ich möchte noch einen Aspekt reinbringen, der mich an der ganzen Migrationsdebatte immer wieder und immer neu und ja jedes Mal stört.

Wir reden über die Symptome. Wir reden davon, Hunderttausende von Menschen wollen jedes Jahr zu uns kommen. Und zwar ein sehr großer Teil eben als Asylbewerber. Aber warum kommen denn die ganzen Afghanen zu uns? Es kommen Leute zu uns aus einem Land, in das wir gegangen sind. Mit Soldaten. Wir waren in Afghanistan mit folgender Begründung. Ihr geht uns was an.

Sonst wären wir da nicht hingegangen. Wenn wir nach Afghanistan gehen und sagen, wir sorgen dafür, dass die Mädchen in die Schule gehen können und wir halten uns da auf, um irgendwie für irgendwelche Formen von Ordnung und Sicherheit oder für Menschenrechte oder was auch immer zu stehen, dann maßen wir uns an und sagen, ihr geht uns was an und deswegen gehen wir euch. Ich meine, die Bundeswehr ist ja nicht gebeten worden, von irgendeiner afghanischen Regierung da zu ihnen zu kommen.

Wenn es aber so ist, dass wir da hingehen können, um dort für Ruhe und Ordnung und Frieden und unsere Vorstellungen und so weiter zu sorgen. Ja, und das klappt dann alles überhaupt nicht. Ja, und die Taliban gewinnen wieder die Mehrheit in dem Land. Dass dann ganz viele Leute fliehen. Vielleicht sogar Leute, die wir mit unseren Ideen vielleicht im Zweifelsfall sogar infiziert haben und die auch unter anderem deswegen weg müssen, weil sie mit uns zusammengearbeitet haben.

Dann können wir doch nicht rigoros sagen, wir nehmen überhaupt niemand mehr aus diesen Ländern auf. Wenn wir diese Konsequenz nicht ziehen wollen, dann müssen wir die Umgekehrte ziehen. Und das ist meine Meinung. Zu sagen, ja, wir nehmen aus Ländern wie aus Afghanistan und auch aus Syrien keinen mehr auf. Aber wir mischen uns auch in diesen Ländern nicht mehr ein.

Und tragen dadurch, selbst wenn wir mit allzu viel guten Willen da gewesen sein sollten, Ja, auch nicht dazu bei, dass dort Kriegssituationen weiter eskalieren, die wir ja eigentlich befrieden wollten oder wo wir unsere Vorstellungen durchsetzen wollten. Das heißt, da müssen wir uns auch aus diesen Ländern raushalten. Nur dann haben wir die Lizenz, die Grenzen gegenüber Menschen aus diesen Ländern auch wirklich dicht zu machen. Ich sehe da einen direkten Zusammenhang.

Weißt du, Markus, früher sind doch auch keine Leute aus Afghanistan und Syrien zu uns gekommen. Vor 30 oder 40 Jahren hatten wir doch kein Problem damit, dass 100.000 Asylanträge aus Afghanistan oder Syrien gestellt wurden. Ja, das ist richtig. Aber das hat ja ganz viele, viele Gründe. Vielleicht machen wir noch mal zum Schluss, Richard, einen ganz kleinen kurzen Ausflug in die Geschichte.

Bis Ende der 70er hat ja Deutschland, glaube ich, im Schnitt keine 10.000 Asylanträge pro Jahr ausgestellt oder bearbeitet. Und dann nimmt das aber Ende der 70er zunächst mal widerwillig Fahrt auf. Im Grunde die Geschichte, die dir so nah ist, Boat People, Südostasien. Das war sozusagen das erste große Thema. Aber wenn man sich die Zahlen anschaut, ist schon spannend.

Die Zahlen steigen nie über 100.000 pro Jahr bis zu den Kriegen auf dem Balkan. 92 schnellt das plötzlich hoch auf 400.000 und 92 ist auch das Jahr von Deutschlands erster richtiger Flüchtlingskrise. Brandanschläge auf Asylbewerberheime, die Republikaner, wenn du dich erinnerst und so weiter. Das fällt übrigens zeitlich zusammen, wenn auch nicht in direkter inhaltlicher Koinzidenz, mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr.

Wir beginnen ja auch zu sagen, wir sind für Frieden und Menschenrechte und Gerechtigkeit und westliche Werte in aller Welt zuständig. Und genau parallel dazu steigen die Flüchtlingszahlen. Ja, das ist interessant. Also ich will nicht sagen, dass es eine 1 zu 1 Korrespondenz gibt, aber es sind beides Teile der gleichen Entwicklung. Das ist nämlich eine Entwicklung einer Globalisierung von Kriegen unter moralischen Vorzeichen und von Migrationen.

Also beides sind sozusagen Teile der Globalisierung. Ja, weißt du, was übrigens auch interessant ist, weil die Analogie zu heute so frappierend ist. Im Mai 1993 ziehen damals Union, SPD und FDP gemeinsam, dass das, was jetzt nicht mehr funktioniert, die Notbremse, da gab es damals diesen sogenannten Asylkompromiss. Das Grundgesetz wird um Artikel 16a ergänzt, die sogenannten sicheren Drittstaaten. Also Menschen, die aus einem Land einreisen, aus Österreich und so weiter.

Italien haben in Deutschland kein Asylrecht. Und das ist natürlich interessant. Es gab übrigens eine große gesellschaftliche Diskussion, an die ich mich lebhaft erinnere. Das Boot ist voll. Und man hatte Angst damals vor Schönhuber und seinen Republikanern. Genau. Und sozusagen dieses wiedervereinigte Deutschland, das war ja damals auch Thema, ist praktisch in der Sekunde, wo du diesen 16a an den Start bringst, eine Insel inmitten von neun anderen Staaten.

Das ist ein Taschenspielertrick gewesen im Grunde, ein politischer, aber hat funktioniert. Und in Deutschland hat im Grunde kaum noch jemand Asyl beantragt.

Wir haben ja ein paar Mal schon über Paul Collier geredet, dieser Oxford-Ökonom, den ich mal zu einem längeren Interview getroffen habe, sehr interessanter Mann, der in einem Buch, das man genau beschrieben hat, ich glaube es gestrandet heißt das, wo er damals sagte, dieser riesige Schengenraum, der dann in der Zeit auch entstanden ist, war eine gute Sache, rein ökonomisch. Aber man hat sozusagen im Grunde völlig sträflich vernachlässigt eine gemeinsame, konsistente Einwanderungspolitik.

Und es wurde ja immer nur so ganz lapidar gesagt, naja gut, also wenn jetzt die Grenzen alle fallen, dann ist ja klar, dass wir dann aber die Außengrenzen umso klarer schützen müssen.

Und ich habe mit Thorsten Frey mich noch nach der Sendung neulich unterhalten und er sagte zu mir, wissen Sie, wenn es immer heißt, 15.000 deutsche Bundespolizisten können die 3.000 Kilometer Grenze in Deutschland nicht schützen, dann frage ich sie, können denn dann 10.000 Frontex-Soldaten die europäische Außengrenzen schützen? Und die Antwort ist nein und da siehst du auch das Problem, wie unglaublich lässig man das angeht.

Ich finde das alles ziemlich traurig und dramatisch und ich weiß nicht, wie du das siehst, Richard, weil eines bleibt ja bei dieser ganzen Geschichte jetzt und das ist das, was jetzt passiert ist, weil man die Dinge so lange hat schleifen lassen und das werfe ich ehrlich gesagt als einziges wirklich der Politik vor. Durch diese Art der Debatte jetzt sind wir nicht mehr in der Lage, über Migration und Einwanderung so zu reden, wie man eigentlich darüber reden müsste.

Wir reden nicht konstruktiv darüber, sondern wir reden die ganze Zeit über die Frage, darf man mit der AfD stimmen oder nicht. Also wir haben die Migrationsfrage überlagert durch die Brandmauerfrage. Und meine Einschätzung ist, dass man das hätte verhindern können, indem man das Migrationsthema mit Schwung und Kraft nach der Wahl angegangen wäre.

Ja und wir reden, was ich auch meine ist, wir reden nicht darüber, dass wir wie alle westlichen Länder, wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, dann werden wir Einwanderung brauchen und darüber muss man konstruktiv sprechen. Schaffen wir es, konstruktiv miteinander umzugehen, ein gelingendes, funktionierendes Gemeinwesen hinzubekommen oder nicht?

Das ist eine soziale Frage und es ist die Frage, ob wir als liberale Demokratie unter diesen Bedingungen gedeihlich weiter bestehen können oder nicht. Genau. Und das ist in Amerika das Gleiche. Ich habe eine Idee davon, wie das, was da gerade so geredet wird, zum Teil in den Ohren dieser Millionen von Migranten klingt, die von morgens bis abends maximal gesetzestreu, weil sie nicht von der Polizei erwischt werden wollen. Und die wollen keinen Ärger.

Wirklich extrem gesetzt. Die fahren keine Meile zu schnell auf dem Highway. Und es ist in Deutschland nichts anderes. Die allermeisten Arbeiten sind sehr, sehr fleißig. Der ganze Aufbau auf dem deutschen Arbeitsmarkt in den letzten Jahren war ausschließlich migrationsgetrieben. Wenn du dir anschaust, wie viele Leute in den nächsten Jahren in Rente gehen, wird das auch so weitergehen. Wir werden in den nächsten Jahren sieben Millionen Menschen haben. Boomer.

Du in dem Fall, ich bin ja raus, wie du weißt, die sich in die Rente verabschieden. Und der Wohlstand und der Zuwachs an Wohlstand, der muss irgendwo herkommen. Und deswegen muss man versuchen, konstruktiv darüber zu reden. Und das klingt in den Ohren dieser Leute, klingt das ganz grauenvoll. Und das bleibt im Moment alles komplett außen vor.

Und das ist das Versäumnis von Politik. Dann will ich dich am Ende all der Beunruhigung, die du zu Recht verschwürst, beruhigen und sagen, ich werde mit 67 nicht in Rente. Das freut mich, Richard. Dann können wir uns noch ein bisschen zusammen austauschen. Immer spannend mit dir. Danke dir sehr, Richard. Ich danke dir auch. Hab eine gute Woche. Es hat Spaß gemacht. Danke dir. Ciao. Music.

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