Music. Schönen guten Morgen, Richard. Guten Morgen, Markus. Wo reiche ich dich? Am altbewährten Ort. Sehr gut. Wir hatten in dieser Woche Peer Steinbrück bei uns, der einen interessanten und bemerkenswerten Satz gesagt hat. Er sagte, wir haben ein Mentalitätsproblem in Deutschland. Achtung, wir richten uns gerne bequem in einer permanenten Gegenwart ein. In der Annahme, dass wir darüber unseren Wohlstand, unser Sozialniveau, also er meint unser Leben einfach halten können.
Spüren aber gleichzeitig, das ist jetzt sozusagen meine Fortsetzung davon, spüren gleichzeitig, dass das aber wahrscheinlich nicht stimmt. Diese Idee, dass einfach alles so weitergeht wie gehabt. Und das führt zu so einem Pessimismus. Dieser deutsche Hang so ein bisschen zu nörgeln und so weiter. Den kennen wir, der ist oft beschrieben worden und ich empfinde den auch als nicht unbedingt etwas Negatives, anders als es häufig erzählt wird.
Ich habe oft das Gefühl, es ist in Wahrheit fast eine Qualität auch Deutschlands und der Deutschen, sich ein bisschen zu quälen, Dinge zu hinterfragen, weil das natürlich im Ergebnis häufig dazu führt, auch wenn man dabei gelegentlich schlechte Laune hat, häufig dazu führt, dass Dinge besser werden. Und dieses Hinterfragen, dieses permanente Zweifeln war etwas, das ich lange Zeit als echte Qualität dieses Landes empfunden habe.
Aber jetzt erlebe ich etwas, was ich so noch nicht erlebt habe, nämlich so ein grundsätzlicher Pessimismus. Und ich bin in dem Zusammenhang auf einen schönen Satz gestoßen, der wie folgt geht, Richard. Ich bin nicht deswegen Optimist, weil ich Optimist bin, sondern weil Pessimismus keine Lösung ist. Ein Optimist, der in seinen Idealen am Ende enttäuscht wird, hat immer noch ein erfüllteres Leben geführt als ein Pessimist, der sich bestätigt sieht.
Das kommt mir sehr bekannt vor. Hast du mal gesagt, 2018. Ja, das habe ich schon mehrfach gesagt. Und ich habe das auch deswegen gesagt, weil mein Vater war in politischer Hinsicht und überhaupt so was Menschen anbelangt, ziemlich pessimistisch.
Obwohl er ja politisch ein Linker war, war er gleichzeitig irgendwie davon überzeugt, dass die Menschen so wie sie sind, mit all ihren Abgründen und ihren Dummheiten und ihren Kurzsichtigkeiten und so weiter, dass es eigentlich keinen echten Menschheitsfortschritt gibt. Und mein Bruder hat das sehr stark geteilt. Und jeder hat ja so seine Rolle in der Familie. Und ich habe gegen den Pessimismus meines Vaters und meines Bruders so einen fast trotzigen Optimismus mir bewahrt.
Aber ich glaube, am Ende ist es ja so, man sucht sich die passende Weltanschauung zu sein Naturell. Du wirst nicht Pessimist, weil du irgendwie die Welt komplett durchschaut hast, sondern du bist sowieso ein Mensch, der dazu neigt, die Dinge negativ zu sehen und dazu legst du dir dann die entsprechende pessimistische Weltanschauung zurecht. Und genauso ist das mit dem Optimismus. Es gibt so viel grundlosen Optimismus in der Welt, der einfach nur darauf basiert,
dass Menschen eine sehr positive Neurochemie haben. Und das ist bei mir so. Und deswegen, ich bin kein großer Freund von Pessimismus, weil ich finde, Pessimisten, die stolz darauf sind, dass sie Recht haben, das ist somit die schwerst erträgliche Spezies von Zeitgenossen. Ja, habe ich doch gleich gesagt, dass das nichts wird. Ich habe doch von vornherein
gesagt, dass das schief geht und so. Also ich glaube, das sind genau die Kommentare, die die Welt nicht braucht und schon aus dem Grund bleibe ich dabei, die Dinge hoffnungsvoller zu sehen. Ich würde mich selber gar nicht Optimist nennen. Ich würde sagen Zuversicht, aber noch das viel wichtigere Wort ist Hoffnung. Es gibt, du hast vorhin gesagt, wir Deutschen, wir neigen dazu, die Dinge zu hintergrübeln und zu hinterfragen und so weiter.
Wenn wir das nicht getan hätten in unserer Geschichte, hätten wir nicht so viele hochbedeutende Philosophen hervorgebracht. Und das Schöne ist, die Deutschen haben eine Sprache, mit der das so unheimlich gut geht. Wir können so viele abstrakter so zusammensetzen und Worte wie Weltgeist und Weltschmerz uns ausdenken. Das geht in anderen Sprachen gar nicht.
Also das Deutsche ist eigentlich somit die Sprache, die am besten dafür geeignet ist, grüblerische Gedanken auszudrücken oder in Worte zu fassen. Und deswegen haben wir davon wahrscheinlich auch in unserer Geschichte immer so reichhaltig Gebrauch gemacht. Aber was die Hoffnung anbelangt, also der bedeutendste Philosoph, den der deutsche Kulturraum je hatte, Immanuel Kant. Er hat nicht gesagt, dass Hoffnung etwas ist, was man als Gefühl in sich tragen soll.
Er war kein Psychologe, kein Glückspsychologe. Sondern er hat gesagt, es gibt eine Verpflichtung dazu, eine innere Verpflichtung dazu, Hoffnung zu haben. Weil wenn alle Menschen diese innere Verpflichtung zur Hoffnung fahren lassen würden, würde alles den Bach runtergehen. Ich bin auch meiner Umwelt und meiner Mitwelt gegenüber verpflichtet, hoffnungsvoll zu sein.
Und diese Ansicht teile ich. Das ist im Grunde auch die Idee von Karl Popper, auch ganz bekannter Philosoph, der hat es ähnlich ausgedrückt. Optimismus ist Pflicht und man muss sich auf die Dinge konzentrieren, die gemacht werden sollen und für die man verantwortlich ist. Und ich finde, das beschreibt sehr genau das Dilemma, in dem wir da gerade sind.
Hast du auch dieses Gefühl, dass diese Zuversicht, die wir brauchen, die unendlich wichtig ist, insbesondere auch bei einer jüngeren Generation, da vermisse ich dies auf eine Art und Weise, dass mir manchmal Angst und Bange wird. Und ich habe in diesen Tagen einen Text gelesen von Thea Dorn, Philosophie Magazin. Die haben eine schöne Sonderausgabe gemacht, Impulse für 2025 und deswegen passt das auch so gut. Und dann macht sie sich genau darüber Gedanken und sagt unter anderem.
Grundsätzliche, robuste Zuversicht ist letztlich immer unbegründet. Das finde ich so gut. Ist eine Frage der Haltung, sagt sie, der Einstellung und des Willens. Und das ist uns abhandengekommen. Das heißt, du musst gar nicht begründen können, es muss gar keine objektiven Gründe dafür geben, warum du zuversichtlich bist. Also weder Wirtschaftsdaten noch persönliches Glück oder Umstände, wie auch immer, sondern das ist sozusagen etwas, was man nicht begründen muss.
Wir müssen das entwickeln, wir müssen das haben, weil es, glaube ich, auch überlebensnotwendig ist. Ansonsten kann ich mir kein gelungenes Leben vorstellen. Es ist also bei Lebewesen, die über sich selbst nachdenken können, absolut wichtig, dass man sich Ziele setzt und dass man die Hoffnung hat, diese Ziele in irgendeiner Form zu erreichen. Sonst kann man gar nicht existieren. Wir brauchten gar nicht erst anzufangen, auf die Jagd zu gehen.
Wenn es nur Pessimisten gewesen wären, wäre die Menschheit ausgeschoben. Das bringt nichts bei dem Mammut, da geht bestimmt wieder einer bald rauf, das schaffen wir ohnehin nicht. Also ich denke, diese Grundeinstellung, ich meine, es ist ja auch im Tierreich häufig so, ein Gepard jagt manchmal drei, vier Mal hintereinander erfolglos und wenn er beim fünften Mal erfolglos jagt, dann stirbt er, weil er einfach die Energiereserve nicht mehr hat, nochmal so einen Sprint anzusetzen.
Und trotzdem ist es sozusagen in seiner Natur drin, dass natürlich um des Überlebenswillens es immer wieder und immer wieder zu versuchen, solange er kann. Und das ist quasi dieser Drive, der in uns ist und der uns vorwärts treibt. Den unterschätzen viele Leute, dass er in ihnen ist, weil auch die größten Pessimisten hängen unter Umständen enorm an ihrem Leben.
Das müssten sie eigentlich nicht. Ich kenne diesen berühmten Spruch von Schopenhauer, der berühmteste Pessimist der Philosophiegeschichte, der gesagt hat, die schlimmste Vorstellung, die man sich überhaupt machen könnte, wäre, dass es nach dem Tode auch noch weitergeht. Also das Leben nach dem Tode als schlimmstmögliche Bestrafung, dass man nie aus diesem Blödsinn irgendwie rauskommt.
Aber davon mal abgesehen, auch Menschen, die an allem nörgeln und sowas alles, hängen an ihrem Leben, würden ihr Leben verteidigen, wenn sie angegriffen werden und, und, und. Deswegen ist auch häufig diese Nörgelhaltung oder dieser Pessimismus eigentlich eine ganz ambivalente Sache. Das sind ja nicht durch und durch pessimistische Menschen. Ist ja berühmt. Die Deutschen fürchten sich irgendwie vor allem. Und auf der anderen Seite, die Deutschen gucken immer pessimistisch in die Zukunft.
Das ist ja so ein allgemeines Klischee. Aber merkwürdigerweise, ich erinnere mich da ziemlich gut dran. Ich habe ja mal so vor 20 Jahren sowas wie Glücksforschung, die Sachen gelesen. Und da haben wir so unheimlich aufgeholt. Also wir waren so im letzten Jahrhundert, das Volk der Miesepeter, aber so auch noch in den Nullerjahren war die Stimmung eine ganz andere. Da ist Deutschland richtig nach oben gerückt. Das Sommermärchen, die Gastronomie wird überall rausgezogen, die Leute essen im Freien.
In meiner Kindheit ganz selten. Gab es so gut wie überhaupt nicht. Da gab es dunkle Gaststätten. Da ging man zur Geselligkeit ins Dunkle. Und dass das dann plötzlich hier so italienisches Lebensgefühl auf den Straßen war und diese Feierstimmung unter jungen Leuten und so, die habe ich in meiner Jugend häufig als viel aggressiver empfunden. Da gab es also relativ viel Fokuhilas, von dem man also relativ schnell einen aufs Maul kriegte.
Und so, wenn man zusammen Fußball guckte und nicht diese Partystimmung, die dann später kam. Also ich fand, die Deutschen waren auf einem ganz tollen Weg. Und das hat sich eigentlich erst seit wenigen Jahren geändert. Und deswegen kann man nicht sagen, so ist der Deutsche, sondern so ist er gerade mal wieder. Also ich würde mal sagen, der Deutsche ist gerade mal wieder in ein Loch gefallen. Ja, exakt. Und man hat das Gefühl, wir kommen da so schwer wieder raus.
Es deckt sich absolut mit meiner Beobachtung. Das Schöne ist ja, wir sind ja schon ein paar Tage auf der Welt, wir beide. 2006 fand ich immer, da wurde Deutschland das erste Mal lässig. Und es hat mir unheimlich gut gefallen. Interessanterweise habe ich dieses Gefühl für mich so ein bisschen konserviert. Ich mag dieses Land bis heute wahnsinnig gerne, so wie es ist und auch mit den ganzen Zweifeln, die es quält.
Und deswegen tut es einem fast schon körperlich weh, wenn man merkt, wie so dieses Zutrauen auch nicht nur in die Zukunft, sondern in die eigenen Fähigkeiten, das geht ja damit einher, wie das plötzlich so flöten geht. Und ich denke immer, Mann, ihr könnt das doch alles und ihr seid so unglaublich gut darin. Und offenbar schaffen wir es gerade nicht, diese Qualität richtig anzusprechen.
Und ich frage mich manchmal, wie entfesselst du wieder oder wie sprichst du wieder an diese Qualitäten, die in diesem Land schlummern? Wenn du dir mal die Eckdaten anschaust, ich habe neulich, wer war das denn, Mike Walz, glaube ich, war es der designierte Sicherheitsberater von Trump. Wichtiger Mann. Jemand, der sich auch gut mit Europa auskennt. Jemand, der schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt auch in die Ukraine gereist ist.
Jemand, der weiß, wie die Dinge miteinander zusammenhängen und der richtig verzweifelt ist, wenn man den so hört, auch im Interview, insbesondere über Deutschland. Weil er sagt, ihr führt nicht, ihr traut euch nicht, ihr geht nicht voran, ihr habt nicht verstanden, was die Herausforderungen dieser Zeit sind. Ich glaube, dass die anderen Länder in Europa auch nicht von Deutschland geführt werden wollen.
Das würde ich mal nicht unterschätzen. Also ob das jetzt nur die Zauderei deutscher Kanzler ist. Ich glaube eher, dass Europa in seiner gegenwärtigen Verfassung, über das wir auch mal ganz ausführlich reden sollten, dass das im Augenblick sich nicht nach Deutschland in einer Führungsrolle sehnt.
Das glaube ich ganz und gar nicht. Und dieser Mike Walz hat in dem Zusammenhang irgendjemandem in so einem Hintergrundgespräch, ich kriege jetzt nicht mal auf die Reihe, wer es war, ich glaube sogar Roderich Kiesewetter, der dort zu Besuch war, hat ihm gesagt, pass mal auf, sicherheitspolitisch machen wir euch jetzt hier eine Ansage. Eure Leute haben 30 und im Schnitt eher 31 Tage Urlaub im Jahr. Dazu so viele Feiertage wie niemand sonst.
Unsere Leute, amerikanische Arbeiter, haben elf. Wir haben elf Flugzeugträger und ihr keinen. Und wir möchten, dass ihr jetzt Verantwortung übernehmt. Das ist sozusagen die harte, klare Ansage. Ich habe lange über diese Eckdaten mal nachgedacht. Das ist natürlich hart zugespitzt und wahnsinnig provokant.
Aber womit er natürlich recht hat, sind diese Eckdaten. Wenn er sagt, ihr habt 30 Tage Urlaub, dazu passt eine Zahl, die ich neulich gelesen habe, wir sind mittlerweile bei 23 Tagen Krankheitstagen im Schnitt in Deutschland. 23 Tage, das ist enorm viel. Das sind nochmal fast fünf Wochen. Das heißt, wir haben da so Eckdaten, wo jeder Ökonom drauf guckt und auch Leute, die eher auf der linken Seite zu Hause sind, auch bei uns in der Sendung, die sagen, wir haben da ein Problem.
Wir haben ein Mentalitätsproblem, das ist das, was Peer Steinbrück da so adressiert hat. Und ich denke dann immer, okay, aber was ist es? Ist es tatsächlich die Frage, dass wir alle, wie dann gerne so unterstellt wird, je nach politischer Richtung, alle faul geworden und die Jugend von heute und so weiter. Ich halte das für totalen Blödsinn. Die Leute sind nicht faul geworden, die Leute arbeiten auch unheimlich viel.
Aber gerade mit Blick auf eine jüngere Generation habe ich häufig das Gefühl, die wissen nicht mehr, warum sie sich richtig anstrengen sollten. Sie wissen nicht mehr, warum sich das möglicherweise für sie lohnt. Weil sie das Gefühl haben, egal wie sehr sie strampeln, sie kommen irgendwie auf keinen grünen Zweiten mehr. Das ist der Glaube an die Leistungsgesellschaft, die wir in Deutschland ja auch
nur wenige Jahrzehnte überhaupt gehabt haben. Und die natürlich niemals so ausgeprägt war wie in den 50er, 60er, 70er, 80er Jahren und deswegen für die DNA der Bundesrepublik so wichtig war. Diese Leistungsgesellschaft in dieser Form existiert so heute nicht mehr. Vielleicht noch in den Wahlkampfreden der FDP, aber tatsächlich eben viel, viel weniger. Ja, ich will vorhin zu dem, was du gesagt hast über Walls.
Ich finde, der innere Reichtum eines Landes, der erkennt man an der Qualität eines Sozialstaates und nicht an der Anzahl von Flugzeugträgern. Also insofern bin ich da so genau auf der anderen Seite. Aber das Entscheidende ist tatsächlich, dass unsere politischen Vorstellungen von Leistungen und der sich anstrengt und der schafft was und so weiter. Dieser Satz stellt sich in jeder Zeit immer anders dar. Natürlich gibt es immer Leute, die es schaffen und es gibt auch immer Leute,
die es von unten nach oben schaffen und so. Das ist richtig. Aber wenn du heute bildungsfern aufwächst, dann ist dein Traum oder deine Fantasie es nach oben zu schaffen, vielleicht irgendwo durch einen Job in der erweiterten Drogenökonomie. Und nicht mehr dadurch, dass du einen Schulabschluss machst und noch einen zusätzlichen Schulabschluss und noch weiter dich qualifizierst und so weiter. Ich meine, das gibt es auch immer noch alles. Ich wollte gerade sagen, es ist alles noch existent.
Aber es gibt heute mehrere und andere Schienen, die da häufig gegangen werden. Und es gibt es einfach auch häufig genug, dass du dich anstrengst und machst und so weiter und trotzdem sind ganz viele Wege, wir haben darüber ja mal gesprochen, als wir über die jüngere Generation gesprochen haben, verstopft. Also viel verstopfter, als es in früheren Zeiten gewesen ist.
Und deswegen würde ich immer sagen, wenn Leute pessimistisch sind und sagen, oh, was haben wir denn für eine Jugend, die wollen ja hier Sinn und Spaß und Work-Life-Balance oder am liebsten Life-Life-Balance und so weiter. Also dieses Mecker-Opatum, was wir da so haben. Dass Leute pessimistisch sind, weil sie der jungen Generation nichts mehr zutrauen. Da muss man mal ganz ehrlich sagen, das war schon immer so.
Auch wir gehören einer Generation an, denen von den Mecker-Opas nichts zugetraut wurden. Also wenn ich als Kind so einen langhaarigen Rundschnitt hatte und so weiter, dann war das aus der Sicht der Stalingrad-Kämpfer, die da bei uns auf dem Hinterhof gewohnten und so weiter, schon der Untergang des Abendlandes. Wir sahen den Untergang des Abendlandes in der Popmusik und in den Beatles und Rolling Stones und was weiß ich was und so.
Und wahrscheinlich ist, wenn man noch tiefer in die Geschichte zurückgeht, wird man in jeder Generation Beispiele dafür finden, dass man immer denkt, dass die Generation, die 30, 40 Jahre danach kommt, dass das die größten Pappnasen sind und dass an denen die Kultur zugrunde geht und Deutschland scheitert und so.
Und das ist alles Blödsinn. So, aber es ist ein Riesenunterschied, ob dir sozusagen andere, die Meckeropas, von denen du gerade sprichst, bescheinigen, dass das eh nichts wird mit dir oder ob das aus dir selbst herauskommt. Und das empfinde ich gerade als den wirklich großen Unterschied. Da hast du völlig recht.
Das ist das Bezeichnende der jüngeren Generationen jetzt, dass die Skepsis innerhalb dieser Generation, dass die Dinge möglicherweise oder mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eher schlechter als besser werden. Dieses Lebensgefühl hatte in der Bundesrepublik möglicherweise nochmal ein Teil meiner Generation, No Future als Aufkleber, das war so im Zeichen Angst vorm Atomkrieg.
Ja also Kernenergie und Atomkrieg, die haben auch schon mal nicht in der Mehrheit der Bevölkerung, nicht in der Mehrheit aber in einer politisch nicht unwichtigen Gruppe, aus der die Grünen entstanden sind schon auch eine Rolle gespielt dass man dachte, wenn wir so weitermachen, gibt es in einem Jahr bricht der Atomkrieg aus oder geht bei uns ein Kernkraftwerk hoch und wir werden alle verseucht und so, da gab es das schon mal und dann ist das gänzlich ausgestorben,
dann kam die Kohljugend, also die. Generationen wetten das wie sie häufig genannt worden ist, oder Generation Golf, die war voller Zuversicht. Und das hielt sich bis zur Generation jetzt. Und jetzt gibt es wieder. Jetzt kommt wieder eine Generation da, die starke Angst hat, was die Zukunft anbelangt. Ich habe vergangene Woche mit meinem Sohn lange darüber geredet.
Er sagte zu mir, Papa, wir aus unserer Generation, wir haben das Gefühl, es lohnt sich sowieso nicht, uns anzustrengen, bis der Arzt kommt, uns richtig abzurackern, Weil die Miete können wir so oder so nicht bezahlen. Es ist egal, wie sehr wir strampeln. So ganz simpel. Und das sind natürlich so diese Dinge. Aber dennoch…. Da passiert mehr und ich habe auch wieder im Philosophie-Magazin Sonderedition Impulse 2025, wirklich empfehlenswert, genau zu dem Thema.
Einer dieser Impulse widmet sich sozusagen der Zuversicht und der Chefredakteur Moritz Rudolf, der macht ein sehr schönes Bild auf, der sagt, das 21. Jahrhundert benimmt sich im Grunde wie so ein störrischer Pubertierender, befindet sich in so einer Krise, weiß nicht so recht, was es will und wie sein weiteres Leben aussehen soll. Pass auf, seine Eltern, wir, der glorreiche Mauerfall, die fröhlichen 90er Jahre, die hatten noch große Pläne mit ihm. Es sollte so werden wie sie.
Vielleicht noch ein bisschen liberaler, vielleicht noch ein bisschen gerechter. Und heute zeigt sich, dass es einen ganz anderen Charakter hat. Es kommen immer mehr dunkle Anteile zum Vorschein. Autoritäres, kriegerisches. Und wie jeder, der Probleme hat, ist das Jahrhundert gut beraten, sich Hilfe zu holen und zwar von der Philosophie.
Finde ich einen wahnsinnig schönen Gedanken. Ja, ich meine, ich habe vor einiger Zeit, das ist noch gar nicht lange her, in dem Interview gesagt, wir haben eine schlechte Zeit für Philosophie, obwohl wir eigentlich eine gute für Philosophie haben. Also Krisen- und Umbruchzeiten sind natürlich immer gute Zeiten für die Philosophie. Sie ist in Krisen- und Umbruchzeiten im alten Griechenland entstanden, als die Demokratie dem Bache unterging.
Sie ist aufgeblüht, als die Adelsgesellschaften kaputt gingen und die bürgerliche Gesellschaft entstand. Also auch in Krisen- und Umbruchzeiten. Die französische Revolution hat sich ja nicht ereignet, weil es den Leuten gerade so gut ging und sie ein paar neue Gedanken im Kopf hatten, sondern weil das Ancien Regime, also die alte Adelsherrschaft, abgewirtschaftet hatte, der Staat bankrott war. Und die gesellschaftlichen Widersprüche immer offener zutage traten und so weiter.
Und man würde natürlich sagen, in einer solchen Umbruchssituation, die wir heute haben, mit all den Themen, mit denen ich mich ja hier die letzten 10, 15 Jahre beschäftigt habe, das zweite Maschinenzeitalter, also die Revolution der Arbeitswelt, die großen geostrategischen Veränderungen, der Übergang zur multipolaren Weltordnung, wo wir noch gar nicht wissen, wie der ganz genau und wie das aussehen wird und so weiter und ob daraus irgendeine Friedensordnung entsteht oder nicht.
Dann die Nachhaltigkeitsrevolution, die größte Herausforderung, vor der die Menschheit je stand. Also wir haben unheimlich interessante Zeiten und das Spannende ist, in solchen interessanten Zeiten darf man in einem Schema nicht denken. Und da könnte man von der Philosophie was lernen. Weil wir denken immer in dem Schema, und das hörst du in jeder politischen Diskussion, von Problemen und Lösungen. Und das ist so unterkomplex. Ich erzähle das bei jedem Vortrag.
Eine Problemlösung, das gibt es in der Informatik. Das ist die Welt deines Sohnes. Das gibt es in der Mathematik. Es gibt ein mathematisches Problem und dann wird es gelöst und es ist weg. Weg. Das, wovor wir stehen, sind keine Probleme. So nach dem Motto, jetzt brauchen wir nur einen genialen Mathematiker, sprich genialen Politiker, der drückt auf die richtigen Knöpfe, der gibt ein paar Milliarden mehr dafür aus, der macht die und die Reform und dann, ist das Migrationsproblem weg.
Oder dann haben wir das Nachhaltigkeitsproblem gelöst. Also diese Vorstellung, man könnte Probleme wegzaubern durch Lösungen, wie die Aufgaben im Mathebuch, ist eine völlig unterkomplexe Herangehensweise an die Herausforderungen unserer Zeit. Aber nochmal diese Idee, Richard, und im Grunde ist ja das, was du gerade sagst, ein Appell dafür, wenn du sagst, das ist völlig unterkomplex, es muss ja dann noch etwas anderes geben.
Es muss sozusagen eine unbegründete Zuversicht geben, so wie es Thea Dorn ausgedrückt hat. Ich finde, das trifft es total gut. Und unbegründet ist eigentlich die entscheidende Vokabel dabei. Also früher, hat man das sowas wie Gottvertrauen genannt. Irgendwie hat jeder verstanden, was das ist. Es gibt so schöne Wörter in der deutschen Sprache, die genau beschreiben, was es ist. Jeder versteht auch, was das ist.
Und dieses Gottvertrauen, und das hat jetzt gar nichts mit Gott zu tun in dem Punkt, ist uns aber in einer Form abhandengekommen, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Und auf der anderen Seite erlebe ich dann aber diese ganzen, das ist auch so ein richtiger Boom und wahrscheinlich ist das die zwangsläufige. Diese ganzen Life-Coaches, dieser Zwang zum Glücklichsein, dieser Zwang zum, wir schaffen das alles, du brauchst nur das richtige Mindset.
Und dann, wie du sagst, dann verschwindet das alles von selbst. Du musst nur richtig an dich glauben. Und das macht mich wahnsinnig. Ich denke auch, das ist so eine unterkomplexe Art der Ansprache. So einfach ist es natürlich nicht. Ich frage mich manchmal, kann es auch sein, Richard, dass sozusagen Pessimismus oder dieses Gefühl, ach nützt doch eh alles nichts, dass das auch eine Art bequeme Haltung ist, in der man sich einrichten kann? Also das ist ein super interessantes Thema.
Ich hatte ja letztens dieses Gespräch mit Eva Illus. Und die hat gesagt, und das ist ja völlig richtig, nicht die Einzige, die das gesagt hat, aber das ist sehr, sehr schön beschrieben in ihrem Buch, dass die bürgerliche Gesellschaft, im Gegensatz zu den früheren Gesellschaften, durch Hoffnung zusammengehalten ist. Die Hoffnung, du lebst in einem Staat, eine liberale Demokratie, die dir die Chance gibt, wenn du dich nur anstrengst, zu deinem zu kommen.
Und jetzt haben wir ja vorhin darüber gesprochen, Das hat ja auch lange ziemlich gut funktioniert. Nicht für alle, aber für erstaunlich viele. Im historischen Maßstab verglichen wirklich für sehr viele Menschen. So und jetzt verengt sich das Nadelöhr. Und das führt zu ganz viel enttäuschter Hoffnung. Und enttäuschter Hoffnung führt natürlich zu solchen Sachen wie Pessimismus und Nörgelei und so weiter.
Weil immer mehr Leute spüren, dass ihre Lebensmöglichkeiten nicht ihren Hoffnungen entsprechen. Und deswegen hat dieses Gefühl ja auch eine ganz reale Basis. Das heißt also, Gefühle sind, und das kann man bei Eva Illus schön lernen, nicht nur eine private psychologische Sache, sondern es gibt kollektive Gefühle, an die du dich anschließt, von denen du dich verstanden hast. Gefühle von Scham oder von Stolz und so weiter.
Das sind Dinge, die finden in deiner Kultur statt. Und du nimmst quasi psychologisch an ihnen teil. Du bist ja nicht so eine isolierte Monade, die mit dem Rest nichts zu tun hat, sondern deine ganze Gefühlsausstattung wird absolut auch von den Gefühlen der anderen mitbestimmt. Also ist nicht nur individuell, ist eben auch gesellschaftlich. Und das ist auch wichtig zu verstehen. Und so können auch gesellschaftliche Stimmungen entstehen.
Und Eva Illus würde sagen, die Aggression unserer Zeit, die aufgeheizte politische Atmosphäre und gleichzeitig der Pessimismus haben ganz viel mit enttäuschten Hoffnungen zu tun. Weil die Hoffnungen sind schneller gewachsen als der Wohlstand. Die Hoffnungen wachsen immer mit dem Wohlstand mit.
Aber am Ende ist es so geworden, wir haben ganz viele Hoffnungen, zum Beispiel, ich habe ja mal dieses Buch geschrieben über die Zukunft der Arbeitsgesellschaft, dass wir uns in eine Sinngesellschaft reinbewegen. Aber um, damit eine Sinngesellschaft funktionieren könnte und nicht Millionen Menschen Jobs machen müssen, in denen sie keinen Sinn sehen und die keinen Spaß machen und die sie vielleicht fertig machen. Hätte zum Beispiel die Automatisierung viel, viel schneller gehen müssen.
Also viel, viel mehr Dinge, die man hätte roboterisieren oder automatisieren können. Die geht aber viel langsamer als die Hoffnung einer jungen Generation, solche Arbeiten nicht mehr machen zu müssen. Wir haben also viele solche Asymmetrien. Wir haben auf der einen Seite auch in den Merkel Jahren eigentlich ein unausgesetztes Wirtschaftswachstum gehabt, aber nicht für jeden.
Ja, und wenn du dann merkst, eigentlich geht alles aufwärts, aber wenn ich mein eigenes Leben mal realistisch betrachte, dann ist es unterm Strich eher schlechter geworden als besser. Dann willst du diese Geschichten nicht mehr hören. Ja, uns geht es doch gut und sei stolz auf Deutschland und was weiß ich was. Und dann entwickelt sich da eine enorme Trotzhaltung. Ja, und das scheint der Hauptgrund zu sein, warum uns auf relativ breiter Ebene die Zuversicht erwarten gekommen ist.
Mal ungeachtet der Themen, über die wir sonst schon geredet haben. Auslaufen von erfolgreichen Wirtschaftsmodellen wie Automobilindustrie und so weiter. Das gibt es alles. Dann gibt es natürlich auch faktische Dinge, ganz klar. Aber es gibt auch eine Mentalität von zunehmender Enttäuschung aufgrund sehr großer Hoffnungen, Lebenshoffnungen, Glückshoffnungen, die sich eben nicht erfüllen.
Das ist interessant, was du sagst. Es gibt ein anderer Kontext sozusagen, aber es passt irgendwie dazu, wenn du dir die Situation von Amerika anschaust. Du weißt, Amerika ist so ein Thema, das mich immer umtreibt, weil man dort das auch besichtigen kann, auch die soziale Frage und auch die Art und Weise, wie dort dieser berühmte amerikanische Optimismus so langsam aber sicher immer weiter unter die Räder gekommen ist.
Und das habe ich selbst wirklich erlebt, eine eigene Anschauung in vielen, in vielen, vielen Gesprächen, das wurde immer schlechter und die Leute hatten irgendwann das Gefühl, für mich ist da irgendwie nichts mehr drin. Und wenn man sich so dieses amerikanische Wirtschaftssystem mal anschaut, also da ist dieser riesige Markt, auf den alle wollen und alle wollen dort verkaufen und auch die Deutschen verkaufen dort sehr, sehr viel und mittlerweile mehr als nach China beispielsweise.
Wir haben einen Exportüberschuss irgendwie mit den USA und da ist der Trump dann auch immer sauer, weil er sagt, wir sollen von euch immer kaufen, aber ihr kauft bei uns nichts. Und dann sagt man, wieso funktioniert das trotzdem? Also ökonomisch ist es sehr interessant, ist es so, dass die Amerikaner wahnsinnig viel kaufen, konsumieren. Im Grunde machst du die Leute einfach zu Konsumenten.
Und dann sagt man, okay, wenn da so viel Geld abfließt aus einem Land, wie kommt es, dass dann trotzdem dieses Amerika solche Wirtschaftsdaten hat, ein wirklich robustes Wachstum und Risikokapital, das die in einer unvorstellbaren Menge zur Verfügung stellen können. Ich meine, Tesla hat 15 Milliarden verbrannt, bevor die überhaupt das erste Mal Geld verdient haben. Amazon hat auch über ewige Zeiten diese gemacht. Genau, wäre in Europa so nie möglich.
Warum ist das so? Das ist so, weil unter anderem, weil Länder wie Deutschland beispielsweise, die mit Amerika dann sehr viel Geld verdienen. Nehmen diese Gewinne und investieren sie wieder in Amerika. Aber dieses Investment, das dann sozusagen in der Ökonomie dann aussieht wie etwas, wo man sagt, okay, da geht es einem Land gut, da fließt richtig Geld rein und so weiter, kommt nur einer ganz schmalen, ultrareichen Elite zugute. Und der einfache Arbeiter in Ohio, der hat nichts davon.
Wenn du heute aus dem Ausland dann amerikanische Aktien kaufst, dann hat Elon Musk was davon, dann hat Jeff Bezos was davon, dann haben noch einige andere was davon, Peter Thiel und Mark Zuckerberg und wie sie alle heißen. Aber das Gro, die riesige Masse des Durchschnittsamerikaners, der hat nichts davon. Das heißt, auch ökonomisch kannst du da sehen, wie da die Zusammenhänge sind und dann bist du plötzlich auch auf der Spur.
Was da eigentlich auch mit der Psyche der Menschen passiert und wie es sein kann, dass trotz guter ökonomischer Daten, trotz einer Inflation, die irgendwie mittlerweile wieder ganz okay ist und Wirtschaftswachstum und läuft doch alles und die Amerikaner sagen, nee, nix läuft. Du kannst mich mal, alles Bullshit, was du mir hier erzählst, mir geht es kein bisschen besser und Reallöhne habe ich immer weniger in der Tasche.
Ich profitiere null von dem, was ihr mit eurem Wahnsinnskapitalismus da alles so macht und treibt. Und da liegt, glaube ich, tatsächlich auch ganz konkret einer der Gründe für diesen schwindenden Optimismus. Ja, also ich glaube ja, dass das, was du gerade am Beispiel der USA, wo es sehr drastisch ist, beschrieben hast, tendenziell bei uns auch so ist.
Wenn du mal überlegst, wie viele Leute durch die Inflation der letzten Jahre nun definitiv netto weniger Geld haben und das sind Millionen und das sind auch keine unerheblichen Beträge. Wenn du auch siehst, dass man bei uns natürlich nicht so extrem wie New York und in San Francisco, aber trotzdem extrem in den Innenstädten als Normalverdiener nicht mehr wohnen kann.
Also dass du das Gefühl hast, du wirst quasi vertrieben aus der Stadt, in der du lebst, weil zu viele Leute mit Geld von außerhalb kommen und weil eine kleine Schicht und deren Kinder und deren Enkel und so weiter sich diese horrenden Mieten leisten können.
Dann gibt es natürlich neben dem ganz allgemeinen Gefühlsklumpatsch, über den wir geredet haben, natürlich schon ganz handfeste Gründe, warum den Leuten der Optimismus ausgeht, zumal ja auch in der politischen Landschaft jetzt nicht jemand in Sicht ist. Der hingeht und sagt, ich nehme diese Herausforderung an.
Also ich erinnere mich, dass Olaf Scholz auf den Wahlplakaten der letzten Wahl erzählt hat, bezahlbarer Wohnraum wäre sein großes Thema und wie viele hunderttausend Sozialwohnungen wollte er bauen und so weiter. Und jetzt ist er unlängst im Bundestag darauf angesprochen worden, warum er eigentlich so gut wie gar nichts gemacht hat. Und dann bringt er die gleichen Sprüche wie vor drei Jahren. Ja, wir müssen doch jetzt mal um bezahlbaren Wohnraum und so...
Es ist aber drei Jahre lang überhaupt nichts passiert. Ja, er hat jetzt gerade wieder auch von einer Wahlkampfveranstaltung, es gab ja schon vor einiger Zeit mal diese sehr seltsame Aussage, wir werden ein grünes Wirtschaftswunder schaffen, zahlen wie in den 50er Jahren. Es wird richtig abgehen, nichts ist passiert. Und das Gleiche jetzt wieder auf einer Veranstaltung. Wenn wir nur richtig investieren, dann werden wir sensationelles Wirtschaftswachstum wieder kriegen und so weiter.
Und ich denke, boah, das hat jemand. Warum hat man das jetzt drei Jahre lang nicht hingekriegt? Also, der zwei Jahre in Folge jetzt Rezession zu verkünden und zu vermelden hatte, was ja nichts anderes heißt, als dass tatsächlich nicht nur ein Land ärmer wird, sondern Menschen ganz konkret werden ärmer. Ja, da geht einfach tatsächlich Wohlstand verloren. Deswegen nochmal, Richard, dieser Gedanke sozusagen von Pessimismus auch als Haltung.
Wir haben ja darüber schon mal geredet im Zusammenhang mit diesem Gefühl, das auch für mein Gefühl mittlerweile so weit verbreitet ist. Man richtet sich ein in so einer Opfererzählung. Also jeder hat heute irgendwie ein Trauma und ist an irgendeiner Stelle Opfer. Ja, man darf sich heute gesellschaftlich leidtun. Das ist neu. In 50er, 60er Jahren kam mal damit und tat dir leid. Dann warst du wie bei Fisherman's Friends. Wenn du dir dein Leben zeigst,
dann bist du nicht hart genug. Das war die Logik. Aber heute ist Jammern gesellschaftsfähig geworden. Das ist auch ein großer Unterschied zu früher. Ja, das ist interessant, genau. Weil die Opferrolle ist die neue Heldenrolle. Verrückt. Weil, warum? Weil Opfersein eine... Wir haben irgendwann mal erkannt, dass das Opfersein auch anerkannt werden muss. Und zwar völlig zu Recht. Und das hat sich irgendwann, hat sich dann der Kreis, so hat Eva Illus das auch erklärt.
Und Susan Nyman erklärt das auch so, dass der Kreis derjenigen, die sich dazugehörig fühlten, irgendwie Opfer zu sein, der hat keine natürliche Begrenzung. Weißt du, jeder von uns hat irgendwann mal richtig Mist erlebt und mal ein Trauma. Wir gehören einer Generation an, wo fast alle Kinder zu Hause noch geschlagen wurden.
Und wo Demütigungen auf dem Schulhof noch viel brutaler stattfinden konnten, jedenfalls in der Breite als heute, weil es kaum Aufsichtspersonal gab und weil man sagte, reiß dich zusammen und ein Junge heult doch nicht und wie auch immer. Und irgendwann entdeckst du, Dass du mit all diesen Sachen ja eigentlich auch eine Opfergeschichte hast. Und du findest natürlich auch offene Ohren dafür und all diese verschiedenen Opfergeschichten.
Manche sind auch wirklich tragisch und ernst und manche sind vielleicht nur ganz bisschen tragisch und manche sind vielleicht gar nicht. Und so weit hat sich dieses Feld, etwas Besonderes zu sein, weil man Opfer ist, das ist sozusagen neu entstanden.
Das heißt, aus der völlig richtigen und berechtigten und notwendigen Aufarbeitung realer Opfer fürchterlicher Verbrechen ist irgendwann ein sich immer weiter ausbreitender Kreis geworden, das jedem irgendwo die Möglichkeit gibt, sich in irgendeiner Form als Opfer zu fühlen. Das sind die Erklärungen, die Susan Neiman mir dazu gegeben hat, als wir uns darüber länger unterhalten haben. Und ich glaube, da ist tatsächlich eine Menge dran.
Also wenn du nicht Held sein kannst, kannst du immer noch Opfer sein. Ja, jeder hat seine Diagnose. Und jammern wird dann gesellschaftsfähig. Du kannst dich dann immer mit anderen beim Bier und so weiter zusammenfinden und sagen, wie schlecht es dir geht und wer alles auf deine Kosten und wie unterprivilegiert du bist und so weiter.
Aber das ist natürlich eine andere Art von Zeitgeist, als in den 50er, 60er Jahren, wo der Zeitgeist war, weißt du, jetzt nach den ganzen Fürchterlichkeiten des Krieges und auch der eigenen Täterschaft, die natürlich auch oft genug da hörte, nach dem Motto, ich will von all dem nichts mehr hören und jetzt Ärmel aufkrempeln, zupacken und aufbauen. Und das ist im Augenblick eben gar nicht die Mentalität in jedem Land.
Es ist interessant, jemand wie Dietrich Bonhoeffer, ja, wahnsinnig faszinierender Mensch, wahrscheinlich einer der integersten Theologen, die es in Deutschland der Nazizeit gegeben hat, der hat in Flossenbürg, im KZ, da saß der ja schon ein und ist ja dann dort auch hingerichtet worden, der hat einen irren Satz dazu mal geschrieben, also offensichtlich war das damals schon Thema, der beginnt mit, es ist klüger pessimistisch zu sein.
Denn dann sind die Enttäuschungen alle vergessen. Man steht vor den Menschen nicht blamiert da. Optimismus ist bei den Klugen verpönt, weil Optimismus in seinem Wesen keine Ansicht über eine gegenwärtige Situation ist, sondern eine Lebenskraft, eine Kraft der Hoffnung, wo andere resignieren. Eine Kraft, den Kopf hochzuhalten, wenn alles fehlzuschlagen scheint. Eine Kraft, Rückschläge zu ertragen.
Eine Kraft, die die Zukunft, Achtung, niemals dem Gegner lässt, sondern sie für sich in Anspruch nimmt. Und ich finde das sensationell. Also Zuversicht ist sozusagen nicht das, woran wir uns dann in diesen vielen Jahrzehnten von Freiheit, Wohlstand, 16 Jahre Merkel gewöhnt haben, sondern Zuversicht ist ein Charaktermuskel, so hat das, glaube ich, Thea Dorn ausgedrückt, der trainiert werden muss. Und sie sagt eben auch, Muskeltraining geht nur mit Widerstand.
Ich finde diesen Vergleich mit dem Sport ganz gut. Ja, Pessimismus ist seelische Verweichlichung. Ja, das ist Ängstlichkeit. Wieso war das schlicht und so? Pessimismus hat auch grundsätzlich was Weinerliches. Statt hinzugehen und zu sagen, ja komm, stell dich. Stell dich psychisch und stell dich durch Taten. Mach was Gutes. Setz dich ein und so weiter. Und vor allen Dingen, tu dir nicht so unendlich leid. Weil das ist sozusagen die Grundwurzel des Ganzen, dass sich selbst leidtun.
Und es ist diese Legitimierung gesellschaftlicher Passivität durch Pessimismus. Und häufig sind pessimistische Menschen einfach nur ängstliche Menschen. Ja, genau. Self-fulfilling prophecy, wie man das heute nennt, die sich selbst erfüllende Prophezeiung irgendwann. Ich glaube, die Psychologie spielt da eine riesige Rolle. Welche Rolle spielt, Richard, das würde ich so sagen, in dem Zusammenhang, wir haben es eben schon kurz nur angejingelt.
Der große Unterschied zu unserem Aufwachsen beispielsweise ist die mediale Durchdringung dieser Gesellschaft, unter anderem. Also ich sag mal, früher haben wir einmal abends die Nachrichten geguckt und damit war der Käse gegessen. Heute steckst du von morgens bis abends mit dem Kopf im Sand von Gaza. Welche Rolle spielt das? Was macht das mit uns? Das ist ein Riesenthema, was du hier gegen Ende noch anschneidest. Also die Menschen sind heute, jedenfalls wenn sie wollen, in einem Ausmaß über
die Welt informiert. wie es das ja noch nie gegeben hat und wie das die Generationen meiner Eltern und Großeltern so was überhaupt nicht waren. Nun ist es ja so, man könnte sagen, die Fülle an Informationen kann dich intelligenter machen. Kann deine Urteilsbildung schulen. Ja, tut sie auch bestimmt. Ja, das ist auch genauso wie, wenn du heute Student bist, mithilfe des Internets, kannst du so unfassbar gut werden, wie deine eigenen Professoren es nie werden konnten.
Weil du so schnell auf jeden wissenschaftlichen Artikel, jede Information, alles nachschlagen, jeden Begriff überprüfen kannst. Also du kannst heute so privilegiert studieren. Es führt aber nicht dazu, dass in der Breite die Studenten heute besser wären als in früheren Zeiten. Sondern für viele ist die Fülle einfach auch nur erschlagend und in der Summe dann eben häufig genug auch einfach nur deprimierend. Ja und resignierend auch.
Du gibst dann irgendwann auf, weil du sagst, das kann ich alles gar nicht mehr verarbeiten. Und diese Omnipräsenz von Bildern, diese mediale Totaldurchdringung, die Leute wirklich wuschig macht und nicht mehr informiert an vielen Stellen. Und wo es unglaublich schwer geworden ist, die relevante Information von der nicht relevanten zu unterscheiden und wo du für jede noch so absurde Verschwörungstheorie, findest du sofort die Bestätigung.
Dann ist es die absolute Wahrheit. Je weniger du kapierst und verstehst, umso wichtiger wird es für dich persönlich, absolute Wahrheiten zu finden. Das ist der Nährboden unter anderem für Verschwörungstheorien. Richtig. Gerade weil es so komplex ist, dass man ja eigentlich weiß. Dass man gar nicht alles versteht und auseinanderhalten kann und richtig einordnen kann.
Gerade deswegen ist es so wichtig, eine klare Meinung dazu zu haben und im Zweifelsfall, je nach naturell, entweder die Meinung zu haben, die die meisten haben oder die medial am stärksten vertreten wird oder grundsätzlich genau gegen diese Meinung zu sein. Genau. Was passiert denn da, Richard, weil ich zum Schluss nochmal gefragt, weil ich weiß, dass du dich sehr viel mit dem menschlichen Gehirn beschäftigt hast und du benutzt es ja auch, also deins zumindest, sehr ausführlich,
lebst ja sehr davon. Gelegentlich. Was passiert denn da eigentlich im Kopf? Also Stichwort kognitive Dissonanz. Das ist ja ein total interessanter Begriff. Das ist ein Begriff, der noch aus den Zeiten eigentlich vor der Hirnforschung stammt, also aus der Sozialpsychologie. Die kognitive Dissonanz tritt dann ein, wenn das, was du bisher über dich selbst und die Welt gedacht hast, auf eine Information trifft, die völlig konträr dazu ist und alles in Frage stellt.
Sodass du dir also wie ein Idiot vorkommen musst oder wie ein Arsch, kurz gesagt. Auf jeden Fall müsstest du dich korrigieren. Ja, und zwar fundamental, nicht in einer Kleinigkeit. So, was machen Menschen in so einer Situation? Sie denken sich eine Ausflucht aus, damit sie weiterhin das glauben können, was sie immer schon geglaubt haben. Das ist die Art, wie Menschen mit kognitiven Dissonanzen umgehen.
Also, derjenige, der mir gesagt hat, das ist aber tatsächlich so und so und so und so, den nehme ich nicht mehr ernst, dem kündige ich die Freundschaft, mit dem würde ich nichts mehr zu tun haben und so weiter. Weil ich ertrage diesen Zustand nicht, schon seit Ewigkeiten in irgendeiner für mich wichtigen, fundamentalen Sache Unrecht gehabt zu haben.
Und deswegen, also wenn Menschen eine kognitive Dissonanz erleiden, sind die allerwenigsten dazu bereit, sich vollständig in Frage zu stellen und sich neu aufzustellen, sondern sie werden dafür sorgen, dass sie irgendeinen Trick finden, um das Alte weiter zu glauben. Das heißt, das Gehirn lässt das ausdrücklich zu?
Ja, das Gehirn ist offensichtlich das totaler Stress. Also die kognitive Dissonanz ist natürlich begleitet im Zweifelsfall, je nachdem, wenn es in Form einer Art Schrecksekunde plötzlich, du erkennst irgendwas Gruseliges, was dein ganzes Tun und Denken in Frage stellt, dann hast du natürlich Hyperkortisolismus. Also in dem Moment wirst du überschwemmt von Cortisol, was also der Transmitter ist, der den ganzen Stress in dem Moment abbildet. Und auslöst und so weiter.
Also was Sinnvolles, wenn du jetzt angegriffen wirst und in Panik gerätst und fließt und so, das sind ja evolutionär sinnvolle Mechanismen. Aber wenn du in Panik gerätst, weil du das Gefühl hast, du hast dein Leben lang irgendwas falsch gemacht oder so und das läuft eiskalt den Rücken runter oder wird siedend heiß davon, das ist ein Zustand, den möchtest du so schnell wie möglich wieder loswerden.
Und also fängst du dir an, dir irgendwas zu erzählen, was die Welt für dich wieder in Ordnung bringt. Das ist der Grund, warum Menschen so selten, gerade so in politischen und weltanschaulichen Fragen, fundamental dazulernen. Sondern eigentlich immer nur sich so minimal ein bisschen von der Stelle bewegen, wenn überhaupt. Wir sind gar nicht wirklich fähig, weil unser Stammhirn uns da im Weg ist,
uns fundamental zu korrigieren. Also ich will nicht sagen gar nicht dazu fähig, aber es kann passieren, wenn ich nicht schuld bin. Also zum Beispiel ein Schicksalsschlag kann mein Leben völlig verändern und kann dazu führen, dass ich meinen Beruf aufgebe und was völlig anderes mache oder so. Oder man verliebt sich, Hals über Kopf und so weiter und ist bereit, sich in ein neues Leben zu stürzen. Das sind ja fundamentale Veränderungen.
Aber die lösen ja vorher keine kognitive Dissonanz aus. Die lösen enorme neurochemische Konzerte aus. Aufgrund dessen du möglicherweise dein Leben veränderst, um dann häufig genug nach einiger Zeit Stück für Stück vielleicht auch in dein Alters zurückzukehren. Aber zumindest bist du für einige Zeit bereit, dein Leben radikal zu verändern. Aber wenn es durch das Gefühl der Schuld ausgelöst wird, wenn man sagt, du hast, Schon immer das und das und das total falsch gemacht.
Da haben wir nicht den Zustand, dass wir sagen, oh, danke für die Info, ja, jetzt starte ich mal ganz neu durch. Da wehrt sich unser Gehirn ganz massiv gehen. Siehst du, finde ich, bei der ganzen Klimadebatte so gut, ne? Also wir sehen objektiv, was da passiert. Da haben wir doch sofort die kognitive Dissonanz. Ich habe in meinem Buch »Die Kunst, kein Egoist zu sein« mal so einen kleinen Katalog zusammengestellt, wie das Gehirn das macht, um diesen Zustand schnell wieder aufzuheben.
Wir sind in Deutschland doch nur für 1,8 Prozent der CO2-Ausstöße verantwortlich. Was nützt es der Welt, wenn wir hier Klimaweltmeister werden? Die Chinesen bauen nach wie vor ihre Kohlekraftwerke. Klimawandel hat es schon immer gegeben in der Geschichte der Menschheit. Das ist auch noch nicht wirklich bewiesen, dass er menschengemacht ist. Es gibt auch im Klimarat mittlerweile Leute, die glauben und die daran zweifeln,
das und so weiter. Und dann habe ich so vier oder fünf von diesen Behelfssachen. Ja, die Information ist nicht richtig bewiesen oder die Information ist nicht besonders relevant, weil was können wir denn schon tun und so. Das ist der kleine Katalog, wie man sich die Welt in kürzester Zeit wieder so zurecht macht.
Weil der Klimawandel ist wirklich eine totale Beeinträchtigung, weil der löst nicht eine persönliche kognitive Dissonanz aus, sondern eine kognitive Dissonanz in unserer Wirtschaftserfolgsgeschichte. Ja, der sagt uns, ihr könnt eigentlich überhaupt nicht so weitermachen, wie wir die ganze Zeit weitergemacht haben. Wir haben aber keinen Plan B, wir wissen nicht, wie wir sonst weitermachen können.
Es geht auch irgendwie gar nicht, anders weiterzumachen und also müssen wir das Thema wegnuscheln, klein machen, verlachen, als siebt relevant klassifizieren und nicht als besonders relevant. Wir müssen uns über Leute lustig machen, die tatsächlich noch glauben, dass wir hier einen menschengemachten Klimawandel haben und so weiter. Alles, weil wir nicht damit umgehen können, weil es einfach eine Info ist, die uns hilflos zurücklässt.
Und zum Schluss gefragt, Richard, wenn wir an dem Punkt den Kreis schließen, Zuversicht, Optimismus. Die Frage, wie kann man das trainieren? Wenn Thea Dorn sagt, das muss man trainieren wie ein Muskel letzten Endes, würde ich sagen, da hat es den Punkt. Und ich würde ganz konkret immer sagen, als Handlungsanleitung, wenn man so will, mein Optimismus ist immer deutlich größer, wenn ich von einer längeren und auch weiteren Reise zurückkehre in dieses Land.
Also die Kontextualisierung sozusagen der ganzen Situation. Wenn du hier unterwegs bist, die Bahn fährt nicht und der Flieger geht auch nicht und die Straßen haben nur Löcher und es ist alles mühsam und nichts läuft und dann gehst du einmal raus aus diesem kleinen Raum, der Deutschland heißt. Und schaust dir mal an, wie es woanders ist und du kommst mit dem Gefühl zurück, aber doch nicht so ganz schlecht hier. Krankenversicherung ist ziemlich gut und es gibt auch diese Ärzte,
die dir dann helfen, wenn du was hast. Du weißt, wen du fragen musst. Es kommt sauberes Wasser aus dem Wasserhahn, der Zug fährt, die Infrastruktur ist vielleicht doch nicht so marode und schrottig, wie wir sie gerne machen. Also das Gefühl sozusagen, den Blick zu weiten, das ist das, was mir immer ultimativ geholfen hat, wenn ich das Gefühl habe, jetzt versinke ich gerade wieder einmal. Ich nenne das immer den Abenteuer in Rio-Effekt.
Es gibt diesen Film Abenteuer in Rio mit Jean-Paul Belmondo, das war einer meiner Lieblingsfilme, als ich Kind war. Und da wird er also durch einen Zufall dahingespült von Paris aus irgendwo nach Südamerika und dann erlebt er lauter lebensbedrohliche Abenteuer und was weiß ich was.
Also ein einziger riesiger Abenteuerstreifen. Und dann kommt er am Ende zurück und dann kommt ein Arbeitskollege zu ihm und sagt, du kannst dir nicht vorstellen, was ich für ein Abenteuer erlebt habe und erzählt, dass er da zweieinhalb Stunden im Straßenverkehr gestanden hat.
Und dieser Abenteuer in Rio-Effekt ist das. Also wir halten sozusagen zweieinhalb Stunden im Stau stehen, schon für den Gipfel dessen, was uns überhaupt passieren kann, ohne eine Vorstellung zu haben, wie Menschen vielleicht in anderen Ländern leben und was für realen Abenteuern des Überlebens sie sich rumschlagen müssen. Also der eine Punkt ist, nach Hause zu kommen und sich zu sagen, hey, wir leben hier in einem ziemlich guten Land.
Der zweite Effekt ist, bei anderen Ländern zu sagen, interessanterweise ist der Pessimismus in Deutschland, in diesem ziemlich guten Land, viel größer als in so vielen elenden Ländern auf der Welt, wo es den Leuten sehr, sehr viel schlechter geht. Und wenn ich mir jetzt vorstelle, es geht ja, also die ganz große Bedrohung ist natürlich die ökologische Bedrohung, weil sie alle trifft.
Aber was jetzt Wirtschaftsentwicklungen anbelangt, wenn andere Länder jetzt aufholen sollten und wenn es den Menschen in Sambia in 20 Jahren dreimal so gut gehen sollte, wie es ihnen jetzt geht und dafür den Menschen in Deutschland vielleicht ein klein bisschen schlechter, als es ihnen jetzt geht. Ich meine so... Kosmisch betrachtet, so von oben, moralphilosophisch betrachtet, würde man sagen, das ist doch nicht der Untergang der Menschheit.
Und wenn in China hunderte von Millionen Menschen, die früher bettelarm waren, heute eine halbwegs gesicherte Existenz haben, ist das erstmal eine ganz, ganz tolle Nachricht. Und wenn das gleiche auch in Indien im Augenblick passiert, dann ist das ebenfalls eine ganz, ganz tolle Nachricht. Also wir sind da auch absolut in unserem Dunstkreis befangen. Und das Merkwürdige ist, Markus, das ist das Wir. Weißt du, im Alltag ist doch den meisten Deutschen ziemlich egal,
dass sie Deutsche sind. Ich meine so im ganz normalen Alltag. Ja, klar. Ja, da sind die Leute, die sie interessiert, sind ihre Familie, ihre Liebsten, ihre Angehörigen, notgedrungen ihre Arbeitskollegen oder so. Das ist die Welt, in der sie sich bewegen. Und diese Welt ist nicht Deutschland. Deutschland ist da, wenn man auf die Wetterkarte guckt. Deutschland ist da, wenn die Nationalmannschaft spielt.
Dass wir, dieses wir, meint jetzt wir als Deutsche, plötzlich sozusagen ein kollektives Unwohlsein haben wegen unseres Abstiegs, ist doch eigentlich etwas, was wir im Alltag, im normalen Leben gar nicht so empfinden. Im normalen Leben versuchen wir ein günstiges Warnticket oder einen günstigen Flug zu schießen, das dazu führt, dass irgendein anderer dieses Wir, ein anderer Deutscher einen zu hohen Preis bezahlt, wenn sonst würde das Spiel nicht funktionieren.
Da sind wir ja überhaupt gar keine Solidargemeinschaft. Aber wenn es ums Jammern, um den Niedergang geht, dann sind wir auf einmal ein Vier. Und vielleicht ist das der große Reiz des Pessimismus und des Jammerns. Man verbrüdert sich dadurch so lange. Wir heulen alle zusammen. Wir heulen alle zusammen. Wir sind die Wölfe, die zusammen den Mond anheulen. Richtig. Auch vielleicht sollten wir leiser heulen. Vielleicht ist das das Thema.
Richard, danke dir sehr. Ich danke dir auch. War ein schöner Austausch. Gebt mir direkt ein bisschen besser. Ich hoffe, dir auch. Und wir hören uns nächste Woche. Ja, in hoffentlich bester Stimmung. Danke dir. Ciao, ciao. Tschüss. Bis zum nächsten Mal. Music.