AUSGABE 173 (Kurioses und Übersehenes: Randnotizen des Jahres 2024) - podcast episode cover

AUSGABE 173 (Kurioses und Übersehenes: Randnotizen des Jahres 2024)

Dec 27, 20241 hr
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Episode description

Ein Papagei überraschte im Februar im Wildpark von Lincolnshire mit einer perfekten Imitation des Nokia-Klingeltons. Im März suchte man auf Wangerooge nach einem neuen Leuchtturmwärter und im April erinnerten sich die Portugiesen an die Kellnerin Celeste Martins Caeiro, die Soldaten Nelken in die Gewehrläufe steckte und so den Mythos der Nelkenrevolution schuf. Was hat das alles miteinander zu tun? Es ist eine kleine Tradition dieses Podcasts, dass Markus Lanz und Richard David Precht in der letzten Sendung des Jahres ihren ganz persönlichen Jahresrückblick besprechen – über Ereignisse, die viel zu oft viel zu wenig beachtet werden, aber eine Menge über unsere Zeit und über Lanz und Precht verraten.

Transcript

Music. Schönen guten Morgen Richard. Guten Morgen Markus. Wo erreiche ich dich? Zuhause. Gemenate. Es ist der 27. Dezember. Weihnachten hinter uns Richard, das Jahr zu Ende und es ist ja schon so eine kleine Tradition bei uns, dass wir in der letzten Folge des Jahres unseren ganz persönlichen Jahresrückblick besprechen.

Wir haben ja über viele, viele Dinge gesprochen und auch gestritten und debattiert Aber nicht über die wirklich wichtigen und das machen wir heute Genau, über die wirklich wichtigen Dinge und das fand ich so schön in den letzten Jahren Wir haben ja bewusst immer so einen Jahresrückblick gemacht mit so kleinen, teilweise sehr kuriosen Geschichten Dinge, die gar nicht so im Fokus standen, andere wiederum schon Einfach Dinge, die uns irgendwie wichtig sind und die

ein bisschen was erzählen von der Vielfalt des Lebens, wenn man so will Und ich finde, wir gehen direkt rein, Richard. Mach mal. 23. Januar, da kam die Süddeutsche Zeitung, meine ich, mit einer herrlichen Geschichte aus Chicago, in der sie berichtet hat, wie ein Schlagloch zu einer Attraktion wurde. Und wenn man das so liest, dann merkt man, wie recht Sören Kierkegaard hatte, als er sagte, Langeweile ist die Wurzel allen Übels.

Das zeigt aber auch, wozu Langeweile dienen kann und wie gut Langeweile mitunter ist. Also die Geschichte dahinter, in Chicago taucht plötzlich ein Loch in der Straße auf. Und wer Chicago ein bisschen kennt, weiß, es gibt da sehr viele Löcher. Aber das war ein ganz besonderes Schlagloch, nämlich ein Schlagloch im Umriss einer Ratte. Zumindest meinten das viele dort zu erkennen. Und es gibt mittlerweile eigene Wikipedia-Artikel zu diesem Schlagloch.

Es gibt sozusagen eine Art Pilgerstätte und Kult rund um dieses Rattenloch. Dann wurde es irgendwann mal kurz zugeschüttet, dann gab es sofort Proteste, sofort wurde das Rattenloch wieder aufgerissen und alles geht zurück auf ein Foto eines Comedians, glaube ich, aus Chicago, der am 6. Januar, das Bild veröffentlicht hat mit den Worten, musste eine Pilgerreise zum Chicago Red Hole machen.

Und damit nahm sozusagen das Unheil seinen Lauf. Und ich musste bei Chicago unwillkürlich an dich denken, weil es ist quasi deine Stadt, Richard. Du hast da mal gelebt, ne? Ja, meine Stadt ist jetzt ein großes Wort, aber hat einen prägenden Eindruck auf mich hinterlassen. Ich habe 1997 einige Monate bei der Chicago Tribune gearbeitet. Damals die größte Zeitung der USA. Ja, das konnte man nachmessen. Die Samstagsbeilagen waren sage und schreibe neun Zentimeter dick.

Also die Samstagsausgabe mit allein vier Autobeilagen und allem, was dazugehört. Also ein Ziegelstein von Zeitung. Ja, genau. Und ich bin in dieser Zeit als Nicht-Autofahrer in Chicago ganz, ganz, ganz viel zu Fuß gegangen. Aber ich bin nicht auf die glorreiche Idee gekommen, jedes Schlagloch in der Straße, von denen die Straßen in den USA übersät sind.

Also der Zustand der Straßen in Chicago war natürlich erwärmlich und da hätte man natürlich ganz viele vergleichbare Rattenfotos machen können, aber es gab 1997 natürlich auch noch kein Internet und ja, dann wäre ein solcher Aufruhr wie um das Rattenloch nicht entstanden. Du kennst Chicago besser, ja? Ich bin jeden Tag zu Fuß eine Stunde zur Arbeit und zurückgegangen und in meiner Freizeit, ich habe ja auch nicht jeden Tag acht Stunden gearbeitet.

In meiner Freizeit bin ich Stück für Stück die ganzen Neighborhoods abgegangen. Das heißt also das Polenviertel, das Vietnamesenviertel und so. Also ich habe ziemlich viele Meter auf Chicagos Straßen gepaht. Nächstes Thema, Richard. Schöne Geschichte im Februar. Das ist eine Geschichte perfekt für dich. Und du kanntest sie mit Sicherheit. Ich kannte sie nicht. Es gibt in England einen Wildpark, in dem Besucher mit Rufen wie Guten Tag, du fetter Bastard empfangen werden.

Und was ich nicht wusste ist, und ich musste dich mal fragen, ob das tatsächlich möglich ist, diese Rufe kommen nicht von irgendwelchen Parkwärtern oder sowas, sondern die kommen von Graupapageien, die die Besucher mit Fäkalsprache empfangen. Kann das ernsthaft sein? Das kann ernsthaft sein. Also graue Papageien sind mit Abstand die sprachbegabtesten Papageien. Und ich meine, man kann ja auch so einem Ara schon einiges beibringen und auch so einer Amazone.

Also mein Großvater hatte eine, die auch so alles scheiße und sowas rief. Es ist ja so ein berühmtes Hobby. Wirklich? Ja, ja, berühmtes Hobby von Papageienhaltern ist, ihnen Schimpfwörter beizubringen, weil man das so wahnsinnig drollig findet. Fluchende Papageien, schlecht gelaunte, mies erscheintende Papageien, stehen hoch im Kurs. Es wird ja nie was Nettes beigebracht, sondern das ist irgendwie so ein Code unter Papageienhaltern, dass man ihnen irgendwie die übelsten Schimpfwörter

in den Mund legt, im wahrsten Sinne des Wortes. Man muss sie ja nur oft genug wiederholen. Und was ich interessant an der Meldung fand, ich kannte die Meldung nicht, was ich interessant daran finde, ist eben, dass sie auch Klingeltöne imitieren. Da sind Papageien aber tatsächlich nicht die einzigen. Also Amseln haben das in England auch gemacht. Und zwar, was auch wahnsinnig spannend war und noch über das Thema hinausgeht, dann haben die anderen Amseln das auch imitiert.

Und es gab einige Grafschaften, wo also die Amseln dann ständig so Jingles von sich gegeben haben, geflötet haben. So als kulturelle Überlieferung. Was auf dem Kontinent nie passiert ist. Also nur die englischen Amseln haben das gemacht und auch nur in bestimmten Gegenden. Aber das über lange Zeit. Und dieser Papageienwärter erzählt ja hier in der Geschichte, Vielen Dank. Dass sie die alten Nokia-Klingeltöne noch drauf haben.

Ein Papagei vergisst ja offensichtlich nichts und lernt auch nicht zwingend dazu. Er ist ja nicht gezwungen, sich an diese Buschtrommel, die heute meistens auf dem Smartphone erklingt, irgendwie anzupassen. Und so konservieren Papageien quasi die Technikgeschichte. Was ich so interessant fand, war mir nicht klar, das Verhalten dieses Vogels wird sozusagen bestärkt durch die Reaktion der Leute. Also das heißt, der... Dem Affen Zucker geben. Richtig. Genau.

Der merkt, dass die Leute lachen, es lustig finden, wenn er so rumflucht. Und durch diese Reaktion fühlt er sich nochmal bestärkt. Das heißt, die interagieren dann auf eine Art mit uns Menschen tatsächlich? Die interagieren mit uns, ohne natürlich zu wissen, warum wir sie lustig finden. Ja. Und auch was... Lachen muss er ja nicht als lustig, aber zumindest als Resonanz aufnehmen. Er macht irgendwas, was ordentlich eine Wirkung auslöst. Witzig.

Ich muss immer, wir hatten ja sehr schöne Gespräche zu dem Thema, Tiere, die Frage, was Tiere eigentlich wirklich fühlen, was sie denken und dann die Frage, was daraus resultiert. Also im Grunde die Idee, dass uns Tiere, was unsere Gefühlswelt angeht, uns viel näher sind, als wir häufig denken. Was dann direkt zur Frage führt, dürfen sie dann töten, um sie zu essen und so weiter. Also daraus ergeben sich ja sehr harte ethische Fragen.

Und ich finde es wahnsinnig faszinierend, dir da immer zuzuhören. Man muss immer wieder referieren, was der neueste Stand der Dinge ist. Ich frage es ja auch immer, ob Intelligenz das Kriterium ist, ein tierisches Leben zu achten. Ja, zum Beispiel. Weil wir würden ja auch bei Menschen nicht sagen, dass ein intelligenter Mensch ein höheres Lebensrecht oder einen höheren Lebenswert hat als ein weniger Intelligenter. Ja, also warum soll ausgerechnet Intelligenz die moralische Blankokarte sein,

warum man ein Tier nicht essen darf? Richtig. Richtig, also so nach dem Motto, dumme Tiere darf man essen, aber schlaue Tiere nicht. Also ich selbst habe ja auch einen Hang dazu. Ich esse keinen Oktopus als wahnsinnig faszinierendes, intelligentes Tier, aber ich esse Muscheln, weil das tut mir jetzt nicht so leid. Jetzt kriege ich wahrscheinlich wieder einen riesen Shitstorm, auch Muscheln wollen leben und so weiter ist auch alles richtig. Aber intuitiv übertragen wir das natürlich.

Ja, und das meine ich. Und diese, jetzt mal die ganz wertfreie Auseinandersetzung mit diesen Fragen, finde ich wahnsinnig faszinierend. Also auch, weil es ja auch viel erzählt über uns. Der Abgleich sozusagen mit den anderen erzählt auch viel über uns selbst. Und die Frage, wer wir eigentlich sind.

In dem Zusammenhang, weil wir gerade dabei sind, Richard, nicht weiter wichtig, aber eine schöne, wirklich schöne, kleine Geschichte, die mich berührt hat, war, glaube ich, irgendwann im Februar auch, gab es im Spiegel eine Geschichte über eine stille Stunde in einem Greifswalter Supermarkt. Und das hat mir deswegen gut gefallen, weil mir dieses Weihnachtsgedudeln, ja, in Supermärkten insbesondere, also ich meine, es gibt schon kein... Last Christmas Terror.

Last Christmas Terror, ja. Kennst du die Geschichte von dieser Gruppe von Leuten, die mal versucht hat, Geld zu sammeln, um die Rechte von Last Christmas zu kaufen und zwar mit der Absicht, es dann für immer zu verbieten, nie wieder zu spielen? Wo kann man da spenden? Ich bin voll auf der Seite. Zumindest mal ein Last Christmas Moratorium für zehn Jahre. Gerne auch für 50. Wobei, ich gebe zu, wenn ich dann irgendwo im Skilift sitze und dann kommt es auf dem Kopfhörer, dann gefällt es mir wieder.

Ich bin da immer so hin und her gerissen. Das Schlimme ist, das gefällt mir überhaupt nicht. Aber wenn man es einmal im Kopf hat, wird man es nicht los. Ja, weil es halt ein genialer Song ist. Das ist natürlich der andere Teil der Wahrheit. Aber diese Supermarktbesitzerin hat jeden Dienstag zwischen 18 und 20 Uhr, hat sie sozusagen erstmal das Licht runtergedimmt. Werbemonitore ausgeschaltet und die Musik ausgeschaltet, den Kassenpiepton so leise wie möglich gestellt und so weiter.

Und dann entsteht sozusagen eine besondere Stille, alles soll flüsterleise sein in diesem Supermarkt und die Idee dahinter, und das hat mich berührt, das Angebot richtete sich sozusagen hauptsächlich an Menschen mit Autismus. Die dann weit, weit weniger gestresst sind. Und sie berichtet dann von Müttern, die mit ihren autistischen Kindern kommen, weil die diesen Geräuschpegel in einem Supermarkt, diese Geräuschkulisse aus Last Christmas und Nackensteak angeboten, wahnsinnig schwer aushalten.

Aber diese Ruhe dafür umso mehr genießen, das hat mir gut gefallen. Ich finde, man sollte das vielleicht entdeckend einführen. Ich glaube, das ist vielleicht der Auftakt zu einem ganz neuen Bereich. Oder? Also dass man in Zukunft Obergrenzen für Lautstärken in Supermärkten festlegt oder vorschreibt, drei Stunden am Tag darf keine Beschallung sein und so weiter, um die Leute nicht völlig fertig zu machen. Also da ist noch Luft nach oben. Da ist sehr viel Luft nach oben.

Es darf nur nicht die EU machen, weil sonst meldet sich gleich wieder Wolfgang Kubicki. Jaja, das geht natürlich überhaupt nicht. Wenn die EU jetzt sagt, im Fahrstuhl keine Musik mehr oder im Supermarkt zwei Stunden musikfrei. Also das sind natürlich völlig unzulässige Eingriffe in meine Privatsphäre. Absolut und in die Freiheit. Aus der Fahrstuhlberieselungsmusik wird dann irgendwie gleich der Kampf um die

ganz große Freiheit, um das ganz große Ding. Richard, apropos heroischer Kampf um Freiheit. In diesem Jahr, im November, aber erinnernd an ein Ereignis, das vor genau 50 Jahren stattgefunden hat, 24. April 1974. In diesem Jahr ist gestorben eine Frau namens Celeste Martins Cairo.

Eine portugiesische Kellnerin, die zum Schluss von, ich glaube, 370 Euro Rente lebte, die aber mit einer kleinen Geste der berühmten portugiesischen Nelken-Revolution den Namen gegeben hat, die sozusagen das Gesicht dieser Nelken-Revolution war. Richard, was ist die Geschichte dahinter? Die Geschichte dieser Frau ist die Geschichte der Veruntreuung von Nelken, die im Restaurant als Deko vorgesehen war. Nun konnte aber keiner ins Restaurant kommen, weil das Militär auf den Straßen

war. Also wir sind Ende April des Jahres 1974. In Portugal herrscht eine Diktatur. Da war seit vielen Jahrzehnten Salazar an der Macht als Diktator, sozusagen der portugiesische Franco. Und dessen Nachfolger war seit einigen Jahren weiterhin diktatorischer Alleinregent von Portugal. Und das Militär, was ja sehr selten vorkommt, ausgerechnet das Militär putscht gegen einen faschistischen Autokraten.

Und das in den 70er Jahren, also das war 1974, man erinnere sich, 75 geht der Vietnamkrieg zu Ende, 74 war schon klar, wie er zu Ende gehen wollte. Das war diese kurze Zeit der großen linken Hoffnungen in Europa, dass irgendwie die Welt sich jetzt nach links entwickeln würde. Also jetzt der Diktator wird abgeräumt und es kommt jetzt eine sozialistische Regierung in Portugal dran.

Und die spannende Geschichte ist eben, dass diese Revolution, dieser Aufstand, der Putsch des Militärs mit dem Begriff Nelkenrevolution in die Geschichte eingegangen ist. Aber kaum jemand weiß, dass eine Kellnerin, die ihre Tischdeko veruntreut, mit rausnimmt und diese Nelken an die Soldaten verteilt, dass die quasi das ikonografische Bild der Nelkenrevolution abgibt. Der Begriff geht darauf zurück.

Die Soldaten nahmen die Nelken und steckten sie, spontane Aktion, nichts Abgesprochenes, heute würde man sowas inszenieren, in ihre Gewehrläufe. Und das wurde natürlich dann fotografiert. Und diese Bilder von den Nelken in den Gewehrläufen als Beispiel des Putsches der Revolution, aber andererseits eben auch der Friedlichkeit. Und man muss auch sagen, die Nelke war ja schon seit jeher Symbol des Sozialismus.

Also insofern war die, das war also für Westdeutsche Linke wie meine Eltern, war das eine ganz großartige Sache. Und was auch eine berühmte Geschichte war, das auch zur Ikonografie der Heldenrevolution gehörte, war, dass das Signal zum Losschlagen für das Militär kam durch das Abspielen eines Liedes. Und zwar das Liedes eines verbotenen Liedermachers, José Alfonso, Granola Vila Morena. Und dieses Lied wurde bei uns zu Hause dann auch wochenlang gespielt.

Ach wirklich, ja? Ja, ja, dass ich das also noch ziemlich gut kenne. Und da ist dann mit Franz Josef Degenhardt zusammen aufgetreten und wir haben dann gemeinsam eine deutsch-portugiesische Version und so weiter gemacht und so. Also ja, und ich weiß also, dass das so aus der Sicht von Linken in den 70er Jahren irgendwie so als sehr, sehr hoffnungsvoll und so wahrgenommen wurde.

Ja, und die arme Dame ist jetzt im Alter von 91 Jahren ganz arm und in Portugal heimlich weltberühmt, aber offiziell eben nicht gestorben. Und jetzt, glaube ich, gibt es die Überlegung, ob man nicht irgendwas nach ihr benennen möchte. Das ist der Teil, der einen berührt, wenn man das so liest. Das ist eine ganz einfache Frau, geboren als Tochter einer Einwanderin aus Galicien, eines portugiesischen Vaters.

Der Vater verlässt dann die Mutter, sie wächst in unterschiedlichen Heimen auf, geht auf eine Krankenschwesterschule, übt diesen Beruf aber nie aus, aus gesundheitlichen Gründen, arbeitet stattdessen in Geschäften und Restaurants. Da ist der Bezug zu deinem Thema, wird selbst zur alleinerziehenden Mutter, verliert später ihr ganzes Hab und Gut bei einem Brand und so weiter und muss dann bis zu ihrem Tod mit einer Rente von 370 Euro um die Runden kommen.

Hat sogar für ein Hörgerät später Leute sammeln lassen müssen und so weiter. Das ist eigentlich ein schöner Romanstoff, die Geschichte. Eine kleine Geste. Macht eigentlich nicht sie weltberühmt, aber gibt dieser Revolution ihren Namen mit all der Symbolik, die dazugehört. Und sie gerät irgendwann sehr weitgehend in Vergessenheit. Wobei ich schon glaube, dass jetzt ihr Nachruhm, dass der größer sein wird. Man darf ja nicht vergessen, damals war die Welt radikal in rechts und links geteilt.

Das heißt also, die Gefühle meiner Eltern für die Nelken-Revolution wurden ja nicht von jedem geteilt. Ja, heute würden wir sagen, ist der Fall glasklar. Ja, das waren die Regierungen, die dann rankamen, waren sowas wie linke Sozialdemokraten und gestürzt wurde ein faschistischer Autokrat. Also insofern wäre die Rollenverteilung von Gut und Böse ziemlich klar. So ist das aber in den 70er Jahren nicht wahrgenommen worden.

Da hatte man ja noch Angst vor dem Gespenst des Kommunismus und in Form von Sowjetunion und so weiter. Und deswegen war das ja damals eine hochpolarisierende Angelegenheit. Und 1980 kommt dann in Portugal eine konservative Regierung dran. Und die hatte jetzt kein großes Interesse daran, aus der Kellnerin eine Ikone zu machen. Und so gerät sie dann mit der Zeit eben auch in Vergessenheit und wird jetzt eigentlich erst wieder entdeckt.

Es ist immer wieder auch gut, finde ich, an solche Geschichten zu erinnern und sie sich gegenseitig zu erzählen, weil es zeigt, wie wenig von alledem, was wir als selbstverständlich nehmen, das System, in dem wir leben, wie wenig davon eigentlich wirklich selbstverständlich ist. Ja, und wie sich politische Topografie verändert. Also wie die Schablonen oder die Muster, in denen wir denken. Ganz häufig von der Zeit völlig überholt werden. Richtig.

Ich finde, das wäre auch nochmal ein schönes Thema zu einem Podcast. Total. Was sind die Begriffe und was sind die Vorstellungen, mit denen wir Politik oder Weltanschauungen sortieren und wie viel haben sie eigentlich wirklich mit der Realität zu tun? Ich habe auch noch eine schöne Meldung, über die ich gestolpert bin. Und zwar ist es quasi eine Stellenannonce. Wanger Oge sucht neuen Leuchtturmwärter.

Ich muss sagen, das hat mich angefasst. Ich habe ja dieses Jahr einen runden Geburtstag gefeiert. Und ich habe auch so ungefähre Vorstellungen von dem, was ich die nächsten zehn Jahre möchte. Aber so zum nächsten runden Geburtstag seinen Job zu wechseln und zu sagen, Leuchtturmwärter auf Wangeroge, also solange die Knie mitmachen. Ich glaube, der ist über 30 Meter hoch, da gibt es ziemlich viele Treppenstufen, die muss man jeden Tag zwei bis dreimal steigen. Aber das hält natürlich auch fit.

Das ist ein ultimatives Fitnessprogramm. Und das Gute ist, man muss von Schifffahrt fast nichts verstehen. Weil der ja nicht mehr in Betrieb ist, oder? Weil der nicht mehr richtig in Betrieb ist. Da muss er ein bisschen so, wenn Touristen kommen, da gibt es ein kleines Heimatmuseum und ein paar Souvenirs verkaufen und ein bisschen allgemein die Dinge über den Leuchtturm erzählen und so.

Also ich meine, es gibt doch schlimmere Vorstellungen, sich sein Alter vorzustellen, als so in 34 Meter Höhe, so aus der Vogelperspektive, was ich ja immer so mein Leben lang versucht habe, so über Meer und Wangeroge zu gucken. Ich glaube, da kommt die Seele in Frieden mit sich. Das glaube ich nicht. Ich glaube, du wirst deine Ruhe nicht mehr haben. In keiner Sekunde. Du fabulierst hier von deiner friedlichen Seele jetzt. Die Wahrheit ist,

die werden dir die Bude einrennen. Stell dir mal vor, was das für eine Touristenattraktion wäre. Du Leuchtturmwärter auf Wangerogen. Sozusagen der Saaruman von Wangerogen. Eine schöne Geschichte, finde ich. Mir gefällt das Bild. Ich sehe mich da. Wenn ich mal so richtig drüber nachdenke, ich meine, wir könnten natürlich auch eine VG daraus machen. Also ich komme mit 70 einfach dazu. Meinst du denn, da ist so viel Platz da oben in dem Leuchtturm für zwei getrennte Schlafzimmer?

Es reicht doch, wenn wir in einem Raum einfach die Betten ein bisschen auseinanderschieben. Sicherheitsabstand, so ein kleiner. Ich bin sicher, dass du mit 70 schnarchst. Nee, das ist Fake News, das tue ich schon mit 50. Aber ich würde einfach, du rollst mich dann kurz zur Seite. Ja, ich glaube, das wird ausgeglichen dadurch, dass ich mit 70 halb taub bin. Ich komme aus einer Familie von Schwerhörigen. Noch hat das Schicksal nicht zugeschlagen, aber es kann nicht mehr lange dauern. Wirklich, ja?

Also jetzt nochmal ganz im Ernst, das wäre doch eine Option. Wir zwei, eine Leuchtturmwärter-WG auf Wangerooge. Herrlich. Wie eine schöne Geschichte, Richard. Also Tiere, das klingt immer so kurios und so, jetzt gibt es die kleine lustige Meldung über Tiere, aber Tiere waren ja heute schon Thema. Und es gibt aber zwei weitere Meldungen, die ich interessant fand und dachte, das müsste dich fasziniert haben wie mich auch.

Gar nicht so lustig, sondern sozusagen auch wieder rund um die Frage kreisend, wie schlau sind die eigentlich, wie nahe sind die uns eigentlich. Es gab im Mai die Meldung, und das fand ich spektakulär, dass zum ersten Mal ein wilder Orang-Utan dabei beobachtet wurde, wie er eine Wunde selbst behandelt hat.

Und es war auch klar, der konnte sich das nicht irgendwo abgeguckt haben, in irgendeiner Station oder so, und auch nicht in einem geschützten Areal, sondern der muss das aus eigenem Antrieb selbst so entwickelt haben. Hältst du das für plausibel? Ja, ich halte das für denkbar. Also ich muss hier überlegen, junge Orang-Utangs lernen von ihren Eltern, Tausende von Pflanzen auseinanderzuhalten.

Es gibt ja relativ viele giftige Pflanzen oder ungenießbare oder mit unangenehmen Nebenwirkungen und das alles lernen die. Und dass sie von ihren Eltern auch irgendwie lernen, dass es irgendwie Pflanzen gibt, die irgendeine Art heilsame Wirkung oder so haben, das kann ich mir durchaus vorstellen. Also der Orang-Utang hatte ja diese Pflanze zerkaut, Das hat er sich mit Sicherheit von seinen Eltern abgeguckt und hatte die sich dann anschließend auf die Wunde gelegt.

Also das ist natürlich eine sehr beeindruckende Geschichte, aber ich kann es mir gut vorstellen. Direkt auf die offene Wunde drauf und die haben dann auch das weiter beobachtet, Biologin vom Max-Planck-Institut. Das war in Indonesien die ganze Geschichte und nach einem Monat war dann diese Wunde tatsächlich verheilt. Mich hat das wahnsinnig beeindruckt, offenbar stammend von einem Kampf mit einem anderen Tier. War so ein älteres Männchen, ne? Rakuten. Ja, genau.

Und die andere Geschichte, die ich interessant fand, das war deutlich später im Jahr, aber passt jetzt gut dazu. Eine Studie aus Oxford, wo die Kernthese ist, Tiere, die sich sehr sozial verhalten, leben deutlich länger. Das heißt, sie profitieren davon, dass sie zusammenarbeiten, dass sie gegenseitig auf sich aufpassen und so weiter. Hältst du das für plausibel? Überhaupt nicht. Also ich habe mir diese Studie angeguckt und ich meine, das ist eine Studie

von Wissenschaftlern in Oxford. Ja eben, nicht irgendwer. Aber ich habe mich von vorne bis hinten gefragt, wie kann man so eine lausige Studie machen? Ja, weil es werden bestimmte Tiergruppen untersucht, also von Korallen über Säugetiere und Vögel und so weiter. Wenn man jetzt mal ganz objektiv und ehrlich an dieses Thema rangeht und fragt, welche Tiere werden denn am ältesten?

Also wenn man sagt, welche Lebewesen werden am ältesten, dann sind wir bei irgendwelchen Hornschwämmen, die in der Tiefsee einige tausend Jahre alt werden. Und dass die kein richtiges Sozialleben haben, da sind wir uns glaube ich schnell ein. Wenn wir jetzt hingehen und sagen, ja gut, Hornschwämme muss man ja nicht mitkommen, jetzt gehen wir mal zu höher entwickelten Tieren. Was sind die Tiere, die am ältesten werden? Elefantenschillkröten.

Krokodile. Also da haben wir Tiere, die über 100 Jahre erreichen können. Vielleicht bei den Schildkröten über 150 Jahre. Reptilien allgemein kein besonders differenziertes Sozialleben. Also eher, ich meine, die Krokodile liegen zwar alle irgendwo mehr oder weniger im selben Fluss. Und sie können sich auch behilflich sein, wenn sie versuchen, irgendwelche Stücke aus Antiloten rauszureißen. Aber damit hat es sich auch erledigt. Ansonsten sind sie ziemlich asozial.

Die Väter fressen ihre eigenen Jungen und so. Das ist jetzt kein Inbegriff für differenziertes Sozialleben. Die tauchen in dieser Studie offensichtlich irgendwie nicht auf, weil die passen jetzt nicht gut ins Bild. Dann würde man sagen, die ältesten Tiere sind asoziale Tiere, eben keine sozialen Tiere. Dann kann man die Studie ja so machen, dass man sagt, okay, wir hören mal auf, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, also Hornschwämme mit Krokodilen.

Sondern wir nehmen innerhalb einer Gattung die Tiere. Das wäre ja eine sinnvolle Versuchsanordnung. Also wir nehmen Raubkatzen. So, bei Katzen ist es so, alle Katzenarten sind Einzelgänger mit einer einzigen spektakulären Ausnahme und das sind Löwen. Löwen haben ein hochdifferenziertes Sozialverhalten und verbringen den allergrößten Tag des Tages mit Schmusen oder wie der Biologe sagt mit Bonding, also Festigung des Gruppenzusammenhaltes.

Und die spielen untereinander ein kompliziertes soziales Schach. Das ist also ein Inbegriff eines sehr, sehr sozialen Tieres. Wie alt wird ein Löwe? Im Zoo bis 20 Jahre alt und in der Natur so um die zwölf Jahre im Durchschnitt. Wie alt wird denn ein Tiger oder ein Leopard? Einzelgängerische Tiere, nicht soziale Tiere, die also nur ganz kurze Zeit bei der Paarung zusammenkommen und wo die Mütter die Kinder alleine durchbringen müssen.

Im Zoo so beide bis an die 20 Jahre und in der Natur ungefähr zwölf Jahre. Das heißt also, die ganz große Normabweichung des Löwenrudels als soziale Katze im Gegensatz zu all den anderen Katzen bringt nicht den leisesten Vorteil beim Älterwerden. Zweites Beispiel. Nehmen wir Primaten, Menschenaffen. Wir haben ja gerade vom Orang-Utang gesprochen. Orang-Utangs, Schimpansen, Gorillas. Wie sieht das denn da aus?

Dann haben wir natürlich bei Orang-Utans eine etwas abweichende Struktur, nämlich die Männchen sind größtenteils Einzelgänger, jedenfalls ab einem bestimmten Alter. Und die Weibchen, die bilden so Kleinstgemeinschaften, helfen sich so ein bisschen bei der Kindererziehung. Ganz anders bei Gorillas und bei Bonobos und bei Schimpansen, die in entsprechenden Hordenverbänden leben. So 30 bis 60 Tiere, je nachdem, was es vielleicht abfällt.

Also hochsozial, auch ein bisschen asozial bei Schimpansen, aber soziale Tiere, die ganz, ganz, ganz viel miteinander interagieren. Werden jetzt die Schimpansen oder die Gorillas älter als die Orang-Utangs? Nein. Wer wird bei den Orang-Utangs am ältesten? Die einzelgängerischen Männchen werden im Schnitt einige Jahre älter als die sozialen Weibchen.

Und wenn du das alles im Hinterkopf hast und guckst dir dann diese Studie an, dann fragst du dir, wie musste man diese Studie stricken, um auf ein solches Ergebnis zu kommen. Also ich glaube, da ging es um ein politisch gewolltes Ergebnis. Hey, seid doch alle nett zueinander und was weiß ich was, das hilft beim Überleben und dann werdet ihr auch alle älter.

Ich wundere mich, dass die Universität Oxford, auch wenn ich das hier so ein bisschen verlacht und veralbert habe, aber dieser Studie müsste man mal in aller Gründlichkeit auf den Zahn fühlen und gucken, was wurde hier mit wem verglichen und was wurde hier eigentlich gemessen, um zu einem solchen Ergebnis zu kommen. Ja, das ist interessant. Das erinnert mich an diese Studien, die es immer wieder gibt, wonach verheiratete Männer deutlich länger leben als Unverheiratete.

Und ich erinnere mich an eine Replik, sagte irgendwann jemand, pass auf, ich ziehe das in Zweifel. ich glaube, es kommt Ihnen nur länger vor. Es kommt ja auch auf die Qualität des Lebens, nicht nur auf die Länge. Es geht um die Vergleichbarkeit. Richard, ein wichtiges Ereignis, auch glaube ich für jemanden wie dich, der Literatur studiert hat. Paul Auster ist gestorben. Und ich hatte das große Glück, ich habe den gesehen noch in Hamburg, Ich glaube, im Thalia-Theater war das, meine ich.

Und habe ihn lesen hören aus einem seiner letzten Bücher. Weltberühmter Schriftsteller. Der, ganz berühmt, die New York Trilogie, mit 77 Jahren gestorben, dessen erstes Buch, der erste Teil der New York Trilogie wurde, glaube ich, von 17 Verlagen abgelehnt und er hat einfach weitergeschrieben, das hat er damals erzählt irgendwie, das war ein entscheidender Moment in meinem Leben, statt zu verzweifeln, habe ich einfach weitergeschrieben.

Da war er schon 40, als dann so der große Durchbruch kam. Aber dann der ganz große Durchbruch. Er war der absolute Superstar der amerikanischen Literatur der 90er Jahre. Also neben Philip Ross damals quasi der berühmteste Autor. Genau.

Und war jemand, der ein sehr, wie soll man sagen, also ich mochte den von seiner ganzen Aura, das war damals auch zu spüren, der im Theater, es war ein wahnsinnig faszinierender Mann, der immer sagte, ich bin dankbar, dass ich so viele Jahre hatte und ich hoffe auch, dass noch ein paar Jahre kommen. Aber wir werden sehen, es könnte auch heute schon vorbei sein. So dieses lakonische, dieses auch ein bisschen Schicksalsergebene.

Das hat ihn so ausgemacht. Was ist für dich Paul Oster? Was würdest du sagen, was ist die Bedeutung von Paul Oster? Also ich habe tatsächlich nur ein einziges Buch von ihm gelesen, Mond über Manhattan, das ein ziemlich großer Bestseller war in den 90ern. Und ich fand das ganz gut. Ich fand das ganz gut, genau. Aber ich hatte andere Helden in der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Also ich war wesentlich faszinierter von Don DeLillo und von T.C. Boyle.

Und im direkten Vergleich, also er war ja jemand, der quasi mit den anderen in einem Atemzug genannt wurde oder so, fand ich die Orsterbücher sehr kulinarisch und man konnte die gut lesen und so, aber ich fand sie literarisch eben nicht so toll. Wie Underworld von DeLillo. Ja, ist eines meiner ultimativen Lieblingsbücher. Ist natürlich auch ein großes, dickes, episches Buch. Und T.C. Boyle ist ja ohnehin einer meiner absoluten Lieblingsautoren.

Und deswegen ist Orster bei mir irgendwie nicht so tief hängen geblieben. Obwohl das der Schriftsteller war, über dessen Privatleben man sehr viel mehr wusste, weil seine Frau Siri Hustwett ganz viel darüber geschrieben hat. Genau, genau. Genau. Mich hat seine Geschichte vor allem der letzten Jahre dann auch berührt, weil sie so eng verbunden ist mit dem Amerika von heute. In den letzten Jahren hat sozusagen das Schicksal da ganz hart zugeschlagen.

Seine Enkelin ist gestorben, sein Sohn ist gestorben, beide an einer Opioidvergiftung zugrunde gegangen. Und das ist der große Schmerz in dieser amerikanischen Gesellschaft. Wir haben ja schon ein paar Mal darüber gesprochen. Diese grassierende Drogensucht, diese Drogen, die wirklich diese Gesellschaft fest im Griff haben und nach meinem Gefühl auch wirklich zerstören. Und er selber hatte dann Krebs und hat bis zum Schluss geschrieben.

Das ist auch, finde ich, so interessant, dass Leute, die so kreativ sind, die schreiben einfach immer weiter. Und ich glaube, dass das auch ein großer Trost ist, dass man das Gefühl hat, der Job ist noch nicht gemacht. Wir machen einfach weiter so lange, bis es eben nicht mehr geht. Baumgarten war, glaube ich, der letzte Roman, den ich aber nicht gelesen habe. Ja, wahrscheinlich. Juli, Richard. Ja. Da gab es einen interessanten Moment. Du bist ja so ein großer Fußballgucker.

Du bist ja, das ist ja da, da lässt du ja dann die Sau raus, wie ich weiß. Karneval und beim Fußball. Genau. Und da, abgesehen jetzt vom Sportlichen, da hat nach dem EM aus der Deutschen, hat Julian Nagelsmann was sehr Interessantes gesagt. Und zwar hat er sich bedankt zunächst mal bei den Fans im Land und hat dann auch gesagt, wir hätten den Leuten gerne noch sehr, sehr, sehr viel mehr gegeben, wir hätten gerne diesen Titel geholt und so weiter.

Und dann kam er plötzlich auf diese Gemeinschaft zu sprechen, die wir mal waren. Das klang so ein bisschen melancholisch und die er offenbar vermisst in der heutigen Gesellschaft. Und sagte, wir leben in einer Zeit, in dem jeden das einzelne Posting, wo er sich darstellt, sich produziert, sich wichtig macht, wichtiger ist, als eine gemeinsame Stunde zu verbringen.

Und sagt dann, wir waren lange Zeit das Land der Vereine, wo Menschen zusammenkommen und verschiedene Sachen zusammen machen, Sportverein, Trachtenverein, Musikverein. Und sagt, und heute ist es mehr wert, wenn man eine Stunde allein an einem Bergsee steht und irgendein Instagram-Foto macht, als das gemeinsam zu erleben. Das fand ich einen bemerkenswerten Moment. Das hat er auf jeden Fall einen Punkt und das ist auch deswegen interessant, weil er selber ja noch sehr jung ist. Genau.

Dass er also so die Hochzeit des Vereinswesens hat er ja selber gar nicht mehr erlebt. Ja, aber zumindestens wahrscheinlich noch die Ausläufer davon. Und das ist natürlich richtig.

Und man muss aber sagen, und das steht ja in unmittelbarem Zusammenhang damit, man hat ja deutsche Nationalmannschaft ja vor Nagelsmann nicht zu Unrecht vorgeworfen, aus lauter Solisten zu bestehen, wo man immer häufig auch Angst hat, selbst in wichtigen Spielen, dass sie mehr Angst haben, sich zu verletzen oder ihren Marktwert dadurch zu reduzieren, als dass sie unbedingt für den Erfolg gekämpft haben.

Und die positive Überraschung dieser Europameisterschaft war eine nicht nur fußballerisch, sondern eben auch kämpferisch 100% überzeugende deutsche Mannschaft. Es war von Anfang an klar, dass sie ganz gut sein würde, aber sie war auch eine Wundertüte. Es war nicht so sicher, ob sie wirklich konstant gut spielen würde. Und ich meine, sie hat ein großartiges Turnier gespielt. Und dass sie das Pech hatte, im Viertelfinale auf Spanien zu treffen, das im Grunde genommen vorweggenommene Endspiel.

Und dann in dem Spiel auch nochmal massiv Pech. Also ein hochdramatisches Spiel, woran sich jeder wahrscheinlich noch erinnert und noch feuchte Hände kriegt, wenn er daran denkt. Da muss man sagen, wurde ganz, ganz viel repariert, wenn auch nur für kurze Zeit. Aber da war diese Geschlossenheit eines häufig gefühlt auseinanderfallenden Landes mit zu viel am Bergsee stehenden Leuten oder zu vielen Fußballern, die nur an ihrem Marktwert interessiert sind. Das war da eben nicht spürbar.

Sondern das hatte was von dieser alten Entschlossenheit und Kampfkraft, die die deutschen Mannschaften, selbst als sie fußballerisch noch nicht so gut waren, immer ausgezeichnet hat. Und das kehrte hier zurück. Und hier hatten wir beides. Wir hatten grandiosen, großartigen Fußball und gleichzeitig wirklich eine Mannschaft, die es unbedingt wollte, was man eben zu oft in letzter Zeit nicht gesehen hat.

Und deswegen glaube ich, bleibt die Nationalmannschaft, die die Europameisterschaft gespielt hat, in allerbester Erinnerung. Absolut. Und ich fand es eben interessant, er hat dann auch später von dem Neid gesprochen, der diese Gesellschaft zerfrisst. Du erinnerst dich, wir beide hatten im Moment doch auch mit Toni Kroos. Da gab es eine lange Debatte dann hinterher. Wir hatten plötzlich eine gesellschaftliche Debatte. Die Frage, was das eigentlich von Land ist, in dem wir leben.

Die Frage, mit welchen Problemen wir konfrontiert sind. Du erinnerst dich, Toni Kroos, der dann, ich habe ihn ja damals gefragt nach dem Blick von außen, der sagte, naja, ich habe Kinder, ich habe Töchter und wir fragen uns manchmal, ob wir unsere Tochter abends am Wochenende lieber raus in eine spanische Großstadt lassen oder in eine deutsche Großstadt lassen.

Mit anderen Worten, er hat die Frage nach der Sicherheit gestellt, nach der inneren Sicherheit und das hat zu sehr vielen Diskussionen geführt. Das hat auch vor allem zu ganz unfairen Reaktionen gegenüber Toni Kroos geführt. Hat auch zu miesen Reaktionen, der gesagt hat, auch mir gegenüber geführt. Hat sich Leute darauf aufgeregt, haben gesagt, was heißt denn hier Töchter rauslassen, was ist das für ein patriarchalisches Verständnis.

Da wurde jeder einzelne Satz geprüft und gegen ihn verwendet. Genau. Und dabei ist es doch eine wirklich triviale und wirklich harmlose Aussage zu sagen, dass man als Eltern ein besseres Gefühl hat in einer spanischen Großstadt nachts als in einer deutschen Großstadt. Naja, das finde ich jetzt tatsächlich nicht trivial, sondern das stellt natürlich… Ich finde es trivial, das zu äußern. Ja. Den Sachverhalt dahinter, den finden wir nicht erfreulich,

aber es ist eine völlig normale Äußerung, das auch zu sagen. Genau. Apropos nicht trivial, Richard, es kommt der August und... Deutschland und nicht nur Deutschland hat plötzlich eine dicke moralische Nuss zu knacken. Ein verurteilter Auftragsmörder, Stichwort Tiergartenmörder, Krasikow, wird ausgetauscht. Und plötzlich hast du die Debatte, ist das gerecht?

Machen sich Staaten erpressbar? Ist das ernsthaft möglich, dass jemand einfach wahllos, auch jetzt gerade wieder passiert, deutsche und auch amerikanische Staatsbürger, du denkst dann Gershkovitsch, den Kollegen vom Wall Street Journal zum Beispiel. Der ewig lange festgehalten wurde unter fadenscheinigsten Gründen, ja Spionage ist dann immer das Thema oder irgendjemand hat angeblich Drogen im Gepäck oder keine Ahnung was.

Und plötzlich sitzt du in einem harten russischen Knast und es stellt sich raus, eigentlich geht es um was ganz anderes. Eigentlich geht es darum, diesen sogenannten Tiergartenmörder freizupressen. Ein Mann, der einen Georgier, glaube ich, mit tschetschenischem Hintergrund umgebracht hat.

Und in dem Zusammenhang kommen dann nicht nur er frei, wird dann von Putin persönlich absurde Bilder, dieser Krasikow in diesem Adidas-Jogging-Anzug, wirklich direkt aus dem Knast, wird dann nachts von Putin im Anzug weißes gestärktes Hemd und so weiter nicht nur begrüßt, sondern sogar in den Arm genommen. Und im Grunde wird in dem Moment das erste Mal wirklich klar, okay, das ist ein FSB-Mann oder KGB-Mann, wie auch immer. Und der alte KGB-Mann Putin kümmert sich sozusagen um seine Leute.

Der lässt die nicht hängen. Das war die wichtige politische Botschaft. Aber die Debatte, wie weit wir uns erpressbar machen, die ging mir damals lange nach. Wie ging es dir? Mir ist das vielleicht deswegen nicht so nachgegangen, weil ich dachte, das war schon die politische Praxis im Kalten Krieg. Da hat man auf der Glienäcker Brücke ja auch solche Austausche gemacht.

Und ich gehe mal davon aus, dass in den hartesten Zeiten des Kalten Krieges es auch politische Morde gegeben hat, begangen von den Agenten der jeweiligen Seite. Nur, dass das vielleicht damals von der Presse auch nicht in dem Umfang alles recherchiert worden ist, was da jemand auf dem Kerbholz hatte oder ganz konkret gemacht hatte.

Aber ich glaube, das gehört so zur Geschichte, dass man auch Mörder austauscht und dass man versucht, wertvolle Beute zu machen, die man als Pfand einsetzen kann, um seine Leute da wieder rauszuholen und so weiter. Ich frage mich, ob es eine generell neue oder andere Qualität gegenüber den Zeiten des Kalten Krieges hatte. Das kann ich aber auch nicht beurteilen. Mir geht es eigentlich um das moralische Dilemma, in dem du dann plötzlich steckst. Du denkst an Helmut Schmidt, damals RAF-Zeit.

Der Staat darf sich nicht erpressen lassen. Der Preis ist dann, dass jemand wie Hans-Martin Schleyer umgebracht worden ist. Aber das ist, glaube ich, irgendwie was anderes, weil es gibt diese... Tja, Gentleman ist natürlich ein zynischer Begriff, aber diese Agreements auf politischer Ebene, dass man wechselseitig seine Agenten und seine Handlanger und wer auch immer das ist, dass man die austauscht. Ich glaube, das hat einfach eine lange Tradition durch die ganzen Zeiten hinweg

gehabt, also zumindest im 20. Jahrhundert. Weißt du, was mir davon hängen geblieben ist? Mir ist hängen geblieben dieser unglaubliche Mut dieser russischen Oppositionellen. Ich muss wirklich sagen, das ist das, was mir von diesem Jahr 2024 besonders im Gedächtnis bleibt. was diese Typen für Kochones haben, um es mal so zu formulieren.

Ilya Yashin, der, ich weiß das von einem Gespräch mit Wladimir Karamursa, der dann in der Sendung auch zugeschaltet war, der auch einer von denen war, der zweimal vergiftet worden ist, der das zweimal überlebt hat und der im Interview sagt, du Markus, ich bin davon ausgegangen, ich komme nie wieder aus dem Knast raus.

Der war zu, glaube ich, 25 Jahren Lager verurteilt worden. Und er hat erzählt, dass Ilya Yashin, ein weiterer sehr prominenter russischer Gefangenein oder Kremlkritiker, dass der gar nicht raus wollte. Der hat sich geweigert, diese Zelle zu verlassen. Er hat gesagt, ich mache das nicht, weil hier bin ich genau an dem Ort, an dem ich der Opposition dieses Landes am meisten nützen kann.

Das musst du dir mal vorstellen. Da ist die Chance herauszukommen, deine Familie wiederzusehen, deine Frau wiederzusehen, deine Kinder in die Arme zu schließen und der sagt, nee, lass mich bitte hier, hat sich geweigert die Zelle zu verlassen. Das ist unglaublich und Karamoza war auch so in diesem Gespräch ein blitzgescheiter Typ, wahnsinnig aufgeräumt, der 2022 glaube ich festgenommen worden ist, dann wegen Hochverrats, 25 Jahre.

Wegen Kritik am Ukraine-Krieg. Unglaubigen, Hochverrats, ja genau, unter anderem, ganz genau. Und in dem Zusammenhang auch Alexej Nawalny, ich habe das Buch von ihm gelesen, Patriot, ein unglaubliches Buch, insbesondere auch das letzte Kapitel, wo er beschreibt dieses Urteil am 22. März. Wo dann klar war, nochmal neun Jahre. Und er schreibt dann, wie man es auch dreht und wendet, neun Jahre im strengen Vollzug. Das war sozusagen die Ansage. Es sind ein extrem hartes Urteil,

weil in Russland der durchschnittliche Mörder genau sieben Jahre sitzt. Also das ist so. Und dann beschreibt er diese Situation, wie er zurückkommt in den Knast, gerade frisch verurteilt zu neun Jahren. Alle anderen wissen schon darüber Bescheid. Und er sagt, die erwarten, dass du jetzt, dass du fertig bist, dass du komplett bestürzt, geknickt bist, dass du nicht mehr kannst, dass du heulst und so weiter. und schau dich dann so an mit diesem verstohlenen, besonderen Blick. Wie nimmt das auf?

Was ist der Gesichtsausdruck? Ist er jetzt ein gebrochener Typ? Was ist das für eine Reaktion eines Menschen, dem man gerade gesagt hat, dass er jetzt die längste Haftstrafe in diesem ganzen Knast verbüßen wird und dass er an einen Ort verlegt wird, der eigentlich nur gewöhnlichen Mördern vorbehalten ist und der besonders trostlos und brutal ist. Und dann beschreibt er, wie er sich darauf vorbereitet hat und sagt, ich habe mich mein ganzes Leben immer wieder auf nur diese Situation vorbereitet.

Und selbst der Aufseher sagt ihm dann bei der wirklich unerfreulichen Leibesvisitation. Sie wirken ja gar nicht verstört auf mich. Und er sagt zu ihm, ich bin okay. Und das schreibe ich nicht nur deswegen, weil ich jetzt eine vorgespielte Sorglosigkeit hier an den Tag legen will, sondern weil ich das auch wirklich so meine. Und dann beschreibt er einen Mechanismus und das ging mir so unter die Haut. Er sagt, das Erste, was du machst, ist, du stellst dir das Schlimmste vor, was passieren kann.

Und akzeptierst das. Und er sagt, das funktioniert, auch wenn es eine unglaubliche, harte, brutale, masochistische Übung ist. Funktioniert nur in der Psyche sehr ungewöhnlicher Menschen. Wahrscheinlich ist das so. Dass er ja auf jeden Fall war. Wie alle Menschen, die bereit sind, ihr Leben zu riskieren, für ihre Ideale und für ihre Grundüberzeugung. Weil das sind ja nun wirklich nicht mal ein Prozent einer Bevölkerung,

die sowas tatsächlich tun werden. Ja, deswegen meine ich, das beeindruckt mich so, diese psychische Stärke, die die haben. Es gibt da einen Abschnitt, wo er darüber nachdenkt und sagt, du legst dich in dein Stockbett und dann kommt irgendwann Licht aus und dann geht das Licht aus und dann versuchst du dir so realistisch wie möglich, wie der Rest deines Lebens aussehen wird. Und zwar sagst du dir, du wirst den Rest deines Lebens hier in diesem Knast verbringen. Du wirst sterben.

Es wird niemand da sein, von dem du dich verabschieden kannst. Und während du noch im Gefängnis sitzt, sterben draußen andere Menschen, die du kennst. Du kannst dich auch von denen nicht verabschieden. Du wirst Schul- und Uniabschlussfeiern deiner Kinder verpassen. Doktorhüte mit Quasten fliegen in die Luft und du wirst nicht dabei sein. Alle Jahrestage werden ohne mich gefeiert. Ich werde meine Enkel nie sehen. Ich werde kein Gegenstand irgendwelcher Familienlegenden sein.

Ich bin derjenige, der auf allen Fotos fehlt. Das ist Wahnsinn. Und trotzdem, erinnerst du dich an diesen letzten Auftritt vor Gericht, wie aus dieser Zelle heraus irgendwie dem Richter sagt, ich bräuchte immer ein bisschen Geld von dir, weil ich bin pleite und muss mir ein paar Dinge kaufen und du von deinem Staatsgehalt kannst mir ein bisschen was abgeben. Wie kann man das? Das hat mich wahnsinnig beeindruckt. Was eigentlich zeigt, was Diktatoren so fürchten. Menschen mit einer Überzeugung.

Das ist eigentlich das Thema. Und interessant ist, wie Nawalny in diesem Buch auch über die Resilienz von Diktaturen nachdenkt. Und sagt, ihr glaubt immer, das hat sich nach ein paar Jahren erledigt. Aber Diktaturen und Autokratien sind erstaunlich widerstandsfähig und die überdauern Jahrzehnte. Und das ist auch der Grund, warum ihre Gegner im Knast sterben. Und die sind gefährlich.

Immer noch da. Was direkt, Richard, ganz anderer Kontext, aber zur Frage führt, was macht Nationen prinzipiell resilient und gut und wann sind Gesellschaften sozusagen besonders widerstandsfähig, wann gedeihen sie, wann erblühen sie und wann nicht. Und darum drehte sich ja im Oktober der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Ja, wir haben mal eine Folge dazu gemacht, wo wir überlegt haben, was macht Nationen oder Zivilisationen erfolgreich, beziehungsweise was bringt sie zu Feier. Richtig.

Und in dem Zusammenhang haben wir ja über Darren Asimuglu gesprochen und auch über James Robinson, die dieses Buch geschrieben haben, Why Nations Fail. Und die These dahinter ist, dass Gesellschaften umso stabiler sind, umso mehr Partizipationsmöglichkeiten ihre Bürger haben. Und zwar politisch und ökonomisch. Und damit sie diese Partizipationsmöglichkeiten haben können, braucht man gut funktionierende inklusive Institutionen.

Also ein entsprechendes Bildungssystem, ein Rechtssystem, das jedem ermöglicht, zu seinem kommen zu können und ein politisches System, das eben nicht irgendwelche Klienten besonders begünstigt, sondern jedem eben die Chance gibt, zu seinem zu kommen. Das ist die Grundthese dieses Buches und dafür gab es den Wirtschafts-Nobelpreis. Ich habe mich ja viel mit dem Buch auseinandergesetzt, habe ja auch ein paar Schwachpunkte gefunden, die jetzt nicht die Nobelpreiswürdigkeit beeinträchtigen.

Aber was in dem Buch leider fehlt ist, wenn dort die Rede von Diktaturen ist oder von Ungerechten oder von Systemen, die moralisch bankrott sind und so weiter, dann wird immer nicht davon geredet, wie viel die Einmischung von außen. In andere Staaten solche Systeme begünstigt.

Das heißt also, bodenschatzreiche Länder sind oft der Zankapfel der Interessen reicherer anderer Länder und bekommen dadurch nie wirklich die Chance, sich von innen heraus liberal-demokratisch zu entwickeln, also die inklusiven Institutionen überhaupt aufzubauen. Aber vielleicht schreibt Asimulu ja irgendwann einen zweiten Band, in dem er noch auf diese Einwände eingeht oder das noch mit berücksichtigt.

Wenn wir gerade über Nationen, Gesellschaften, Staaten sprechen, Richard, es gibt etwas, was auch so ein bisschen unterm Radar gelaufen ist, weil es erst am Ende des Jahres passiert ist. Der Salzstock-Gorleben, das berühmte Endlager, wird zugeschüttet. Aktuell mit 800 Tonnen Salz pro Tag, 400.000 Tonnen insgesamt werden es in den kommenden drei Jahren sein. Und Heribert Brandl hat das so gut beschrieben, sagte, Politik und Gesellschaft prallten hier über Jahrzehnte aufeinander.

Und ich muss die einmal kurz vorlesen, weil das so ein guter Text ist. Er sagt, in Gorleben hat die deutsche Politik viel gelernt. Sie hat gelernt, dass man mit Wasserwerfern Demonstranten zwar wegspritzen, aber keine Überzeugung herbeispritzen kann. Sie hat gelernt, dass man mit einem gewaltigen Polizeiaufgebot zwar innere Sicherheit herstellen, aber keinen inneren Frieden erzwingen kann.

Sie hat gelernt, dass Polizeibeamte nicht die Gebrechlichkeitspfleger einer Regierung sind und auch nicht die Mediatoren einer gespaltenen Gesellschaft. Und nicht zuletzt, in Gorleben hat die Politik gelernt, dass Atomkraft in Deutschland keine Zukunft hat. Dieser Lernerfolg, schreibt er, muss bleiben, wenn das Kapitel Gorleben endgültig vorbei ist. Das fand ich einen bemerkenswerten Satz und, oder einen bemerkenswerten, nochmal, das finde ich einen wirklich guten Gedanken.

Und er hat recht, oder wie siehst du das? Ja, ich fand das eine sehr schöne und literarisch wertvolle Beschreibung dieses Kapitels Gorleben, das mich durchaus in meinem Leben beschäftigt hat. Als jemand, der mit den frühen Grünen sympathisiert hat. Und da war natürlich Gorleben ein Riesenthema. Wieso nimmt man so ein olles Salzlager, bei dem man sich gar nicht sicher war, ob das wirklich eine besonders gute Herberge ist für Atommüll und sucht das aus?

Und warum findet man nichts Besseres und warum lässt man es nicht mit der Atomkraft, wenn man die Lösung noch gar nicht gefunden hat, wie man Atommüll dauerhaft lagern kann. Was ich jetzt wahnsinnig interessant finde, ist, dass das mit Salz zugeschüttet wird. Genau. Ja, und nicht mit Beton oder irgendwas und so. Finde ich auch super interessant. Also ist das sozusagen die sicherste Form, Atommüll zu lagern, indem man ihn in eine Art Salz-Sarkophag einfügt?

Also da lerne ich gerade ordentlich was dazu. Ja, offensichtlich. Ich kenne jetzt auch den Hintergrund nicht, aber ich fand es deswegen so interessant, weil Gorleben ist ja wirklich das Symbol für das Thema Atomkraft in Deutschland. Und wir alle haben diese Kastoren noch im Kopf und so weiter und die Leute, die sich da haben wegtragen lassen und sich gewehrt haben.

Und man hatte das Gefühl, so wie er es beschreibt, Politik und Gesellschaft sind an keinem anderen Ort so hart aufeinander gepreilt wie in Gorleben. Und es geht jetzt einfach still und leise zu Ende. Ganz still und leise. Genauso still und leise wie amerikanische Mittelstreckenraketen wieder in Deutschland stationiert werden. Auch so ein Ding. Still und leise in diesem Jahr. Keine gesellschaftliche Debatte darüber. Ein guter Vergleich.

Also sozusagen die Gespenster der Achtzehner. Ja, das stimmt. Also ich glaube, eine ganze Generation, also unsere, weiß nur deswegen von der Existenz von Lychow-Danneberg wegen Gorleben. Das war ja damals auch Zonengrenzgebiet und irgendwie war es, wenn man nicht unbedingt hin wollte, fuhr man da nicht hin. Und da war ja relativ strukturschwache Gegend, wo wenige Landwirte waren und so.

Und da wurden ja dann regelrechte Schlachten ausgetragen, wo es ums Grundsätzliche nicht nur der Energieversorgung in Deutschland ging, sondern zumindest aus der Sicht der Gegner auch ums Grundsätzliche der bundesrepublikanischen Demokratie. Und wenn wir gerade über Dinge sprechen, die uns geprägt haben, also das Thema über Jahrzehnte. Es gibt einen Mann, finde ich, der dieses Jahr geprägt hat wie kein anderer, weil er immer wieder in aller Munde war, Elon Musk.

Und ich bin bis heute unentschlossen, was ich über den eigentlich wirklich denken soll. Auf der einen Seite großer Respekt dafür, dass man es geschafft hat, wirtschaftlich so erfolgreich zu sein. Also jemand, der so viel Erfolg hat, 300 Milliarden schwer, der reichste Mensch auf Erden. Der reichste gelistete Mensch auf Erden. Du meinst, Putin ist noch ein bisschen reicher? Ich glaube, dass Mohammed bin Salman noch um einiges reich hält und vielleicht auch der Sultan von Brunei

oder die Herrscherfamilie von Katar, die tauchen in solchen Rankings nicht auf. Ja, genau. Ist auch wurscht, aber er ist jemand, der, und darum geht es ja, mit seiner Macht, mit seinem Geld, auch mit seinem medialen Einfluss mittlerweile wirklich Politik macht und echten Einfluss gewinnt.

Und die Tatsache, dass du ja kaum mal den Auftritt dann von Trump, insbesondere nach seiner Wahl gesehen hast, auf dem Musk nicht mit dabei war, zeigt dir, wie eng dieser Mann plötzlich an der amerikanischen Politik dran ist und wie sehr er Teil des Systems plötzlich wird. Und das gepaart mit dieser gigantischen Medienmacht ist etwas, ich denke, okay, ist das alles so sinnvoll, ist das alles so gut? Das ist mit Sicherheit nicht im Sinne des Erfinders.

Also das ist nicht, wie sich ein Theoretiker einer liberalen Demokratie sich das vorstellt. Und wir würden ja auch bei uns versuchen, mithilfe von Kartellgesetzen und so weiter eine solche Machtfülle irgendwie einzudämmen, weil wir, was Medientycune anbelangt, wir denken an Alfred Hugenberg, den Steigbügelhalter Hitlers in der Weimarer Republik und so weiter, ja aus guten Gründen auch ziemlich sensibel sind.

Also bei uns könnten die größten Medienkonzerne nicht ohne weiteres miteinander verschmelzen zum Beispiel. Und wenn das auch noch gleichzeitig Konzerne sind, die auch noch in anderen Bereichen systemrelevante Funktionen haben, hätten wir da zumindest eine deutlich größere Sensibilität als die in den USA. Dazu passt eine Meldung aus dem November, fand ich völlig irre. Masks eigener KI-Bot hat ihn als einen der bedeutendsten Streuer von Fehlinformationen auf X bezeichnet.

Wie ist das denn rausgekommen? Die Geschichte ist, ein Nutzer, Gary Köpnik, fragt die KI, welche Person die meisten Fehlinformationen auf Twitter, also früher Twitter, heute X, verbreitet.

Und der Dienst zögert nicht mit dem Finger auf seinen eigenen Schöpfer, wenn man so will, zu zeigen und sagt also basierend auf verschiedenen Analysen und Stimmungen in den sozialen Medien und so weiter, wurde Elon Musk als einer der bedeutendsten Verbreiter von Fehlinformationen, auf X identifiziert, seit er die Plattform erworben hat. Das zeigt, dass die Welt noch in Ordnung ist, dass er nicht in der Lage war, diese Informationen zu verhindern.

Naja, aber spezifiziert das dann auch noch später und sagt, ist jemand, der für die Förderung oder Unterstützung von Fehlinformationen kritisiert wurde, insbesondere im Zusammenhang mit politischen Wahlen, Ereignissen, Gesundheitsthemen, Covid-19 und so weiter, Verschwörungstheorien. Also das ist sozusagen das Thema. Und das ist das eine, die Abreibung durch dein eigenes KI-System.

Und auf der anderen Seite bin ich dann wieder fasziniert, wenn ich die Bilder dieser Raumfähre sehe, des Starships, dass erstmals die Startstufe da wieder eingefangen hat. Sonnenaufgang im Süden von Texas, da hebt dieses Ding ab. Nach ein paar Minuten landet dann diese 71 Meter lang, muss man sich mal klar machen, schon 71 Meter lange Startstufe, wieder genau auf der Rampe, von der sie losgeflogen ist.

Von diesen riesigen Metallarmen da eingefangen. Und das ist so ein Ding, das mich dann echt beeindruckt. Wo ich denke, ja genau, das ist dann halt eben auch Amerika. Was Richard direkt zu unserer letzten Geschichte führt. Erstmals hat es Bilder gegeben von einem Stern außerhalb unserer Galaxie. Ein Stern aus einer anderen Galaxie. W.O.H.G. 64. 160.000 Lichtjahre weg. 2000 Mal größer als die Sonne. ein Stern, der gerade stirbt, ein roter Riese, der sich gerade aufbläht. Ich finde das spektakulär.

Das gefällt dir daran. Ist das für dich so ein Inbegriff für China? Nein. Ich finde es wirklich faszinierend, dass wir bei so etwas dabei sein können. Dass also sozusagen viele Theorien, die es darüber gab, wie die dadurch belegen können. Und mich fasziniert sozusagen der zeitliche Horizont. Also dieser rote Stern, dieser rote Riese, Dieser sterbende Stern, der ständig Gas und Staub ins Weltall ausstößt, der steht kurz vor einer Explosion.

Und jetzt sage ich dir, was kurz in dem Zusammenhang ist. Astronomen gehen davon aus, dass in ein paar tausend Jahren explodiert. Und das ist astronomisch gesehen ein Augenblick. Gar nichts, gar nichts, gar nichts. Und der bläht sich, bevor er stirbt, noch einmal unendlich auf, macht sich also noch viel größer, als er je war. Richtig, es ist Vorspielung falscher Tatsache, möchte ich sagen. Färbt sich wahnsinnig an, ja, also ist gefärbt. Also vielleicht eine Metapher für Donald Trump.

Aber wie auch immer, wie auch immer wir es drehen, es ist für mich ehrlich gesagt, ist der Rote Riese faszinierender als die Rakete von Elon Musk. Das liegt daran, dass ich die Faszination dieser unendlichen Dimensionen der Natur. Für mich persönlich viel tiefer fühle, als die Faszination für menschliche Technik, mit der wir versuchen, irgendwo der Natur gleichzukommen oder die Natur zu beherrschen oder unseren Fußabdruck auf ihr zu hinterlassen.

Aber das ist jetzt keine moralische Bewertung. Das ist eine metaphysisch-seelische Bewertung von mir selber. Also ich könnte mir vorstellen, mich ein Leben lang mit Astronomie zu beschäftigen, aber ich wäre nicht daran interessiert, an einem Projekt mitzuarbeiten, und das Raketen entwickelt. Aber so hat jeder seine eigenen Vorlieben. Richtig. Ich muss sagen, das Thema interessiert mich so sehr, dass ich vorschlagen würde,

wenn du nichts dagegen hast, Richard. Wir machen nächstes Jahr eine eigene Folge dazu. Sterne, Weltall. Und über das ewige menschliche Bedürfnis, überall den Fußabdruck zu hinterlassen, auch da, wo er nun wirklich nicht hingehört. Genau. Also ein bisschen Demut vielleicht. Gute Übung in Demut, mit der wir ins neue Jahr starten.

Würde ich vorschlagen, wenn du dabei bist, Richard, bedanke mich ganz herzlich, nicht ohne dir nochmal ganz ausdrücklich von Herzen Danke zu sagen für ein, wie ich fand, sehr inspirierendes, gutes Jahr, das wir zusammen hatten. Ich habe diesen Austausch immer wahnsinnig genossen, genieße ihn weiter und mit uns offenbar auch viele, viele andere. Dafür wirklich von Herzen Danke.

Ja, ich danke dir natürlich ganz genauso. Hab einen guten Rutsch und ich freue mich auf die Zeit in 10 oder, wenn du soweit bist, in 15 Jahren. Wenn wir uns dann im Leuchtturm wiedersehen. Und dort mit einem großartigen Fernrohr. Roten Riesen beim Verschwinden zugucken. Herrlich. Das hast du jetzt gesetzt, das Thema. Wir zwei als Leuchtturmberter auf Wangerooge. Herrlich. Richard, alles Liebe dir und guten Rutsch. Auf bald. Ja, wünsche ich dir auch. Bis ins neue Jahr. Tschüss, Markus. Music.

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