AUSGABE 172 (Syrien: Assad ist weg! Und jetzt?) - podcast episode cover

AUSGABE 172 (Syrien: Assad ist weg! Und jetzt?)

Dec 20, 202453 min
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Syrien zwischen Frieden oder neuem Bürgerkrieg? Zwischen islamistischer Diktatur oder Demokratie? Was wird aus den syrischen Flüchtlingen? In dieser Folge beschäftigen sich Markus Lanz und Richard David Precht mit dem Sturz des Diktators Baschar al-Assad. Lanz ist schockiert von der Grausamkeit des Assad-Clans, die das Land „wie Privatbesitz“ behandelten und willkürlich folterte und mordete. „Schäbig“ findet außerdem Precht, dass in Deutschland gleich nach dem Regime-Sturz über die Rückführung der syrischer Flüchtlinge diskutiert wurde.

Transcript

Music. Schönen guten Morgen, Richard. Guten Morgen, Markus. Richard, Ende des Jahres und das Weltgeschehen geht weiter. Ich würde heute gerne mit dir über Syrien sprechen, über das, was wir da an Bildern gesehen haben, über diese Nachrichten, über die Geschichten, die wir hören. Das ist zum Teil atemberaubend. Ich habe das halbe Wochenende damit verbracht und bin ehrlich angefasst.

Mir war nicht klar, welche Hölle Syrien wirklich ist. Und wenn man sich das mal einfach nur in relativ gesicherten Zahlen mal anschaut, ein paar Eckdaten. Ungefähr 3000 Menschen sind mittlerweile aus diesem Foltergefängnis Sydneyer befreit worden. 200.000 Menschen werden offenbar noch vermisst. Allein im Nordosten, Kurdengebiet, sind aktuell knapp 100.000 Menschen vertrieben. 14 Millionen Menschen insgesamt sind in diesem Krieg vertrieben worden.

Nach UN-Schätzungen sind dabei mehr als 300.000 Zivilisten ums Leben gekommen. Mehr als 17 Millionen Menschen in Syrien brauchen dringend humanitäre Hilfe und so weiter und so weiter. Und ich könnte zum Schluss noch sagen, mindestens 5000 dieser Folteropfer, also tot gefolterte Menschen und wir reden von Menschen. Frauen, Kindern, Männern, einmal querbeet, hat das Regime selber dokumentiert. Das wissen wir durch die SISA-Fotos, durch die Prozesse in Koblenz, unter anderem hier in Deutschland.

Was ein besonderer Moment war, finde ich, in der Rechtsprechung, dass das hier auf deutschem Boden verhandelt wurde. Koblenz einmal schnell erklärt, weil es wirklich besonders ist, 2022 ein weltweit einmaliges Verfahren vor dem Oberlandesgericht in Koblenz. Da wurde Anwar Erso, wurde er immer genannt, angeklagt, weil er in einem Gefängnis des syrischen Geheimdienstes für die Folter tausender Menschen für 27 Morde und vieles mehr verantwortlich gewesen sein soll.

Also genau einer dieser Folterknechte. Und die Frage, warum wird ein syrisches Verbrechen in Koblenz ausgeurteilt und vollstreckt, das hat zu tun mit einem besonderen Verfahren, ein Verfahren, das auf dem sogenannten Weltrechtsprinzip beruht. Und die Grundidee ist, dass bestimmte Verbrechen so gravierend sind, dass universelle Werte verletzt werden und dann darf sozusagen jedes Land tätig werden, um im Namen der Weltgemeinschaft das zu ahnden.

Das hat ein bisschen was Richard von Kants Universalismus findet. Es hat viel von Kants Universalismus, sondern es hat viel von den Prinzipien der UNO. Was aber auch wiederum, und das gehört zum ganzen Bild dazu, vom Regime propagandistisch genutzt wurde. Und man hat gesagt, schaut mal, ihr lauft über, ihr geht nach Deutschland und dann stellen sie euch dafür, dort vor Gericht. Die haben sich ins Fäustchen gelacht über die Rechtsprechung hier bei uns.

Was geht dir durch den Kopf, Richard, wenn du Syrien hörst? Wir haben schon ein paar Mal das Thema gestreift, aber sind nie mal so richtig in die Tiefe gegangen. Also es ist so viel, was mir dazu durch den Kopf geht, dass ich echt überlegen muss, in welcher Reihenfolge ich damit anfangen möchte. Also zunächst mal sind das Bilder, die mir irgendwie bekannt vorkommen.

Ein Diktator wird gestürzt, man sieht die Bilder der Gefängnisse, man hört immer mehr Zeugen, die von Gräueltaten berichten, von den Schattenseiten dieses Regimes. Das war ja ziemlich ähnlich beim Sturz von Saddam Hussein. Das war auch ähnlich bei anderen abgeräumten Diktatoren, dass man da hinter die Kulissen guckt und dass dann all diejenigen eine Stimme bekommen, die unterdrückt worden sind, gefoltert worden sind, deren Angehörige verschleppt und umgebracht worden sind.

Und das ist ja auch ein ganz, ganz wichtiger Moment, gerade aus der Sicht des syrischen Volkes, dass dann Aufklärungsarbeit geleistet wird und das Licht in das Dunkel und in die Abgründe einer solchen Herrschaft gebracht werden. Das ist der eine Punkt und natürlich sind das sehr verstörende Bilder und auch sehr, sehr verstörende Dinge, die man da erfährt.

Ich bin 1984 zur Amnesty International gegangen und habe damals schon eine ganze Menge, eigentlich mehr als ich damals als 19-Jähriger verkraften konnte, erfahren über Folterpraktiken in Gefängnissen auch und unter anderem in der arabischen Welt. Und das sind natürlich alles so Erinnerungen und Bilder, die in diesem Moment irgendwie aufsteigen. Was hast du da gemacht, Richard?

Wir haben uns natürlich für viele Dinge interessiert. Mein Schwerpunkt lag jetzt nicht auf Syrien, der lag damals auf Jugoslawien. Zu einem Zeitpunkt, als noch keiner ahnen konnte, dass wenige Jahre später die große Barbarei dort beginnen würde. Und mir im Nachhinein auch etwas deutlicher geworden sind, warum damals die Leute zu solchen irrsinnig hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Für relativ kleine, in Anführungszeichen, Delikte, die sie begangen haben sollen.

Der Tito hat sich und auch seine Nachfolger haben sich enorm vor dem Islamismus gefürchtet, gerade der Bosnier. Und der Mann, den ich da unter anderem vertreten habe, war ein enger Mitstreiter von Alija Izetbegovic, dem späteren Ministerpräsidenten oder Premierminister oder Präsidenten, wie auch immer man das nennt, in Bosnien. Der also vorher ein radikaler Islamist gewesen war und ein Anhänger Ayatollah Khomeinis.

Sachen, wo bei uns nicht viel darüber berichtet worden ist. Der Mann ist damals zu 14 Jahren Haftstrafe verurteilt worden, weil er in den Iran gefahren ist und eine islamische Deklaration ausgearbeitet hat. Aber wenn man bei Amnesty ist, dann bekommt man dann auf den Jahrestreffen auch sehr, sehr viel mit. Und das sind alles so Bilder, Unschöne, wie man sich vorstellen kann. Und Erinnerungen, die in dem Moment unter anderem in mir aufgestiegen sind.

Aber sicher auch eine Menge andere Gedanken. Was sind denn die Gedanken, die dich im Augenblick am stärksten umtreiben? Mich hat vor allen Dingen zunächst mal interessiert und ich habe am Wochenende länger telefoniert mit Bente Scheller. Ich weiß nicht, ob du sie kennst, die ich ähnlich wie Christine Hellberg sehr, sehr schätze, weil sie sehr, wie soll man sagen, sehr ruhig, aber unglaublich kenntnisreich ihre Arbeit macht.

Leiterin Referat Nahost bei der grünnahen Heinrich-Böll-Stiftung, die ich einmal in der Sendung erlebt habe und die mir sehr genau erklärt hat, warum diese Diktatur nach 13 Jahren, seit dem Beginn der Revolution 2011, warum die gestürzt ist. Und sie beschreibt auch in einem Text von ihr, den ich gelesen habe, wie sehr diese Familie Assad, dieses Syrien, wie den Privatbesitz der Familie behandelt hat. Also wenn du da reingefahren bist, dann begrüßte dich ein Schild am Flughafen

in Damaskus. Willkommen in Assads, Syrien. Nicht willkommen in Syrien, willkommen in Assads, Syrien. Das heißt, seit 1970, als der Vater Hafiz al-Assad übernommen hat und nach dessen Tod dann im Jahr 2000 sein Sohn Bashar al-Assad, die haben im Grunde Syrien wie ihren Privatbesitz behandelt. Und im Grunde war die Idee, entweder Assad oder wir brennen das ganze Land nieder. Das haben die auch teilweise als Graffitis hinterlassen, Soldaten von Assad

haben das an Wände gesprüht und so weiter. Das heißt, war klar. Entweder ihr bekennt euch zu uns oder wir brennen das ganze Land nieder. Es gab sozusagen keine Alternative. Und was den Zorn dieser Machthaber, besonders entfacht hat. 2011 war offensichtlich die Tatsache, dass diese Proteste, und das ist sehr interessant, auch nach Monaten friedlich geblieben sind. Da gingen Hunderttausende auf die Straße und skadierten immer dieses Silmi, Silmi, friedlich, friedlich.

Und dass es diese Demonstranten gewagt haben, nicht nur gegen die Korruption und für den Sturz dieses Regimes zu protestieren, sondern vor allen Dingen für ihre eigene Würde. Das ist das, was mich in dem Zusammenhang tatsächlich am meisten berührt hat, weil es natürlich konterkariert hat, sozusagen die Erzählung dieses Regimes, so nach dem Motto, das sind ja alles Terroristen. Das sind alles Terroristen, die da draußen unterwegs sind und deswegen müssen wir mit denen so umgehen.

Und es gibt in dem Zusammenhang, und das hat mir Bente Scheller schon mal vor Wochen oder Monaten in einem Hintergrundgespräch erzählt, Es gab den Fall Hamza al-Khadib, 13 Jahre alter Junge, der ist verschleppt worden, keiner wusste wohin und nach zwei Wochen haben sie dann seine aufgequollene Leiche mit, es ist schwer zu ertragen, verstümmelten Genitalien, gebrochenen Armen, Augen rausgestochen und so weiter, einfach der Familie übergeben und haben dann noch behauptet,

die Familie habe den selber so zugerichtet, weil sie irgendwie Aufmerksamkeit wollte, in die Presse wollte und so weiter. Es ist aber bewiesen, dass es das Regime war, weil dieser Junge, und das ist sozusagen die Verbindung nach Deutschland, auch auf diesen Fotos zu sehen ist, auf diesen Folterfotos, die in Koblenz jetzt vor Gericht verhandelt worden sind. Das heißt, da hat dieses Kind zwei Wochen lang schlimmste Dinge durchlebt, um dann alleine zu sterben.

Und Bente Scheller sagt, das war sozusagen die rote Linie. Also so ging es los 2011. Erwachsene drangsalieren. Okay, Kinder, das ist die rote Linie. Und sie hat mir erzählt, sie hat Eltern dort mal gefragt, wie haltet ihr das eigentlich aus? Warum brennt ihr vor Wut nicht das ganze Land nieder? Und die Antwort war, wir tun es nicht, weil wir noch mehr Kinder haben.

Und das ist dieses Thema, das man irgendwie verstehen muss, glaube ich, wenn man begreifen will, wo diese Proteste, es gibt noch viele, viele mehr, ihren Anfang nehmen. Danach so diese zynische Haltung dieses Regimes, so nach dem Motto, pass auf, wir bringen jetzt auch eure Kinder um, aber im Zweifel habt ihr ja noch weitere Kinder und wenn nicht, dann macht ihr eben neue Kinder. So wurde das den Leuten gesagt und wenn ihr nicht wisst, wie das geht, dann zeigen wir euch, wie das geht.

Also dieser ganze perfide Zynismus, der da drin ist. Und das ist sozusagen einmal nur erzählt, um zu verstehen, was das für eine Atmosphäre der Angst gewesen sein muss, in der Menschen in Syrien gelebt haben. Also du hast von 2011 gesprochen. Du hast davon gesprochen, wie dieser Krieg losging und von roten Linien. In der Zeit des arabischen Frühlings, der ja zunächst mal in Tunesien begonnen hatte und in Ägypten.

Und kurz bevor es in Syrien losging, hatte ich ein langes, intensives, privates Gespräch mit Frank-Walter Steinmeier. Wir hatten vorher gemeinsam eine Veranstaltung gemacht, wo es um etwas ganz anderes ging und saßen dann nachher noch sehr lange zusammen und sprachen über den arabischen Frühling und ich fragte ihn unter anderem, was denn in Syrien los sei und was da passiert. Und das war noch bevor die Rebellion in Syrien begann, also die Ereignisse, von denen du gerade gesprochen hast.

Und da sagte Frank-Walter Steinmeier, in Syrien darf nichts passieren. Ja, und zwar aus folgender Erklärung heraus, er sagte, wenn du dir die Machtverhältnisse in Syrien anschaust, wenn du siehst, dass Assad und seine Formulierung war, wie das Fettauge auf der Suppe schwimmt, um die verschiedenen Machtinteressen in diesem Land auszubalancieren, die seine Macht stützen. Nämlich die Macht von zwei Militärorganisationen und drei Geheimdienstorganisationen.

Und darüber hinaus, als Alevit in einer relativ günstigen Lage ist, zwischen den Sunniten und den Schiiten zu vermitteln, beziehungsweise als Unbeteiligter das in irgendeiner Form moderieren zu können, dann würde ein Sturz Assads dazu führen, dass sich das Land in einen dauerhaften, fürchterlichen Bürgerkrieg verwandelt. Er sagt, es gibt keine, Das ist eine klare Opposition, die eine realistische Machtchance hat und schon gar keine, die man sich irgendwo wünschen könnte.

Und wenn du auf dem Flughafen gesehen hast oder dir berichtet wurde, willkommen in Assad-Syrien. Es war dann irgendwann, als dieser Krieg lang genug getobt hat, die Frage, wird es Assad-Syrien, wird es das Syrien des IS oder wird es das Syrien der Al-Nusra-Front, also des Ablegers, syrischen Ablegers von Al-Qaida. Jeder von denen beanspruchte das Land quasi für sich in all den Jahren des fürchterlichen Bürgerkrieges.

Und das ganz große Problem war ja immer, dass es in Syrien keine richtige Alternative zu Assad gab. Wir haben uns darauf geeinigt, Assad muss weg, unter anderem wegen der roten Linien, von denen du gesprochen hast, wegen der Goldtaten. Aber es war nicht der einzige Grund, warum wir wollten, dass Assad wegkommt. Also nicht, weil er ein Arschloch Deluxe war und nicht deswegen, weil er sein Volk unterdrückt hat und nicht deswegen, weil er gefoltert hat.

Wir wollten natürlich auch, dass Assad wegkommt, weil er nicht unser Mann ist, also nicht der Mann des Westens, sondern der Mann der Russen. Die Russen haben Stück für Stück große Niederlagen in ihrer Geschichte erlitten, was den Nahen und Mittleren Osten anbelangt. Ursprünglich waren sie mal ganz eng mit Ägypten verbündet in Zeiten von Nasser. Da sind sie dann rausgedrängt worden. Ägypten ist heute das ägyptische Militär, wird im Grunde genommen von den USA ausgestattet.

Das Einzige, was den Russen geblieben war, war Syrien. Deswegen haben sie ja dann auch im Bürgerkrieg eingegriffen. Einerseits um den IS zu bekämpfen, weil die Russen haben auch ein Problem mit Islamismus, ich sage nur Tschetschenien. Und auf der anderen Seite natürlich um ihren letzten Verbündeten und Vasallen Assad zu stützen. Und die Russen haben ja bekanntermaßen einen Luftwaffenstützpunkt, ich weiß nicht, ob man sagen haben, da ist mir nicht mehr sicher, ob sie den noch haben.

Also es gibt Satellitenbilder, die zeigen, dass da offenbar massiv Truppen abgezogen werden. Darüber freuen wir uns natürlich. Also der Westen jubelt darüber und es spielt ja natürlich immer eine riesige Rolle dabei, weil natürlich aus der Betrachtungsweise der USA es immer die Frage ist, sind das unsere Schurken im Nahen Osten oder sind es die Schurken der anderen, also in diesem Fall die Schurken der Russen.

Das spielte natürlich eine sehr große Rolle bei dieser Überlegung, Assad muss weg, falls es überhaupt eine Überlegung war. Es war eigentlich eine Losung, aber es gab ja nie einen Plan B. Und jetzt ist das Interessante, dass ja offensichtlich in einer Hollywood-verdächtigen Rekordzeit von elf oder zwölf Tagen das Assad-Regime gestürzt werden konnte und sehr viele Beobachter die Hoffnung haben, dass das, was jetzt an die Regierung kommen könnte, dieser Plan B sein könnte.

Das heißt, dass also nach 13 Jahren Bürgerkrieg sich tatsächlich irgendetwas gebildet hat, was die Nachfolge eines einheitlichen oder geordneten oder institutionell funktionierenden Syrien abgeben könnte. Und das finde ich natürlich hochinteressant, weil das hat es all die 10, 11, 12 Jahre davor gar nicht gegeben. Es gab keine Alternative zu Assad. In einer Weile war die Frage Assad oder der IS-Fraktion.

Und dann, wir haben immer gerne von gemäßigten Rebellen gesprochen, aber in den Anfangsjahren des Bürgerkrieges gab es keine gemäßigten Rebellen. Wir hatten auch keine Namen für diese Leute. Wir meinten dann schon die Leute, die auch heute wie Al-Jolani, heute die starken Leute in Syrien sind und die wir mit dem euphemistischen Begriff gemäßigte Rebellen uns irgendwie schön getrunken haben. Gleichzeitig hat die UN sie für Terroristen erklärt, die EU übrigens auch, auch die USA.

Also es ist ja auch immer sehr interessant, das fällt mir jetzt wieder auf, der Sprachgebrauch. Wann ist jemand eigentlich ein Terrorist und wann ist jemand ein Rebell? Es hängt immer darauf ab, für wen er ist und gegen wen er aufbegehrt. Du meinst sozusagen, wie er uns gerade nützlich ist? Ja. Du denkst an die Mutter Haydn zum Beispiel in Afghanistan? Naja, wir haben das ja häufig gemacht. Also der Westen, allen voran eben die USA, haben sehr häufig Islamisten unterstützt.

Man hat im Iran eine Zeit lang sogar auf Khomeini gesetzt, weil man Angst hatte, dass das Machtvakuum, das der Schah hinterlassen würde, sonst von Kommunisten ausgefüllt werden konnte in Zeiten des Kalten Krieges. Man hat die Mujahedin ausgerüstet, hat aus allen Ländern der Welt Kräfte zusammengetrommelt, um in Afghanistan Krieg gegen die Russen zu führen. Das sind dann jene Leute, die sich dann später weiterentwickelt haben zu den Taliban.

Man hat auch in den Anfängen den IS unterstützt. Ja, immer in der Hoffnung, Hauptsache es sind unsere Schurken und das nützt dabei, Assads Macht oder so zu schwächen. Also das ist nicht ganz neu, dass man mit Islamisten zusammenarbeitet. Man hat da sehr, sehr unheilsame Erfahrungen gemacht, sehr unliebsame Erfahrungen. Und die ganz große Hoffnung ist eben, dass es diesmal etwas anders ausfällt.

Und wir es mit Al-Jolani, mit jemandem zu tun haben, der ja auch offiziell und immer wieder gesagt hat, dass er mit seinen allzu radikalen Vorstellungen aus den ersten Jahren gebrochen hat. Ich meine, wenn man. Sich das mal anschaut, du hast es gerade erwähnt, die alte Al-Nusra-Front. Es ist sehr interessant, wie dort Machtspiele gespielt worden sind.

Bente Scheller sagt, der IS konnte unter anderem deswegen so gut gedeihen, weil der von diesem Regime mindestens toleriert worden ist, wenn nicht sogar systematisch gefördert worden ist. Warum? Weil man immer sagen konnte, guck mal, da sind Terroristen, da sind die Leute, die wir eigentlich suchen, da sind die Leute, die wir eigentlich bekämpfen und schaut euch mal an, was die machen, die sind ja noch sehr, sehr viel schlimmer als wir.

Aber gefördert ist eine sehr, sehr starke Behauptung. Also dass sie ihnen indirekt, das waren ihre militärischen Gegner, man hat sich wechselseitig abgeschlachtet und umgebracht, dass man davon von den Gräueltaten des IS propagandistisch profitiert, das kann ich mir vorstellen. Aber gefördert müsste bewiesen werden. Gefördert insofern, als man damit einen wunderbaren Vorwand hatte, gegen die eigene Bevölkerung loszugehen und vorzugehen.

Du konntest sozusagen jeden als Terroristen denunzieren und dann warst du plötzlich mittendrin. Und es ist natürlich, mir geht es da auch so wie dir. Ich habe da so ein komisches Gefühl. Diese HTS, das ist die alte Nusra-Front. Und die haben wichtige Teile ihrer Ideologie und Strategie offensichtlich verändert, aber eben nur so weit, wie sie können. Und die große Frage, wer sind die eigentlich wirklich? Was kommt da jetzt? Das ist noch nicht wirklich beantwortet.

Es gibt eine Aussage aus 2017, da haben die selbst gesagt, wir sind im Grunde so ähnlich wie die Taliban. Die haben sich damals selbst so bezeichnet, 2017. Die haben in Aleppo menschliche Schutzschilder genommen auf Frauen und Kinder, um zu verhindern, dass die Russen die Häuser bombardieren, was die Russen ja dann trotzdem getan haben.

Die waren jetzt in der Laufe des Krieges nicht die Guten, aber da muss man einfach sagen, in einem solchen Krieg, in einem solchen grauenhaften, fürchterlichen, alles verheerenden Bürgerkrieg gibt es auch keine Guten. Ja, also ich wüsste nicht, dass es irgendwo eine liberal-demokratische Fraktion gegeben hatte, die gesagt hat, wir gehen im Krieg mit Samtahndhandschuhen vor. Also das ist ja völlig unrealistisch und auch überhaupt gar nicht möglich.

Der Krieg radikalisiert die Leute. Der Krieg verlangt, wenn man ihn gewinnen will, menschenverachtende Taten. Ich meine, das ist alles das, was die Geschichte dieser Organisationen ausmacht. Es sind ja mehrere. Es sind ja drei, vier miteinander konkurrierende Organisationen. Und alle stehen vor dem gleichen Problem. Deswegen habe ich das am Anfang erzählt. Sie stehen vor dem gleichen Problem, was Steinmeier mir beschrieben hat.

Also wir haben die Interessen der Kurden. Wir haben die religiösen Interessen, die sehr unterschiedlich sind. Auch sunnitische Organisationen wie zum Beispiel der IS und Al-Qaida, die sich untereinander nicht grün sind, sondern sich Todfeinde zueinander sind. Wir haben das enorme außenpolitische Interesse an Syrien. Also die außenpolitische Einmischung gehört ja nicht auf, sondern jeder hofft jetzt, dass sich das Ganze zu seinen Gunsten verändert.

Also um es mal bildlich auszudrücken, im Augenblick schreiben ja an Al-Jolani alle ihren eigenen Wunschzettel. Die Amerikaner hätten natürlich gerne die russischen Militärbasen. Erdogan hätte gerne ein geeintes, aber schwaches Syrien, das nach ihm zu Diensten ist, quasi als Provinz eines neu zugründenden Osmanischen Reiches. Die Europäer wünschen sich, dass der Frieden einkehrt, damit wir alle unliebsamen Syrer wieder abschieben können.

Also im Grunde genommen gibt es ja von außen lauter je eigene Interessen, wie wir hoffen, wie sich das gestaltet. Und man ist wahrscheinlich Realist, wenn man sagt, dass ein Teil dieses Wunschzettels nicht erfüllt wird. Ja, also in dem Zusammenhang vielleicht mal ein kleiner Schritt zur Seite. Das ist eine Spekulation, die dieser Tage immer weiter hochkommt und die offenbar intensiv diskutiert wird.

Israel zum Beispiel, welche Rolle spielt Israel dabei? Die haben ja deutlich ihre Luftüberlegenheit gezeigt. Bis zu 80 Prozent der militärischen Fähigkeiten der syrischen Streitkräfte sind zerstört worden. Die bombardieren da Drohnen, Hubschrauber, Kampfjets, Panzer, die gesamte Marine zerstört. Russische Luftverteidigungssysteme, Raketenlager, alles zerstört. Das heißt, die Spekulation ist, ob jemand wie Trump beispielsweise jetzt den Israelis sozusagen zustimmt.

Ausschaltung der syrischen Luftabwehr, das könnte die Vorbereitung auf einen größeren Angriff sein. Und es geht um die Frage, schlagen die Israelis möglicherweise bald gegen das iranische Atomprogramm los? Mit bunkerbrechenden Raketen, die du dafür brauchst, Marschflugkörpern und so weiter. Weil es gelte, eine seltene Gelegenheit zu nutzen, nach der Flucht von Assad nach Moskau. Genau, das Vakuum auszunutzen, die Schwäche Syriens auszunutzen.

Für den Westen stellt sich da ein riesiges Problem. Also wir wünschen uns ja, dass die neue syrische Regierung, die islamistisch sein wird, eine sein wird nach unserem Gusto. Nicht genau mit unseren innenpolitischen Vorstellungen. Die teilen wahrscheinlich auch die feministische, werteorientierte Außenpolitik, die wir machen, nicht in allen Parteien. Das mag schon alles klar sein, aber aus der Sicht Israels stellt sich das Ganze völlig anders dar.

Da entsteht direkt an der Grenze ein islamistischer Staat. Ich meine, man muss ja sagen, insgesamt gesehen haben sich die Israelis mit Assad recht gut verstanden. Ja, sie waren zwar weltanschauliche Gegner und es gab natürlich viel rhetorischer Scharmützel, aber in der letzten Zeit, es hätte ja auch viel schlimmer kommen können. Also dadurch, dass Syrien kein islamistischer Staat war, war es immer nur indirekt. Die haben natürlich hier für die Hezbollah alles durchgelassen und so weiter.

Das ist schon alles klar. Also Assad hat schon gegen Israel gearbeitet, aber nicht in Form eines offenen Krieges, nicht in Form eines Invasionsversuchs oder ähnliches. Da sind ja noch enorme Steigerungen möglich. Und wenn da ein islamistischer Staat entstehen sollte, der also einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung haben sollte, ich sage nochmal ganz gezielt sollte, weil es macht einen ganz großen Unterschied, ob man sich einig ist gegen einen Diktator.

Oder wenn der mal weg ist, ob man sich dann einig ist, wie ein künftiges Syrien aussehen soll. Da bin ich noch lange nicht sicher, dass das so ist. Aber mal gesetzt den Fall, es würde alles aufgehen, was wir uns wünschen und es entsteht ein geeinter syrischer Staat und nicht eine neue Etappe in endlosen Bürgerkriegen oder Milizenkämpfen und ähnliches mehr, dann müsste sich Israel vor diesem Staat fürchten.

Aber wenn ich so mitkriege, wer da jetzt alles mitmischt. Also im Süden ist es Israel, im Norden ist es Erdogan, der den Nordosten bombardiert, weil Kurden gebietet und so weiter. Der Iran spielt da eine Rolle, die Amerikaner sowieso, die Russen, die auch irgendwie mitmischen Und dann auch immer die Aufforderung oder die Frage, die rhetorische Frage an uns, wo bleibt ihr eigentlich? Was tut ihr denn eigentlich? Warum steht die EU eigentlich wieder nur daneben und guckt zu?

Was sollen wir denn tun? Was ist denn die Erwartungshaltung, was die EU tun soll? Truppen dahin schicken? Ja, das ist das eine, aber ich frage mich manchmal, wenn man sich so die Geschichte anschaut, wie unfassbar viel Unheil, und das beginnt nicht erst in Afghanistan, sondern kannst du zurückgehen zu Vietnam und so weiter. Wie viel Unheil schon angerichtet worden ist dadurch, dass stärkere, größere Staaten meinten, wir haben hier Interessen.

Interessen ist dann immer die Übersetzung für, wir haben irgendwie das Gefühl, es ist legitim Leute umzubringen, es ist legitim Bomben zu werfen und wenn du dir diese armen Syrer anschaust. Wie die jetzt auch gerade wieder im Grunde von einer Ecke des Landes in die andere kommen. Regelrecht gehetzt werden und sich im Grunde aussuchen können, von wem die Bomben, die Granaten und die Gewehrseilen auf sie herunterregnen. Da denke ich manchmal, warum lassen wir das nicht alles endlich mal?

Weil wir immer sagen, dass die anderen es ausnutzen. Das ist das Totschlagsargument. Also wenn man sich die ganze Geschichte des Konfliktes, der Konflikte, den nicht enden wollenden Konflikte im Nahen Osten anguckt, dann ist das natürlich alles die Folge von Interventionen anderer Mächte, Die nicht in diese Region gehören und da eigentlich nichts verloren haben und das nicht zu entscheiden haben.

Das beginnt damit, dass man Mossadegh gestürzt hat, den gewählten iranischen Präsidenten, weil der die Ölquellen verstaatlichen wollte, damals die Engländer und die Amerikaner. Das ist quasi der Auftakt. Es beginnt damit, dass die USA den Schar implementiert haben, was dann später Khomeini möglich gemacht hat als heftige Gegenreaktion. Damit entsteht ein schiitischer Block, der wird ihm gegenüberstehen, die Wahhabiten in Saudi-Arabien, die weltanschaulich dem IS nahestehen.

Ja, genau diese Vorstellung, Nicht-Trennung, in keinster Form irgendwelche Trennung von Politik, Staat und Kirche. Und immer wieder hat man sich eingewischt, dem Schurz von Saddam Hussein mit den fürchterlichen Folgen für den Irak. Einer der größten Fehler, der in den letzten Jahrzehnten gemacht wurde und das Land ins totale Chaos gestürzt hat und unter anderem die Gründung des IS massiv begünstigt hat. Alles das sind ja alles Beispiele von immer wieder und immer wieder Einmischung.

Nur das Totschlagsargument ist, wenn wir uns nicht einmischen, dann tun es die anderen. Also wenn Europa sich nicht einmischt, die USA nicht einmischt, dann werden die Russen ihre Militärbasen irgendwie behalten und irgendwie das ganze Ding vielleicht doch wieder irgendwie zurückdrehen. Oder eben Erdogan wird tatsächlich ein neues osmanisches Reich irgendwo errichten

und so weiter, dem dringend Einhalt geboten werden muss. Und mit diesem Hinweis, dass die anderen es nicht machen dürfen, darf man es dann selber tun. Und jedes Mal ist auch immer die Vorstellung dahinter, dass wenn wir uns einmischen, dann soll das am Ende dazu führen, dass in der arabischen Welt liberale Demokratien entstehen. Genau.

Ich lasse mich jetzt sehr, sehr gerne überraschen, wenn das in Syrien passieren sollte, aber es wäre ein Treppenwitz der Geschichte, wenn ausgerechnet ein aus Al-Qaida hervorgegangener Islamist die erste funktionierende liberale Demokratie in einem arabischen Land errichten würde. Also die Wahrscheinlichkeit dafür ist äußerst gering. Und da geht es nicht nur darum, was für Gedanken der Mann in seinem Kopf haben mag.

Es geht auch daran, dass wir wissen, und das wissen wir auch aus unserem eigenen Land, liberale Demokratien sind irrsinnig anspruchsvolle und voraussetzungsreiche Gebilde. Und eine der wichtigsten Voraussetzungen, darüber haben wir häufig geredet bei AC Muglu und bei Robinson, haben wir das gelernt, sind funktionierende Mittelschichten.

Es ist ein gewisser Bildungsstand, der ist in Syrien in der Tat für die arabische Welt insgesamt gar nicht so schlecht, aber funktionierende Mittelschichten, eine florierende, eigenständige, mittelständische Wirtschaft und so weiter, alles Dinge, die jetzt in diesem Bürgerkriegsland überhaupt nicht vorhanden sind. Das heißt also, selbst wenn die Leute irgendwann wählen durften, wählen allein macht ein Land, wie wir wissen, nicht zur Demokratie. Bei Putin wird auch gewählt.

Sondern ein Land wird dadurch zur Demokratie, dass die Menschen wirklich die Möglichkeit haben, sich frei an der Gestaltung der Gesellschaft und der Wirtschaft zu beteiligen. Und bis dahin wäre es in einem Land wie Syrien, vom total zerstörten Land, das am Tropf der internationalen Staatengemeinschaft denkt, ein so irrsinnig weiter Weg, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass der jetzt mit sieben Meilenstiefeln gegangen ist.

Also man kann es wohl offensichtlich schaffen, in zwölf Tagen einen Assad zu besiegen. Aber ob man es in zwölf Jahren schaffen wird, dort eine liberale Demokratie zu errichten, daran zweifle ich. Ich meine, Assad ist im Grunde, das war ein ausgehülltes Regime. Wenn du hörst, auch da wieder nur so ein paar Eckdaten hörst, diese Soldaten, seine eigenen Soldaten, die hatten so ein Monatsgehalt, das ungefähr für zwei, drei Tage gereicht hat. Danach musste man irgendwie gucken, wie es weitergeht.

Gleichzeitig haben die gesehen, wie die Eliten in Saus und Braus leben. Dieser Assad-Clan ist im Grunde wie Don Corleone. Die sind mutmaßlich 100 Milliarden Dollar schwer. Das war ein Narkostaat, Kaptagon, so eine Billigdroge, mit der sie den gesamten Nahen Osten überschwemmt haben und der für diesen Assad-Clan auch offensichtlich ein Druckmittel war.

Und einer der Gründe, warum er wieder, ich wusste das alles nicht, in die arabische Liga aufgenommen wurde, weil man gesagt hat, na gut, dann schicken wir euch ein bisschen weniger Kaptegon und zerstören eure Jugend und. Dafür seid ihr wieder ein bisschen netter zu uns. Das ist übrigens eine große Parallele mit Afghanistan. Also wenn nach einem Bürgerkrieg die Wirtschaft, die Landwirtschaft kaputt ist, dann wird ein Land zum Drogenland.

Richtig. Das ist ja auch der Hauptwirtschaftszweig in Afghanistan, das ist der Mondanbau. Ja, weil alles andere zerstört ist und das ist in Syrien natürlich auch so. Ja, in diesem völlig zerstörten Land, da gedeiht dann sozusagen wie der Pilz, der da wächst, wenn der Baum abgestorben ist. Das ist dann eine Ökonomie, die noch funktioniert. Aber nochmal die Frage, warum mischen wir uns ständig sozusagen überall ein? Wir sagen dann, wir haben Interessen.

Man muss ja eins sagen, bei allem, was sich der Vater von Al-Assad hat zu Schulden kommen lassen, muss man doch sagen, er hat es wenigstens einigermaßen geschafft und es war auch ein übler Diktator, aber Syrien zu einem Land zu machen, in dem nicht sozusagen ständig jeder sein Süppchen gekocht hat, wie im Rest der Region.

Das heißt, er hat das irgendwie mit sehr harter Hand brutal, aber dann doch irgendwie, Ja, das ist das, was dieses Steinmeier-Bild mit dem Fettauge auf der Suppe, das gilt für Hafiz, das gilt auch für die Anfangszeit von Bashar al-Assad.

Also irgendwie war es alles in allem intelligente Herrschaftsform, die verhindert hat, dass dieses Land das eigentlich gar nicht richtig zusammengehört und dass natürlich wie viele arabische Länder darunter leidet, ein künstlicher Staat zu sein von Volksgruppen, die nicht zusammengehören. Es gibt leider kein eigenes Kurdistan. Die Kurden leben eben zum Teil im Staatsgebiet von Syrien.

Es gibt die Fäde zwischen den Religionsgemeinschaften. Es gibt relativ viele Religionen insgesamt in Syrien, auch historisch da schon seit sehr, sehr langer Zeit verwurzelt. Und man weiß ja immer, dass Religionen ein häufiger Anlass für Konflikte sind, weil sie instrumentalisiert werden für die Interessen anderer. Und wenn man sich diese ganze Situation anguckt, dann war Syrien tatsächlich in der Zeit bis zum Bürgerkrieg eine der etwas komoderen Diktaturen der arabischen Welt.

Also Damaskus war eine blühende Stadt mit einer sehr diversifizierten Kultur, auch eine der ältesten Städte der Welt, eine der kulturreichsten, der vielfältigsten und so weiter. Also es war jetzt nicht ein einziges Verlies oder ein einziger Abgrund. Aber richtig ist natürlich auch, dass in den letzten 12, 13 Jahren des Bürgerkriegs sich Syrien nach und nach in eine Hölle verwandelt hat.

Und zwar nicht nur in die Hölle dessen, was man sehen konnte, also die Bombardements, die Kriege, die Metzeleien, sondern eben auch in die dunkle Hölle dessen, was man nicht sehen konnte. Und damit sind dann die Folterkeller und Gefängniskräfte gemeint. Ja, also ich muss nochmal kurz zurückkommen darauf, um nochmal den Abgrund wirklich klar zu machen. Bente Scheller erzählte in dem Zusammenhang, wie sie eines Morgens ins Büro kommt und alle sind sehr bedrückt und so weiter.

Und dann stellt sich raus, dass die kleine Schwester eines Mitarbeiters gerade im Staatsfernsehen vorgeführt wird als vermeintliche ausländische Agentin. Die hat beim Roten Kreuz gearbeitet und wurde dann dort vorgeführt. Und sagt, das Bittere daran war, die wollten die eigentlich gar nicht haben. Die haben die nur mitgenommen, weil jemand anderer, den sie eigentlich gesucht haben, eine andere Frau, gerade nicht verfügbar war, gerade nicht greifbar war. Also diese totale, unglaubliche Willkür.

Und sie sagt, der Bruder dieser Frau hat dann später zu ihr gesagt, weißt du, ich gehöre zu den Glücklichen, weil ich habe sie wenigstens nochmal gesehen. Im Fernsehen. Das musst du dir mal vorstellen. Er erzählt von einem Milchmann, der in einem Quartier kleine Kinder mit Milch versorgt und angebliches Rebellengebiet wird dann sofort verhaftet, mitgenommen, verschwindet in einem dieser Verliese. Aber sie sagt, man muss einmal verstehen, weil das ist ja die Frage,

die man sich immer stellt. Wie kann es eigentlich sein? Das ist auch eine Frage, die ich mir zum Beispiel, als wir in Kuba gedreht haben, immer gestellt habe. Ich dachte, wie kann denn ein so armes Land sich so viele Geheimdienste leisten? So viel Überwachung, so dermaßen viel Kontrolle. Es sind auch vergleichsweise gut bezahlte Jobs. Und es ist gar nicht so sehr, dass Assad sich seine Geheimdienste geleistet hat, sondern die Geheimdienste haben sich auch Assad geleistet. Richtig.

Also sie sind seit den Tagen von Hafiz wichtige Machtplayer in Syrien gewesen. Und es sind diejenigen, die Assad gedeckt haben, weil man sozusagen auf Gedeih und Verderb einander ausgeliefert war. Also ich glaube, die Macht der Geheimdienste in Syrien war enorm und ist durch den Bürgerkrieg natürlich nicht geringer geworden. Es gibt Systeme, in denen nennen sich Warlords Geheimdienste. Ja, also das ist sozusagen nur die gesittetere Formulierung dafür. Im Grunde versorgst du ja auch Clans.

Du versorgst Clans und du hast Mittel, die dir die Regierung zur Verfügung gibt, um zu deinem zu kommen. Also natürlich sind diese Geheimdienste allesamt kriminelle Organisationen. Ja, und was man mal verstehen muss, und das habe ich damals eben auch in Kuba begriffen, Denunziantentum ist plötzlich ein Geschäftsmodell. Mit Denunziantentum erkaufst du dir Wohlwollen und am Ende lässt sich das auch übersetzen wirklich ganz handfest in einen

Eine Handvoll Dollar, wenn man so will. Sie erzählte von dem Weg, den jemand nimmt, der einfach willkürlich von der Straße gegriffen wurde in Syrien und dann einfach verschwunden ist. Der erste Weg war sozusagen der in so einem Verhörzentrum. Und das bedeutete kein Kontakt zur Familie, kein Anwalt. Da konnte man monatelang festgehalten werden, einfach willkürlich.

Und sie berichtet von Menschen, die wirklich, und da geht es dir kalt den Rücken runter, Haus und Hof verkauft haben, um einfach nur ein paar Informationen über ihre Angehörigen zu kriegen. Das heißt, das war ein richtiges Geschäftsmodell. Und umgekehrt konntest du eben auch mit Denunziantentum sehr, sehr gutes Geld verdienen. Das muss man sozusagen verstehen. Es brauchte also nicht viel, um zu verschwinden, aber es brauchte unfassbar viel, um irgendwann wieder rauszukriegen.

Und wenn man dann Glück hatte, ging es danach weiter. Wenn man zu den wirklich Glücklichen gehörte, ging es weiter in ein Gefängnis. Dort wurden diese Leute dann nämlich plötzlich wieder sichtbar. Da wurden sie quasi aktenkundig, was insofern gut war, als man dann wenigstens wusste, die gibt es jetzt noch oder die sind da irgendwo.

Das ist sozusagen dieses System. Und das ging so weit, dass man bei Menschen, die schwer verletzt waren und ins Krankenhaus gebracht wurden, erstmal geguckt hat, warte mal, was sind denn das eigentlich hier für Spuren?

Die haben sich dann in der Notaufnahme die Spuren angeguckt dieser Verletzung und wenn die gemerkt haben, das sind hier Folterspuren, da sind Menschen ganz offensichtlich übelst misshandelt worden, bräuchten dringend Hilfe, weil sie sonst nicht überleben, dann hat man die Finger davon gelassen. Da hat man gesagt, nee, pass auf, der hat hier kein Problem, wir behandeln den hier nicht. Also das heißt, ein ganzes System, das sozusagen wie so ein perfektes Rad,

ineinander greift. Und wenn man sich dann mal vorstellt, die Frau von Assad, ich glaube, es war die amerikanische Vogue, hat so um das Jahr 2010, 2011 rum eine Geschichte gemacht. Da wurde diese Frau, die in London, glaube ich, geboren ist und die sich immer so westlich und aufgeklärt gegeben hat. Sehr attraktiv und so weiter.

Zeitlang war ein Yellowpress da bei uns. Gut, in damaligen Zeiten war es eine Diktatur, aber es war natürlich noch ein ganzes Stück entfernt von der völligen Eskalation die wir dann in den Bürgerkriegsjahren erlebt haben. Ich würde dich in dem Zusammenhang gerne mal fragen, Richard, warum schaffen wir das immer nur so schablonenhaft, da irgendwie die Dinge drüber zu legen? Also gut und böse, der totale Abgrund oder die Guten.

Wir brauchen immer diese Helden und auf der anderen Seite den Satan auf der anderen Seite. Wir feiern diese Frau, obwohl wir wissen, wessen Ehefrau sie ist und wir wissen auch von diesem System. und das war ja auch in der damaligen Zeit schon ziemlich gut bekannt und heben sie trotzdem da so auf dieses Cover, weil sie sich irgendwie so gibt, wie sie sich gibt. Und das Gleiche jetzt auch wieder. Das kann ich dir sofort erklären.

Als Assad an die Macht kam, hatten wir, wir wussten, der ist im Westen ausgebildet, das ist ein hochgebildeter Mann. Da hatten wir die Hoffnung, dass er als jemand, der den freiheitlichen Westen äußerst gut kennengelernt hatte und sich da offensichtlich pudelwohl fühlte, wo wir sogar den Eindruck hatten, er wollte eigentlich gar nicht nach Syrien zurück, weil er hier so ein wunderschönes Leben hat. Und auf den haben wir gehofft und gesetzt. Wir haben gedacht, das verwistigt sich jetzt in Syrien.

Mit der immer dazugehörenden Pointe, vielleicht wird er irgendwann mal unser Bündnispartner. Und deshalb haben wir ihn gefeiert. Es ist das Ergebnis falscher Hoffnung, die wir in Assad gesetzt haben. Und das ist schon sehr richtig, was du sagst. dieses Gut-Böse-Schema. Das machen wir ja jetzt auch wieder. Klar, dass Assad eine super Besetzung für Böse ist, ist völlig klar. Da spricht auch alles für.

Aber was wir jetzt im Augenblick machen, ist, wir versuchen uns den künftigen, von dem wir jedenfalls vermuten, künftigen Machthaber Al-Jolani, da hoffen wir uns jetzt davon, dass der der Gute ist. Weil der muss ja jetzt der Gute sein. Das ist so ähnlich, wie wir damals gedacht haben. Assad könnte jetzt im Gegensatz zu seinem Vater er nun deutlich eher der Gute sein.

Also das ist dann, wir brauchen diese Schablone. Ich habe also jetzt in den, journalistischen Diskussionen mehrfach gehört, naja, dass der da auf der. Terrorliste steht, dass der von den USA, von der EU und vor allen Dingen von der UNO als Terrorist klassifiziert wird. Naja, da müssen wir vielleicht mal gucken, ob wir da was ändern und so weiter.

Vielleicht bringen wir die Russen noch dazu, ihre Meinung zu ändern und mit ihrer Hilfe werden wir dann schließlich aus Al-Jolani, dem Terroristen, den Rebellenführer machen. Der sieht ja sowieso so ein bisschen aus wie Fidel Castro. Das klingt nicht ganz so gruselig, es gibt ja eine Menge Castro-Fans, da gibt es ja viel Revolutionsromantik, die sich darum geht. Naja, und dann denken wir ja, der hat ja schon abgeschworen. Das ist auch interessant.

Also ein Kleinkrimineller, da kann man sich sagen, der hat ja irgendwie in seiner Jugend mal Dummheiten gemacht, Ladendiebstähle und so weiter. Und irgendwann war er geläutert und dann hat er gesagt, das mache ich jetzt nicht mehr. Aber wie man so über viele Jahre kämpferischer Islamist ist, mit all dem, was damit zugehört. Und dann kommt man so auf den Trichter und sagt sich, ah ja, nee, der war ja mehr so ein Jugendsünder.

Also eigentlich sehe ich das nicht so. Gibt es bestimmt, kommt aber sicher nicht so sehr oft vor. Und deswegen finde ich dieses Schema jetzt. Die Guten haben gewonnen. Wir zeigen sehr gerne die Bilder von den absolut jubelnden Syrern. Ich kann das nachvollziehen. Ich meine, wenn der Diktator verjagt wird. Dann freuen sich alle. Das war ja bei Saddam Hussein genauso. Und diejenigen, die sich nicht freuen, die laufen nicht vor den Kameras rum.

Die versuchen sich in Sicherheit zu bringen oder ihre Fründe in Sicherheit zu bringen. Verstehen kann ich das alles. Es gibt das schöne afrikanische Sprichwort, wenn der große Baum gefallen ist, klettern und springen die kleinen Ziegen auf ihn. Das muss ich immer denken, wenn ich die Bilder sehe, wie sie die Menschen auf die Panzer stürmen und die Fäuste in die Luft drängen und so weiter. Und ich kann diese Freude absolut nachvollziehen.

Aber das heißt im Umkehrschluss nicht, dass das, was jetzt gewonnen hat und wer jetzt gewonnen hat, automatisch das Gute ist. Aber du hast recht, wir brauchen immer diese Schablonen, auch um den Leuten die Konflikte in der Welt zu erklären und sagen, nee, nee, nee, jetzt komm, hört mal auf, den für den Islamisten zu halten, das ist jetzt das Gute, das gewonnen hat.

Also solche Schematisierungen helfen einfach nicht weiter, um die wirklichen Konflikte zu verstehen und sie führen am Ende sehr leicht zu sehr großen Enttäuschungen. Das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt und wir beide sind ja schon ein paar Tage auf der Erde. Wir haben das ja damals mitgekriegt im Irak. Ich habe diese Bilder, die haben sich bei mir unglaublich eingebrannt. Diese Bilder dieser stürzenden Saddam Hussein Statuen, diese kaputt geschossenen

Porträts auf Häuser, Wänden und so weiter. Dieser zerstörte Palast. Also wirklich eins zu eins. Genau dieselben Bilder. Die exakt gleichen Bilder, ich weiß, dass wir viele jüngere Zuhörer haben, lohnt sich wirklich da mal reinzuschauen, die immer gleichen Bilder und ich denke da ähnlich wie du, Vorsicht an der Bahnsteigkante, weißt du, worüber ich dieser Tage so viel nachdenke, Richard, wir haben ja hier in Deutschland eine intensive Diskussion darüber, was jetzt eigentlich zu geschehen hat.

Und ich muss ehrlich sagen, es fühlte sich einfach sehr merkwürdig an. Ich fand es irgendwie geschmacklos, unanständig, 24 Stunden nach der Flucht von Assad eine Debatte darüber anzuzetteln. Schäbbig, wirklich schäbbige Diskussionen. Wie kann man aus dieser ernsten Sache so ein billiges Wahlkampfthema machen?

Wir haben ja so getan, als wären die Leute, die bei uns aus Syrien zu uns geflohen sind, alles direkte Verfolgte des Assad-Regimes gewesen, die jetzt wieder zurückgehen können, weil sie nicht verfolgt werden. Das wird ja der Komplexität der Fluchtursachen nicht entfernt gerecht. Wie viele Leute, die heute bei uns leben, finden zu Hause überhaupt nichts mehr vor. Also weil der Krieg ihre Dörfer, ihre Städte verwüstet hat. Wir alle haben doch noch Erinnerungen daran, wie Aleppo aussah.

Wir haben doch die Nachrichtenbilder gesehen von der totalen Zerstörung Aleppos durch die russischen Luftbombardements. Wer da gewohnt hat, der kann doch nicht einfach wieder zurückkehren und sagen, ich fange mein altes Leben wieder an. Das ist doch völliger Blödsinn. Also sehr viele Leute sind einfach vor dem Krieg geflohen und sehr, sehr viele Syrer sind auch unpolitisch.

Genauso wie sehr, sehr viele Deutsche unpolitisch sind. Die haben einfach nur gesagt, ich muss mich und meine Familie und meine Kinder und so weiter hier aus dieser Hölle rausholen. Oder sie haben tatsächlich ihre Lebensgrundlagen verloren, ihr Haus verloren, ihren Job verloren und, und, und. Und da jetzt also zu einem Zeitpunkt, wo wir überhaupt noch nicht wissen, was aus Syrien wird, wo wir überhaupt noch nicht einschätzen können, wer das ist, der da gewonnen hat.

Ich meine, es ist denkbar, dass in Syrien so ein Burgfrieden einkehrt. Es ist aber auch denkbar, dass noch fürchterliche Kämpfe stattfinden.

Ja, da Erdogan zu den großen Siegern dieser ganzen Geschichte gehört und sich jetzt seinen Teil davon abschneiden will, ja, weil für seine Träume des Osmanischen Reiches sind eben die Kurden, ja, seit langer Zeit völlig im Wege und wenn es ihm jetzt gelingt, jetzt auch noch die Kurden klein zu kriegen, indem er sie bombardiert und so weiter, es ist durchaus möglich, dass ganz schnell neue Fronten entstehen.

Dass auch die anderen Mächte jetzt wieder eingreifen und sich dann mit den Kurden sympathisieren oder gegen die Kurden verbunden und dass wir sofort wieder einen neuen Bürgerkrieg bekommen, der sich weiter ausweitet. Also jetzt davon zu reden, Leute zurückzuschicken, da kann man einfach nicht sagen, wir haben nicht mehr alle Tassen im Schrank.

Ich fand ja in dem Zusammenhang sehr interessant und irgendwie sehr ironisch, dass ausgerechnet der CSU-Innenminister aus Bayern, Joachim Herrmann, in dem Zusammenhang darauf hingewiesen hat, dass man darüber ja vielleicht irgendwie diskutieren kann. Aber wir brauchen jetzt aber schon die Leute, die hier arbeiten und so, auf die wollen wir jetzt bitte nicht verzichten. Ja genau, wir wollen die Ärzte nicht zurückschicken.

Ausgerechnet die Leute, die wahrscheinlich in Syrien am allermeisten gebraucht werden, Ärzte in einem Land mit so viel kriegsversehrten Menschen, die wollen wir gar nicht zurücklassen. Jetzt mal im Ernst, Deutschland ist nicht der Nabel der Welt. Es geht nicht darum, was wir in Deutschland wollen, wen wir brauchen und wen wir nicht brauchen. Es geht jetzt erstmal darum, die Daumen zu drücken und zu gucken, das Richtige zu tun, humanitäre Hilfe und so weiter.

Dass es tatsächlich, auch wenn es unwahrscheinlich ist, aber eine Chance gibt, dass sich die Verhältnisse in Syrien verbessern und stabilisieren.

Das ist das, was Leute wie Guido Steinberg zum Beispiel, den ich ebenfalls unheimlich schätze, was auch einer von diesen akribischen, ruhigen, aber sehr, sehr faktentreuen Arbeitern ist, der sich auch viel mit Islamismus beschäftigt, der sagt, meine Angst ist, Syrien fällt jetzt wieder zurück in diesen alten Zustand, in dem die Türkei, in dem wahrscheinlich Jordanien, die Amerikaner sowieso, wahrscheinlich auch die Chinesen und Israel auch und noch viele andere, die Russen auch mitmischen

und dann wird das eben alles wieder schwierig. Aber in dem Zusammenhang, Jert, wenn du sagst, wir müssen da differenziert drauf blicken. Ich finde, Das gilt auch an einem anderen Punkt. Vorsicht an der Bahnsteigkante gilt auch, wenn es um die Frage geht, was passiert jetzt eigentlich mit Islamisten, die wir hier in diesem Land haben. Wir haben ja gerade darüber gesprochen, dass Al-Jolani jetzt sozusagen nachgesagt wird, das ist jemand, der hat irgendwie verstanden.

Es scheint ja auch ein sehr kluger Mann zu sein, der kommt auch aus einer guten Familie in Damaskus, hat viele in diesen Salons, die es offenbar auch schon zu Assad-Zeiten in Syrien gab, debattieren gelernt und so weiter. Der hat von Politik was verstanden und ist jemand, der sich auch diese Al-Nusra ganz genau genommen hat und sich sozusagen mit Leben gefüllt hat, wenn man so will. Aber der sagt, das war eine Jugendsünde. Ich habe mich gewandelt, ich bin jetzt quasi ein gemäßigter Islamist.

Wir haben hier in Deutschland ja schon Prozesse um Syrien-Rückkehrer gehabt, die diese Wandlung hin zu einer gemäßigteren Ideologie, so sie es denn gibt, ja, und ich will das gar nicht bestreiten, kann ja sein, die haben das nicht mitgemacht und die sind nach wie vor hier. Das sind echte Dschihadis. Zwei Dutzend Deutsche ungefähr, so sagt man, waren bei der HTS. Da waren auch viele andere Ausländer. Da sind wir wieder bei diesem Thema.

Wer da alles mitmischt, wenn erstmal in einem Land irgendwann mal alle Regeln gefallen sind und alle Strukturen kaputt sind. Da waren zum Beispiel auch Uiguren, eine starke uigurische Gruppierung. Die auch muslimischer Hintergrund verfolgen. Verfolgt in China, die haben dort mitgemischt.

Und die größte Gefahr ist, wenn sich die Amerikaner, was sich abzeichnet unter Trump, zurückziehen, weil sie, und das war auch ein wichtiges Argument, das habe ich selber mitgekriegt in Amerika, nicht nur einmal, sondern mehrfach, es war ein ganz zentrales Wahlkampfargument von Donald Trump und ist es ja bis heute, er sagt, ich habe keine Kriege angefangen. Ganz im Gegenteil, ich werde Kriege beenden.

Ich glaube, der träumt heimlich sogar von einem Friedensnobelpreis, hat er neulich im kleinen Kreis offensichtlich erzählt. Die Amerikaner sind müde und damit hat Trump auch unter anderem diese Wahl gewonnen mit dem Versprechen, ich hole euch nach Hause, wir sind nicht mehr der Weltpolizist und hat dabei erstaunlicher oder auch nicht erstaunlicherweise, insbesondere bei jungen Leuten, sehr, sehr viel Erfolg gehabt.

Und dann ist die Frage, wenn diese neun Machthaber, Islamisten, vielleicht gemäßigte Islamisten, aber Islamisten, stelle ich vor, die übernehmen jetzt diese ungefähr 20 IS-Gefängnisse im Kurdengebiet. Da sind ungefähr neun, zehntausend, so genau weiß man das nicht, Jungs drin, das sind die wirklich finsteren Gestalten. Darunter auch etwa 30 Deutsche vom IS. Die Kurden wissen nach all den Jahren nicht so richtig, was sie mit denen anfangen sollen.

Und wenn die irgendwann unkontrolliert freikommen, dann ist die Gefahr wahnsinnig groß, dass sie sich wieder dem IS anschließen. Und nur mal, um mal den Zusammenhang klarzumachen, wusste das nicht. Aber in der Beschäftigung und in dem Telefonat mit Guido Steinberg habe ich das gelernt. Er sagte, viele von denen sind damals nach dem Ende des IS in der Türkei untergetaucht. Aber viele, beispielsweise Tatschiken.

Sind in der Ukraine untergetaucht. Und das sind Leute, die direkt nach Ausbruch des Krieges in großer Zahl nach Deutschland gekommen sind. Die einzigen, die damals einen richtig ernst gemeinten Versuch unternommen haben, sie aufzuhalten, waren die Polen. Die Deutschen nicht. Und wir haben ja in Düsseldorf bei dir zu Hause, da gibt es ja gerade einen Prozess gegen sieben Tatschiken. Die sind alle im März 2022 Islamisten nach Deutschland gekommen.

Aus der Ukraine offensichtlich. Dann gibt es noch andere in den Niederlanden, Österreich und so weiter. Also ich will nur sagen, wir haben da offensichtlich ein Thema und wir müssen da schon sehr, sehr genau hingucken. Und so differenziert wir über Abschiebungen diskutieren müssen, so differenziert müssen wir auch da schauen. Ich stimme dir zu, aber keine Sorge. Wir werden jetzt nicht grundsätzlich den Islamismus verharmlosen. Also ich denke, dass auch in Zukunft keiner damit durchkommt.

Bei uns zu erzählen, er wäre ein gemäßigter Islamist und er hätte sich Al-Julani zum Vorbild genommen und hätte jetzt allem abgeschworen und so weiter, wäre jetzt nur noch gemäßigter Islamist oder so. So haben wir das ja früher auch mal genannt, die gemäßigten Rebellen, die gegen Assad kämpfen, haben wir ihn ja möglicherweise mit gemeint.

Nein, also der Islamismus wird weiterhin ein Problem bleiben und das ist natürlich etwas, was man nur mit einem komischen Gefühl sieht, wenn man jetzt diplomatische Kontakte aufnimmt mit Islamisten, weil man sich eben so sehr darüber freut, dass es die richtigen Islamisten sind. Das war ja immer die klassische Einteilung bei der CIA. Sind das unsere Schurken oder sind das die Schurken der anderen?

Also früher die Schurken der Sowjets. Und ich denke, an diesem Denken hat sich leider nicht viel geändert. Und da müssen wir wirklich sehr behutsam sein. Und das, was du gerade gesagt hast, auch im Hinterkopf behandeln. Eine Verharmlosung von Islamismus darf hier auf gar keinen Fall erfolgen. Also, Richard, dank dir sehr. Interessanter Austausch, wie ich fand. Ja, hat mich gefreut. Wir werden das weiter beobachten. Aber es bleibt kompliziert. Also, dank dir sehr, Richard. Bis bald. Tschüss mal.

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