AUSGABE 176 (Kanonen oder Butter - wie viel ist uns der Friede wert?) - podcast episode cover

AUSGABE 176 (Kanonen oder Butter - wie viel ist uns der Friede wert?)

Jan 17, 202556 min
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Episode description

„Wir brauchen neue Ideen, wie man nicht nur eine Altbausanierung an einem Wirtschaftsmodell macht, das nicht zukunftsfähig ist, sondern in zukunftsfähige Wirtschaftsmodelle investiert,“ so startet Richard David Precht in diese Folge. Markus Lanz stimmt ihm zu und nimmt selbst eine totale Ratlosigkeit im Land wahr - keine Ideen, keine Visionen. Der Einzige, von dem Reformvorschläge kommen, sei der Grünen-Chef Robert Habeck. Der löst bei Precht allerdings nur negative Erinnerungen an seine Tee-Stubenzeiten aus, zu weit hat sich die Partei nach seinem Geschmack vom Pazifismus entfernt. Schließlich denkt Robert Habeck heute an 3,5 Prozent, Donald Trump sogar an 5 Prozent des BIP für den Verteidigungsetat. Diese Zahlen klingen klein, fein und irgendwie ganz überschaubar. Aber wenn wir 5 Prozent in die Verteidigung stecken, hätten wir auf einen Schlag fast den halben Jahreshaushalt verplant. Wofür genau? Sind tatsächlich deutsche Grenzen bedroht?

Transcript

Music. Schönen guten Morgen Richard. Guten Morgen Markus. Wo erreiche ich dich? In der Cheminate wieder mal. Sehr schön. Ruhige Zeiten, graues Wetter, wenig los. Ja, genau. Das Übliche. Aber wir haben eine komische Stimmung im Land, finde ich. Und unter anderem darüber wollte ich heute mit dir sprechen. Eine Stimmung, die ich ehrlich gesagt so noch nie wahrgenommen habe.

Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe noch nie, wirklich noch nie, seitdem ich irgendwann mal mit dem Zug in diesem Land angekommen bin, so viele Menschen gehört, die auf dich zukommen und sagen, was wählst du eigentlich? Wen wählst du eigentlich? Was soll ich denn eigentlich wählen? Eine totale Ratlosigkeit auf der einen Seite. Ich nehme keine Euphorie auf der anderen Seite wahr für irgendjemanden. Ich nehme schon gar keine Friedrich-März-Euphorie wahr.

Da ist keine Begeisterung, da ist aber auch keine Vision, keine Idee. So eine unglaubliche Verzagtheit, was die Frage angeht, wo ist denn eigentlich ein guter Plan für Deutschland? Wie geht es dir? Ähnlich. Also die Anzahl der Menschen, die mich das fragen, ist ebenfalls viel größer als bei jeder anderen Wahl. Die Beliebtheitswerte des Personals, das sich zur Wahl stellt und sagt, ich möchte Bundeskanzler werden, waren schon früher nicht mehr,

schon seit langer Zeit nicht mehr besonders hoch. Aber dieses Jahr sind sie besonders tief. Ich glaube, da gibt es kaum einen, der überhaupt in den Plusbereich kommt. Sondern eigentlich sind alle irgendwo im Minusbereich nur unterschiedlich tief. Man hat also das Gefühl, man will eigentlich keinen von all denjenigen, die sich als Kanzlerkandidat haben aufstellen lassen, zum Kanzler haben. Und ich habe auch das Gefühl, die Leute haben gar keine richtige Lust auf Wahl.

Und die Parteien haben ehrlich gesagt auch keine richtige Lust auf Wahlkampf. Und das ist eine ganz merkwürdige Stimmung. Also vielleicht ist es schon etwas länger so, die Medien versuchen immer zu sagen Schicksalswahl oder ich bin vor ein paar Tagen am Parteigebäude der CDU vorbeigekommen, da steht ganz riesig groß Politikwechsel drauf. Ich glaube, das muss man so groß draufschreiben, weil man Angst hat, dass die Leute einem das sowieso nicht glauben.

Und ich persönlich glaube es auch nicht. Ich glaube also nicht, dass es einen fundamentalen Politikwechsel gibt. Ein fundamentaler Politikwechsel wären völlig neue Ideen zur Finanzierung der Rente, zur Finanzierung eines maroden Gesundheitssystems, eine Neuausrichtung des europäischen Kompasses und alles, was eben sozusagen dazu gehört, dass man sagt, man erfindet sich irgendwo ein Land neu.

Oder verdammt gute Idee, wie man nicht in den nächsten Jahrzehnten einfach nur Altbausanierung an Wirtschaftsmodellen macht, die nicht mehr zukunftsfähig sind, sondern tatsächlich in zukunftsfähige Wirtschaftsmodelle investiert. Also alles das wäre ein Politikwechsel und man weiß ganz genau, egal in welcher Koalition das nach der nächsten Wahl sein wird und es gibt ja nur zwei, die realistisch sind, dann wird dieser Politikwechsel definitiv einfach nicht stattfinden.

Ich glaube tatsächlich, es gibt nur eine, die realistisch ist. Tatsächlich nur eine. Also die wahrscheinlichste ist schwarz-rot und die immer noch denkbare ist schwarz-grün, weil zu erwarten ist, dass die FDP und die Linkspartei nicht reinkommen. Und dann ist zumindest denkbar, dass es noch schwarz-grün werden könnte. Also eine wahrscheinliche und eine etwas unwahrscheinlichere Konstellation und

mehr ist sowieso nicht drin. Ja, aber du machst jetzt das, was ich gerade in Sendungen auch die ganze Zeit erlebe. Im Grunde blenden wir einfach aus und Politiker nuscheln das dann auch gerne weg, die Tatsache, dass da in München jemand sitzt, der so dermaßen kategorisch ist.

Ausgeschlossen hat, dass ein Koalitionsvertrag mit den Grünen unterzeichnet, dass ich mich frage, wie soll selbst Markus Söder, der eine gewisse Flexibilität in der Lage ist, einen Tag zu legen, wenn es um Meinungen und Haltungen geht, von dem Baum, würde ich sagen, kommt der nicht mehr runter, ohne das letzte bisschen Restglaubwürdigkeit zu schreddern. Ich halte das für ausgeschlossen. Außerdem gibt es ja auch eine wirklich persönliche Feindschaft zwischen Söder und Habeck.

Ja, das... Also die scheint ja wirklich sehr, sehr ausgeprägt zu sein. Aber auf der anderen Seite muss man sagen, Robert Habeck, alle seine öffentlichen Äußerungen, die er macht, deuten darauf hin, dass er gerne das Parteiprogramm der CDU übernehmen will. Ja, ja, exakt. Er verzichtet auf alle in der CDU irgendwo strittigen grünen Positionen. Er ist in vielen entscheidenden Punkten schwärzer als die CDU.

Das heißt also, der biedert sich, muss man ganz ehrlich sagen, mit allem, was ihm zur Verfügung steht, bei der CDU an. Und damit wäre er der leichtere Koalitionspartner als die SPD. Und das ist tatsächlich interessant. Ich würde es nicht Anbieter nennen. Ich habe Robert Habeck immer als Pragmatiker wahrgenommen.

Die große Frage ist, das kann man auch belegen, wenn man sich mal anschaut, was der in Schleswig-Holstein gemacht hat, auch als Landwirtschaftsminister, das ist bemerkenswert in vielerlei Hinsicht. Er ist auch einer der wenigen, der sich nicht wegduckt, wenn es darum geht, mal was Klares anzusagen, auch mal eine Zahl anzusagen, manchmal auch Verwirrendes anzusagen. Klare Ansagen von Robert Habeck.

Reden wir über dieselbe Person. Ich begründe das gleich. Dieser Mann, der, wenn er einen Satz anfängt, meistens keine Idee hat, wie er ihn beenden will, macht klare Ansagen. Du magst ja offensichtlich auch, wir haben ja schon häufiger darüber geredet. Ich bin ja, was die frühen Grünen anbelangt, Teestuben geschädigt. Also ich hatte ja in meinen Berührungspunkten mit den Grünen als junger Mann immer das Problem, dass sie meine Sprache nicht mochten.

Das war ihnen immer zu aggressiv und zu konkret und so weiter. Und auch jemand persönlich anzugehen, das durfte man schon mal gar nicht bei den Grünen. Du armer musst das jetzt hier seit Jahren mitmachen. Da gab es dann immer so einen, der dann eingriff und dann sagte so, Freunde, ey, nicht solche Töne. Und das fällt uns ja auch schwer. Und wir haben es uns ja auch schwer getan mit der Entscheidung. Und glaub mir. Und das, wenn ich Robert Habeck sehe, dann kommt dieser Teestubengeist wieder.

Dieses Freunde, ich meine es doch gar nicht böse. Ich will doch nur, dass wir uns alle untereinander gut verstehen. Und glaub mir, mit dem Emir von Katar, ja. Aber man muss ja auch die Verantwortung und das Land und so weiter. Und viele Leute finden, diese Art zu sprechen, So herrlich aufrichtig. Und ich finde sie wunderbar unaufrichtig. Und das ist der Punkt, warum Robert Habeck und ich auch in den öffentlichen Diskussionen, die wir hatten, nicht zusammenkommen. Also du magst ihn einfach nicht?

Wegen der Teestubenatmosphäre? Nicht mögen, ist ein großes Wort. Ich würde sagen, seine Art, die viele Leute so nett finden, die liegt mir nicht. Vielleicht mag ich diese Art von nett sein einfach nicht. Aber was ist daran unaufrichtig? Das verstehe ich nicht. Das ist so eine wohlfeile Position. Also man verrät unter Umständen seine Ideale, man wechselt total die Fronten.

Und das kann man alles. Man muss nichts anderes machen, als einfach immer nur unheimlich betroffen dabei zu sein und sagen, wie schwer es einem gefallen ist. Ich will nicht hören von einem Politiker, dass einem eine Entscheidung wahnsinnig schwergefallen ist und so weiter und dass er mit sich selbst gerungen hat und so weiter.

Also ich bringe ja immer Helmut Schmidt als Beispiel. Ich oute mich ja dann immer gerne, nicht als Fan von allem von Helmut Schmidt, aber zum Beispiel als Fan seiner Rhetorik und in der Art und Weise seines Politikstils auf jeden Fall. Der hat auch nicht jedes Mal so ein Bohei gemacht und gesagt, dass seine Gefühle dabei sind und dass er ja eigentlich Magenschmerzen hat, aber dass er das jetzt doch machen muss und so weiter. dann hält man lieber die Klappe.

Also es ist vielleicht eine Frage des persönlichen Stils. Und ich kann auch nicht damit leben, dass eine Partei, die ich mal gewählt habe als pazifistische Partei, jetzt die Partei ist, die mehr Geld für Waffen ausgeben will als jede andere Partei in Deutschland. Also tut mir leid, es gibt Grenzen des Verrats an den eigenen Idealen. Okay, da reden wir jetzt über was Inhaltliches. Aber diese emotionale Ebene, und ich muss jetzt mal zu einer Gegenrede hier ansetzen.

Also wenn ich an sprechende Magenschmerzen denke, dann denke ich an Rolf Mütze nicht. Findest du? Den habe ich dann vor Augen. Ich finde, dass das so ein Mann mit ganz klaren, sauberen Ansagen ist. Das ist wahr? Der wabbelt nicht hin und her und eiert nicht und redet auch nicht über seine Gefühle und solche Sachen. Ja, okay. Aber lass mal die Gefühle außen vor, ganz ehrlich. Also diese persönlichen Befindlichkeiten spielen doch keine Rolle.

Aber wenn ich das Rumgeeier um die Bewaffnung von fünf Drohnen mir mal anschaue, das da in den letzten Jahren in der SPD stattgefunden hat, insbesondere auf Betreiben von jemandem wie Rolf Mützenich, dann muss ich sagen, irgendwie schwierig. Ja, aber das ist jetzt was anderes. Wir haben uns gerade über Politikstil unterhalten, über Rhetorik. Und das ist ja nicht das, was du Mützenich vorwirfst, sondern die stört seine Haltung. Ja, exakt.

Du hast ja auch gerade über Inhalte gesprochen, wenn du sagst, mich stört, dass eine Partei, die aus dem Pazifismus kommt, plötzlich ansagt 3,5 Prozent für Rüstung. Aber mein Thema in dem Zusammenhang ist folgendes. Erstens argumentieren die Gründe anders. Ich erinnere mich an einen wirklich interessanten Moment, der ist eigentlich so in der öffentlichen Wahrnehmung, glaube ich, weitestgehend untergegangen. Aber in meinem Kopf hat sich das tief eingebrannt.

Der Ukraine-Krieg beginnt. Dr. Anton Hofreiter, den wir beide mögen und von dem du sagst, dass nur die Frisur ihn davon abhält, in der CSU zu sein. Der so eckig und kantig und knorrig ist und deswegen schätzt man, also ich schätze ihn deswegen, macht keine Gefangenen. Der sagt, was er denkt und er argumentiert häufig auch klug. Egal, was man von ihm politisch hält. Also früher zumindest, ja. Ja gut, das passt dir jetzt nicht, aber ich sage, es ist weiterhin so. Der ist gerade.

Dr. Anton Hofreiter sagt... Und auf den Vorwurf, Vorhaltung meinerseits, ihr kommt ja aus dem Pazifismus, sagt der Herr Lanz, das ist schon richtig, aber wir waren auch immer die Partei der Menschenrechte. Und das ist der Grund, warum wir das so klar benennen. So und jetzt komme ich zu Robert Habeck.

Robert Habeck war derjenige, der schon im August 2021 nach einem Besuch in der Ukraine, wohl wissend, nicht nur wie unpopulär das Thema in seiner eigenen Partei ist, sondern wissend auch, was das in dieser deutschen Öffentlichkeit auslöst und dann auch noch von den bösen Grünen, sich getraut hat, sich hinzustellen und zu sagen, Freunde, da braut sich was zusammen und wir müssen denen helfen. Das ist das, was Robert Habeck gemacht hat. Der Einzige, der sich das traut.

Das Zweite, die Rhetorik. Wenn wir Politikern gerne vorwerfen, dass sie in Floskeln und in Stanzen sprechen, dann sage ich dir, einfach nur als Gegenrede, und nimm es oder nimm es nicht. Ein Habeck ist zumindest jemand, der sich erkennbar immer darum bemüht, genau so floskelhaft, stanzenhaft nicht zu sprechen. Das tut er. Dabei vergaloppiert er sich manchmal. Da gebe ich dir völlig recht. Und manchmal ist es dann auch ein bisschen verwirrend, was er möglicherweise von sich gibt.

Jüngstes Beispiel hatten wir gerade, als es um die Frage der Besteuerung von Kapitalerträgen ging, um die maroden Krankenkassen zu stützen. Aber von der Idee her ahne ich ungefähr, was er meint. Da ist man zu früh rausgeritten und Sascha Lobe hat bei uns in der Sendung in dieser Woche so schön gesagt, das fand ich wunderbar. Er sagte, weißt du, das Verrückte ist, die Grünen schaffen es, egal wie kurz der Wahlkampf ist, immer irgendwie einen Veggie-Day einzubauen.

Das schaffen die einfach jedes Mal. Das fand ich eine sehr gute Analyse und auch sehr, sehr lustig. Aber er hat es sich getraut. Und wenn ich mir das andere anschaue, dann sehe ich nichts und niemanden. Das wird einfach alles komplett so weggenuschelt. Da sagt man gar nichts. Schau dir bitte die CDU-Position an zur Krankenversicherung. Weißt du, was da drin steht? Da steht ein einziger Satz drin.

Wir wollen die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung durch Wettbewerb oder mehr Wettbewerb, glaube ich so sinngemäß, zwischen den Krankenkassen stärken. Das ist die Antwort der CDU. Auf eine wirklich drängende Frage. Pflegeversicherung, noch ein schönes Beispiel, habe ich mir auch gemerkt. Wir schaffen Finanzstrukturen, die eine gute Pflegeversicherung ermöglichen. Jetzt mal Frage, ist das konkret? Ist das klar? Ist das ein Plan für dieses Land? Nein.

Aber wenn Habeck nach vorne geht und sagt, ich hätte da eine Idee und die Idee basiert im Wesentlichen und da kann man sagen, ist unausgegoren und sie nennen keine Zahlen. Aber ich habe eine grobe Idee davon, dass wir Arbeit in diesem Land nicht immer noch teurer machen sollten. Wir sollten nicht immer weiter die Sozialabgaben auf kleine Löhne steigen lassen, sondern wir sollten ernsthaft eine Antwort geben auf eine soziale Frage, die da wirklich gerade hart tickt mit Stichwort Mieten und allem,

was Inflation, was das Leben gerade teuer macht. Da tickt eine soziale Frage. Und meine Antwort wäre, meine grobe Idee ist zu sagen, lass uns bitte Arbeit nicht schon wieder teurer machen auf dem Rücken kleiner Leute, sondern lass uns fragen, können wir vielleicht in welcher Form auch immer, die, die Erträge haben durch Aktiendepots, die sie irgendwo haben und so weiter, können wir die vielleicht ein bisschen mehr belasten?

Und er sagt dann zu Recht, das wäre doch ein guter Beitrag für mehr Solidarität in dieser Gesellschaft. Ich weiß nicht, was daran so schlimm ist. Daran ist überhaupt nichts schlimm. Ich habe ja, wie du weißt, ein dickes Buch über Arbeit geschrieben. Und ich mache genau diese Vorschläge. Und das insgesamt schon seit zehn Jahren in Vorträgen und so weiter.

Der Grundgedanke muss darin bestehen, Geld verdienen, zu erleichtern, also steuerlich stärker zu begünstigen und Geld ausgeben, teurer zu machen. Das ist der grundsätzliche Gedanke. Das heißt, wer viel Geld ausgibt, der zahlt auch mehr Steuern und wer weniger Geld ausgibt oder weniger zur Verfügung hat, der zahlt weniger Steuern.

Das ist der grundsätzliche Gedanke und man muss die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer beim Geldverdienen steuerlich entlasten und holt sich das über den anderen Weg zurück. Das ist der Grundgedanke. Und wenn er davon eine homöopathische Dosis übernommen hat, dann ist das ja schön. Also es ist ja nicht alles Unsinn, was Robert Hafeck sagt. Nein, ich will nur sagen, weißt du, und das Ding ist immer, wir werfen das Politikern vor, dass sie so unkonkret sind, aber schau es dir bitte an.

Und das ist auch einer der Gründe, warum alles so gerade so im Sande verläuft. Die Leute sind doch nicht doof. Die merken doch, dass da gerade Versprechungen gemacht werden. Wenn du mit Ökonomen redest, wie Marcel Fratscher und anderen, dann weisen die dir nach, dass allein die Ideen der CDU, CSU, die haben eine Finanzierungslücke und das sagt nicht einer alleine, sondern das sagen viele Wirtschaftsinstitute oder Leute, die sich damit aus, 100 Milliarden knapp.

Wenn du dir das FDP-Programm anschaust, sind wir glaube ich bei 140 Milliarden. Bei der AfD bei 150 Milliarden, wenn es um die Frage geht, wer soll das eigentlich bezahlen? SPD, auch interessant, nur unter Anführungszeichen 30 Milliarden. Das ist sozusagen einigermaßen, man verspricht den Leuten das Blaue vom Himmel und produziert gigantische Enttäuschung und bleibt ganz schön im Unkonkreten, bleibt immer im Wagen.

Wenn ich Leute aus der Union frage, wie genau finanziert ihr das, dann kommen, ja, wir werden da ein bisschen Einsparungen und dann das Bürgergeld und dann werden wir Wachstum generieren und aus diesem endlosen Wachstum wird automatisch mehr Steuer kommen und dann wird sich das schon irgendwie zurechtrücken. Ich sage nicht, dass man das nicht so machen darf. Wahrscheinlich ist es sogar die schlauere Strategie. Um die Wahl zu gewinnen.

Du meinst einfach, das Volk ist nicht reif für einen ehrlichen Wahlkampf. Das bedeutet das ja. Ein ehrlicher Wahlkampf würde sagen, wir sind in einer Rezession, wir hatten zwei Jahre Rezession und wir erwarten, wenn wir ganz ehrlich sind, keinen großen Wirtschaftsaufschwung für die Zukunft, sondern wir haben Glück, wenn wir nicht noch mehrere Jahre Rezession jetzt haben oder sogar einen richtigen Absturz.

Und in einer solchen Lage mache ich niemanden jetzt große Versprechungen, sondern wir versuchen daran, die Strukturprobleme dieses Landes anzugehen. Und dabei ist eines klar, immer wenn man große Vorhaben hat, auch zum Beispiel Entbürokratisierung, wird es Leute geben, denen man auf den Schlips tritt. Und es gibt einfach manchmal Notwendigkeiten, die man machen muss. Und es gibt auch Privilegien, die Menschen verlieren, wenn etwas umstrukturiert wird.

Pathetisch gesagt, wenn es keine Verlierer gibt, dann ist es auch keine echte Reform. So, auf der anderen Seite soll es natürlich bei dieser Reform auch Gewinner geben und so weiter. Wenn ich das jetzt so konkret alles sage, dann werde ich keine 5% der Stimmen bekommen. Genau. Das heißt also, Politiker müssen davon ausgehen, dass ihre Wähler verarscht werden wollen.

Entschuldigung, wenn ich das so deutlich sage. Ja, jemand wie Marcel Fratscher sagte neulich, die Leute werden hinters Licht geführt. Aber ich finde es so simpel und so einfach ist es nicht. Wir müssen uns schon nochmal in deren Schuhe stellen. Ich verstehe jeden Politiker, der es so macht. Weil jeder, der es anders macht, der erkennbar anders macht, der wird dermaßen durch die Mangel getrieben, so brutal und muss sich dann anhören, wie er denn auf diese Wahnsinnsidee wiederkommt.

Habeck enteignet jetzt die kleinen Sparer, Habeck geht ran an jetzt auch noch irgendwie die kleinen Aktienbesitzer und so weiter. Und dann sagt er, du pass auf, das wollen wir doch gar nicht. Wir wollen auch nicht, dass die Krankenschwester mehr bezahlt. Wir wollen nicht, dass Menschen, die untere Einkommen oder mittlere Einkommen haben, dass die mehr bezahlen. Wir wollen da oben ran. Und es ist auch ein Fakt, Richard. Und da höre ich nichts.

Kein Land der Welt hat so hohe Steuern und Abgaben auf Arbeit wie Deutschland. Und kein Land der Welt besteuert Vermögen so niedrig wie Deutschland. Amerika, das turbokapitalistische Amerika, besteuert Vermögen im Wesentlichen dann Immobilien, Grundbesitz und so weiter. Ungefähr dreimal so hoch. Drei, dreieinhalbmal, glaube ich, wie wir. Jedes Jahr werden in Deutschland zwischen 3 und 400 Milliarden vererbt weißt du wie viel der Staat davon einnimmt? 10 Milliarden.

Das heißt, man kann in diesem Land sehr, sehr gut leben und zahlt dann auch seine 25% Kapitalertragssteuer, wenn man ein so großes Aktienpaket hat, dass man ausschließlich von den Gewinnen dieser Aktien leben kann, beispielsweise oder auch Immobilienbesitz. Und auch da, du zahlst, wenn du ein kleiner Immobilien, du hast ein kleines Häuschen, das vererbst du, dann wird die Erbschaftssteuer fällig.

Wenn du groß genug bist und hast so viele Immobilien, dass du daraus sozusagen ein eigenes Unternehmen gründen kannst, dann hast du nichts. Dann wird einfach das Unternehmen sozusagen weitergegeben, dann sieht die Welt ganz anders aus. Das heißt, ich weiß jetzt, welche Wahlempfehlungen du Menschen gibst, die dich fragen, die Linkspartei zu wählen. Weil die möchte auf jeden Fall die Erbschaftssteuern erhöhen und die Schlupflöcher machen und Vermögenssteuer vergrößern. Mir geht es um was anderes.

Mir geht es darum, dass wir schon, finde ich, ernsthaft, und das ist ja ein Zusammenspiel, auch aus Medien und Politik und öffentlicher Wahrnehmung, wir müssen schon manchmal versuchen, einen Schritt zurückzutreten. Und was mich immer so stört, ist dieser Mechanismus, der da immer kommt. Und das hast du jetzt auch wieder beispielhaft an vielen Stellen gesehen. Ich muss auch mal Sarah Wagenknecht an dem Punkt.

Keine klare Distanzierung wird, nur als Beispiel, vorgeworfen von Putin und von Russland. Das stimmt nicht. Das haben die gemacht. Ich teile keine Position von Sarah Wagenknecht, was Putin und Russland haben. Sie haben sich distanziert, sie haben klar gesagt, pass auf, das ist ein Angriffskrieg. Ja immer, Sarah Wagenknecht vom ersten Moment an. Das meine ich doch. Ja, aber medial wird das anders wahrgenommen. Medial nach dem Motto,

dass wir die den Putin... Ja, aber die Parteien wollen das so, weil sie eine andere Strategie fahren, was den Ukraine-Krieg anbelangt. Wird jeder, der meint, dass der Konflikt ließe sich mit diplomatischen Mitteln irgendwie lösen, als Putin-Versteher verteufelt. Das ist natürlich alle total platte Rhetorik, so wie die CDU über Jahrzehnte lang der SPD Moskau-Treue vorgeworfen hat. Die CDU hat noch in den 80er Jahren behauptet, die SPD sei die fünfte Kolonne Moskaus. Genau.

Ja, und übrigens sehr lustig, Hans-Jochen Vogel hat das mal aufgegriffen und wollte das klarstellen und sagte dann im Parlament, wer hier behauptet, die SPD sei die fünfte Kolonne Münchens. Das ist eine schöne Formulierung, die fünfte Kolonne Münchens. Nein, jetzt aber am Rande, also das gehört sozusagen da immer zur politischen Kriegsführung dazu.

Und wenn wir Parteien haben, die ein Fairness-Abkommen haben und sagen, wir wollen hier nichts unterstellen, was wirklich Blödsinn ist, dann sollte man damit auch meintlich Schluss machen. Ja, ich will nur nochmal klarstellen, Richard, nichts liegt mir fern, als irgendwelche Wahlempfehlungen auszusprechen. Nein, das habe ich verstanden. Du weißt ja, wie es gemeint ist. Ich möchte die Quintessenz von dem, was du gesagt hast, eigentlich eine andere.

Nämlich die Quintessenz ist, mach im Wahlkampf, sag nichts Konkretes. Das konnte man von Angela Merkel lernen. Sag, sie kennen mich. Mach die Raute. Versuche das Wort Vertrauen in jeden einzelnen Satz irgendwo einfließen zu lassen. Versuche also so eine mütterliche oder väterliche Geborgenheit zu erzeugen. Das werden die Leute im Zweifelsfall wählen. Und mach keinen einzigen konkreten Vorschlag, Sie Robert Habeck jetzt, der wird dir medial immer um die Ohren gehauen. Ich habe schon gelesen,

wie großartig der Wahlkampf von Merz wäre. Er würde keine Fehler machen. Weil er nichts sagt. Weil er allgemeine Sätze sagt. Du hast das ja vorhin zusammengefasst. Auf der einen Seite macht er Versprechungen, die nicht richtig zu finanzieren sind. Dann redet er von Politikwechsel. Ist aber nicht so richtig klar, was gemeint ist. Und was wird sich am Ende wirklich ändern? Man wird das Bürgergeld nicht mehr Bürgergeld nennen, weil das zu freundlich

klingt. Man wird sich wieder einen anderen, etwas pejorativeren Namen dafür ausdenken. Aber grundsätzlich wird sich nichts verändern. Was mich am meisten interessiert, das ist jetzt nicht das einzelne Gezänk um das eine oder das andere, sondern mich beschäftigt die Frage, wie konnte es dazu kommen, dass in den großen liberalen Demokratien, sei es in den USA oder sei es in Deutschland, der Wahlkampf so sinnentleert geworden ist.

Was ist eigentlich passiert, dass wir in eine solche Lage geraten sind? Und da hätte ich zumindest erstmal eine Arbeitsthese. Weil die Leute klare Sprache nicht mehr vertragen. Also Versprechungen kannst du machen und dann hältst du die nicht richtig, hinterlässt natürlich saure Bürger. Aber wenn du jetzt wirklich deutliche, klare Sprache sprichst, ich erinnere mich, dass die CDU Anfang der 80er Jahre gesagt hat, wir haben Mut zu unpopulären Maßnahmen und damit eine Wahl gewonnen. hat.

Und das traut man sich heute nicht mehr. Und ich glaube, der Hauptgrund, warum wir in dieser Lage sind, ist, weil die Leute heute alle so emotional und so sensibel sind, dass du zu keinem Sachverhalt mehr klare Kante zeigen kannst, weil du dich sofort bei ganz vielen Leuten unbeliebt machst. Die fühlen sich da nicht richtig anerkannt oder sie denken, das geht auf ihre Kosten.

Weil wir ja auch eine Gesellschaft haben, die in erster Linie, wo jeder Einzelne sich die Frage stellt, wie komme ich auf meine Kosten? Und wo man immer wittert, dass irgendeine politische Veränderung irgendeinen nachteiligen Effekt für mich haben könnte. Wenn man das ganz brutal ausdrückt, weil die Leute nicht besonders gemeinwohlorientiert mehr sind, sondern weil die Leute an ihren partikularen Interessen interessiert sind, und zwar noch mehr, als sie das früher schon waren.

Und das führt dazu, dass man eigentlich keine Wahlkämpfe mehr machen kann, wo man sagt, im Dienste der und der Idee oder in der und der Zukunftsstrategie für Deutschland müssen wir das jetzt hier mal völlig anders machen. Das funktioniert nicht mehr. Wir haben 80 Millionen Ich-AGs, 80 Millionen ganz besondere, ganz spezielle, sehr, sehr sensible Menschen, denen niemand auf die Füße treten kann. Eigentlich hat die Politik eine Mordsangst vor den Wählern.

Ich teile das trotzdem nicht, Richard. Ich teile das nicht. Absolut nicht. Ich glaube, dass das anders ist, Richard. Ich glaube, dass, also A, klare Sprache, Trump ist klare Sprache. Vielleicht anders, als wir uns das vorstellen, aber das ist klare Sprache. Ja, aber das ist die Trotzreaktion. Auf diese Entwicklung, die ich gerade gezeichnet habe, der Prozess der Individualisierung, der Prozess der Sensibilisierung, reagieren Volkstribunen mit Trotz.

Die sagen, ich nehme auf alles das keine Rücksicht mehr, keine politisch korrekte Sprache mehr hier und ihr habt mir nicht vorzuschreiben, was Vogue ist und wie ich über Frauen zu reden habe und wie ich über Minderheiten zu reden habe und welche Worte ich in den Mund nehme und so. Und dieser Typus, das ist sozusagen der Pilz, der auf diesem morschen Stumpf gedeiht.

Ich glaube, deswegen haben wir diese beiden Seiten. Wir haben auf der einen Seite diese Feinfühligkeitsparteien, die nur hart austeilen gegenüber den Populisten, aber nicht mehr untereinander, wo bereits Thünkram und Fritze und so weiter, haben wir darüber geredet, schon viel zu weit geht.

Und auf der anderen Seite haben wir die sozusagen die Outgroup und in diese Outgroup, auf die darf man draufschlagen, aber die schlagen umgekehrt eben auch drauf und die sagen, wir halten uns nicht mehr an eure Spielregeln. Und meine Befürchtung ist, dass langfristig diese Outgroup gewinnt. Noch nicht bei der nächsten Bundestagswahl, aber dass die Zeit für sie arbeitet. Ich teile die These trotzdem gar nicht, wenn du sagst, Richard, da sind 80 Millionen Ich-AGs.

Ich glaube, das unterschätzt total und deswegen sage ich das nochmal. Auch wenn es langweilt, aber der Verweis auf amerikanische Innenstädte, da tickt eine soziale Frage und die müssen wir dringend beantworten. Ganz viele Leute sind mittlerweile unglaublich unter Druck. Die rackern sich und strampeln sich ab von morgens bis abends und versuchen irgendwie ihr Leben klar zu kriegen.

Und ich glaube, es kommt nicht gut an bei denen, wenn sie dann von jemandem wie Christian Lindner hören, dass dieses Land jetzt mal dringend mehr arbeiten muss, dass man sich jetzt mal endlich richtig anstrengen muss. Und dann auch noch Geiersturzflug zitieren, jetzt müssen wir mal hier wieder in die Hände spucken. In diesem Land spucken jeden Tag Millionen Menschen unfassbar in die Hände und strampeln sich ab und sehen trotzdem, dass sie auf keinen grünen Zweig mehr

kommen. Aus den eben genannten Gründen. Weil Arbeit zu teuer ist, weil Energie zu teuer ist. Und dann sehen sie, dass wir Dinge, die rundherum passieren, dass wir die einfach wegnuscheln und ignorieren. Jetzt will ich gar nicht über Migration und Kriminalität in dem Zusammenhang widersprechen, das haben wir schon häufig getan, aber dieses Ignorieren von ganz offensichtlichen Die Probleme, die es in dem Zusammenhang gibt, macht die Sache nicht gut.

Und wenn man dann beispielsweise zwei Tage vor einer Wahl in Thüringen, nur weil die AfD mit 30 Prozent jetzt am Horizont plötzlich auftaucht, dann doch in der Lage ist, 28 Schwerstkriminelle endlich mal abzuschieben. Aber nur 28, obwohl es eine Liste der Länder gibt, kann man alles nachlesen. Die Länder hatten hunderte Namen eingegeben und 28 pickt man sich dann raus und man sagt, das können wir jetzt einigermaßen schnell umsetzen und dann machen

wir das mal mit denen. Seitdem ist eigentlich nicht mehr viel passiert. Reine Symbolpolitik. Glaubst du, die Leute merken das nicht? Glaubst du, die Leute kriegen nicht mit, was da tatsächlich passiert? Und glaubst du, dass die Leute es nicht wütend macht, wenn sie mitkriegen, dass Schulen teilweise dysfunktional sind, weil es schlicht logistisch, das hat überhaupt nichts mit Rassismus zu tun, es ist schlicht logistisch nicht machbar, eine Schulklasse vernünftig zu unterrichten,

in der Kinder sitzen, die vielleicht 15 verschiedene Sprachen sprechen. Das geht nicht. Das geht schlicht und ergreifend nicht. Weil jeder, der zu uns kommt, muss natürlich, also die Kinder müssen natürlich von Anfang an in den Kindergarten. Wir brauchen eine Kindergartenpflicht und die müssten ausgerüstet werden mit Sprachlehrern, wahrscheinlich auch mit Therapeuten und vielem anderen mehr.

Also Leute, die aus Syrien gekommen sind. Da gibt es genug Kinder mit traumatischen Erlebnissen und so weiter, die entsprechend natürlich in ihrem Verhalten sehr, sehr schwierig für die Erzieher und Erzieherinnen sind und so weiter und so weiter. Also wir brauchen für diese ganzen Sachen unendlich viel mehr Geld und Personal. Ja, so, beides ist in Wahrheit nicht da und da muss man doch irgendwann mal das hören und sagen, pass auf, das funktioniert so nicht.

Ich meine, wie lange ist es her, dass Horst Seehofer die Frage des Wohnens zu der sozialen Frage überhaupt erklärt hat, zur Mutter aller sozialen Fragen? Was ist denn seitdem passiert? Was hat denn Olaf Scholz plakatiert im letzten Wahlkampf? Ja, ich glaube, der wollte sehr, sehr viele neue Wohnungen bauen, hat er nicht gemacht. Achso. Bezahlbares Wohnen. Ich werfe ihm das gar nicht vor. Ich werfe das auch Clara Geibitz nicht vor.

Es ist sozusagen ein Versprechen, das schlicht nicht umsetzbar war, weil wir aufgrund von Fachkräftemangel, möglicherweise auch aufgrund von fehlendem Geld, wir sind nicht in der Lage, das so schnell umzusetzen.

Wir haben die Struktur eines Landes, glaube ich, wirklich überfordert und wir haben viel zu lange einfach nicht zugehört und diese soziale Frage tickt und die muss man irgendwie beantworten und das tut man nicht, indem man den Leuten irgendwie sagt, jetzt müsst ihr endlich mal alle richtig in die Hände spucken und dann schaust du dir das Wahlprogramm auch der FDP mal genauer an.

Alle sagen, wir müssen diese hart arbeitende Mitte, genau die Mitte, von der ich gerade spreche und in dem Zusammenhang, was für ein Unsinn, wenn 60.000 Euro Jahreseinkommen jetzt schon Spitzenverdienst in diesem Land ist, ein bisschen mehr. Dann sagt man, diese hart arbeitende Mitte, um die geht es uns, die müssen wir jetzt wirklich endlich mal entlasten, weil so geht es nicht weiter,

weil die Leute zu Recht einen Wahnsinnsfrust schieben. Und dann sagst du, dann schieben wir das vielleicht hoch auf 90.000. Ich weiß auch nicht, ob 90.000 in einer sehr teuren Stadt wie München ein wirkliches Spitzeneinkommen sind, um ernsthaft irgendwie sich ein einigermaßen gutes Leben in München leisten zu können. Ich glaube nicht. Es gibt einen Grund, warum Krankenschwestern in Augsburg wohnen und in München arbeiten.

Das, was du in San Francisco gesagt hast, wo man über 200.000 Dollar verdienen muss, um in der Stadt wirklich leben zu können. Wo du bei 130.000 Dollar Jahreseinkommen armutsgefährdet bist. Genau das ist die Situation auch so. Und dann schaust du mal genauer hin. Gesagt wird, auch da wieder ganz unkonkret, diese hart arbeitende Mitte. Und dann wird immer der Dachdecker und die Krankenschwester und der Feuermann werden dann zitiert.

Die müssen das immer herhalten und sagt man, für euch machen wir das. Und dann schaust du mal genau hin. Und dann siehst du, in Wahrheit findet in vielen Programmen eine Umverteilung, auch da wieder von unten nach oben statt. Also Steuerentlastungen für Leute wie dich und mich, ist das okay? Warum? Ja, da frage ich mich auch, was das soll. Also ich verstehe den Gedanken, dass man die Kaufkraft erhöhen will, dadurch, dass man Steuern senkt.

Also das ist ja jetzt ein ganz grundsätzlicher, allgemeiner, liberaler Gedanke. Aber eigentlich sollte man doch Spitzenverdiener dann entlasten, wenn man weiß, dass das Geld, was sie dann zur Verfügung haben, unmittelbar in den Wirtschaftskreislauf fließt. Also wenn sie zum Beispiel konkrete Projekte als mittelständische Unternehmer machen, um zu investieren. Aber warum man dich und mich jetzt entlastet, wo man doch gar nicht weiß, was wir denn mit dem Mehrgeld, was wir dann haben, machen.

Und ob das irgendeinem Wirtschaftskreislauf in Deutschland überhaupt zugute kommt. Ich frage mich, was die CDU da geritten hat. FDP auch, wenn du genau hinguckst. Das ist der Punkt. Und das andere, Richard, die Frage, die ja gerade so intensiv diskutiert wird und ich habe die Reaktion beim letzten Mal gemerkt, Rüstung, Militär und dann in dem Zusammenhang diese Summen, bei denen einem schwindelig wird, wenn man das so hört, die Zahlen, die für Rüstung ausgegeben werden sollen, 5 Prozent,

das was da aus Amerika jetzt gerade kommt. Das hört sich ja so harmlos an. Das Schöne ist, wir reden über so kleine Zahlen. Och guck mal, 3,5 Prozent, 5 Prozent, das hört sich total harmlos an. Das ist so der Betrag, den man auch spenden kann. Und wenn man dann dahinter guckt, was das ganz konkret bedeutet, das bezieht sich ja nicht auf den Bundeshaushalt, sondern das bezieht sich auf das Bruttoinlandsprodukt.

Und dann kommen da gigantische Milliardensummen zusammen und prozentual explodiert der Wehrhaushalt. Um das mal klar zu machen, dieses 2% Ziel, das ja lange immer diskutiert worden ist. Bedeutet angesichts der Größe des deutschen Haushaltes, der ist knapp 490 Milliarden, aber das BIP, darum geht es, geht um 2% vom BIP, Bruttoinlandsprodukt, 4400 Milliarden, das ist das deutsche BIP. Das heißt, 2% davon bedeuten 88 Milliarden. 18% des Haushalts, muss ich mal klar machen.

Also jeder fünfte Euro geht dann sozusagen in die Rüstung. 3,5 Prozent, das ist das Ziel, das Habeck gerade mal sehr konkret formuliert hat und einer der wenigen, auch da wieder, T-Stuben Habeck, der sich traut, das mal klar und deutlich anzusprechen. 3,5 bedeuten 154 Milliarden. Da bist du schon bei 30 Prozent, über 30 Prozent des deutschen Haushalts.

Das heißt, jeder dritte Euro geht dann in die Rüstung. Und wenn du über die 5% redest, dann wird es ganz abenteuerlich, dann bist du bei 220 Milliarden Euro, also ohne Tricksereien und Sondervermögen und so weiter. Das sind dann ungefähr 45%, also fast die Hälfte jeder zweite Euro des Haushalts für Rüstung. Das ist Wahnsinn. Das bedeutet, dass wir auf Kriegswirtschaft umstellen.

Also 4 oder 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Waffen auszugeben, um dann 40 Prozent oder die Hälfte des gesamten Bundeshaushaltes nur noch für Waffen und Aufrüstung und Militär und Verteidigungsausgaben im Allgemeinen ausgeben. Dann sind wir, das sind Etats, die sonst nur kriegsführende Länder haben. Deswegen diese kleinen Zahlen, 3,5 Prozent, die so harmlos klingen und so weiter.

Mir wäre lieber, die würden mal diese 100 und 150 Milliarden und so diese Zahlen in den Mund nehmen, damit die Leute mal eine leise Vorstellung haben, was hier zukünftig für Waffen ausgegeben werden soll oder für Verteidigung im Allgemeinen, das sind natürlich nicht nur Waffen.

Und dieses ganze Geld, das überall da fehlt, wo wir vorhin drüber gesprochen haben, wo wir gesagt haben, die Finanzierungslücken, die wir haben, also all die Versprechungen, die gemacht werden in Hinsicht auf Steuerentlastungen und Rente und über Gesundheitssystemen haben wir noch gar nicht gesprochen. Wir können uns das nicht leisten.

Aber was ich viel interessanter finde und das stört mich an der öffentlichen Diskussion, das ist die Frage, wofür genau und aus welchem Grund sollen die Verteidigungsausgaben auf so und so viel Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen? So, die allgemeinste Antwort darauf ist aufgrund der russischen Bedrohung. Ja, okay, gebongt. Muss man mir aber jetzt etwas konkreter erklären. Um was geht es bei der Bundeswehr? Geht es A, um die Landesverteidigung?

Die Landesverteidigung würde bedeuten, wie viel Geld braucht die Bundeswehr, damit wir in der Lage wären, in einem konventionellen Krieg, weil einen Atomkrieg braucht man nicht drüber zu reden, der wäre sehr schnell vorbei.

Im Falle eines konventionellen Krieges, also ein Krieg mit Russland, der nicht in einen Atomkrieg mündet, was eigentlich fast logischerweise der Fall ist, in dem Moment, wo der erste russische Soldat durch Weißrussland durchmarschiert, über die polnische Grenze geht oder über die Slowakei oder wo auch immer reingeht auf deutsches Gebiet.

Wir haben ja keine Grenze zu Russland, da sind noch andere Länder dazwischen und es dann darum geht Landesgrenzen zu verteidigen, so wie die Ukraine ihre Landesgrenzen versucht zu verteidigen. Ist das ein realistisches Kriegsszenario und dann werden wir natürlich sehen, ist es nicht, sondern in dem Moment, wo der erste russische Soldat über die polnische Grenze geht, tritt der Bündnisfall ein. Dann versammeln sich auf deutschem Boden die Heere der Welt.

Dann kommt es sozusagen wie bei Tolkien zur Schlacht um Gondor. Dann wären die Engländer hier, dann wären die Franzosen hier, dann wären die Amerikaner hier und so weiter. Und in Deutschland würde nach einem solchen Krieg kein einziger Stein mehr auf dem Mann anstehen. So, jetzt haben wir ja das Glück, bei aller Gefahr, die für die Ukraine von Russland ausgeht und von all der eiskalten Machtpolitik, die Putin betreibt.

Dass er mit Sicherheit nicht Deutschland im Visier hat. Das hatten die Russen noch nie. Auch in Zeiten des Kalten Krieges gab es, glaube ich, keine feuchten Träume, was man ausgerechnet von Deutschland wollen würde. Überhaupt die Vorstellung, Westeuropa anzugreifen, ist also völlig außerhalb der russischen Machtfantasien von Peter dem Großen über Stalin bis hin zu Putin. Also ich glaube, dieses Szenario gibt es gar nicht, weil überhaupt nicht klar wäre, es wird militärisch nicht funktionieren.

Nur mal in Parenthese gesagt, die NATO-Staaten geben 13 Mal mehr Geld für Waffen aus als Russland. Wir sind also haushoch militärisch überlegen, auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt und noch ohne das BIP. Also rein sozusagen formal, es ist mir schon klar, da gehört noch viel mehr zu, um den Krieg zu führen, als einfach nur Rüstungsausgaben, das weiß ich. Aber wir sind jedenfalls sehr, sehr viel höher gerüstet insgesamt als Russland. Und warum sollte er das haben wollen?

Also warum, was sollte der feuchte Traum dahinter sein? Es gibt kein Öl in Deutschland, die Erdgasvorkommen haben sie alle selber. Es gibt überhaupt kein Motiv für einen solchen Krieg. Deswegen möchte ich diese Rede damit beenden zu sagen, um das, was ich hier die ganze Zeit erzählt habe, geht es nicht. Es geht nicht darum, dass Putin Deutschland angreift und es geht nicht um Landesverteidigung. Das kann gar nicht sein.

Sondern es geht darum, die Bundeswehr grundsätzlich wehr- oder kriegstüchtig zu machen für den Fall eines Bündnisfalles. Und ich finde, das sollten wir ganz sauber voneinander unterscheiden. Es geht nicht darum, Deutschland hier das Territorium zu verteidigen, sondern es geht darum, was ist, wenn es einen Vorfall in einem baltischen Staat gibt.

Und wenn in einem solchen Fall der Bündnisfall eintritt, dann müsste Deutschland in der Lage sein, sich militärisch vollwertig daran beteiligen zu können. Das ist doch das, worum es jetzt bei der Aufrüstung geht und nicht um die Verteidigung der deutschen Grenzen. Also ich versuche das mal zu sortieren und zu verstehen, warum wir diese gigantischen Beträge investieren wollen.

Ja, es gab und da bist du natürlich auch auf der richtigen Spur und ich will noch eine Sache kurz einfügen, Richard, weil du vorhin sagtest, die Verteidigungsausgaben der NATO übersteigen die Verteidigungsausgaben Russlands um das 13-fache. Selbst wenn du die Amerikaner abziehst, ist es immer noch das Dreifache. Das ist auch interessant, wenn du sozusagen die anderen NATO-Mitglieder alle nimmst, bist du immer noch beim Dreifachen.

Und natürlich geht es da schon auch um die Tatsache, was Russland da gerade macht. Ich habe in dieser Tage, ich glaube es war Carlo Masala, der sagte, oder Sönke Neitzel, in Russland muss man sich klar machen, da wird dermaßen aufgerüstet. Du fährst einen Panzer, den du gerade neu produziert hast, in die Ukraine und den anderen Panzer fährst du auf Halde ins Lager. Also du produzierst zwei. Einen für die Ukraine und einen für den Fall, was dann möglicherweise als nächstes kommt.

Also da hat sich schon tatsächlich etwas verändert und wenn man sich mal anschaut, mit welcher Hemmungslosigkeit Russland in der Ukraine schwerste Kriegsverbrechen begeht, dann versteht man, dass es da sozusagen auch keine moralische Hemmschwelle mehr gibt. Und ich glaube auch, und es ist interessant, es gab vor einiger Zeit so einen Leak, der gezeigt hat, wie sich diese russische Militär- und insbesondere Nukleardoktrin verändert hat.

Da wird ganz offen, das war das erste Mal, dass das mal so klar wurde, wird ganz offen darüber nachgedacht, dass man natürlich auch taktische Nuklearwaffen, Nuklearwaffen, Waffen mit einer geringeren Sprengkraft. Dass man die natürlich auch mal einsetzen kann und zwar mit einer relativ niedrigen Hemmschwelle.

Hat man aber Gott sei Dank bisher, wir reden darüber seit dem Beginn des Ukraine-Krieges, bisher nicht gemacht, muss man auch mal dazu sagen, aber es ist natürlich klar, Gedankenspiele, die in diese Richtung gehen, sind erschreckend. Und es gab vor einiger Zeit, fand ich sehr interessant, ich glaube bei X, einen längeren Beitrag von Fabian Hoffmann, das ist Militärexperte an der Universität in Oslo.

Der dort die These vertritt, dass der NATO eigentlich nur noch zwei bis drei Jahre bleiben könnten, um eine effektive Abschreckung sozusagen gegen Russland aufzubauen. Und er sagt, das russische Denken bezüglich eines Krieges mit der NATO dreht sich wirklich um Konzepte Eskalationskontrolle und Eskalationsmanagement. Also Russlands vorrangiges Ziel, sagt er, in einem Krieg mit der NATO wäre es, eine Eskalation effektiv zu managen und den Krieg zu einem frühen Ende zu bringen,

zu Bedingungen, die vorteilhaft sind für Russland. Richtig, das stimmt. Also die Drohungen des Einsatzes von Atomwaffen, die sehr versteckten und indirekten Drohungen und so weiter, gehen von Russland aus, weil die Russen wissen, dass sie diesen konventionellen Krieg verlieren würden. Und weil sie wissen, dass sie einen konventionellen Krieg verlieren werden, werden sie auch keinen konventionellen Krieg gegen NATO-Staaten machen.

Ja, und sie selber benutzen, das ist sozusagen wie so ein Tier, das über irgendeine massive Abschreckungswaffe verfügt und sich immer weiter aufbläst, damit es irgendwie dreimal so groß erscheint, wie es ist, wird mit der atomaren Gefährdung gedroht, weil man schwach ist. Es ist die Waffe, das in diesem Fall im direkten Vergleich zur NATO deutlich schwächeren.

Genau und er dekliniert und buchstabiert das nochmal ein bisschen deutlicher aus und dann fängst du plötzlich an anders und intensiver darüber nachzudenken. Sagt Rüssland würde bei einer Invasion an der Ostflanke, Baltikum ist das Thema, auch kritische zivile Infrastruktur in anderen europäischen Ländern angreifen. Und zwar, um die Alliierten davon abzuhalten, den osteuropäischen Partnern zu Hilfe zu kommen.

Und würde dann gleichzeitig seinen Nuklearschirm sozusagen auf all das NATO-Gebiet ausdehnen, das es bei einem solchen ersten Angriff erobern könnte. Und das würde sofort eine zweite Botschaft schicken. Jeder Versuch, das Gebiet zurück zu erobern, besonders durch externe NATO-Kräfte, Amerika zum Beispiel, wird dann eine nukleare Eskalation zufolge haben. Das heißt, Russland würde genau diese Eskalationsangst instrumentalisieren.

Die westliche Regierung ja schon in den letzten zwei Jahren, denke an Olaf Scholz, immer wieder hat zögern lassen, wenn es darum ging, die Ukraine mit modernen Waffen auszustatten. Und ich weiß, wir hatten das Szenario mal in der Sendung und genauso skizziert er das. Dieses Konzept der häppchenweisen Landnahme, Stück für Stück. Du gehst rein nach Estland, wären wir Russland.

Wirklich bereit, wenn Russland erstmal die ersten 10 Quadratkilometer Estland angegriffen, erobert hat, ein paar Dörfer im Baltikum, wäre theoretisch der NATO-Bündnisfall. Wären wir dann ernsthaft bereit, da sofort mit allem, was die NATO hat, zurückzuschlagen? Theoretisch müssten wir das. Und diese Strategie, die hat sich ja in der Ukraine jetzt über Jahre beobachten

lassen. Ja, also Moskau hat 2014, haben die so erste Landgewinne auf die Art und Weise abgesichert, um sie dann mit der Invasion 2022 dann nochmal weiter auszuweiten. So und deswegen versteht man auch, warum in den baltischen Staaten die Sorge so groß ist, warum die so bereit sind, auch der Ukraine zu helfen, weil sie sagen, da geht es um so viel mehr. Und auf diese Art von Szenario, diese Salami-Taktik, dieses Häppchenweise.

Da bin ich mir nicht sicher, ob wir als Westen wirklich bereit wären zu sagen, okay und jetzt wehren wir uns notfalls mit allem was geht und das würde dann bedeuten NATO bündnisfall. Das ist der Punkt. Gut, also das Beruhigende für mich an der ganzen Situation ist, dass der Ukraine-Krieg kein Krieg primär um Land ist und ich glaube nicht, dass es das Hauptinteresse Russlands ist. Land zu gewinnen und sich einzugemeinden. Das größte Land der Welt braucht kein Land.

Es braucht auch die drei baltischen Staaten nicht im Sinne von, wir brauchen das Land. Das unterscheidet es fundamental vom Zweiten Weltkrieg. Als Adolf Hitler meinte, er müsste die slawischen Länder alle einkassieren, weil die Deutschen das als Lebensraum zukünftig bräuchten. Oder weil sie die Bodenschätze alle haben wollten. Spielte ja auch damals schon eine riesige Rolle. Diese Motive gibt es nicht. Aber es gibt einen Kampf um geostrategisch wichtige Regionen.

Das ist das, was sich ja tatsächlich abspielt und das ist das auch, geht ja nicht darum, die ganze Ukraine als Land irgendwie einzusacken, dann hat er 100 Jahre Bürgerkrieg, sondern es geht darum, Einfluss auf die Ukraine zu nehmen oder zumindest einen genauso großen Einfluss, wie der Westen das hat und es geht um geostrategisch wichtige Ziele, wie bei der Krim zum Beispiel.

Die Russen hatten eine tierische Angst, dass nachdem also der Schwarzmeer-Flottenvertrag auslaufen würde, das stand ja relativ nahe bevor, die Ukraine einen solchen Vertrag mit den USA abschließt und dann entsprechend die US-amerikanische Flotte auf der Krim liegt. So und das Baltikum ist so gesehen auch nicht ganz uninteressant, aber auf der anderen Seite hat Putin jetzt 24, 25 Jahre Zeit gehabt, das Baltikum anzugreifen und hat es Gott sei Dank bislang nicht gemacht.

Das ist zwar keine Garantie dafür, dass es nicht grundsätzlich passieren kann, aber ich glaube nach dieser gefährlichen Eskalation, die ja auch den Selbstmord Russlands beinhaltet, ein Atomkrieg ist auch das Ende Russlands, aller Russen, des gesamten russischen Territoriums. Also mit dem Risiko NATO-Staat, was die Ukraine ja nicht war, mit dem Risiko NATO-Staat, was das Baltikum ist oder was Polen ist, ein solches Land anzugreifen.

Das setzt einen Faktor am Irrsein voraus, den ich Putin, den ich für skrupellos und eiskalt halte, aber überhaupt nicht für Irre, auch immer noch nicht für Irre halte. Deswegen glaube ich auch nicht, dass das passieren wird. Das ist das Gute an dem ganzen Mist, weil wenn das einmal passiert, Markus, kommen wir in eine Spirale raus, die nur noch entsetzliche Folgen zeitigen kann. Ja, das ist dann das alte Thema. Wer als erster schießt, ist als zweiter tot.

Aber wenn du mal den Blick noch mal ein bisschen weiterstrichert, Das ist ja das, finde ich, was... Eigentlich so besorgniserregend ist, die Welt muss zur Kenntnis nehmen, dass ein neues Nuklearzeitalter begonnen hat. Das ist eigentlich das Thema. Die Welt rüstet nuklear gerade auf wie noch nie. Dieses jahrzehntelange Gleichgewicht des Schreckens gilt eigentlich als überholt, muss man sagen. Und das zwingt auch beispielsweise eine Weltmacht wie Amerika zum Umdenken.

Ich meine, geh mal weg von der Ukraine. Zum ersten Mal befinden sich die Amerikaner in einer potenziellen Konfrontation mit mehr als einer Atommacht. Und das in einer Zeit, in der sozusagen Rüstungskontrolle eigentlich irgendwie kein Thema mehr ist. Schau dir mal an, was in Nordkorea gerade passiert. Wie Nordkorea beispielsweise aufrüstet, verfügt mittlerweile offensichtlich über mehr als 50 atomare Sprengköpfe. Schau dir an Iran. Iran ist offenbar kurz davor, die Bombe zu haben.

China, schau dir China an. Im September hat China zum ersten Mal seit 44 Jahren eine Interkontinentalrakete im Pazifik aufsteigen lassen und hat dann im Sommer verkündet, dass man die Entwicklung strategischer Abschreckungsfähigkeiten beschleunigen würde. Das sind alles so Dinge, die einem tatsächlich Angst machen. Ja, China verfügt nach Schätzungen von Leuten, die sich damit viel besser auskennen als ich, über ungefähr 500 Sprengköpfe, Nuklearwaffenarsenal.

Ja, das muss man sich mal klar machen. Das ist, glaube ich, im Vergleich zu den USA und erst zu Russland nicht besonders viel, aber es ist bedrohlich genug. Es reicht. Und soll anwachsen auf 1500 bis 2035. Das ist ungefähr so die Dimension. Muss man sich klar machen. Es gibt für mich nur eine einzige Schlussfolgerung aus alledem. Die Welt braucht eine Entspannungspolitik. Wir können uns das nicht nur aus ökonomischen Gründen, sondern auch aus ökologischen Gründen überhaupt nicht weiter leisten.

Und je schneller wir aus der Rüstungsspirale rauskommen, umso besser ist es für alle Beteiligten. Und das ist die große Quintessenz. Das heißt also, meine Erwartungshaltung an eine künftige Regierung wird sein, wie man den Hebel entsprechend umgelegt kriegt. Nun sind wir ja keiner gestaltenden Rolle. Deutschland hat, was die Ukraine anbelangt, nie irgendwelche zentralen politischen Entscheidungen getroffen. Natürlich Entscheidungen getroffen, sie militärisch zu unterstützen und das

eine oder andere Hilfs- und Waffenpaket und so weiter zu liefern. Das alles schon. Aber Deutschland hat überhaupt keinen Einfluss darauf, wie der Ukraine-Krieg zu Ende geht. Darauf haben gegen allergrößten Einfluss, wie wir alle wissen, die USA. Und Russland natürlich selber. Die beiden Länder werden das am Ende aushandeln und das wird auch unter Trump irgendwie so passieren, auch wenn es ein sehr langwieriger Prozess ist.

Und das Allerwichtigste daran ist, dass es sich dann um einen Frieden handelt, der nicht, wie du zitierst ja immer Florence Gaupp, Kriege entstehen durch schlechte Friedensverträge, die man vorher gemacht hat.

Die Geschichte ist voll von solchen Beispielen. Wenn der eine nicht hat, was er durch den Krieg haben wollen, das gilt in dem Fall übrigens für beide Seiten, dann ist es ein schlechter Friedensvertrag, sondern es muss wirklich eine Situation der totalen Erschöpfung und des Neuanfangs eintreten. Das ist sicher ein schwieriger und langwieriger Prozess. Aber das hinzubekommen, das ist die aller, aller wichtigste Agenda.

Das ist noch viel, viel wichtiger, als jetzt unsere Wehretats drastisch hochzuschrauben. Ich habe eine Befürchtung, so als Kind des Kalten Krieges. Reagan, als er damals Präsident wurde, sagte, wir werden die Sowjetunion in einen Rüstungswettlauf verwickeln, den sie nicht überleben wird. Und er hatte 100% Recht damit. Genau das haben sie gemacht.

Die Sowjetunion, nach den Worten Helmut Schmitz, ein Oberwolter mit Raketen, also wenig Wirtschaftsleistung, aber militärisch unfassbar hoch gerüstet, auch und natürlich gerade durch den Kalten Krieg. Ist daran maßgeblich zugrunde gegangen. Das war alles Geld, das an allen Ecken und Enden usw. in diesem Fast-Hungerland, es gab ja tatsächlich Hungerwinter in Sowjetzeiten, zugrunde gegangen ist.

Meine Befürchtung ist, dass aus einer ganzen Reihe von Gründen wir diesmal diejenigen sind, die sich die Hochrüstung nicht erlauben können. Nicht, weil wir Hungerwinter haben werden, sondern weil wir hochempfindliche, hochsensible, da komme ich zum Anfang zurück, Gesellschaften geworden sind. Wir sind unendlich viel fragiler als die russische Gesellschaft.

Und das, was mit unseren gefährdeten liberalen Demokratien, und jetzt meine ich nicht durch außenpolitische Einflussnahme, sondern durch innenpolitische Entwicklungen alles passieren kann. Da stelle ich mir die gleiche Frage. Am Ende gehen wir, wenn wir dann bis zur Hälfte des Bundeshaushalts für Waffen ausgeben, an all den anderen ungelösten Baustellen und Riesenproblemen, die wir haben zugrunde.

Und deswegen kann das ja nur im Sinne eines jeden künftigen Bundeskanzlers sein, so schnell wie möglich aus dieser Rüstungsspirale wieder rauszukommen. Und ich wundere mich, dass es überhaupt keinen gibt, der sich das traut auch zu sagen, sondern alle sehen nun immer nur offensichtlich bis zum Jahresende und überlegen, wie hoch muss jetzt der Etat für das nächste Jahr sein und so weiter.

Und keiner redet davon, dass wir uns das dauerhaft nicht leisten können und dass wir wieder in eine Entspannungspolitik zurückkehren müssen. Wir haben keine Alternative. Ja, das ist wahr, Richard, aber ich würde dir da an dem Punkt auch mal gerne in Schutz nehmen. Ein weiteres Mal, weil ich einfach glaube, das liegt nicht in unserer Hand. Ich habe dir gerade zitiert, was da gerade weltweit passiert.

Wenn du dir zum Beispiel auch mal anschaust, die Amerikaner haben versucht, Gesprächskanäle offen zu halten mit den Chinesen zu diesem Thema. Ich meine, die müssen miteinander reden. Rüstungskontrolle, man muss verhandeln. So diese Verhandlungen haben die Chinesen abgelehnt und gesagt, nö, nö, nö, da geht es um die US-Waffenverkäufe, auch an Taiwan und so weiter. Wenn ihr das macht, wenn ihr Taiwan unterstützt, dann werden wir mit euch nicht über Nuklearwaffen sprechen.

Und in der gesamten Pazifikregion, in Japan zum Beispiel, auch Südkorea, weiß ich, gibt es mittlerweile sehr ernsthafte Debatten, ob man nicht eigene Atomwaffen jetzt auch an den Start bringen sollte. Taiwan macht sich da große Sorgen und so weiter, weil die Drogen von Trump ja auch im Hinterkopf haben, dass er im Zweifel sich da zurückziehen würde.

Das heißt, da gibt es eine riesige Herausforderung weltweit gesehen und da wird aufgerüstet in einer Art und Weise, darauf haben wir als Deutschland absolut keinen Einfluss. Und ich weiß nicht, wie das am Ende tatsächlich ausgehen kann. Ich habe keine Ahnung, wie man aus dieser Spirale wieder rauskommt. Und diese Spirale, diese globale Spirale, die halte ich tatsächlich für brandgefährlich. Gerade weil es so gefährlich geworden ist, ist die Entspannungspolitik eben dringend notwendiger.

Früher war es ja nur die Entspannungspolitik zwischen zwei Blöcken. Heute in der multipolaren Weltordnung müssen ganz viele bilaterale Abkommen untereinander ausgehandelt werden. Also eins von der EU mit China und von den USA mit China und so weiter. Es ist also sehr, sehr viel komplizierter alles geworden, aber es entbindet uns ja nicht von der Aufgabe, das zu tun.

Denn die Bronte dessen, was ich vorhin gesagt habe, ist, wenn wir ernsthaft sagen, Deutschland ist bedroht und wenn wir uns ernsthaft Gedanken machen über Landesverteidigung, dann müssen wir immer wissen, dass für den Fall, dass es zur Landesverteidigung der deutschen Grenzen kommt. Egal welches Szenario auch immer man sich ausrechnet, es das Ende Deutschlands sein wird. Und zwar völlig egal, wie viel Prozent des Bruttoinlandsproduktes wir für Waffen ausgeben oder nicht.

Ich hoffe einfach, Markus, dass all die Gedanken, die wir uns da machen, ein bisschen Farbe in die Vorstellung zu kriegen, was bedeutet eigentlich Aufrüstung, was bedeutet eigentlich ein solcher Krieg, immer noch bei mir verwunden wird mit der dringenden und glühenden Hoffnung, dass wir darüber schon in wenigen Jahren hoffentlich gar nicht mehr nachdenken müssen. Und ich wünsche mir eine entsprechende Entspannungspolitik.

Und selbst wenn du da pessimistischer bist als ich, ich lasse mir meine Restzuversicht in diese Richtung nicht nehmen. Und man darf nie vergessen, dass all die Aufrüstung Programme beinhalten für 10, 20 Jahre, wo dann bestimmte Sachen angeschafft, entwickelt werden sollen und so weiter. Und wir doch überhaupt nicht wissen, wie die Welt in fünf Jahren aussehen wird. Richard, dank dir sehr. Das war ein intensiver Austausch. Wir hören uns nächste Woche und haben einen guten Tag. Music.

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