Music. Schönen guten Morgen, Richard. Guten Morgen, Markus. Wo erreiche ich dich, Richard? In der Chemenate, alles noch dunkel um mich herum. Weil wir sehr früh unterwegs sind heute Morgen mit dieser Stirnau. Aber ich bin schon lange wach. Bist du ein Frühaufsteher? Ja, wenn ich intensiv am Buch arbeite, dann kann ich relativ früh schon nicht mehr schlafen. Und dann bin ich spätestens um sechs wach. Weil du Gedanken im Kopf hast. Ja, genau. Die verselbstständigen sich dann.
Und dann ist man so im Halbschlaf. Und das ist immer der Witz mit den Halbschlafgedanken. Auch beim Einschlafen oder wenn man nachts irgendwie wach wird und denkt, man hat die genialsten Ideen, die man je hatte und am nächsten Morgen fallen sie einem nicht mehr ein. So, dann sagt einem natürlich ein kluger Ratgeber, schreib sie doch einfach auf. Was ja mühselig ist, so im Halbschlaf dann Licht anmachen und so und aufschreiben.
Und der Ratgeber sagte zu mir, schreib sie auf und du wirst am nächsten Morgen sehen, sie sind totaler Blödsinn. Das stimmt aber nicht. Sie sind zum Teil gar nicht so schlecht, falls ich sie noch entziffern kann. Ich habe nämlich eine ganz schlechte Handschrift und wenn ich dann nachts ohne Brille da irgendwas aufschreibe, dann weiß ich manchmal am nächsten Morgen gar nicht mehr, was es eigentlich sein sollte.
Und was hältst du von so verrückten Sachen wie einfach diktieren, gar kein Licht anmachen, einfach nur zum mobilen Endgerät greifen, was reinreden, reinpfeifen, irgendeine KI beauftragen, das für dich zu tippen? Was hältst du von so crazy Sachen? Ich glaube, das kann man machen, muss man aber nicht. Ich kann auch gut damit leben, am nächsten Morgen nicht mehr genau zu wissen, was ich ein paar Stunden vorher in der Nacht gedacht habe. Es gibt ein Recht auf Unwissenheit auch sich selbst gegenüber.
Es ist doch schön, dass man vor sich selbst noch ein bisschen nebulös dastehen kann. Und die KI würde das völlig vernichten. Man würde also sich selbst gegenüber transparent, und das ist eine der größten Horrorvorstellungen, die ich habe, dass man sich selbst quasi in den Maschinenraum gucken kann. Das möchte ich überhaupt nicht. Es gibt Sachen, die will ich nicht wissen. Ich will ja auch die zweite Zahl auf meinem Grabstein nicht wissen. Nein, das will ich auch nicht wissen.
Das ist fürchterlich. Die Leute, die sich so medizinisch untersuchen lassen, welches Risiko sie auf was haben und so, ich möchte das wahnsinnig machen. Ich will danach keine ruhige Minute mehr. Ich will doch gar nicht wissen, ob ich eine böse Diagnose entweder zu erwarten habe oder vielleicht sogar schon habe, sondern ich will das ganz unbeschwert und frei machen. Zu viel wissen ist manchmal nicht gut. Das ist das, was du meinst, oder? Ja, absolut.
Der Traumurlaub in der Südsee ist dann ein anderer Urlaub, wenn das plötzlich unter der Prämisse stattfindet, dass da was ist oder was sein könnte. Das ist ein anderer Urlaub, ein völlig anderer Urlaub. Natürlich. Der hat mit dem großen Traum, mit der Bucketlist, die du noch schnell abarbeitest und so, das hat dann irgendwie nicht mehr viel damit zu tun.
Deswegen, das ist auch interessant, dass wir darüber gerade sprechen, Richard, war wirklich der einzige Gedanke, den ich mir beim Neujahr gemacht habe. Ich habe mir überlegt, ich komme jetzt langsam in so eine Lebensphase, ich darf nicht mehr alles auf die lange Bank schieben. Sondern mach es gleich. Gleich heißt relativ zeitnah. Nicht nächstes Jahr oder übernächstes Jahr. Mach es gleich. Weil man sich so der eigenen Endlichkeit so ein bisschen mehr bewusst wird.
Ja, jetzt sind wir so. Jetzt sind wir sehr nachdenklich gestartet. Ich bin jetzt gespannt, wie es weitergeht. Na du, ich... Wir fangen diesen Podcast mit Schlussworten. Genau. Mit letzten Worten. Berühmte letzte Worte. Wir sollten zur Aktualität kommen. Also Donald Trump sieht, dass Kalifornien abbrennt und möchte stattdessen Grönland. Weil Grönland ist so kalt, das brennt nicht. Da brennt es auch nicht.
Da brennt deswegen nichts, weil da gibt es keine Bäume. Es ist bei weitem nicht so gefährlich. Aber ich finde es irre, wie der jetzt schon wieder genau weiß, wer schuld daran ist und so weiter. Das ist wirklich schlimm, dieses Blame-Game da immer. Statt irgendwie erstmal zusammenzustehen und zu sagen, pass auf, das ist eine riesige Tragödie für uns als Nation, als Land.
Und lass uns doch jetzt mal gucken, was uns verbindet, gibt sofort wieder den Finger, dann ist der Gouverneur von Kalifornien schuld daran und so weiter. Sofort klar, wer es ist, der ja auch ein potenzieller Mitbewerber ist, also ein interessanter Mann. Ist übrigens interessant, das ist ein Charakteristikum unserer Zeit, was du gerade gesagt hast. Bevor wir nachdenken, suchen wir einen Schuldigen. Ja, ich glaube, das charakterisiert unsere Zeit, also unsere gesamte politische Kultur.
In einem viel stärkeren Maß. Ich meine, es hätte es schon mal gegeben. Ich glaube so, ich würde sagen, in den 20er Jahren war das ähnlich. Also als alle erdenklichen Gruppen. Entweder die Kommunisten waren an allem schuld oder die Juden waren an allem schuld oder die Katholiken und Jesuiten und Freimaurer und so weiter. Also dass man ständig Feindbilder brauchte, denen man, egal was passierte, sofort in die Schuhe schieben konnte.
Und davon haben wir uns eigentlich ziemlich gut befreit in den letzten Jahrzehnten. Und das kommt mit einer Riesenmacht zurück. Je größer die Probleme und Katastrophen werden, umso schneller wird der Griff zum Schuldigen. Ja, ich zögere gerade deswegen, weil ich mich frage, ob es da sozusagen einen Hintergrund gibt und eine Verbindung zu etwas, was ich über den Jahreswechsel so festgestellt habe. Jetzt mal unabhängig davon, um das kurz noch abzuschließen, mir macht das irgendwie Angst.
Ich weiß auch, wie das in Skandinavien so diskutiert und wahrgenommen wird. Die Isländer wollen jetzt plötzlich auch in die EU. Die haben gute Gründe dafür, wenn sie hören, was mit Grönland passieren soll. Was übrigens interessant ist. Trump hat da ja einen Punkt, was das Geologische angeht. Also geologisch gehört Grönland zu Nordamerika. Das ist aber eine putinsche Art von Argumentation.
Also, wenn du ein anderes Land einkassieren möchtest, dann kannst du sagen, etwas gehört kulturell zusammen oder irgendwas hat irgendwann mal in der Geschichte zusammengehört. Aber der allerletzte Trick ist zu behaupten, es gehört doch eigentlich geologisch zusammen. Ich weiß. Das ist der Diktatorenfreibrief schlechthin. Ja, um Gottes Willen. Mir macht das Angst. Weißt du warum? Weil ich denke, mein Gott, wir waren uns doch einig darüber und das ist doch das.
Das ist doch Völkerrecht. Das ist doch sozusagen das, worauf wir uns nach der Katastrophe, insbesondere des Zweiten Weltkriegs, verständigt haben. Dass wir Grenzen nicht mehr verstehen. Die ist zu lange her, Markus, die ist zu lange her. Das hat sich irgendwie in den Köpfen vieler Leute verflüchtigt und die Menschheit muss alle paar Jahrzehnte immer wieder neu lernen. Das ist gruselig, aber ich fürchte, genau das ist der Fall.
Nun glauben wir ja nicht tatsächlich daran, dass es jetzt eine militärische Annexion von Grönland in absehbarer Zeit geben wird, aber dass die USA ihre Hände ausstrecken nach Grönland, um mehr als die eine Militärbasis, die sie da haben, zu errichten und um an die ganzen schönen Bodenschätze, Gold, seltene Erden und so weiter anzukommen, das halte ich schon für sehr wahrscheinlich, dass das massiv passiert. Und das ist deswegen interessant, weil die Dänen sind ja unheimlich Amerika-affin.
Ja, und auch ganz, ganz stark und völlig unkritisch auch politisch gegenüber den USA. Ja, und jetzt, wo man in Grönland wegnehmen will, eines der größten Rohstoffressourcen der Welt, da sehen die Dänen das auf einmal anders. Und da stehe ich so als neugieriger Voyeur und gucke mir an, was sich so ein bisschen da in Dänemark abspielt. Ja, also tatsächlich Grönland und Amerika. Ich kenne das Land ja so ein bisschen, ist ja die größte Insel der Welt. Das ist ein faszinierender Flecken Erde.
Da leben ja so zwischen 50.000 und 60.000 Menschen. Die allermeisten leben an dieser Westküste, da in Nuuk, Hauptstadt. Das ist da, wo Trump Junior gerade mit seinem Flugzeug ziemlich präpotent gelandet ist, angeblich nur als Tourist und so weiter. Sich aber der Symbolik natürlich völlig bewusst, die er da setzt. Und dann sehe ich daneben diese Grönländer, die ich wirklich ein bisschen kenne, weil ich oft da war.
Und ich weiß, wie die so sind, so freundlich und irgendwie offen, aber auch irgendwie überhaupt nicht vertraut mit dem zynischen Spiel, das da so läuft. Das verstehen die, glaube ich, gar nicht so richtig. Und das dann so zu sehen, wie diese abgezockte Wall-Street-Welt sozusagen dann auf diese Grönländer trifft, die ganz freundlich, naiv jedem erstmal höflich begegnen, der zu ihnen kommt, die auch nicht viel sagen, die bescheiden sind, die sich zurückhalten, die wenig reden.
Aber du hast recht und in Grönland ist Amerika natürlich ein großes Thema. Wenn du in Kangas-Luswak landest beispielsweise, das ist so der Flughafendienst, der wichtigste Flughafen, da gibt es gar keine Stadt oder so, sondern du landest dort einfach, das ist ein Militärflughafen. Und wenn du dann richtig weit nach Norden reist, nach Kanak hochreist. Da gab es Thule. Thule ist ja ein legendärer Begriff, eine Örtlichkeit.
Da bist du dann bei den Polarinuit. Bei den Inuguit, wie sie sich selber nennen, das ist interessant. Inuit heißt ja Menschen und Inuguit heißt übersetzt dann die großartigen Menschen aus dem Norden. Das ist das Selbstverständnis. Der Polar Inuit, da leben ganz wenig Menschen. Da leben 600, 700 Menschen in Karnak. Und Karnak gibt es nur, weil die Amerikaner in Thule eine Airbase gebaut haben. Da im absolut äußersten Norden, also von da bis zum Nordpol ist es nicht mehr
sehr weit. Das ist ein bisschen über 1000 Kilometer. Und die haben die einfach alle umgesiedelt. Und es gibt bis heute, es ist völlig unklar, ob da nicht möglicherweise irgendwann mal Atombomben irgendwo in irgendeiner Bucht gelandet sind, da reingefallen sind. Es ist völlig unklar, ob da nicht irgendwann mal ein Flugzeug irgendwas verloren hat. Die Amerikaner haben wenig dafür getan, um das irgendwie aufzuklären. Und das ist bis heute in Grönland so ein Geraune rund um dieses Thema.
Deswegen Amerika und Grönland, das ist eigentlich immer schon ein Thema. Trump hat das ja auch schon mehrfach zum Thema gemacht. Aber mir macht das Angst. Und ich muss dir ehrlich sagen, an dem Punkt... Gibt es dann auch keinen Unterschied mehr zu Putin. Das ist das gleiche imperiale Gelaber. Das heißt, du meinst, wenn die tatsächlich jetzt Grönland okkupieren, werden wir Wirtschaftssanktionen gegen die USA verhängen? Nee, das meine ich eben nicht. Ich weiß nicht, was dann passiert.
Es wäre ja theoretisch auch ein NATO-Bündnisfall, Richard. Darauf hat gestern in der Sendung jemand hingewiesen und sagte, das wäre der Angriff auf ein Land, das sozusagen Teil der NATO ist, wenn man so will. und das wäre dann der NATO-Bündnisfall. Völlig verrückt. Die Amerikaner müssten sich dann gegen sich selber in Stellung bringen. Völlig verrückte Geschichte.
Nur allein, dass jemand so laut darüber nachdenkt und ich ahne schon, der zockt da rum und will irgendwas erreichen und testet mal aus, wo die Grenzen sind. Aber wirklich, ich finde, wir sind in einer Welt, in der man nicht mal eben ganz nebenbei, Marco sagt, du übrigens, und da hinten ist der rote Knopf. Und ich frage mich, ob das möglicherweise, ja, Putin hat es schon gemacht, Trump denkt darüber nach. Die Frage, was geht gerade Xi Jinping durch den Kopf? Mit Blick auf Taiwan zum Beispiel.
Jetzt muss ich jetzt auch mal, weil die anderen beiden sind da doch schon ein bisschen weiter. Es ist gerade schwer, innen andere Länder zu überschreiben. Man kommt ja offensichtlich irgendwie auch damit durch. Ja und es ist eine völlig verrückte Vorstellung davon, wie 21. Jahrhundert funktioniert und ich muss immer an Harari denken, der immer sagt, es macht überhaupt keinen Sinn mehr, Kriege um Land und Territorium zu führen, sondern die Schätze der Zukunft sind andere Dinge.
Das Silicon Valley zu überfallen macht keinen Sinn. Ja gut, das habe ich bis zum russischen Überfall auf die Ukraine auch geglaubt. Das allererste, was mir durch den Kopf ging, mal über die Empörung des Völkerrechtsbruchs hinaus und über die Angst vor dem Schicksal all der Menschen, die da sterben werden, war wie unzeitgemäß. Ja, also mein Gott, so Krieg wie aus einem ganz anderen Jahrhundert. Da sind wir doch seit Jahrzehnten drüber weg, sowas noch zu tun.
Und deswegen war ich ja auch ein bisschen verblüfft über unsere Reaktion auf der anderen Seite, die jetzt auch wieder zurückging in die Zeiten des Kalten Krieges und wir müssen dagegen rüsten. Und jetzt müssen wir, im Augenblick überbietet man sich ja wechselseitig in irgendwelchen Zahlen, die in den Raum gestellt werden, wie hoch die Verteidigungsausgaben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt sein sollen und so.
Das sind alles Diskussionen, wo ich noch vor wenigen Jahren gesagt habe, Gott sei Dank brauchen wir die nie wieder führen. Und das ist so das Interessante an der Geschichte und vielleicht auch was Harari nicht sehen konnte. Die Geschichte entwickelt sich eben nicht linear. Man kann das nicht einfach so hochrechnen und sagen, jetzt kommt die digitale Gesellschaft, die Informations- und Wissensgesellschaft und da geht es nicht mehr darum, andere Länder zu überfallen oder Ressourcen oder so.
Die Geschichte ist unzeitgemäß in sich selbst. Sie besteht aus rasantem Fortschritt auf der einen Seite, der völlig gepaart sein kann mit drakonischen Rückschritten. Und eigentlich läuft sie dialektisch. Das ist eine einzige Form von Irrungen und Wirrungen oder wie ich gerne von Robert Musil zitiere, wir irren vorwärts. Und eigentlich ist jede rasante Fortschrittsentwicklung parallel dazu mit Rückschrittsentwicklung gekoppelt. Und das gleiche erleben wir ja auch in innenpolitischen Debatten.
Wir haben auf der einen Seite eine moralische Fortschrittsentwicklung hin zu immer mehr Sensibilität und Anerkennungsbedürfnis der einzelnen Menschen und muss vorsichtig im Umgang miteinander sein und so weiter. Und auf der anderen Seite haben wir heftigste Trotzreaktionen. Ja, ich halte mich nicht an eure Regeln, wie im Fall von Donald Trump oder teilweise bei der AfD. Ja. Also jeder Fortschritt trägt auch immer einen Rückschritt in sich. Das ist ein interessanter Gedanke.
Ich habe mich nach der Sendung neulich sehr, sehr lange mit Gerald Knaus darüber ausgetauscht, der ein wahnsinnig interessanter Gesprächspartner ist. Schöne Grüße an der Stelle und den ich so schätze, weil er in so vielen Ländern unterschiedlichster Art gelebt hat. Der kennt sich in der Türkei bestens aus, der hat in der Ukraine gelebt.
Der sagte über die Ukraine, als ich da hingekommen bin in den 90ern, das war das korrupteste Land, in dem ich jemals gelebt habe und meinte, und dann war es interessant zu sehen, wie diese ganze Gesellschaft innerhalb von zehn Jahren, und da reden wir dann so die Zeit, als es auf den Maidan zuging, 2014 und so weiter, wie die sich verändert hat.
Er sagte, innerhalb von zehn Jahren hat sich dieses System grundlegend geändert, weil die Leute das Gefühl hatten, wir können was verändern und wir sind auf dem Weg in eine gute Zukunft. Das ist sehr interessant und in dem Zusammenhang haben wir über die Verteidigungsfähigkeit auch von Europa gesprochen. Ja, Trump war da auch der Hintergrund und er meinte, ist uns eigentlich klar, wie wehrlos Europa eigentlich ist? Und dann frag dich, wie meinst du das?
Und er sagte, überleg dir mal, wer sind im Zweifel die Soldaten, wer sind die Armeen, auf die wir uns im Zweifel wirklich verlassen können? Und er nannte drei. Er sagte, die ukrainische Armee, die ist jetzt Kampfes erprobt, die könnten uns helfen mit dem, was sie jetzt gelernt haben in diesem Krieg. Die Finnen, die sich immer der Gefahr durch Russland bewusst waren und entsprechend auch Trainings und so weiter machen.
Die haben eine sehr schlagkräftige Armee und die Türkei, weil die auch immer wieder Kriege führen und kämpfen. Und er sagt, das sind die drei Armeen. Aber er sagt, überleg dir doch mal, Frankreich hat ein paar Berufssoldaten, England hat ein paar Berufssoldaten, aber viel zu wenige, die Italiener auch. Wären das die Leute, die uns im Zweifel in der Lage sind, wirklich zu verteidigen?
Und umgekehrt, wer aus der Zivilgesellschaft, und da kommt nochmal der Gedanke, den du vorhin geäußert hast, zu weit weg haben wir vergessen. Wir wissen nicht mehr, worum es da eigentlich geht und was auf dem Spiel steht, weil wir es nicht mehr wirklich fühlen. Wer aus unserer Zivilgesellschaft wäre doch wirklich bereit, nach vorne zu gehen, sich freiwillig an die Front zu melden und zu sagen, so und ich helfe jetzt dabei, dieses Land zu verteidigen? Ja, natürlich nicht. Natürlich nicht.
Also bei allen Diskussionen über Rüstungsausgaben, deswegen bin ich ja froh, dass du das ansprichst, reden wir jedoch nie davon. Im Ernstfall eines richtigen, brutalen, barbarischen Krieges wie jenem in der Ukraine hätten wir gar keine Soldaten. Einige der Leute bei der Bundeswehr und zwar nicht wenige würden desertieren und einziehen kannst du niemanden.
Genau. Also das muss eigentlich von Anfang an sowieso klar sein und deswegen muss auch noch klar sein, dass wir uns noch so sehr mit Rüstungsgütern bestücken können. Wir würden im Zweifelsfall keinen Krieg führen können. Deswegen ist die Perspektive, auf die wir hinarbeiten, auch wenn das im Augenblick unvorstellbar erscheint, natürlich, wie wir so schnell wie möglich einen tragfähigen Frieden wiederherstellen.
Denn tatsächlich ist eine echte Kriegstüchtigkeit, dieses unglückliche Wort von Pistorius, werden wir unter gar keinen Umständen erlangen können. Dafür hat sich unsere Gesellschaft viel zu weit in eine ganz andere Richtung entwickelt. Und ehrlich gesagt fanden wir das ja auch gut, dass sie sich in diese Richtung entwickelt hat. Wir wollen eine sensible Gesellschaft sein. Wir wollen eine emotionale Gesellschaft sein. Wir wollen eine weitgehend friedliche Gesellschaft sein und so weiter.
Das sind ja alles ganz positive Ziele, die wir über Jahrzehnte verfolgt haben. Da können wir nicht von einem Tag auf den anderen sagen, so jetzt müssen wir alle mal wieder harte Männer und im Zweifel zwei harte Frauen sein, die bereit sind, sich im Schützengraben umbringen zu lassen.
Ja, ich habe neulich ein mal wieder sehr interessantes Interview mit Ivan Krastev gelesen, den du ja genauso schätzt wie ich auch und ich freue mich auf den Tag, an dem ich den irgendwann mal kennenlerne, weil das einfach ein brillanter Denker ist und der hat darauf hingewiesen, der lehrt ja in Wien, ist ja bulgarischstämmig und lehrt in Wien und hat darauf hingewiesen, dass vor 100 Jahren noch in Wien, ja, da sind tausende Menschen an Hunger gestorben und die Armut war so groß,
ja, dass der Kaiser, so beschreibt er, das da noch 1918 angeordnet hat. Den Toten bei der Bestattung die Kleidung auszuziehen, damit man ihre Kleidung weitergeben kann. Und er sagt, in den 30er Jahren noch waren fast alle Männer, die du auf der Straße getroffen hast, das waren alles ehemalige Soldaten in den 30ern und dann natürlich danach wieder. Und heute leben wir in Gesellschaften, in denen niemand mehr bereit wäre,
den Militärdienst anzuschicken. Indem man sich praktisch und unmittelbar und für einen selbst Krieg nicht vorstellen kann. Und da kommt man auch nicht mal einfach mal eben so zurück. Das wird überhaupt nicht passieren. Also wir sind eine seelisch entmilitarisierte Gesellschaft. Und die kann man nicht durch die Erhöhung von Verteidigungsausgaben wieder in so eine Situation bringen. Das ist ja richtig, was Krastev sagt. Wenn du viele Soldaten haben willst, brauchst du viel Not und Elend.
Die wichtigste Voraussetzung ist, eine Gesellschaft zu haben, in der Menschen schon von Kindesbeinen ein Survival of the Fittest ausgeprägt haben. Wenn es für ganz viele Leute kaum eine Lebens- oder Überlebensperspektive gibt. Solche Menschen kannst du wunderbar zum Militär ziehen. Die kriegen im Zweifelsfall eine warme Mahlzeit, eine feste Struktur und vieles andere auch. Daraus haben ja auch die USA den größten Teil ihrer Soldaten immer aus der abgehängten
Unterschicht gezogen. Sehr viele Schwarze, die in der Armee waren in den USA, weil sie keine andere Aufstiegsperspektive oder Lebensperspektive gesehen haben. Und solche Gesellschaften, die sind in der Lage, sich in kürzester Zeit zu militarisieren oder Kriege zu führen. Aber doch nicht Gesellschaften wie die Bundesrepublik und ehrlich gesagt, ich traue das auch den Finnen nicht zu. Die Finnen, wenn man mit Finnen spricht, die haben da ein anderes historisches
Bewusstsein. Die haben nie vergessen, wer die Nachbar ist. Die spüren diese Bedrohung, da gibt es dann auch diese lange Grenze und so weiter. Und die sind heilfroh, dass sie jetzt Teil der NATO sind. Das war da auch nie gesellschaftlich in irgendeiner Form irgendeine Debatte.
Aber ich habe es in der Ukraine gesehen. Also das war für jemanden wie mich, der aus dieser liberalen, ultratoleranten und nicht militarisierten Gesellschaft kommt, deutschen Gesellschaft kommt, Gottlob, ja, ich bin froh, dass das so ist, Aber zu sehen, was das für ein Straßenbild ist, allein diese ganzen Männer in Uniform plötzlich zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit die dort unterwegs sind, dann diese Begegnungen an Bahnhöfen, wenn du in Kiew stehst und dann siehst
du, wie da einer so gedankenverloren an seiner Zigarette rumzieht oder sie gerade dreht und so weiter. Und du merkst, den drückt der Schuh und dann sprichst du ihn an und dann hörst du von ihm, naja, du, ich habe mich gerade von meiner Familie verabschiedet und ich bin jetzt auf dem Weg nach Kherson oder nach Kharkiv oder wohin auch immer oder irgendwo in den Donbass.
Und der weiß, das kann das letzte Mal gewesen sein, dass ich die alle gesehen habe oder für den Fall, dass ich zurückkomme und auch das siehst du als Teil dieses Straßenbildes, komme ich vielleicht als jemand anderer zurück. Völlig versehrt, mit nur noch einem Bein oder gar keinem Bein. So, richtig, was du auch siehst und spürst. Diese brutale, diese Gewalt, die macht natürlich unglaublich was mit einer Gesellschaft.
Über Jahrzehnte hinweg wird die ukrainische Gesellschaft übrigens genauso wie die russische noch die Spuren dieses Krieges in sich tragen, selbst wenn es irgendwann zu einem Waffenstillstand oder einem Frieden kommen sollte.
Aber du hast all die Menschen gesehen, die in dieser enthemmten Soldatensituation waren, die vielleicht selber in dem Fall überlebt haben, aber ihre Kameraden haben sterben sehen und die jede Nacht traumatisiert aufwachen, die selber Menschen erschossen haben, was in dieser Situation das Normalste von der Welt war, aber was auch mit dir selber irgendwas macht.
Ich habe während meines Zivildienstes einen Mann gepflegt, der an MS erkrankt war und der in Russland aber wirklich alles mitgekriegt hat, was man an gruseligen Sachen mitgekriegen konnte. Einschließlich von Massenerschießungen und indirekter Beteiligung am Holocaust und vieles andere mehr. Der hatte eine ganz normale Karriere gemacht, als Malermeister danach und so weiter. Er war stolz auf die tollen Autos, wie er fahren konnte, dass er sich ein Haus
bauen konnte und so. Der hat das relativ gut eine Weile verdrängen können. Aber als er dann als alter Mann war, er sagte, jede Nacht kommen die Bilder in ihm hoch. Er kann ja nicht schlafen und sowas alles. Das macht Krieg mit Gesellschaften.
Jaja, und das gibt man weiter an seine Kinder. Und es ist der Gedanke, über den wir ja eigentlich gerade reden, ist ja die Frage, Sind wir sozusagen oder wären wir bereit, einer Gesellschaft, einem Land zu dienen oder uns gar für dieses Land, diese Gesellschaft zu opfern? Und ich habe das Gefühl, dieser Gedanke ist eigentlich völlig aus der Zeit gefallen. Und Krastev sagt das auch. Er sagt, wir leben in einer Gesellschaft der Null-Loyalität.
Und er zitiert einen berühmten Soziologen Hirschmann, du kennst den möglicherweise, 70er Jahre, hat ein berühmtes Buch geschrieben, in dem er nachgewiesen hat, wie schwer es Leuten fiel damals, ihre Familie zu verlassen, Parteien zu verlassen, Länder zu verlassen, sozusagen Loyalität aufzukündigen. Aber das ist alles vorbei, sagt er. Leute wechseln heute ihr Heimatland, Leute verlassen ihre Familien, Leute stimmen für wechselnde Parteien. Das ist ein riesiger Wandel.
Der zusammenfällt mit dieser gigantischen technologischen Revolution, mit der Informationsrevolution. Regierungen haben, glaube ich, noch gar nicht so richtig verstanden, wie Menschen heute Informationen beziehen. Sie haben auf jeden Fall die Kontrolle über diese Informationssphäre verloren, wenn man so will.
Und er nennt das schöne Beispiel, wenn die rumänische Regierung beispielsweise beklagt, dass der rechtsextreme Präsidentschaftskandidat plötzlich so viele Stimmen bekommen hat, weil es so viele TikTok-Accounts gibt, wir haben auch darüber gesprochen. Dann schaut man so auf die demografischen Daten und denkt, na gut, also wie populär ist TikTok eigentlich bei Rentnern? Ja, das heißt, das kann offenbar nicht die ganze Wahrheit sein.
Offenbar passieren da noch viele, viele andere Dinge im Hintergrund. Und das haben wir alles noch nicht wirklich durchdrungen. Aber Fakt ist, da fällt etwas auseinander. Das ist Null-Loyalität. Und für mich ist immer so ein, ich biege jetzt ein bisschen ab, Richard, aber weil wir gerade über den Jahreswechsel gesprochen haben, für mich ist immer auch so ein Indiz dafür, das was an Silvester passiert. Das ist für mich wie so ein Fieberthermometer für eine Gesellschaft.
Und so ähnlich hat es Jasper von Altenbockum in der FAZ auch kommentiert. Er sagte, diese Silvesternacht wird immer wieder wie so ein Fieberthermometer zu einer über die Stränge schlagenden Gesellschaft. Mal gibt es weniger Böller-Tote, mal gibt es mehr, mal gibt es weniger verletzte Polizisten, mal gibt es mehr, mal brennen nur ein paar Mülltonnen, mal brennt ein ganzer Bus. Und dann sagt man doch, so schlimm war es in diesem Jahr ja gar nicht.
Nur fünf Tote, nur 400 Festnahmen, 40 unbewohnbare Wohnungen, 37 verletzte Einsatzkräfte, ist doch eigentlich alles gar nicht so wild. Und ich lese das und denke, ist das wirklich unser Ernst? Das nehmen wir alles so hin. Aber Markus, es war doch nie anders. Das ist doch kein Indiz für eine über die Stränge schlagende Gesellschaft. Also Silvester gab es und Karneval, Da gibt es viele Schlägereien und vieles andere mehr. Und da muss man auch sagen, früher war Silvestre ja nicht so in für Krawall.
Besonders in waren zum Beispiel die sogenannten Chaos-Tage, die von den Punks ursprünglich ausgingen und so. Fanden, glaube ich, mehrfach, wenn ich mich richtig erinnere, in Hannover statt. Und da ging das um heftigste Straßenschlachten mit der Polizei und was weiß ich was. Also ritualisiert regelrecht. Wir fahren jetzt dahin und machen da Pambule oder Randale oder sowas. Das ist doch nicht etwas, was neu über die Gesellschaft gekommen ist.
Nee, nicht neu, das sagt ja keiner. Das ist doch leider, natürlich Betonung liegt auf leider, ein Phänomen, mit dem wir seit mehreren Jahrzehnten leben. Ja, ich weiß. Aber was mich daran erschreckt, Richard, vielleicht haben wir uns da missverstanden, was mich daran erschreckt ist, wie wir das hinnehmen. Das ist mein Punkt. Ja, was willst du denn tun? Naja. Du kannst ja keine Gesellschaft schaffen, die auf 100% nur mal sicher
geht, dass keine Ausschreitungen zu Sylvester stattfinden. Nein, das ist nicht mein Punkt, Richard. Mein Punkt ist die Frage, ob wir möglicherweise endlich mal eine breite gesellschaftliche Debatte brauchen über die Frage, wie wir miteinander umgehen. Vielleicht müssen wir über so einen altmodischen Begriff wie Respekt mal tatsächlich neu verhandeln und diskutieren. Und mich erschreckt auch sozusagen die Einsilbigkeit auch dann an dem Punkt der politischen Klasse.
Also wenn nach solchen Vorkommnissen, wenn ich diese Bilder sehe, wie eine Silvesterrakete einfach mal entspannt von der Straße in ein Berliner Kinderzimmer reingeballert wird und dann höre ich einen deutschen Bundeskanzler, dem eigentlich nur dazu einfällt, der sagt, ich bedanke mich bei den Ordnungskräften und den Einsatzkräften, denke ich, ja das ist in Ordnung, dass du das tust, das gehört sich so, das ist selbstverständlich.
Aber ich hätte schon gerne noch mal ein bisschen mehr dazu. Ich wüsste gerne mal, was ihm dabei durch den Kopf geht, wenn er das sieht. Ich würde gerne mal verstehen, ob wir darüber nicht mal reden sollten, ob man sowas einfach immer weiter hinnimmt oder ob man irgendwann mal sagt, du pass auf, das sollten wir als Gesellschaft so schlicht und ergreifend nicht weiter tolerieren. Und offensichtlich tun diese Leute das ja deswegen, weil sie keine Angst vor Konsequenz haben.
Auch das Null-Loyalität. Das ist genau dieser Gedanke. Wenn wir über dieses spannende Thema Respekt reden, dann müssen wir einmal unterscheiden, in welcher Hinsicht ist unsere Gesellschaft heute respektloser als früher und in welcher ist sie vielleicht sogar respektvoller als früher. Ich glaube nämlich, es gibt beides. Und dann ein zweites müsste man darüber reden, auf welchen Feldern beobachten wir zunehmende Respektlosigkeit.
Und wir erleben zum Beispiel zunehmende Respektlosigkeit im Straßenverkehr. Das finde ich ein völlig unterschätztes Thema. Also die Leute im Straßenverkehr heute miteinander umgehen. Also so eine Versozialisierung. Ja, einfach deswegen natürlich auch, weil es gibt viel, viel mehr Autos und es gibt nicht viel, viel mehr Straßen als früher. Und der Stress hat enorm zugenommen und die Leute haben insgesamt immer viel
weniger Zeit als in früheren Zeiten. Viel genervter und viel gehetzter und so weiter. Aber diese Null-Toleranz im Straßenverkehr, unglaublich brutale Entwicklung, die völlig unterschätzt wird und ich will auch nicht wissen, wie viele Verletzte und wie viele Tote auf diesen respektlosen Umgang im Straßenverkehr zurückzuführen sind. Damit relativiere ich jetzt nicht direkte Ausschreitungen. Also der Mangel an Respekt vor der Polizei ist ein gesellschaftliches Problem.
Der Mangel an Respekt voreinander im Straßenverkehr, wenn man geschützt im Panzer eines Autos sich anonym wähnt, als wäre man ein Troll im Internet, also jemand, den man nicht identifizieren kann. Du siehst nur, das ist irgendwie dieser komische VW-Fahrer oder Audi-Fahrer oder was auch immer. Aber du siehst den anderen in dem Moment ja nicht als Menschen, weil du ihm jetzt nicht vis-à-vis gegenüberstehst, sondern weil du ihm ja nur Stoßstange zu Stoßstange gegenüberstehst.
Ist aber auch eine üble Entwicklung. Also da gibt es Sachen, wo man respektloser geworden ist. Es gibt aber auch andere Felder, wo es anders ist. Also der Anspruch, wie Leute in einer Firma miteinander umzugehen haben, was bereits als unkorrektes Verhalten gilt, was als unhöflich gilt, was man nicht tut. Die Ansprüche daran sind zum Beispiel massiv gestiegen gegenüber früheren Zeiten. Die Ansprüche und hier rede ich gerade gegen den aktuellen Mainstream in der Politik.
In der Politik ist die Anforderung, respektvoll miteinander umzugehen, heute viel höher als in früheren Zeiten. Also ich bin ja alt genug, um mich daran zu erinnern, wie im Bundestag früher die legendären Auseinandersetzungen zwischen Strauß und Wehner, übelste Formen von Beschimpfungen. Franz Josef Strauß, der da rumpolterte, Journalisten wären Ratten und Schmeißfliegen. Also im Grunde genommen Vokabular des Dritten Reiches, was das anbelangt. Also fragt man sich, wie war das möglich?
Die Art und Weise, wie man sich diffamiert hat, also wie die CDU über Jahrzehnte hinweg die SPD als fünfte Kolonne Moskaus angegriffen hat. Übrigens dasselbe, was man heute mit dem Bündnis Sarah Wagenknecht macht, aber was die anderen Parteien untereinander nicht mehr miteinander machen. Die Wege des Marxismus führen nach Moskau hat man in der Adenauer Zeit über die SPD, die SPD, diese bürgerliche SPD damals plakatiert.
Und umgekehrt hat die SPD die CDU immer so dargestellt, als würde jetzt der Manchester-Kapitalismus ausbrechen, wenn die CDU wieder dran kommen. Da würden Gewerkschaften abgeschafft und so weiter. Ja, und dann würde sozusagen mit eiserner Hand das Kapital durchregieren. Also welche verhärtete Form der Auseinandersetzung auch mit allen erdenklichen persönlichen Beleidigungen. Und heute sagt Olaf Scholz, Fritze Mertz redet gern Thünkram.
Ich habe ja norddeutsche Wurzeln, das Wort Thünkram ist mir völlig geläufig. Und ich dachte, Markus, es hätte uns auch im Podcast passieren können, dass ich zu dir sage, hör mal, jetzt redest du aber Thünkram. Da hast du recht, aber um das Wort Thünkram ging es dabei nicht, Richard. Sondern um Fritze? Nee, es ging um Fritze Mertz. Ja, klar. Ja, na sicher. Weil da so dargestellt, Fritze Mertz klingt so, als wäre er so von Willem Busch. so wie der Schneider Böck oder so?
Irgendwie das da so ein bisschen albern und hemdsärmlich? Naja, ich finde, es gibt so eine ungeschriebene Regel eigentlich, an die sich aber alle halten. Du machst Namen nicht verächtlich. Machst du nicht. Aber du würdest das jetzt aber nicht in die Kategorie schwerer Beleidigungen kategorisieren. Nein, nein, nein, das ist Respektlosigkeit. Respektlosigkeit. Da würde ich aber sagen, da sind die Ansprüche aber an das,
was Respekt in der Politik zu sein hat, enorm gestiegen. Ja, das ist doch auch gut so. Das ist doch auch gut so. Ganz ehrlich, vielleicht bin ich da altmodisch, schimpfe mich gerne altmodisch, kein Problem. Nämlich ein Bundeskanzler, der in erster Linie den Job hat, nicht Parteipolitik zu machen und auch nicht Wahlkampf zu machen, ist immer noch Bundeskanzler.
Und ich möchte irgendwie, dass der das Verbindende sieht und dass der den Laden mitnimmt und dass er nicht über seinen politischen Gegner sagt, Fritze. Finde ich nicht gut. Ich finde das nicht gut. Ich habe jetzt auch nicht Plädoyer dafür gehalten, dass er das jetzt immer tun soll. Ja, ich meine nur, es ist für mich kein Zeichen dafür, dass der die politische Auseinandersetzung verroht. Ja, oder dass heute mit härteren Bandagen gekämpft würde als früher.
Dass wir in einer fahrsozialisierenden Gesellschaft leben, wo auch der politische Diskurs von betroffen ist. Also alles, das wird für mich dadurch nicht dokumentiert. Nein, aber wir reden ja über andere Dinge. Wenn du, also Gewalt gegen Polizei, Gewalt gegen Lehrkräfte, Respektverlust, das ist ein riesiges gesellschaftliches Thema. Aber das ist ein anderes Thema. Ich weiß, ich weiß. Das ist nicht das gleiche Thema. Aber das stimmt natürlich. Aber es ist eine andere Seite dieses großen Begriffs.
Das hängt aber zusammen mit der, ich nenne es mal gerne, Ikeaisierung. Also alle duzen sich, alle trauen sich an Urteile über alles zu. Und der arme Arzt. Ärzte, früher verklärt als Halbgötter in Weiß. Müssen jahrelang studieren, müssen gute Noten haben und was weiß ich was alles und so. Und dann kommt bei ihnen jemand rein in die Praxis, der hat eine Stunde gegoogelt. Und der ist völlig der Überzeugung, dass er das viel, viel besser weiß als der Arzt.
Das ist eine allgemeine Tendenz. Die kannst du nennen die Demokratisierung des Wissens. und die Idealisierung ist umgangs. Das heißt, jeder ist sozusagen in einer gleichrangigen Position und erkennt keinen Respekt und keine Autoritäten mehr. Ich beschreibe das nur. Ich sage nicht, es ist eine tolle Entwicklung. Ich sage nur, in diese Richtung ist das Ganze gegangen. Das Gute daran ist, man hat keinen übertriebenen Respekt mehr vor Autoritäten, nur weil es vermeintliche Autoritäten sind.
Also mein Großvater hatte einen Riesenschiss vor der Polizei. Der ist nie in seinem ganzen Leben mit der Polizei in irgendeinen Konflikt geraten. Zu keiner Zeit. Weder im Kaiserreich, noch im Dritten Reich, noch im Adenauerstaat. Aber wenn ein Polizist kam, dann zuckte er unwillkürlich zusammen und flüsterte mir zu, da drüben, hier der Schuhpo.
Also Abkürzung für Schutzpolizist, bisschen ausgestorben. Oder er sprach ihn an, wenn er meldete, dass der Feuermelder irgendwie kaputt sei, mit Herr Wachmeister. Und er hatte eine riesen Angst davor. Ich bin heute total froh erstmal darüber, dass normale Leute vor der Polizei nicht mehr so eine Angst haben müssen, sie werden willkürlich verhaftet oder so. Solche Zeiten hatte mein Großvater ja erlebt. Es gab gute Gründe, warum er wusste, dass man vor der Polizei Angst haben musste.
Was passiert? Wenn du diese Entwicklung hast, dass Autoritäten abgebaut werden, zum Teil ja auch aus guten Gründen, dann hat sie keinen Haltepunkt. Dann geht das unbegrenzt weiter und weiter. Und heute haben die Polizisten ein Riesenproblem damit, dass ihnen nicht mehr die geringste Form von Respekt entgegengebracht wird.
Das heißt, wir sind also von einem Extrem in das andere Extrem übergegangen, weil wir auf der abschüssigen Bahn nie den Punkt gefunden haben, wo wir hätten einen Punkt machen müssen.
Ja, ich meine, dass gerade du sagst, Herr Wachtmeister, ich erinnere mich auch noch an solche Zeiten, man hatte ja auch so einen Riesenrespekt vor Ärzten, Herr Doktor, war klar und die Gattin war dann auch gleich automatisch Frau Doktor, also die hat am Standesamt promoviert, das war sozusagen die Skurrilität, die da mit einherging, Herr Geheimrat, Frau Geheimrat. Vor allem in Österreich bis heute ja weitgehend so geblieben. So, genau.
Aber das hat irgendwie auch schon was Folkloristisches, wenn man so will. Aber was ich meine ist, wenn du sagst, da gibt es keinen Haltepunkt, das ist natürlich der Punkt. Jeden Tag werden in diesem Land durchschnittlich 300 Beamtinnen und Beamte angegriffen. Noch nie gab es so viele Übergriffe wie heute. Und wenn man sich das mal anschaut, Zahlen, Bundeskriminalamt, 2023 wurden mehr als 105.000, also 100.000 Polizisten Opfer von Gewalt, 10% mehr als im Jahr zuvor.
Und ich frage mich auch immer, wo ist sozusagen der breite gesellschaftliche Diskurs? Und in dem Zusammenhang muss ich leider dann auch mal sagen, ich vermisse auch ehrlich gesagt eine ehrliche, aufrichtige Debatte darüber, die Frage, wer diese Leute sind.
Und dann vermisse ich da eine ehrliche, aufrichtige Debatte darüber, sondern ich erlebe nur Verdruckstheit und alles wird dann immer so auf so eine Metaebene sofort gehoben nach dem Motto, ja, das böse Internet und da gibt es prinzipiell ein gesellschaftliches Problem.
Ich denke, nein, wir müssen das doch klar adressieren, um dann, wenn wir die Diagnose gestellt haben und sagen, okay, da kommen insbesondere junge Männer in den letzten Jahren in großer Zahl, die aus Ländern kommen, in denen Gewalt ein Teil von Sprache ist. Und natürlich geben die diese Attitüde, die sich tief eingefressen hat in ihrem ganzen Habitus, natürlich geben die das nicht einfach an der Grenze ab. Aber wir müssen doch als Gesellschaft darüber verhandeln, wie wir damit umgehen
und was die Konsequenz daraus ist. Wir haben ja ein ganz ernsthaftes Problem, warum wir uns da nicht ehrlich machen. Ja, warum? Bevor ich auf die Frage eingehe, es gibt meines Erachtens zwei Quellen für mangelnden Respekt, die nichts miteinander zu tun haben. Die eine Quelle, über die wir jetzt als erstes reden, das ist die Quelle, dass Leute aus Ländern kommen, wo man aus guten Gründen Angst vor der Polizei haben muss.
Und die hier in ein Land kommen, wo man aus ebenso guten Gründen diese Angst vor der Polizei nicht mehr haben muss. Und die das hier dann als einen rechtsfreien Raum betrachten. Die machen sie lustig, machen sogar Spaß, haben an Straßenschlachten mit der Polizei oder am Anpöbeln, weil die wissen, die sind relativ hilflos. A, weil sie selber auch nicht unbedingt die härtesten Charaktere sind.
Viele von denen, die heute zur Polizei gehen, weil die eben auch nicht mehr so sozialisiert sind, wie Leute früher sozialisiert waren, sondern weil sie genauso sensible Bürger der heutigen Gesellschaft sind und zum anderen, weil sie auch nicht dürften. Und das wird ausgenutzt, weil das ist sozusagen, man denkt sozusagen, wenn man gewaltaffin ist, man ist in Deutschland im Paradies und da gibt es eben viele Möglichkeiten, das auszunutzen. Das ist die eine Quelle.
Die andere, die thematisieren wir deswegen nicht so viel, übrigens diese Quelle, weil das Problem ist, weil wir nicht wissen, was wir dann tun sollen. Wir können ja nicht sein, wie die Polizei in den Ländern, wie die Polizei in Afghanistan zum Beispiel ist oder wo die Assads-Polizei in Syrien war oder so, was viele Leute kennen, die bei uns leben, womit sie sozialisiert worden sind. Ich meine, das steht uns ja nicht zur Verfügung. Wir wollen ja nicht unsere eigenen Prinzipien verraten.
Und dann stehen wir in dem großen Problem. Auf der einen Seite steigt die Respektlosigkeit, steigt in dem einen oder anderen Fall auch massiv die Gewalt. Und auf der anderen Seite können wir ja in unseren Verhaltensweisen uns nicht mehr vormodern benehmen. Und auf diese Frage haben wir keine Antwort. Das ist der erste Komplex. Der zweite Komplex, warum Respekt verloren geht, ist, weil in unserer Gesellschaft die Dimension des Allgemeinen verloren geht.
Das, was du vorhin Null-Loyalität genannt hast. Wir leben heute, Andreas Reckwitz, der Soziologe, hat ja ein sehr kluges Buch geschrieben, die Gesellschaft der Singularitäten. Und darin erklärt er, dass wir heute eigentlich, jeder danach strebt, anders zu sein als die anderen, etwas Besonderes zu sein, auch der gesellschaftliche Anspruch an jeden ist. Du musst performen, du musst dich jeden Tag neu erfinden.
Du wirst dich die ganze Zeit eigentlich um dich drehen und kreisen, von der Ernährung über den Sport, wie strategische Partnerwahl, wie strategische Berufswahl. Strategische Partnerwahl. Und bei all diesen Dingen geht es nie um die Allgemeinheit. Es geht also nie um die Voraussetzung dessen, was dir ein solches Leben überhaupt ermöglicht. Sondern du denkst an dich, dich, dich und dich. Und das ist auch quasi gesellschaftlich gefordert.
Und eingeübt wird das. Es wird quasi mit der Muttermilch eingesogen durch unsere Wirtschaftsformen. Ich habe mich immer darüber aufgeregt und auch in meinen Büchern darüber beschwert, dass wir nie darüber nachgedacht haben, dass man auch beim Kapitalismus irgendwo einen Punkt setzen muss. Auch das ist eine abschüssige Bahn. Kapitalistisches Denken ist das erfolgreichste wirtschaftliche Denken und deswegen gibt es gute Gründe, dass die meisten Staaten der Welt kapitalistisch organisiert sind.
Aber wenn der Kapitalismus in alle Seelenbereiche des Menschen überschwappt, in alle, das heißt, wenn du die in jeder Lebensfrage fragst, was habe ich davon? Wie erwirtschafte ich mein persönliches Optimum? Was springt für mich dabei raus? Dann geht irgendwann die Dimension des Allgemeinen und des Gemeinwohls logischerweise verloren. Die findet in deinem Kopf einfach nicht mehr statt.
Dieser Rest preußische Tugend und bürgerliche Erziehung und gute Sitte und was da irgendwie noch dagegen arbeiten soll. Und dann kommt der Appell an das Gemeinwohl und viele andere Dinge. Und du weißt in deiner tagtäglichen Erfahrung, wer ans Gemeinwohl denkt, ist der Dumme. Mein Lieblingsbeispiel dafür. Flexible Preisgestaltungen. Mein Lieblingsbeispiel im Lieblingsbeispiel. Die Deutsche Bahn ist zwar eine AG, aber gehört dem deutschen Staat.
Und wenn du der Cleverste bist, wenn du sehr früh weißt, dass du reist und auch mit dem Internet richtig umgehen kannst, mit deiner App und so weiter, dann hast du die Chance, ein wahnsinnig günstiges Bahnticket zu ergattern. Aber all diejenigen, die nicht so clever sind, die vielleicht auch 80-jährige Rentner sind und die damit nicht umgehen können und die zum Automaten gehen und schon Riesenprobleme haben, den Automaten zu verstehen.
Die zahlen den doppelten oder den dreifachen Fahrpreis der Cleveren. Das heißt, der Preis der Cleveren wird erkauft mit der Verarschung der anderen. Und das ist ganz normal. Da richtet sich keiner drüber auf. Das ist ein riesiges Entsolidarisierungsprogramm. Denk an dich. Wer zuerst kommt, mal zuerst. Verschafft dir Vorteile auf Kosten der anderen. Der, der am günstigsten fliegt in der Maschine, wenn du fliegst, der fliegt auf Kosten all der anderen, die über Gebühr einen Preis bezahlt haben.
Und das akzeptieren wir als ganz Normalscham, muss halt clever sein. Ja, aber wenn du das tagtäglich eintrainiert hast, wo soll denn da noch das Verantwortungsgefühl für die Allgemeinheit sein, wenn du jeden Tag dazu gezüchtet wirst, nicht an die anderen zu denken, sondern an deinen eigenen Vorteil? Und dann kommen die Sonntagsreden von Politikern, Pfarrern und allen möglichen institutionellen Vertretern, die sagen, wir müssen mehr an das Gemeinwohl denken und so weiter.
Und deswegen, ich erwähne die Deutsche Bahn, weil das könnte man an einem Tag mit einem Federstrich beenden. Es ist immerhin der deutsche Staat, dem das gehört und der das offensichtlich gutiert und für richtig hält, ein solches Egoismus-Züchtungs- und Entsolidarisierungsprogramm aufzulegen. So, jetzt habe ich mich ziemlich ereifert, weil es ist wirklich eine Seite, über die wir nicht reden.
Wenn wir an die Wurzeln heran wollen, warum wir uns fragen, warum die Leute nur an sich selbst denken, dann müssen wir uns auch mit der Wirtschaft beschäftigen. Trotzdem nochmal, Richard, der Punkt, wie gehen wir damit um? Wie gehen wir sozusagen mit diesem Clash um? Wie gehen wir damit um? Deswegen sagte ich vorhin ganz bewusst auch dieser verdruckste Umgang. Wir übertünchen das dann und heben es auf so eine Metaebene und verschleiern das und machen es so nebulös, war dann fort vorhin.
Da gibt es so diesen allgemeinen Respektsverlust. Ganz konkret, wie gehen wir mit Menschen um, die in sehr großer Zahl in den vergangenen Jahren in dieses Land gekommen sind und eine andere Vorstellung von Autorität haben. Ich habe viele Freunde, die einen Migrationshintergrund haben, arbeite mit ihnen zusammen und so weiter. Ich höre häufig von Leuten, die noch nicht so lange in diesem Land sind, dass die sich wundern und sagen, sag mal Markus, warum ist diese deutsche Polizei so?
Warum schießen die eigentlich nicht zurück, wenn sie beschossen werden? Und dann sage ich, weil wir das nicht wollen, weil wir eine Gesellschaft sind, die sich irgendwann mal überlegt hat, welche Art von Polizei wir eigentlich haben wollen. Und ich als jemand, der aus einem Land kommt, in dem Polizei auch anders betrachtet wird, in Teilen. Also ich mag die italienischen Carabinieri sehr, weil man kann mit denen immer verhandeln.
Das sind gute Leute, aber die treten anders auf als eine deutsche Polizei. Ich mag die Attitüde der deutschen Polizei. Die haben auch schon andere Kostüme. Also die Uniformen sehen ja auch zum Beispiel schon deutlich bedrohlicher aus. Kostüme. Nein, aber weißt du, was ich meine? Wir haben uns darauf geeinigt, ja auch nach den historischen Erfahrungen, die wir gemacht haben. Ich finde es großartig, dass ein deutscher Polizeibeamter nicht etwas auslöst, was bei dir die Nackenhaare dann hochstellt.
Ich finde, das ist ein ganz großer Wert, den wir nicht oft genug betonen können. Aber wenn du sozusagen sagst, ich bin aber anders unterwegs, dann gibt es nichts Einfacheres, als genau diese Gutmütigkeit, die es ja letzten Endes ist, einfach brutal auszunutzen, auszulachen. Und ich frage mich auch immer, ehrlich gesagt, was macht das mit denen? Was macht das mit diesen Polizeibeamten, die dann so sich anhören müssen, ja, war ein übliches, ruhiges Silvester.
Was heißt hier ein übliches, ruhiges Silvester? An welcher Stelle und für wen? Also darüber finde ich, gibt es keine gesellschaftliche Debatte. Nee, weil es keine Lösungen gibt, Markus. Und ich wäre dir total dankbar, wenn du was vorschlägst. Ja, ich habe keine. Also es ist ja klar, es ist ein Tatbestand, über den man sich zu Recht aufregt. Da bin ich ja ganz bei dir. Es ist ein riesiges Dilemma. Wer möchte heute noch Polizist sein in einer solchen Situation?
Auf der einen Seite wird von dir erwartet, dass du mit allen Regeln der Kunst Ordnung schaffst. Und auf der anderen Seite sind dir gleichzeitig die Hände gebunden. So und hier sind die Hände aus Gründen gebunden, die du auch kennst und die du auch nachvollziehen kannst. Und ich möchte einfach, dass wir diese Diskussion führen. Wir müssen sie auch viel intensiver führen, aber wir müssen aus der Phase des
Mokierens rauskommen und hin zu Lösungen. Aber wir können ja keine Zwei-Klassen-Polizei machen. Wir können ja nicht sagen, wir machen eine Polizei für deutsche Staatsbürger oder gar für Bio-Deutsche und auf der anderen Seite machen wir eine Polizei für Leute, die hat dann andere Rechte, wenn die Leute noch keine fünf Jahre in diesem Land sind oder sowas. Das ist ja Unsinn. Ich meine, das widerspricht vollständig unseren rechtsstaatlichen Vorstellungen.
Wir können das nicht voneinander trennen. Also wenn wir die Befugnisse der Polizei verändern, wenn wir das Rollenbild der Polizei verändern, dann für alle. Und da muss man sich dann überlegen, ob man das tatsächlich will. Und das macht die Debatte so schwierig. Das ist wahr. Vielleicht sollten wir uns an Jagoda Marinetsch halten, die du glaube ich auch kennst. Ich habe mal eine Diskussion mit ihr gehabt. Brillante Denkerin finde ich,
die plädiert für eine anständige Elitenbeschimpfung. Das fand ich gut. Hat sie ein bisschen konkreter erzählt, wie das gehen soll? Sie sagt, wir dürfen die Drecksgeschäfte nicht den Rändern überlassen. Und je deutlicher die da oben konstruktiv kritisiert werden, desto weniger Ultrapopulisten braucht das Land.
Das hat sie im Stern irgendwo mal gesagt. Das finde ich einen wahnsinnig interessanten Gedanken, weil konstruktive Kritik bei uns ja leider immer schwieriger wird und ganz schnell schon als Polemik und so weiter angeprangert wird. Das ist ja das große Problem. Unsere allgemeine Streitkultur, die leidet natürlich darunter, dass man ganz viele Dinge nicht mehr sagen kann und sagen darf. Auch hier wieder verständlicherweise. Wir sind sensibler geworden, ist eine positive Entwicklung.
Wir lassen viele Sachen nicht mehr durchgehen, die man früher gemacht hat. Wir wollen nicht, dass Leute schematisiert werden, dass sie verspottet werden und so. Das ist ja alles richtig. Aber auf der anderen Seite trauen wir uns dann sehr häufig nicht mehr klar zu sagen, was wir wirklich denken.
Und der Zuspruch an den Rändern ist ja in erster Linie der rechte Rand, muss man sagen, also der Rechtspopulisten, der kommt ganz stark von all den Leuten, die das Gefühl haben, sie können das, was sie denken, nicht mehr frei artikulieren und finden dann in diesen Parteien ein Ventil dafür, weil die sich immerhin noch trauen, zu reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.
Ja, und das Problem ist auch hier, es ist ja eine positive Entwicklung, dass wir sensibel geworden sind bei unseren Diskussionen. Aber wenn wir dann am Ende das Ergebnis zeitigen, dass immer mehr Leute sich im gesellschaftlichen Diskurs nicht mehr repräsentiert fühlen und deswegen Zuflucht zu Rechtspopulisten nehmen, dann sollten wir überlegen, wo die Grenzen dieser immer weiter getriebenen Sensibilisierung sind. Also wir bezahlen einen viel zu hohen Preis dafür. Ja, richtig.
Richtig. Und deswegen wäre schon sehr viel damit getan, wenn wir Dinge einfach klar adressieren. Und das war ja auch genau das, was ich gerade vorhin sagte. Ja, deswegen bin ich auch absolut dafür. Vielleicht fangen wir damit einfach mal an, dass wir anfangen, Dinge nicht wegzunuscheln, sondern sie ernsthaft, konstruktiv und klar und deutlich zu benennen und auch zu diskutieren.
Ich meine, das versuchen wir doch schon seit einiger Zeit. Ja, ich weiß, du bist da auch nicht der, den ich im Hinterkopf habe, wenn ich sage, da werden Dinge weggenuschelt. Ich freue mich ja immer über den Austausch mit dir, weil du jemand bist, der klar redet. Das ist das, was ich an dir schätze, Richard. Und ich finde, das sollten wir in diesem Jahr weitermachen. Dank dir sehr für einen interessanten Austausch. Und ich finde, wir sollten nochmal nach Grönland reisen zusammen,
bevor es zu spät ist. Ich danke dir auch. Also mein Interesse an Grönland, im Gegensatz zu dir war ich ja nie da, war über lange Zeit rein philatilistischer Natur. Ja? Ja, ich habe eine Sammlung, eine große Sammlung grönländischer Briefmarken und das galt nämlich mal so in den 70er, 80er Jahren als ganz großer Geheimtipp, weil die Auflagen so gering waren. Ja, klar. Und der besondere Burner der grönländischen Briefmarken waren die Paketmarken.
Es gab nämlich am Anfang in Grönland nur Briefmarken für Pakete. Ansonsten gab es gar keine Briefmarken. Man musste kein Porto bezahlen, wenn man zwischen Grönland und Dänemark Briefchen hin und her schickte. Aber für Pakete musste man. Und da waren Eisbären drauf und waren so großformatige Eisbärenbriefmarken. Und die sind sozusagen ein absolutes Hotspot der Philatelisten. Super. Jetzt weiß ich doch noch was über Grönland, was du nicht weißt. Ja, du.
Wenn wir beim nächsten Mal bei Wer weiß denn sowas mit philatilistischen Fragen über grönländische Briefmarken konfrontiert sind, dann wäre es schön, wenn wir in einer Mannschaft spielen würden. Dann gucke ich zu dir. Da hast du übrigens, ich war ja da schon draußen, muss ich nochmal gratulieren, im Nachgang hast du ja grandios abgeräumt, Richard. Gratuliere. So schwierig war es dann am Ende nicht und das meiste, was dazu gehört, ist vor allem Glück.
Danke, dass du das so sagst. Das gibt mir ein gutes Gefühl für den Rest des Jahres. Du bist und bleibst ein Freund. Richard, wir hören uns nächste Woche. Dank dir sehr. Ja, ich danke dir auch. Tschüss. Mach's gut. Bis dann. Ciao, ciao. Music.