LdN405 Ampel am Ende, Trump erneut US-Präsident (Interview Isabella Weber, Ökonomin) - podcast episode cover

LdN405 Ampel am Ende, Trump erneut US-Präsident (Interview Isabella Weber, Ökonomin)

Nov 07, 20242 hr 37 minEp. 405
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LdN405 Ampel am Ende, Trump erneut US-Präsident (Interview Isabella Weber, Ökonomin)

Transcript

Olaf Scholz

Ich habe den Bundespräsidenten soeben um die Entlassung des Bundesministers der Finanzen gebeten. Ich sehe mich zu diesem Schritt gezwungen, um Schaden von unserem Land abzuwenden.

Philip BansePhilip Banse

Die Ampel ist am Ende. Der letzte Akt im Drehbuch zum Ende der Ampel ist diese Woche über die Bühne gegangen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, das hatten wir ja in der letzten Woche schon angekündigt. Der Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Bundespräsidenten gebeten, Finanzminister Lindner zu entlassen. Auch andere FDP Minister mussten gehen, sogar deren Staatssekretärinnen und Staatssekretäre. Die Koalition ist damit aufgelöst.

Philip BansePhilip Banse

Und damit stehen Neuwahlen in der Bundesrepublik Deutschland vor der Tür. Ganz herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe der Lage der Nation.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ausgabe Nummer 405 vom 7. November 2024. An den Mikrofonen, wie fast in jeder Woche, Ulf Buermeyer, das bin ich. Jurist aus Berlin und:

Philip BansePhilip Banse

Philip Banse, Journalist aus Berlin. Ganz herzlich willkommen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, Philip, die Ampel ist am Ende. Wie kam es dazu?

Philip BansePhilip Banse

Also wir hatten das ja schon gesagt. Das ist eine geplante Eskalation gewesen seit Wochen. Es ist kein Unfall, das war nicht zufällig, sondern die entscheidenden Leute in der Koalition haben das über Wochen schon geplant, und das hatten wir in der letzten Lage schon ausführlich beschrieben. Aber nach unserer letzten Lage gab es dann einen neuen Akt in diesem Drama.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, sogar einige. Kurz nach der Lage nämlich veröffentlichte auch Finanzminister, noch, nein, Exfinanzminister Christian Lindner ein Papier, 18 Seiten lang. Offiziell soll das angeblich nur für interne Beratungen der Ampel gewesen sein, aber es steckte voller Wahlkampfrhetorik, voller Vorwürfe gegen SPD und Grüne. Daher ist es ganz offensichtlich auch für die Öffentlichkeit gedacht gewesen, bewusst geleakt worden. Philip, was forderte denn Christian Lindner in diesem Papier?

Philip BansePhilip Banse

Ja, wir wollen jetzt nicht im Einzelnen darauf eingehen, weil das ja auch immer ein bisschen Geschichte ist. Aber so im Kern ging es darum, Steuern für Unternehmen zu senken und diese Steuersenkung auch zu bezahlen mit Einsparungen beim Bürgergeld und auch zu bezahlen, indem man Klimaschutzmaßnahmen für die Industrie aufschiebt. Das waren, glaube ich, so die wichtigsten Sachen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, und natürlich Steuersenkung für Besserverdienende.

Philip BansePhilip Banse

Das auch noch.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Stichwort Soli weg und so. Also, das war, das war schon, das war schon ein Papier. Ich glaube, das ist nicht zu viel reininterpretiert. Das war eine bewusste Provokation auch für SPD und Grüne. Einfach weil diese Forderungen im Grunde alle für sich genommen und schon mal gar nicht in der Gesamtschau, weil diese Forderungen einfach für die beiden anderen Ampelparteien nicht zu akzeptieren waren.

Philip BansePhilip Banse

Richtig. Und das erinnert natürlich an das sogenannte Scheidungspapier von 1982. Da gab es im Kern eine ähnliche Konstellation, da war die SPD mit der FDP in einer Koalition, und damals leitete Otto Graf Lambsdorff das Ende dieser sozialliberalen Koalition eben mit so einem politischen Papier ein, wo am Ende dann die SPD gesagt hat, so machen wir das nicht, und die FDP dann gesagt hat, gut, dann verlassen wir eben die

Koalition. Einziger Unterschied damals, es gab auf der anderen Seite eine Mehrheit für die FDP, da konnten die also zur Union gehen und damals dann eben mit Helmut Kohl eine neue Regierung bilden. Das ist in diesem Fall nicht der Fall.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Richtig. Einfach weil die FDP und Union gar keine Mehrheit haben. Dieses Papier lag auf dem Tisch, führte zu viel Aufregung. Und dann kam es zum Saisonfinale quasi dieser Serie, am Mittwoch, nämlich bei einem Koalitionstreffen, einem Koalitionsgipfel. Olaf Scholz hat dort seinerseits Vorschläge gemacht, teilweise basierend auf dem Lindner Papier, teilweise eben basierend auf Vorschlägen von SPD und Grünen, wie man da einen Kompromiss finden

könne. Kern allerdings von Olaf Scholz Vorschlägen war, das der ganze Spaß ja auch irgendwie zu finanzieren sein muss. Deswegen hat er wieder einmal quasi eine Ausnahme von der Schuldenbremse vorgeschlagen. Ihr kennt das ja, die Schuldenbremse im Grundgesetz, die eben die Nettokreditaufnahme begrenzt. Da kann man aber Ausnahmen vorsehen wegen unvorhergesehener Notlagen. Und einen solchen Haushaltsnotstand, hat Scholz vorgeschlagen, sollte die Ampel doch beschließen.

Begründung: Krieg in der Ukraine, der ja in der Tat nicht vorherzusehen war, jedenfalls bevor Russland einmarschiert ist. Und damit hatte Scholz eben vor, bestimmte Dinge zu finanzieren, die ja teilweise auch eigentlich für die FDP aktuell zu akzeptieren sein müssten.

Philip BansePhilip Banse

Also mehr Ukrainehilfe in erster Linie, aber auch zum Beispiel Netzentgelte runter. Hatten wir ja letztes Mal schon gesagt, dass auch die Industrie so eine Art Gebühr dafür bezahlt über den Strompreis, dass die Netze in Deutschland, die Stromnetze, eben ausgebaut werden. Diese Netzentgelte sind sozusagen eine Belastung für die Industrie. Die wollte Olaf Scholz über Steuern finanzieren oder eben deckeln. Das war so der eine Punkt.

Und dann war natürlich der andere Punkt, den Olaf Scholz auch machen wollte, nämlich diesen Vorschlag von Robert Habeck aufnehmen, Investition oder Leute, Firmen, die in Deutschland investieren, mit Steuergeld zu unterstützen. Also Habecks Plan war da 10 % bestimmter Investitionen sollten eben aus dem Steuertopf bezuschusst werden.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Aber wie gesagt, das wäre natürlich ohne eine Ausnahme von der Schuldenbremse nicht zu finanzieren gewesen. Deswegen war das wiederum alles für Christian Lindner nicht zu machen. Die Schuldenbremse ist ja Kern seiner politischen Identität. Stattdessen forderte Lindner dann von Olaf Scholz Neuwahlen. Also wie auch immer das hätte aussehen sollen, ist nicht so richtig klar, denn man kann ja nicht einfach so Neuwahlen beschließen. Das wäre also verfassungsrechtlich sehr schwierig geworden.

Aber wie auch immer, das forderte Lindner von Scholz. Und diese Forderung wiederum, die fand sich dann binnen Minuten wie von Zauberhand auch bei Bild.de, war also aus dieser vertraulichen Koalitionsrunde geleakt worden.

Philip BansePhilip Banse

Und was man so hört, war nicht der Vorschlag, komm, lass uns doch irgendwie wie auch immer Neuwahlen machen, was Scholz den Kragen platzen ließ, sondern es war offensichtlich diese umgehende Veröffentlichung, dieser umgehende Leak zu Bild.de, der das Fass dann zum Überlaufen gebracht hat. Und so hat dann wohl Scholz nach zwei Stunden Koalitionssitzung entschieden, Christian Lindner, das war's. Ich werde den Bundespräsident um Entlassung des Finanzministers bitten.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, und dabei mischten sich eben die Enttäuschung über die Indiskretionen im konkreten Fall mit lang aufgestauter Frustration bei Olaf Scholz, insbesondere Frustration über diesen Punkt Ausnahme von der Schuldenbremse, den Christian Lindner jetzt eben seit dem KTF Urteil des Bundesverfassungsgerichts konsequent immer wieder verweigert hat. Wenig später trat Olaf Scholz dann vor die Presse und warf dem ehemaligen Finanzminister Lindner Verantwortungslosigkeit vor.

Olaf Scholz

Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze sachfremd blockiert. Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen. Sogar die Einigung auf den Haushalt hat er einseitig wieder aufgekündigt, nachdem wir uns in langen Verhandlungen bereits darauf verständigt hatten. Es gibt keine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit. So ist ernsthafte Regierungsarbeit nicht möglich.

Philip BansePhilip Banse

Also Vertrauensbruch. Das sind schon harte Worte. Scholz sagte, wer in eine Regierung einsteigt, der muss eben bereit sein, auch Kompromisse zu schließen. Kompromisse zum Wohle des Landes.

Olaf Scholz

Darum aber geht es Christian Lindner gerade nicht. Ihm geht es um die eigene Klientel. Ihm geht es um das kurzfristige Überleben der eigenen Partei. Gerade heute, einen Tag nach einem so wichtigen Ereignis wie den Wahlen in Amerika, ist solcher Egoismus vollkommen unverständlich.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Egoismus, Verantwortungslosigkeit, das sind schon richtig scharfe Töne. Da hat Olaf Scholz seinen ehemaligen Koalitionspartner mit sehr harten Worten und auch teils eher emotionalen Formulierungen, insbesondere wenn man Olaf Scholz kennt, kritisiert. Und dementsprechend sind die Reaktionen in Berlin auf Olaf Scholz.Spontane Ansprache auch, muss man sagen, gemischt.

Philip BansePhilip Banse

Die einen sagen, das war viel zu emotional, der Kanzler war angefasst, das war irgendwie unprofessionell. Und die anderen sagen, na ja, endlich mal Klartext, endlich mal Führung. Und da darfs auch gerne mal emotional werden, denn es geht ja auch schließlich um eine Menge. Die Frage ist jetzt hier so ein bisschen, wie ist jetzt Stand der Dinge? Wie geht es weiter?

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also Bundeskanzler Scholz hat den Bundespräsidenten gebeten, Lindner zu entlassen. Ihr hört vielleicht überall in den Medien, Scholz habe Lindner entlassen, das ist aber nicht sauber. Das kann er nämlich gar nicht. Das macht nach dem Grundgesetz der Bundespräsident. Aber wiederum der Bundespräsident ist verpflichtet, dieser Bitte des Kanzlers zu entsprechen. Also im Ergebnis hat schon Scholz Lindner gefeuert.

Und am Donnerstag hat dann auch der Bundespräsident Lindner tatsächlich seine Entlassungsurkunde in die Hand gedrückt. Mit Lindner gehen auch die weiteren FDP Minister, nämlich Justizminister Marco Buschmann und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger. Aber Philip, die FDP hat doch eigentlich vier Minister?

Philip BansePhilip Banse

Ja, die Frage ist, was ist eigentlich mit Verkehrsminister Volker Wissing? Und das war dann heute Morgen doch ein Paukenschlag. Da kam nämlich die Eilmeldung. Volker Wissing bleibt Minister. Man fragt sich erst so, wie bleibt er denn bitteschön, Minister? Na ja, er tritt aus der FDP aus.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das heißt also, die Bundesregierung hat jetzt einen parteilosen Ex-FDP Minister, der tatsächlich auch Verkehrsminister bleiben darf. Also das eine ist ziemlich krasser Schritt von Volker Wissing, aus der absoluten Spitze einer Partei quasi direkt mal auszutreten und auf der anderen Seite natürlich auch ein krasser Move von Olaf Scholz zu sagen, okay, wenn du mit der FDP brichst, dann darfst du Minister bleiben.

Denn üblicherweise bleiben natürlich nur parteilose Menschen Minister, denen man eben auch vertraut. Also das ist schon, wenn ich ehrlich bin, auch ein ziemlicher Vertrauensvorschuss von Olaf Scholz für Volker Wissing.

Philip BansePhilip Banse

Ja, zumal ja Volker Wissing nicht nur Bundesverkehrsminister bleibt, sondern er übernimmt von Marco Buschmann auch zusätzlich noch das Bundesjustizministerium. Und Landwirtschaftsminister Özdemir von den Grünen übernimmt zusätzlich auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung von der scheidenden Ministerin Bettina Stark-Watzinger. Aber zurück zu Volker Wissing. Er hätte in der Theorie ja auch in der FDP bleiben können.

Scholz hätte ihn dann nicht rauswerfen müssen, er hätte auch sagen können, ja, also Koalition ist halt am Ende, aber ich vertraue dir, du bleibst in der FDP und willst Minister bleiben. Wunderbar. Aber das wäre natürlich der maximal ausgestreckte Stinkefinger in Richtung FDP gewesen. Ich weiß nicht, ob sie sofort ein Parteiausschlussverfahren angeschoben hätten, aber der Druck auf Wissing war wohl auch schon ziemlich groß, die FDP dann auch zu verlassen, wenn er denn in der Ampel bleibt.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und da haben natürlich auch Vertraute Wissing dann gesagt, lieber Volker, das kannst du jetzt nicht bringen. Aber ich finde, es ist trotzdem ein interessanter Vorgang, weil er natürlich ein Schlaglicht wirft auf die innere Situation der FDP. Christian Lindner hat in der FDP Fraktion auch in der Partei natürlich nach wie vor eine breite Mehrheit hinter sich. Aber es ist eben auch alles nicht ganz so einfach.

Philip BansePhilip Banse

Es rumort halt.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Es rumort halt auch ganz gewaltig. Es gibt eben auch Menschen, die nicht mehr bereit sind, diesen Kurs von Christian Lindner mitzutragen. Und ich meine, für Volker Wissing muss man sagen, ist das ja auch sehr hoch gepokert. Ich meine, das ist ja völlig klar, dass wenn irgendwann mal diese Rumpfregierung von Olaf Scholz ein Ende findet, dann hat Volker Wissing jedenfalls mal in der FDP keine Zukunft. Da ist er ja nun gerade ausgetreten.

Er hat aber auch schon angekündigt, er will nicht einer anderen Partei beitreten. Also sehr wahrscheinlich wird er einfach zurückgehen quasi ins Privatleben. Und insofern finde ich das außerordentlich respektabel, dass er jetzt eben nicht einfach so irgendwie weitermacht, um zu schauen, wie er sein politisches Schicksal retten kann, sondern dass er sagt, das kann ich nicht mittragen, was Christian Lindner da tut. Da spielen natürlich auch im Hintergrund große persönliche Verletzungen eine Rolle.

Also viele Menschen haben Volker Wissing ja quasi als einen sehr schlechten Verkehrsminister wahrgenommen, weil er eben so viel Autopolitik gemacht habe angeblich und weil er eben die Verkehrswende nicht entschlossen genug vorangetrieben habe. Aber ich sage mal so, diese Entwicklungen jetzt machen deutlich, dass das vielleicht auch nicht alles originär die Vorstellungen von Volker Wissing waren.

Philip BansePhilip Banse

Sondern Teildruck von Christian Lindner.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Massiv, ich denke, das kann man schon sehen. Und zugleich gab es auch eine große Entfremdung, das war auch in der Presse schon seit Monaten zu lesen, zwischen der FDP Bundestagsfraktion und Volker Wissing, weil er denen nämlich wiederum nicht radikal genug war. Also er saß irgendwann zwischen allen Stühlen. Und insofern ist dieser Parteiaustritt letzten Endes, glaube ich, auch so eine Art Bilanz Polit Selbstmord.

Philip BansePhilip Banse

Die Frage ist jetzt, wie geht es mit dem Land, mit Deutschland weiter? Was geschieht nun? Also Scholz hat für den 15. Januar eine Vertrauensfrage angekündigt. Das bedeutet, er geht in den Bundestag und will vom Bundestag, vom Plenum wissen, habe ich hier noch euer Vertrauen? Habe ich hier noch eine Mehrheit? Und wahrscheinlich hat er die eben nicht, weil nur Grüne und SPD eben noch in dieser Regierung sind und die anderen wahrscheinlich gegen

ihn stimmen werden. Das heißt, er verliert diese Vertrauensabstimmung aller Voraussicht nach im Januar. Und dann könnte der Bundespräsident sagen, okay, es gibt keine politische Mehrheit mehr. Ich löse den Bundestag auf und setze Neuwahlen an, da gibt es dann Fristen. Kann er nicht irgendwann machen. Das wäre dann wahrscheinlich Ende März.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, das ist also jedenfalls Stand heute die Planung, das ist die Idee von Olaf Scholz. Sagen wir mal so, in Berlin, im politischen Berlin kocht natürlich jetzt die Gerüchteküche hoch. Und es ist auch durchaus nicht allgemeine Meinung, dass dieser Zeitplan zu halten ist. Es gibt durchaus auch Stimmen, die sagen, das wird Olaf Scholz niemals noch zwei, drei Monate durchhalten, sondern im Gegenteil, er wird schon früher möglicherweise die Vertrauensfrage stellen müssen.

Ich persönlich halte diese These nicht für so wahnsinnig wahrscheinlich, denn Philip, du hast angesprochen, es gibt da Fristen. Also wenn der Bundespräsident den Bundestag auflöst, da muss einfach innerhalb bestimmter Fristen neu gewählt werden. Und ganz ehrlich niemand kann sich vorstellen, wie das einfach organisatorisch zu machen sein soll, im Januar oder im Februar schon den Bundestag neu zu wählen.

Die Parteien müssen ja Listen aufstellen, es müssen überall Kandidaten aufgestellt werden, Wahlzettel müssen gedruckt werden, die Kommunen müssen das vorbereiten, Wahlbenachrichtigung versenden und so. Mit anderen Worten, einen solchen mega Zeitdruck jetzt zu produzieren durch eine quasi völlig überhastete Auflösung des Bundestages, das kann ich persönlich mir nicht so richtig vorstellen. Und ich sehe auch einfach selbst für die Union eigentlich keinen politischen Vorteil darin.

Denn, dazu kommen wir gleich noch im Detail, es sind einfach auch noch eine ganze Menge Projekte in der Pipeline, die im Grunde aus Sicht aller demokratischen Parteien noch durch den Bundestag sollen, bevor gewählt wird.

Philip BansePhilip Banse

Also noch mal zur Bewertung, zur Analyse. Ich würde denken, endlich hat Scholz mal Führung bewiesen. Er hat endlich, endlich mal gesagt, so geht das nicht. Er hat damit ein bisschen lange gewartet, würde ich sagen. Das hätte alles ein knappes Jahr früher passieren müssen, nämlich als das Bundesverfassungsgericht diese Finanzierung vom Klima- und Transformationsfonds unterbunden, verboten hat.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Mit umgewidmeten Coronamitteln.

Philip BansePhilip Banse

Mit umgewidmeten Coronamitteln, damit quasi der Ampelkoalition der ganze Haushalt um die Ohren geflogen ist und trotzdem natürlich enorme Summen aufgebracht werden mussten, um zu investieren, um überhaupt diesen Haushalt zu finanzieren. Und spätestens da hätte Scholz sagen müssen, lieber Christian, mit der Schuldenbremse fliegt uns hier alles um die Ohren. Wir kriegen das nicht finanziert. Wir müssen der Ukraine helfen, wir müssen der Wirtschaft helfen.

Wenn du das nicht machst, bitte, da ist die Tür. Dann hätte die Ampel wahrscheinlich ein echtes Erfolgsmodell werden können. Und damals war es auch noch so, da war die FDP die einzige Partei, die wirklich durch Neuwahlen was zu verlieren hatte. Damals standen SPD und Grüne besser da und die FDP, glaube ich, wäre damals nicht gegangen. Kann ich mir nicht vorstellen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also wenn Olaf Scholz ultimativ gesagt hätte Christian, die Schuldenbremse ist Geschichte mit der KTF Entscheidung aus Karlsruhe, dann kann ich mir auch nicht vorstellen, dass Christian Lindner bei damals ja schon Umfragen um die 5 % quasi die Existenz seiner Partei auf's Spiel gesetzt hätte, weil eben, du hast es gesagt, SPD und Grüne so viel besser da standen. Also damals hätte er die FDP also noch wirklich unter Druck setzen können.

Heute, das sieht man an dieser Entlassung von Lindner, heute hat das nicht mehr funktioniert, denn, das haben wir in der vergangenen Woche ja schon analysiert, heute glaubt insbesondere Christian Lindner und mit ihm die FDP Spitze, bei einem Bruch der Ampelkoalition sogar etwas gewinnen zu können. Die Ampel ist so unbeliebt, vor allem in der FDP Basis, dass Lindner und seine Leute davon ausgehen, dass sie eher noch Punkte machen für den Bundestagswahlkampf. Also insofern teile ich da deine

Einschätzung. Philip, das ist völlig richtig, was Olaf Scholz jetzt gemacht hat. Aber es kommt einfach zu spät, denn nun bleiben eben nur noch ein paar Wochen Minderheitsregierung und dann kommen Neuwahlen. Das heißt also, da können jetzt auch SPD und Grüne eigentlich nicht mehr so richtig Punkte machen.

Philip BansePhilip Banse

Ja, auch für die politische Kultur war dieses lähmende letzte Jahr nicht gut. Man kann sagen ja, es wird immer gestritten, aber es ist einfach, glaube ich, zu viel Porzellan zerschlagen worden, unnötigerweise zerschlagen worden. Nun finde ich es in Ordnung, weil man sagen muss okay, es gibt einen Neuanfang, es gibt eine Chance. Die politische Klasse ist dazu in der Lage zu erkennen, wenn es nicht mehr weiter geht, dann muss halt neu gewürfelt werden. Dann muss halt neu geguckt werden.

Und das passiert jetzt. Und ich würde sagen, diese Neuwahlen bergen eben eine Chance für diesen Neuanfang.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ob das dann auch ein inhaltlicher Neuanfang ist, das muss man schauen. Schauen wir doch einfach ganz kurz noch mal, das ihr es mal gehört habt, auf den Stand der Umfragen.

Philip BansePhilip Banse

Sonntagsfrage. Was wäre, wenn Sonntag gewählt würde? Wen würden Sie wählen?

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Da steht die Union bei gut über 30 %, 31, 32, manchmal auch 34 %, die SPD so um die 16 %, also etwa acht Punkte unter ihrem letzten Ergebnis bei der Bundestagswahl, die Grünen bei 10-11 %, auch deutlich verloren. Die Linke steht nur noch bei 3 %, das heißt, sie würde an der 5 % Hürde scheitern. Aber die Reform des Wahlrechts wurde ja gerade vom Bundesverfassungsgericht vor einigen Monaten quasi leicht modifiziert. Also im Prinzip ist das alles verfassungsgemäß.

Aber das Bundesverfassungsgericht hat einstweilen die Grundmandatsklausel wieder eingeführt quasi. Das bedeutet, wenn eine Partei drei Direktmandate gewinnt, dann zieht sie selbst dann in den Bundestag ein, wenn es bundesweit nicht für 5 % gereicht hat. Und das ist bei der Linken, sagen wir mal, die Hoffnung.

Philip BansePhilip Banse

Die FDP liegt aktuell so bei 3-4 %, da sie sich keine Hoffnung machen können auf drei Direktmandate wäre das raus, würde das bedeuten raus aus dem Bundestag und das BSW liegt so bei plusminus 6-7 %. Tendenz über die letzten Wochen etwas sinkend. Aber aktuell könnten die sich Hoffnungen machen, in den Bundestag zu ziehen. Das ist so ganz grob die Konstellation, die sich natürlich in einem halben Jahr noch ändern kann. Aber von da müssen jetzt die aktuellen Planungen einfach mal ausgehen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das bedeutet also im Ergebnis, dass die nächste Bundesregierung wohl von der Union angeführt werden dürfte. Das wiederum bedeutet dann einen Bundeskanzler Friedrich Merz. Nach 25 Jahren wäre Friedrich Merz dann endlich am Ziel seiner politischen Träume. Beim ersten Mal ist ihm ja quasi Angela Merkel dazwischengekommen. Dann hat er eine lange Auszeit genommen in der Privatwirtschaft. Jetzt käme dann endlich quasi die Erfüllung seiner Lebensträume.

Es sei denn, es geschieht noch ein Wunder in diesem jetzt Jahr anstehenden, wenn auch sehr kurzen Bundestagswahlkampf. Zum Beispiel, das ist so ein Gerücht, das sich natürlich auch hält in der Berliner Bubble, was ist denn eigentlich, wenn die SPD jetzt eben doch noch mit Boris Pistorius antreten sollte? Aber Stand heute ist davon eigentlich keine Rede. Ich denke, Olaf Scholz sitzt fester im Sattel denn je. Gerade du hast es gesagt, weil er Führung bewiesen hat.

Es könnte höchstens sein, wenn er jetzt noch richtig schwere Fehler macht in diesen Wochen des Interregnums. Aber ich persönlich sehe das nicht. Also wie gesagt, Pistorius wird immer noch gehandelt. Aber das wiederum sehe ich nicht kommen.

Philip BansePhilip Banse

Ja, das müsse vor allen Dingen jetzt sofort passieren. Na, damit kannst du jetzt nicht noch bis zum Januar warten oder so was, das müsste jetzt sofort passieren. Deutet sich momentan nicht an, so. Was ja interessant ist, ist diese Option Linke und FDP scheitern an der 5 % Hürde. BSW und AfD dürften reinkommen. Gehen wir davon aus, die Linken kriegen ihre drei Direktmandate nicht, also dann flögen FDP und Linke raus. BSW würde quasi neu hinzu kommen.

Zwei Fraktionen flögen raus, nur eine neue würde hinzukommen und das könnte dann schon ein paar interessante Folgen haben. Denn wenn viele Prozente sozusagen nicht reinkommen, also unter der 5 % Hürde bleiben und deswegen für die Zählung rausfallen, dann gibt es einfach mehr Sitze im Bundestag pro Prozent. Also dann könnte es sein, dass AfD und BSW mit weit weniger als einem Drittel der Stimmen tatsächlich 1/3 der Sitze im Bundestag bekämen und damit eine Sperrminorität bekämen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also das ist natürlich immer ganz schwer zu prognostizieren, wie viel Prozent der Zweitstimmen man braucht. Aber je nachdem wie viele Parteien nicht reinkommen, wie viele Stimmen unter den Tisch fallen, können so 28-29 % der Zweitstimmen schon reichen dafür, dass dann diese beiden Fraktionen AfD BSW zusammen auf 1/3 der Mandate im Bundestag käme und dann hätten sie wieder eine sogenannte Sperrminorität.

Das heißt also, es könnte ohne AfD oder BSW keine Verfassungsänderung mehr dem Bundestag passieren und auch keine Verfassungsrichterin und Verfassungsrichter für Karlsruhe könnten gewählt werden ohne AfD und BSW. Und damit, mal kurz zusammengefasst, ohne Zustimmung aus dem Kreml.

Philip BansePhilip Banse

Also die Grundregel ist, je mehr Parteien an der 5 % Hürde scheitern und je mehr knapp an der 5 % Hürde scheitern, desto weniger Stimmen brauchst du für eine Sperrminorität im Bundestag. Aber gleichzeitig eben auch für eine Regierungsbildung.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Richtig, das ist natürlich die andere Seite. Warum ist das so? Nur ganz kurz kann man einfach die Matte aufmachen. Die Zweitstimmen werden ja komplett gezählt und daraus ergeben sich dann die Stimmanteile bei der Bundestagswahl. Aber wenn jetzt zum Beispiel, nur um ein Beispiel zu wählen, FDP und Linkspartei beide mit jeweils 4 % der Zweitstimmen an der 5 % Hürde scheitern, dann würden schon nur noch 92 % der Zweitstimmen überhaupt mitzählen bei der Verteilung der Sitze.

Und jetzt gehen wir mal davon aus, dann gibt es noch ein paar andere Kleinparteien. Gehen wir noch mal davon aus, irgendwie keine Ahnung, Tierschutzpartei ein Prozentpunkt und Volt noch mal 3 %. Dann hast du irgendwann nur noch so etwa 87-88 % der Zweitstimmen, die bei der Verteilung gezählt werden.

Philip BansePhilip Banse

Für die Sitze im Bundestag.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Für die Sitze im Bundestag. Und dementsprechend reichen dann am Ende vielleicht 28-29 % für 33 % der Mandate oder 45 % der Zweitstimmen können dann auch reichen für eine absolute Mehrheit im Bundestag, um einen Kanzler wählen zu können. Oder eine Kanzlerin.

Philip BansePhilip Banse

Richtig. Also die Frage ist natürlich dann daher jetzt, wie sich die Parteien aufstellen werden für diesen wahrscheinlich anstehenden Bundestagswahlkampf und für das Abschneiden von AfD und BSW ist die Strategie für den Wahlkampf der Union ganz maßgeblich.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, das ist auf den ersten Blick kontraintuitiv. Wieso entscheidet die Union maßgeblich, wie AfD und BSW abschneiden? Ganz einfach. Weil diese Parteien ganz zentral auf das Thema Migration setzen und die Union wiederum kann entscheiden, nicht alleine, aber weitgehend, welche Rolle das Thema Migration im Bundestagswahlkampf spielt. Also die AfD alleine kann im Wesentlichen so in ihre rechtsextreme Blase senden.

Aber ob quasi das Land über Migration redet, das entscheidet maßgeblich die Union und vielleicht noch die Bildzeitung. Und wenn im Wahlkampf also Migration das große Thema ist wiederum, dann gewinnen BSW und AfD viel mehr Prozentpunkte bei den Bundestagswahlen, als wenn das Thema Migration eher am Rande Thema ist.

Philip BansePhilip Banse

Und rücken damit eben näher an diese Sperrminorität.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also das ist so die Kurzfassung Je mehr wir im Wahlkampf über Migration reden, desto gefährlicher, dass diese beiden Parteien eine Sperrminorität einfahren können. Und deswegen ist der Kurs der Union in dieser Frage so zentral. Und das ist deswegen spannend, weil die Union in dieser Frage sehr gespalten ist.

Philip BansePhilip Banse

Die einen sagen, lasst uns das Thema eher klein halten, Migration, lasst uns lieber reden über Wirtschaft oder andere Dinge. Sonst stärken wir BSW und AfD. Und die anderen in der Union sagen, lasst uns die Ampelparteien mit dem Thema Migration grillen, dann verlieren die, also Grüne und SPD massiv. Zwar gewinnt dann nicht unbedingt die Union, aber immerhin wird die Linke, also sogenanntes Linkes Lager geschwächt.

Na ja, das ist so ein bisschen das Reasoning innerhalb der Union, innerhalb von diesen beiden Lagern.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, und mal ganz grob mit Namen benannt. Diese zweite Meinung, Migration spielen, ist so, Team Linnemann, Merz zum Beispiel und die andere Fraktion wären zum Beispiel viele Ministerpräsidenten, die eher so einen moderaten Kurs

fahren. Also, wir haben die jetzt nicht noch mal gefragt, aber ich würde mal davon ausgehen, nach allem, was sie so sagen, Daniel Günther oder Hendrik Wüst sind eher in dem Team, die sagen, Um Gottes Willen, nicht schon wieder ein Migrationswahlkampf, Das ist doch schon in Ostdeutschland vor die Wand gefahren. Die Union hat teilweise sogar verloren, jedenfalls nicht wirklich gewonnen. Wer aber richtig gewonnen hat, sind BSW und AfD.

Das heißt also von diesem Glaubenskrieg in der Union, wie man den Wahlkampf führen soll, hängt nun letztlich maßgeblich ab, wie der nächste Bundestag aussieht, wie viele Parteien am rechten Rand wir im nächsten Bundestag haben werden.

Philip BansePhilip Banse

Ähnliches gibt es auch bei den Grünen. Auch da gibt es einen Richtungsstreit, der letztlich darum geht, welchen Kurs sollen die Grünen denn einschlagen? Sollen die Grünen eher auf einen moderat konservativen Kurs einschwenken, also Marke Robert Habeck? Stichwort Merkellücke schließen, also all jene Wählerinnen und Wähler erobern, ja, die so im moderat konservativen Bereich unterwegs sind, die Merkel gut fanden, denen Merz zu weit rechts steht.

Oder sollen wir doch back to the roots gehen, also soziale Themen, Minderheitenrechte.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Bürgerrechte, Umwelt.

Philip BansePhilip Banse

Bürgerrechte nach oben schieben. Jetzt ist praktischerweise natürlich nächste Woche Bundesparteitag der Grünen. Bundesdelegiertenkonferenz heißt es, glaube ich. Und deswegen fährt Ulf da auch mal hin für uns als Korri.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Genau. Also ich bin nächste Woche dann in Wiesbaden. Sag mal hallo. Ich freue mich schon sehr. Ist ehrlich gesagt mein erster Bundesparteitag. Das ist einer der vielen Vorteile, dass ich jetzt eben hauptberuflich bei der Lage der Nation bin. Jetzt habe ich Zeit, mich mal in den Zug zu setzen.

Philip BansePhilip Banse

Aber auch während sich die Parteien eben auskäsen, wie sie denn diese Bundestagswahl angehen wollen, hat Deutschland, und das muss man ganz deutlich sagen, eine Regierung. Trotz allem. Der Kanzler bleibt im Amt. Die anderen Minister, so er sie denn nicht entlässt, auch, nur Buschmann, Lindner und Stark-Watzinger müssen halt gehen und werden ersetzt.

Zum Beispiel das Bundesministerium der Finanzen übernimmt Jörg Kukies, ein alter Fahrensmann, alter Gefährte von Olaf Scholz, der sich ja auch im Bundesfinanzministerium auskennt als ehemaliger Bundesfinanzminister. Also es gibt einen Bundeskanzler, es gibt eine Regierung. Diese Regierung hat nur eben keine Mehrheit mehr im Bundestag.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Aber das ist eben ganz wichtig zu verstehen. Das führt nicht dazu, diese fehlende Mehrheit im Bundestag, dass die Regierung irgendwie nicht mehr regieren kann. Ganz im Gegenteil, sie kann die volle Macht der Exekutive, der Verwaltung in Deutschland weiter nutzen. Das heißt, sie kann im Rahmen der geltenden Gesetze auch weiter vor sich hin regieren. Sie kann zum Beispiel sogar Verordnungen erlassen, soweit da nicht im Ausnahmefall die Zustimmung des Bundestages erforderlich ist.

Das gibt es auch in seltenen Fällen. Diese würde sie möglicherweise nicht mehr bekommen, mangels Mehrheit. Aber im Grundsatz kann die Regierung weiterregieren. Und zum Schwur kommt es immer nur dann, wenn sie Gesetze verabschieden oder Gesetze ändern will, eben durch Änderungsgesetz. Dann bräuchte sie Stimmen aus anderen Fraktionen. Philip, was heißt denn das jetzt für die politische Praxis in Deutschland, bis dann tatsächlich neu gewählt wird?

Philip BansePhilip Banse

So komisch das klingt, aber möglicherweise wird sich erst mal so gar nicht so wahnsinnig viel anders anfühlen. Auch in den nächsten Wochen und Monaten wird es Streit geben. Es wird Diskussionen darüber geben. Sollen wir dieses Gesetz machen? Wenn ja, wie? Der Streit wird nur nicht mehr so sehr zumindest innerhalb der Ampel stattfinden, sondern er wird stattdessen wahrscheinlich eher mit der Union stattfinden.

Weil, wenn sich Grüne und SPD einig sind, wir würden jetzt gern Gesetz XY verabschieden, dann würden sie sich auf die Suche nach Stimmen machen und da würden sie zuerst wahrscheinlich bei der Union landen. Und sagen, hört mal zu, wir haben hier dieses Gesetz. Unter welchen Umständen würdet ihr denn hier zustimmen? Und da wird es natürlich auch Streit und Debatte geben.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und also Scholz hat schon angekündigt, dass er viele, viele Projekte jetzt noch zur Abstimmung stellen will im Deutschen Bundestag. Denn man muss ja sehen, im Bundestag sind ja zahllose Gesetzesvorhaben schon eingebracht, sind in verschiedenen Stadien im Gesetzgebungsvorhaben. Bei manchen gibt es die erste Lesung, die noch ansteht, bei manchen ist die erste Lesung schon durch. Und dann, damit ist ja verbunden, die Überweisung in die zuständigen Ausschüsse.

Das heißt, da liegen ohne Ende Projekte, die ja jetzt nicht über Nacht Makulatur sind. Also nach der Neuwahl des Bundestages sind sie Makulatur. Das ist der sogenannte Diskontinuitätsgrundsatz. Das heißt also Gesetzesvorhaben aus einer Legislatur, die werden quasi in den Papierkorb geworfen, sobald der Bundestag sich neu konstituiert. Aber bislang gibt es da ja noch ohne Ende Projekte, und teilweise ist gar nicht ausgeschlossen, dass die noch durchkommen.

Es ist also einfach offen und hängt sehr vom Thema ab, ob die Union der SPD und den Grünen Scholz und Habeck und so noch was gönnen will oder nicht. Es ist also eine ziemlich skurrile Situation, weil eigentlich auch nicht so richtig klar ist, wer da so genau mit wem verhandeln muss. Also wir haben zum Beispiel jetzt auch mit Leuten aus der Grünen Fraktion gesprochen, die sagen uns ja, also klar, mit der SPD müssen wir uns unterhalten, aber mit

wem denn noch? Also reden wir jetzt trotzdem noch mit der FDP, obwohl die jetzt Opposition sind? Reden wir mit der Union? Reden vielleicht sogar mit der Gruppe der Linken?

Philip BansePhilip Banse

Zumal ja einige aus der FDP auch gesagt haben, ja gut, okay, Koalition ist vielleicht zu Ende. Aber mein Gott, wir sitzen halt weiter in dem Bundestag und-

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Volker Wissing zum Beispiel.

Philip BansePhilip Banse

Und sind ansprechbar.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das ist ja das Skurrile, der ist natürlich durch fraktionslos, aber der hat, also gehe ich mal von aus, ist noch nicht offiziell, aber da wird ja wohl auch aus der FDP Fraktion austreten. Aber ich meine, er hätte ja immerhin eine Stimme, also ist jetzt eine von über 700 Stimmen, aber immerhin, auf den dürfte rot grün wohl weiter zählen können. Immerhin ist er Minister.

Philip BansePhilip Banse

Also eine Möglichkeit ist natürlich, die Union schaltet jetzt total auf Obstruktion. Die sagen einfach, wir gönnen der Ampel gar nichts mehr und lehnen einfach alles ab, was die uns vorstellen. Das ist eine Möglichkeit. Aber wenn man ein bisschen konstruktiv, pragmatisch, ernsthaft auch um Lösungen bemüht, an Dinge rangeht, dann sieht man schon, dass es bei einigen Sachen auch mit Union, SPD und Grünen doch Einigungsmöglichkeiten, Einigungspotential gibt.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wir wollen euch da jetzt nur einen kleinen Überblick geben. Wir können jetzt nicht die Diskussion zu jedem Vorhaben im Detail aufrollen, aber was zum Beispiel mit großer Wahrscheinlichkeit noch durchkommt, ist im Themenkomplex Migration die Umsetzung des sogenannten GEAs, des neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystems in deutsches Recht. Da muss eine ganze Menge an nationalem Recht angepasst werden. Da geht es vor allem um dieses Thema Asylverfahren an den Außengrenzen.

Das wird sehr wahrscheinlich noch kommen. Ein zweites Thema ist die sogenannte Abschaffung der kalten Progression.

Das ist ein besonderer Effekt, weil die Steuersätze ja steigen, je höher das Einkommen ist, das quasi mit nominell höheren Einkommen, die aber nicht notwendigerweise höhere Kaufkraft haben, weil die Inflation ja so ein bisschen Kaufkraft wegnimmt, eben die Steuern steigen, die Leute aber unterm Strich sich doch nicht mehr kaufen können, ist ein bisschen komplex, wollen wir nicht im Detail aufrollen.

Philip BansePhilip Banse

Das führt einfach dazu, du kriegst ein bisschen mehr Gehaltserhöhung und kann die aber weniger leisten.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das ist halt, das ist der Effekt. Und deswegen sollen quasi die Steuersätze so ein bisschen abgesenkt werden, damit diese kalte Progression verhindert werden kann. Ist ein bisschen so ein Lieblingsprojekt der FDP, aber eigentlich auch der Union. Insofern, gegen diese Steuerentlastung könnte auch die Union im Grunde wenig haben. Allerdings steckt natürlich dieses Detail, in einem größeren Paket, dem sogenannten Steuervortentwicklungsgesetz.

Das enthält noch eine Reihe anderer Punkte, zum Beispiel Stärkung gemeinnütziger Vereine. Und das ist für die Union jetzt nicht so ein Herzensthema. Insofern ist unterm Strich unklar, was mit diesem Paket passiert.

Philip BansePhilip Banse

Dann gibt es natürlich das sogenannte Sicherheitspaket, was ja im Nachklang des Attentats in Solingen geschnürt wurde. Da hatte sich die Ampel ja geeinigt. Der Bundestag hat auch zugestimmt, aber die Union hat dieses Paket Stand heute im Bundesrat gestoppt. Sie wollen das verschärfen, Sie wollen da härtere Maßnahmen. Das ginge also mit der Union durchaus, wenn man das verschärft. Allerdings müssten da die Grünen umfallen. Das würde also nicht an der Union zwangsläufig scheitern.

Dann das große Projekt der Ampel, die Rentenreform. Das ist ja auch eigentlich beschlossen von der Ampel.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Noch nicht durch den Bundestag.

Philip BansePhilip Banse

Noch nicht durch den Bundestag. Aber im Kabinett ist das beschlossen, noch in der Debatte.

Da hätte ich jetzt persönlich gesagt, mein Gott, also diesem Paket könnte doch eigentlich durchaus auch die Union zustimmen, weil dieses Paket, dieses Rentenpaket schon darauf hinausläuft, dass aktuelle Rentner und Rentnerinnen und Leute, die in den nächsten 1, 2, 3, 4, 5 Jahren in Rente gehen, durchaus profitieren und ja, jüngere Generationen, die später in Rente gehen, das finanzieren müssen und eben da draufzahlen.

Das ist im Prinzip auch was, was die Union unterstützen kann, weil sie natürlich auch heute von aktuellen Rentnern und Rentnerinnen gewählt wird, die davon massiv profitieren. Insofern-

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Massiv! Also die Union ist ja auch eine der Parteien, die ganz massiv von den Stimmen der Rentnerinnen, der Rentner abhängig ist. Das heißt also, im Grundsatz würde man denken, so eine Gießkanne zugunsten heutiger Rentner ist auch im Interesse der Union. Trotzdem hat die Union im Bundestag in den letzten Debatten zu dem Paket diese Pläne der bisherigen Ampel hart kritisiert. Insofern ist so ein bisschen unklar, wer sich da bei der Union durchsetzen dürfte.

Philip BansePhilip Banse

Ukrainehilfe.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das ist, glaube ich, eher Nobrainer. Da ist eher die Frage, wie man das finanziert. Und damit sind wir wieder bei dem Thema Ausnahme von der Schuldenbremse.

Eigentlich würde man denken, wenn man eine solche Ausnahme formuliert im Sinne eines Beschlusses einer Haushaltsnotlage gezielt mit dem Thema Verteidigungspolitik und Ukrainehilfe, dann könnte das die Union eigentlich kaum ablehnen, weil das alles Dinge sind, die die Union wirklich unisono ständig fordert, wenn man mal von Sachsens Ministerpräsident Kretschmer absieht und ein, zwei anderen. Aber im Prinzip ist die Union sich da fast einig.

Andererseits muss man natürlich sehen, auch beim sogenannten Wachstumschancengesetz hat es die Union geschafft, das im Bundesrat aus taktischen Gründen abzulehnen, obwohl das inhaltlich genau das ist, was die Union will, nur nicht weit genug.

Philip BansePhilip Banse

Ja, das ist halt der größte Nachteil an dieser Überlegung, die wir anstellen. Sie wäre rational.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja.

Philip BansePhilip Banse

Und das ist nicht unbedingt-

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Aber Parteitaktik-

Philip BansePhilip Banse

Aber Parteitaktik spielt da natürlich eine enorme Rolle und deswegen ist in der Realität es wahrscheinlich eher unwahrscheinlich, dass die Union mehreren oder auch nur einem dieser Projekte wirklich zustimmt und es unterstützt. Einfach aus der Überlegung heraus, wir gönnen der Ampel im Wahlkampf gar nichts.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Selbst wenn wir das inhaltlich komplett sinnvoll finden.

Philip BansePhilip Banse

Richtig.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Es gibt allerdings eine Ausnahme von dieser, sagen wir mal etwas skeptischen Position, nämlich die geplanten Grundgesetzänderungen zur Resilienz des Bundesverfassungsgerichts. Das hatten wir in der Lage ja auch schon verschiedentlich besprochen, dass also einige zentrale Regelungen über die Arbeitsweise des Gerichts im Grundgesetz festgeschrieben werden sollen, damit der Bundestag mit einer etwa rechtspopulistischen Mehrheit da nichts mehr dran kaputt machen kann.

Da hören wir aus dem Bundestag, es sei fast sicher, dass das doch noch kommt, denn das war ja auch schon zwischen Ampel und Union vorher geeinigt. Beispielsweise hat diese ganz breite Front aus Ampel und Union ja auch heute schon beschlossen eine Resolution zum Kampf gegen Antisemitismus. Dazu kommen wir noch ausführlicher, allerdings nicht in dieser Sendung.

Philip BansePhilip Banse

Ein Punkt noch dazu. Wir hatten ja in der letzten Sendung gesagt, na ja, eigentlich bestünde ja jetzt die Möglichkeit, dass SPD, Grüne und Union sich auf eine Reform der Schuldenbremse einigen. Aus der einfachen Überlegung heraus, auch die Union wird nach der Bundestagswahl mehr Geld brauchen. Und jetzt könnte sie sich mit der SPD einigen. Dagegen spricht eben dieses parteitaktische Kalkül, wir gönnen der Ampel gar nichts.

Deswegen werden wir das nicht tun und stellen uns nachher als Wahlsieger hin und sagen, jetzt würden wir aber die Schuldenbremse doch gerne reformieren und dann wird die SPD nicht Nein sagen können, weil sie das seit Jahren eigentlich fordert und ja auch damals die Schuldenbremse mit der Union beschlossen hat. Und nun gibt es 1000 Gründe. Also gibt es so de facto Große Koalition, die die Schuldenbremse reformiert.

Das große Risiko dieser Strategie ist nur, was, wenn wie oben beschrieben, AfD und BSW eine Sperrminorität bekommen? Dann ist das Ding nämlich kaputt. Dann kann zwar SPD und Union sich nach der Bundestagswahl einigen und sagen wir würden gerne, aber dann geht das eben nur noch mit der Zustimmung von AfD und BSW.

Und das ist das große Risiko, was Friedrich Merz und die Union jetzt eingehen, wenn sie sich nicht mit SPD und Grünen darauf einigen, kommt, lass uns das eine Ding, wenn wir nichts anders machen, aber lass uns das eine Ding machen und den Rest machen wir Wahlkampf.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und dann gehört zu den Punkten, wo eine Einigung deutlich schwieriger, wenn nicht unmöglich, ist. Und da steht im Zentrum der Betrachtungen der Bundeshaushalt. Denn der Bundeshaushalt gilt ja quasi als das Signaturgesetz, als das Markenzeichen jeder Koalition, jeder Regierung, jeder Bundestagsmehrheit. Deswegen gilt als ausgeschlossen, dass die Union mit der Rumpfampel, also mit Grünen und SPD, noch einen neuen Bundeshaushalt für 2025 beschließen würde.

Auf der anderen Seite muss man sehen, das ist wiederum kein Anlass zur Panik, wenn es keinen neuen Bundeshaushalt gibt, ja, es klingt erst mal dramatisch, aber dann bleibt einfach quasi der alte Haushalt in Kraft und wird quasi fortgeschrieben. Das ist dann die sogenannte vorläufige Haushaltsführung.

Es gibt also gerade in Deutschland keinen sogenannten Shutdown, also wir haben so ein bisschen den Eindruck, viele Menschen haben Angst davor, wenn es keinen Bundeshaushalt gibt, weil in den USA ja regelmäßig quasi der Stillstand der Verwaltung droht.

Philip BansePhilip Banse

Dann kriegen die Beamten keine Gehälter mehr, die Behörden haben zu und so.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Nationalparks müssen schließen, die Bären müssen hungern und so. Das alles droht in Deutschland nicht wegen dieser vorläufigen Haushaltsführung. Da ist das Grundgesetz einfach ein bisschen schlauer als die ja 200 Jahre ältere US Verfassung. Das Grundgesetz sieht einfach vor, dass dann die Regierung quasi mit dem letzten beschlossenen Haushalt auch im neuen Jahr weitermachen kann. Es gibt da Ausnahmen, das muss man fairerweise sagen.

Es kann schon sein, dass bestimmte Subventionen nicht mehr gezahlt werden können. Also, ist jetzt nicht komfortabel ohne Haushalt. Aber es ist bei weitem nicht so gravierend wie eine solche Haushaltsnotlage in den Vereinigten Staaten.

Philip BansePhilip Banse

Wie das jetzt konkret im politischen Alltag im Bundestag jetzt abläuft, ist für viele Neuland. Wir haben auch mit Finanzpolitikern und -politikerinnen gesprochen, die sagen, also ehrlich gesagt versuchen wir selber gerade so ein bisschen rauszufinden, was wir jetzt machen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wir Google noch.

Philip BansePhilip Banse

Was wir jetzt beschließen und mit wem und bis wann und was noch durchgeht und was nicht. Aber du hast es beschrieben, da besteht kein Grund zur Panik. Ulf, noch mal ganz kurz zum Schluss. Ich bin ein bisschen erleichtert, muss ich ganz ehrlich sagen, dass wir jetzt an diesem Punkt gekommen sind und Neuwahlen haben. Ich hätte mir gewünscht, dass wir das vor einem Jahr gehabt hätten. Dann hätten wir noch mehr Chancen gehabt, da was gerade zu zerren, es wäre weniger Porzellan zerschlagen

worden. Die politische Kultur hätte etwas weniger gelitten. Aber unterm Strich finde ich es jetzt endlich den richtigen Move.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, also irgendwie hat man ja das Gefühl, obwohl jetzt in der Theorie quasi die Situation in Deutschland viel unklarer ist, geht doch trotzdem so ein gewisser Ruck durchs Land, oder? Also ich finde, dadurch, dass jetzt die FDP Bremse erst mal gelöst ist, habe ich so das Gefühl, entsteht tatsächlich im politischen Berlin neben aller Aufregung so ein Stück weit auch Aufbruchsstimmung. Also gerade bei der SPD Fraktion hat man das deutlich gemerkt. Alle haben sich gefreut.

Olaf hat wirklich mal nicht nur so ein bisschen gemurmelt, sondern er hat wirklich mal gebrüllt. Er hat Führung gezeigt und ich habe so den Eindruck, da haben jetzt gerade bei der SPD auch viele Bock auf Wahlkampf. Das gilt interessanterweise sogar bei der FDP. Auch da hat Christian Lindner ja angeblich stehende Ovationen in der Fraktionssitzung bekommen, nachdem er sich hatte feuern lassen.

Philip BansePhilip Banse

Ja, also, würde ich schon sagen: Aufatmen allerseits. Wir bleiben dran.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Schauen wir in die Vereinigten Staaten. Auch dort gab es in den letzten Tagen Breaking News wirklich am laufenden Meter. Denn in den Vereinigten Staaten wurde gewählt. Nicht nur ein neuer US Präsident. Das stand ja im Vordergrund der Berichterstattung, jedenfalls in Deutschland. Nein, auch das Parlament wurde zu weiten Teilen neu gewählt, nämlich Teile des Senats und das gesamte Repräsentantenhaus.

Und die große Neuigkeit dieser Woche ist, Philip, und das alleine hätte fast schon für eine Sonderlage gereicht. Der neue US Präsident wird wieder Donald Trump heißen.

Philip BansePhilip Banse

Ich sehe mich hier noch wirklich 2020 sitzen mit dir in der Lage nach der Wahl, als Biden gewonnen hat und wir dachten endlich, endlich ist es vorbei. Donald Trump ist gone for good, wird nie wieder kommen. Seine Ideen und seine Lügen und so, die werden eine Weile überleben. Die Kultur wird sich ändern, aber Donald Trump ist weg. Erst recht nach dem 6. Januar 2021, nach dem von ihm angezettelten Sturm aufs Kapitol, dem versuchten Putsch. Aber Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Donald Trump ist zurück im Weißen Haus.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Oder jedenfalls auf bestem Weg dahin. Er dürfte am 20. Januar vereidigt werden und dann einziehen im Weißen Haus. Und man muss ehrlich sagen, er ist nicht irgendwie zurück, sondern, wie die New York Times das formuliert, wahrlich keine trumpfreundliche Zeitung, er stürmt zurück an die Macht. Er darf sich tatsächlich gestärkt und umfassend mandatiert fühlen von den Wählerinnen und Wählern in den Vereinigten Staaten. Denn das ist einfach ein Sieg auf ganzer Linie.

Philip BansePhilip Banse

Also Stand jetzt, wo wir aufnehmen 15:40, am Donnerstag, dem 7. November, hat Donald Trump in diesem alles entscheidenden Wahlmänner, Wahlmenschengremium, das ihn dann am Ende zum Präsidenten wählen wird, 295 Stimmen, 270 braucht er. Also eine satte, satte Mehrheit. Und er hat auch das sogenannte popular vote gewonnen. Also wenn es darum geht wer von beiden Kandidaten hat eigentlich im ganzen Land die meisten Stimmen bekommen? Auch da hat er Kamala Harris deutlich geschlagen.

Er hat 5 Millionen, rund 5 Millionen Stimmen mehr bekommen als die demokratische Kandidatin. Das ist rechtlich völlig egal, aber politisch durchaus relevant. Wer hat eigentlich die meisten Stimmen bekommen?

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, denn ich meine, es gibt ja immer wieder Kritik an dem Wahlsystem der Vereinigten Staaten, dass einfach die Mehrheit der Stimmen gerade nicht reicht. Die Stimmen müssen auch richtig verteilt sein, um eben eine Mehrheit im Electoral College zu bekommen. Und das ist diesmal einfach gar kein Thema. Donald Trump ist tatsächlich, egal wie man es betrachtet, der legitime nächste Präsident der Vereinigten Staaten. Er hat einfach 5 Millionen Stimmen mehr.

Amerika will diesen Mann im Weißen Haus und Amerika will offensichtlich auch eine ganz starke Grand Old Party, eine ganz starke republikanische Fraktion im Senat.

Philip BansePhilip Banse

Den hat die Partei gewonnen. Also die Mehrheit im Senat gehört jetzt den Republikanern, Stand jetzt 52 zu 44. Drei Sitze sind von den Demokraten zu den Republikanern gewandert. Sechs Rennen sind noch offen, aber schon jetzt ist die Führung deutlich. Und man kann davon ausgehen, es gibt zwei, vielleicht drei moderate republikanische Senatorinnen

im Senat. Aber deren Stimmen, die vielleicht so dass ganz hart, das aller Härteste verhindern könnten, sind letztlich egal, weil die Mehrheit eben so groß ist, dass auch ohne diese moderaten Stimmen die Republikaner mehr oder weniger alles durchkriegen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und dann kommt ja in heiklen Fällen, wenn es quasi wirklich Gleichstand sein sollte, zwischen der einen oder anderen Seite im Senat immer noch quasi der Tiebreak von JD Vance dazu. Denn der Vizepräsident der Vereinigten Staaten ist ja zugleich Vorsitzender des Senats und gibt im Zweifelsfall eben die entscheidende Stimme ab, im Fall von Stimmengleichheit und JD Vance ist, das ist kein Geheimnis, auch ein radikaler Trumpist geworden, war er nicht immer. Aber ist er jetzt.

Philip BansePhilip Banse

Dann die zweite Kammer oder die erste Kammer, je nachdem wie man es sieht, das Repräsentantenhaus auch das wurde komplett neu gewählt. Da ist es noch nicht ganz fertig gelaufen, die Auszählung läuft noch, aber Stand jetzt sieht es so aus, dass auch dort die Republikaner ihre Mehrheit werden verteidigen können.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, da sind noch zu viele Races offen, um das endgültig sagen zu können. Aber es steht auch, die sind auch dort in Führung. Insofern ja, kommen wir zurück zur Präsidentschaftswahl. Kamala Harris hat überall im Land eigentlich schlechter als Biden abgeschnitten. Das muss man sich überlegen. Sie hat weniger Menschen mobilisieren können als Joe Biden, obwohl sie ja deutlich jünger war.

Philip BansePhilip Banse

Sie hat, glaube ich, 10 Millionen Stimmen weniger bekommen als Biden.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Muss man sich mal überlegen. Das ist einfach richtig hart. Sie hat einfach viel weniger mobilisiert. Und auf der anderen Seite muss man sehen, die zahllosen Skandale von Donald Trump und die teilweise jedenfalls aus einer deutschen Perspektive doch haarsträubenden Pläne. Die haben offensichtlich für eine große Mehrheit in den Vereinigten Staaten nicht den Ausschlag gegeben. Und mal ganz ehrlich, Skandale gab es echt genug.

Philip BansePhilip Banse

Der Mann hat zwei Amtsenthebungsverfahren überlebt. Er hat zu einer Revolte, zu einem Putsch aufgerufen. Gegen ihn laufen vier Anklagen. Eine davon hat ihm eine rechtskräftige Verurteilung als Straftäter in mehreren Fällen eingebracht.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also man muss sagen, eins der Verfahren ist allerdings inzwischen eingestellt von einer Richterin, die er selber nominiert hat, erst vor ein paar Jahren. Die war sehr unerfahren, mit dem Verfahren offenbar überfordert. Die allerdings, so jedenfalls Gerüchte in Washington, soll jetzt belohnt werden mit dem Amt des Attourney General. Also nicht wegen Erfahrung, aber Trump denkt an seine Leute.

Eine Richterin, die ein Verfahren gegen ihn einstellt, die kann sich drauf verlassen, da gibt es dann irgendwann ein Bonbon.

Philip BansePhilip Banse

Rassismus auf allen Ebenen. Gerade zum Schluss rassistische Äußerungen bei Trumps Veranstaltungen ohne Ende. Er plant, hat versprochen, je nachdem, wie man es ausdrücken möchte, Massendeportationen von angeblich in seinen Augen Illegalen. Er sagt, er will innere Feinde mit dem Militär bekämpfen. Er will ein Diktator sein für einen Tag.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Einen Tag aufräumen.

Philip BansePhilip Banse

Frauenfeindlichkeiten, links und rechts ungezählte Lügen. Der Mehrheit der Amerikaner war das vielleicht nicht völlig egal, aber nicht so wichtig wie das, was sie in ihrem Portemonnaie haben.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das ist der zentrale Punkt. Das Portemonnaie der Menschen in den Vereinigten Staaten, gerade der Menschen, die wirtschaftlich nicht so gut gestellt sind. Das dominierte offensichtlich alles bei diesen Wahlen. Nun also ist der erste verurteilte Straftäter ins Amt des Präsidenten gewählt jedenfalls und seit dem späten 19. Jahrhundert, seit 120 Jahren auch der erste Präsident, der, nachdem er einmal abgewählt worden war, wieder zurück ins Amt kommt, nach Grover Cleveland im späten 19.

Jahrhundert, ich glaube 1897 oder so war das. Und er wird übrigens, wenn er denn tatsächlich am 20. Januar des kommenden Jahres in sein Amt eingeführt werden sollte, auch der älteste, je in seinem Amt vereidigte Präsident sein.

Philip BansePhilip Banse

Heute 79 Jahre alt. Es gibt natürlich auch ein paar gute Sachen, wie das bei Katastrophen häufig der Fall ist. Die dominieren dann nicht, aber es gibt sie halt. Das ist einerseits das deutliche Wahlergebnis, finde ich. Da gibt es einfach nichts dran zu deuteln. Die Amerikaner wollen das so, ob man das jetzt gut findet oder nicht. Die Wahl verlief ohne Pannen, ohne große Zwischenfälle. Es gibt keinerlei Zweifel am Ergebnis. Es gibt auch keinen Bürgerkrieg, keinen Sturm, kein Aufruhr.

Und das ist vielleicht das Letzte, Trump darf nicht wiedergewählt werden. Das ist jetzt seine zweite Amtszeit. Spätestens 2028 ist Schluss. Vielleicht auch früher. Vielleicht sagt er schon früher, das reicht mir. JD Vance, bitte übernehmen sie, Vielleicht kommen andere Sachen dazwischen. Man weiß es nicht. Aber 2028 spätestens ist dann Trump als Präsident Geschichte.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Die Wählerinnen und Wähler haben also gesprochen. So bitter das sein mag. Also da ist mir dann nur der Spruch eingefallen "Democracy - the right of the people to be completely wrong". Ich glaube, so einfach muss man das sagen. Oder auf gut Deutsch. Demokratie birgt eben das große Risiko, dass sich das Volk in geradezu tragischer, dramatischer Weise falsch entscheidet.

Jonathan Weisman von der New York Times hat das kommentiert mit den Worten "Donald J. Trump has defeated vice president Kamel Harris riding a wave of anxiousness over inflation and illegal immigration".

Philip BansePhilip Banse

Also er hat, ist auf einer Welle geritten der Angst, der Panik vor Inflation und illegaler Immigration. Ich würde aber sagen, auch Einwanderung ist hier ein Wirtschaftsthema, weil er eben auch immer propagiert und behauptet hat, die Einwanderer, die da kommen, die nehmen euch die Jobs weg. Ja, also was sind jetzt die Folgen? Fangen wir mit den USA an.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Zentrale Frage ist einfach, was wird von der Demokratie noch übrig sein, wenn Trump in vier Jahren abtritt? Wir haben in der Lage schon häufiger angesprochen, das sogenannte Projekt 2025 von der sogenannten Heritage Foundation und anderen Organisationen der extremen Rechten. Da muss man sagen, Trump hat immer wieder dementiert, dass es sich dabei quasi um sein Wahlprogramm handle. Auf der anderen Seite gibt es aber engste persönliche und auch sachliche Verbindungen.

Deswegen kann man schon davon ausgehen, dass er diese etwa 900 Seiten Projekt quasi Amerika in erzkonservativer Weise umzubauen, dass er das jedenfalls als Blaupause nehmen wird für seine Präsidentschaft. Und zentraler Punkt in diesem Projekt 2025 ist ja der komplette Umbau der Bundesverwaltung der Vereinigten

Staaten. Also die Idee ist, dass man etwa 50.000, 50.000 Beamtinnen und Beamte entlassen oder sonst kaltstellen will, um sie mit hundertprozentig linientreuen, radikalen Rechtsextremen zu besetzen. Das ist schon mal... Die dann natürlich ohne mit der Wimper zu zucken Trumps Orders umsetzen.

Philip BansePhilip Banse

Loyal zu Trump sind. Und ich würde auch sagen, das ist so mit der, oder das ist so Symbol oder Indiz für die wahrscheinlich größte Veränderung im Vergleich zu 2016. Damals war es für alle, inklusive Donald Trump ein großes Wunder. Eine große Überraschung, dass er da ins Weiße Haus kommt. Diesmal ist das anders.

Es gibt Pläne, das Personal ist festgelegt bis, du hast das gesagt, bis in untere Ebenen der Verwaltung wurden Leute gecastet, die jetzt diese Stellen besetzen werden aller Wahrscheinlichkeit nach. Und das bedeutet Trump und seine Leute sind vorbereitet. Sie haben gelernt in den vier Jahren ihrer letzten Präsidentschaft, und sie werden da nicht überrascht drangehen, sondern haben einen Plan. Und das dürfte vor allen Dingen auch für die Justiz gelten.

Mit der Mehrheit im Senat wird die Justiz in Amerika auf Jahrzehnte nach rechts rücken. Da sind wahrscheinlich auch drei Stellen werden vakant.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also man weiß das nicht sicher.

Philip BansePhilip Banse

Man weiß es nicht, aber zwei werden wahrscheinlich in Ruhestand gehen. Justice Sotomayor ist krank, wird womöglich wegen Krankheit ausfallen. Das heißt, da sind potenziell drei Stellen im Obersten Gericht neu zu besetzen. Wenn Trump das macht, dann ist die Mehrheit eine konservative rechte Mehrheit auf Jahrzehnte hinaus zementiert.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Jetzt steht es ja schon sechs zu drei, was zu skurrilen Entscheidungen geführt hat, zum Beispiel zu dieser Immunitätsentscheidung vor einigen Monaten. Was im Prinzip bedeutet, er kann im Amt weitgehend machen, was er will. Wenn das so käme, wie du es gerade skizziert hast, dann stünde es sieben zu zwei. Und diese sieben Leute sind alle auf Lebenszeit da. Das heißt also, dann kann man davon ausgehen, 30 Jahre-

Philip BansePhilip Banse

Und die sind noch jung zum Teil.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, viele von denen sind auch noch so 40, 50 irgendwie. Mit anderen Worten also mindestens 20, 30 Jahre wäre dann in den Vereinigten Staaten ein stramm rechtes, ich will nicht sagen extremes, aber wirklich stramm rechtes rechtspopulistisches Oberstes Gericht installiert mit entsprechenden Folgen. Das heißt also auch demokratische Präsidenten Präsidentinnen könnten dann möglicherweise ihre Agenda auch nur ganz zum Teil umsetzen.

Also das ist ja zum Beispiel den Demokraten in den dreißiger Jahren passiert mit dem sogenannten New Deal, wo sie also viel Geld ausgeben wollten, um die Wirtschaftskrise nach dem Crash zu beenden. Das hat der Supreme Court immer wieder zerschossen. Da gab es also enorme politische Konflikte zwischen der Mehrheit auf der einen Seite und dem Supreme Court. Das macht es auch sehr unwahrscheinlich, dass sich in den USA selbst bei einer anders ausgehenden Präsidentschaftswahl noch irgendwie

was tut. Auch die Demokraten liegen einfach völlig am Boden natürlich nach dieser kompletten Wahlniederlage. Hoffnung kann man höchstens noch stützen auf die unteren und mittleren Bundesgerichte. Aber über denen kommt dann ja auch immer noch die Trumpistenfraktion im Supreme Court als Revisionsinstanz. Und außerdem kann Trump natürlich auch die Richterinnen und Richter der District Courts und Appelate Courts neu besetzen, weil er eben die Mehrheit im Senat

hat. Sobald ein Platz frei wird, kommt da auch ein Trumpist. Also das ist, das ist schon einfach mehr als düster, was uns da droht. Ich glaube, die Frage ist letzten Endes, werden die USA durch Trump und seine Leute zu einer illiberalen Demokratie wie zum Beispiel Ungarn?

Philip BansePhilip Banse

Also die Frage ist halt, bleibt die Demokratie als Fassade bestehen? Es gibt formell ein unabhängiges Gericht oder unabhängige Gerichte, Parlament, Präsident, Gewaltenteilung. Aber de facto wird an dem Zustand sich nichts ändern. De facto wird eine Machtübergabe, ein Machtwechsel sehr, sehr, sehr schwierig und immer unwahrscheinlicher. Und ich würde sagen, die Gefahr war noch nie so groß, wie das jetzt ist. Aber wir wissen das natürlich erst in vier Jahren. Aber die Anzeichen sind schon da.

Stichwort Wahlunterdrückung. Also es wurde in der Vergangenheit schon Wählenden viel, viel schwieriger gemacht, überhaupt zur Wahl zu gehen. Das wird sich sicherlich fortsetzen. Da müssen wir noch abwarten. Ein Punkt, den ich auch noch zu den USA hinzufügen will, ist der Klimaschut. Das wird sicherlich Schaden nehmen. Das ist für den Klimaschutz eine große Katastrophe. Möglicherweise werden die USA aus dem Klimaschutz, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen austreten.

Sie werden aber auf jeden Fall Kohlekraftwerke am Leben halten.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Nach Öl bohren.

Philip BansePhilip Banse

Das ist eh schon auf Rekordniveau und wird sicherlich ausgeweitet werden. Also fürs Klima ist das natürlich auch, wie Claudia Kemfert vom DIW gesagt hat, eine absolute Vollkatastrophe.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

So Philip. Was bedeuten denn jetzt diese Wahlen in den USA für Deutschland? Also fangen wir vielleicht mal an mit der Außenpolitik. Also die unmittelbaren Folgen werden natürlich sein oder dürften natürlich sein, dass die militärische Unterstützung der Vereinigten Staaten für die Ukraine doch drastisch zusammengestrichen werden dürfte, oder?

Philip BansePhilip Banse

Ja, würde ich sagen. Davon muss man ausgehen. Trump hat das oft angekündigt. Ja, auch gerade in dem Streit um diese 60 Milliarden, die die USA kürzlich gezahlt haben, hat er seine Leute immer wieder aufgefordert, dem nicht zuzustimmen. Haben sie am Ende doch gemacht. Aber der Tenor ist schon, was interessiert uns die Ukraine? America first. Wir haben das Geld hier in den USA dringender und brauchen das dringender und geben das eher hier aus. Aber Trump bleibt eben Trump und damit unberechenbar.

Manchmal sagte A. Und macht am Ende B und daher sei die Sache auch zum Thema Ukraine nicht so eindeutig, wie das häufig empfunden wird, sagte der deutsche Botschafter in Moskau, Alexander Graf Lambsdorff, heute Morgen im Deutschlandfunk.

Alexander Graf Lambsdorff

Das kann man so sagen, weil eine Präsidentin Harris wäre natürlich für den Kreml leichter auszurechnen gewesen. Trump gilt als unberechenbar. Das ist etwas, das ja uns auch Sorgen macht in Europa, im westlichen Teil Europas. Aber hier gilt dasselbe. Man weiß nicht so recht, woran man ist. Man hat damals versucht, ihn zu provozieren mit der Stationierung von Mittelstreckenraketen westlich des Ural, was verboten war. Und dann ist Trump ausgestiegen aus dem Vertrag über Mittelstreckenraketen.

Das war für die Russen damals auch eine Überraschung. Also er ist für den Kreml genauso schwer auszurechnen wie für alle anderen. Und insofern, wenn Sie fragen, kann er Moskau beeindrucken? Ja, das kann er. So ein Thema macht hier alle immer nervös. Und das ist, wenn die USA eine entschlossene sogenannte Containment Politik verfolgen, also eine Politik der Eindämmung des russischen Einflusses in anderen Ländern, in anderen Regionen.

Und wenn diese Eindämmungspolitik tatsächlich die Linie werden sollte in Washington, was niemand heute wissen kann, dann wäre das etwas, was hier durchaus Eindruck machen würde.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Aber gehen wir doch mal davon aus, dass Trump bei seiner bisher angekündigten Linie bleibt oder meinethalben auch so eine Containment Politik macht. Beides würde ja dazu führen, dass die Unterstützung für die Ukraine deutlich gekürzt oder vielleicht sogar ganz beendet würde. Dann hat die Europäische Union, denke ich, im Grunde zwei Optionen auf diese veränderte Politik in Washington zu reagieren. Eine Option wäre theoretisch, die Ukraine aufzugeben.

Das würde man dann wohl nicht offiziell so nennen, sondern dann würde man mit Putin einen gesichtswahrenden Deal schließen, wo Putin wieder irgendwas versprechen würde, was er dann im Zweifel nicht hält. Siehe Minsk eins, Minsk zwei und andere Abkommen. Aber dieser Deal würde dann wohl de facto jedenfalls mal die Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine opfern. Es wäre also Option eins. Oder man müsste die militärische Unterstützung massiv ausbauen.

Philip BansePhilip Banse

Ja, also ich glaube, das ist schon jetzt ganz klar die Lehre. Wenn man das ernst nimmt, wenn man ernst nimmt, worum es in der Ukraine geht. Moskaus imperiales Gebaren, Einflusssphären sichern, USA aus Europa vertreiben, NATO möglichst destabilisieren, EU destabilisieren, dann kann diese Wahl in den USA eigentlich nichts anderes bedeuten als Europa muss das endlich verstehen, sich zusammenraufen und unter Umständen die Finanzierung der Ukraine auch alleine

schultern. Das muss die Lehre daraus sein.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und ich meine, es steht ja auch nicht nur die Ukraine auf der Kippe. Generell ist ja das zukünftige Engagement der Vereinigten Staaten in der NATO Stand heute kaum seriös zu kalkulieren. Philip, du hast bei unserer Vorbereitung eben das Szenario aufgemacht. Stellen wir uns mal vor, russische Panzer überqueren die Grenze zu Lettland und sei es nur so als kleine Aktion mal ein bisschen provozieren. Was ist dann? Wird Trump wirklich für Lit, what's the name of this country? Lit-something?

Wird Trump für Lit-something Russland bombardieren?

Philip BansePhilip Banse

Das ist die große Frage. Das würde es bedeuten, wenn die NATO glaubwürdig abschrecken soll, dann muss Moskau davon ausgehen, dass wenn ein NATO Land und sei es noch so geringfügig angegriffen wird, dass die NATO dann eben reagiert und wirklich zurückschlägt. Und die Frage ist das, würden die USA wirklich Stellungen in Russland, Raketenstellungen, Panzerstellungen, was auch immer bombardieren? Es ist einfach mit Trump nicht gesichert und dadurch leidet die Abschreckung der NATO.

Und deswegen muss Europa, muss Deutschland und darum kommen wir einfach nicht herum aufrüsten, aufrüsten und sehr, sehr viel Geld dafür in die Hand nehmen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wir müssen einfach unsere Sicherheit mal wieder selber organisieren. Wir haben uns jetzt im Grunde, wenn man ehrlich ist, so jedenfalls jahrzehntelang ganz entspannt zurückgelehnt unter dem Sicherheitsschirm der Vereinigten Staaten, der, das muss man ja auch mal ehrlich sagen, eben von den Steuerzahlenden in den USA bezahlt worden ist. Und wir haben uns von denen weitgehend kostenlos unsere außenpolitische Stabilität bezahlen lassen. Und da macht Donald Trump einfach

nicht mehr mit. Und wenn man ehrlich ist, finde ich, hat er da auch einen Punkt.

Philip BansePhilip Banse

Ja, und unberechenbar heißt ja, vielleicht geht es irgendwie gut. Vielleicht passiert irgendwas, das dann doch dazu führt, dass dieser Schutzschirm erhalten bleibt. Dass die NATO weiter funktioniert, dass die Ukraine finanziert wird. Vielleicht aber auch nicht. Und ich finde, da kann man nicht sagen na gut, und vielleicht, hoffentlich geht es schon gut. Sondern diese Unsicherheit, diese Unklarheit muss beantwortet

werden. Wir nehmen unsere Sicherheit in die eigene Hand und das kostet, so weh das auch tun mag, Milliarden und Milliarden.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und über die Bedeutung ökonomischer Fragen für die Wahlen in den Vereinigten Staaten, aber auch darüber, was man für die deutsche Wirtschaftspolitik daraus lernen kann, möchten wir nun sprechen mit Professor Dr. Isabella Maria Weber.

Philip BansePhilip Banse

Sie ist eine deutsche Ökonomin, lehrt als Professorin für Volkswirtschaftslehre an der University of Massachusetts in Amherst in den USA, ist am dortigen Political Economy Research Institute tätig und ihre Schwerpunkte sind die politische Ökonomie Chinas, internationaler Handel, aber eben auch Preis- und Geldtheorie. Ganz herzlich willkommen in der Lage der Nation Frau Professor Weber!

Isabella Maria Weber

Vielen herzlichen Dank für die Einladung.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Frau Weber, wenn wir mal aus einer ökonomischen Perspektive auf die Präsidentschaftswahlen, aber auch die anderen Wahlen in den Vereinigten Staaten schauen. Woran ist Kamala Harris, woran sind die Demokraten dort vor allem gescheitert?

Isabella Maria Weber

Es ist tatsächlich so, dass die Wirtschaft diese Wahl entschieden hat. Und ganz konkret die Inflation. Das hat sich schon in den Umfragen vor der Wahl in vielen Monaten von Umfragen abgezeichnet, dass Wirtschaft und Inflation das wichtigste Thema für die Wählerinnen und Wähler in den USA war. Und es ist den Demokraten am Ende des Tages nicht gelungen, eine klare Antwort zu geben, wie sich die wirtschaftliche Lage der Leute verbessert.

Es gab eine Tendenz auf die Makrodaten zu gucken, auf das gute BIP Wachstum, das in den USA ja sehr viel besser sich entwickelt hat als in anderen OECD Staaten und davon auszugehen, dass diese Makroentwicklungen ausreichen, dass die Leute mit der Wirtschaft zufrieden sind, das war am Ende des Tages nicht der Fall und das war insbesondere nicht der Fall bei den niedrigen und mittleren Einkommensgruppen.

Wir sehen ganz klar, dass die hohen Einkommensgruppen zu Kamala Harris gewechselt haben, aber die niedrigen und mittleren Einkommensgruppen vorwiegend Trump gewählt haben. Und das ist natürlich einfach die Mehrheit der Leute und damit hat es nicht gereicht.

Philip BansePhilip Banse

Aber wie funktioniert's, müssen wir einmal erklären. Also wir aus Deutschland sehen, wir haben hier Rezession, kein Wachstum. In den USA sind da einige Prozent Wachstum jedes Jahr und die Wirtschaft wirkt, wie Sie das sagen, von außen im Großen und Ganzen betrachtet, sehr gut. Warum kommt das bei den Leuten nicht an?

Isabella Maria Weber

Genau. Also erst mal glaube ich, ist es wichtig, auch noch mal festzuhalten, dass bidenomics schon viele Sachen auch richtig gemacht hat. Also der richtige Teil-

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also Joe Bidens Wirtschaftspolitik.

Isabella Maria Weber

Genau. Also der richtige Teil ist die Wiederbelebung der Industriepolitik und die Einführung einer grünen Industriepolitik, die es den USA ermöglicht hat, einen großen Schritt in Richtung Klimawandelbekämpfung zu tun, was natürlich unter Trump überhaupt nicht passiert war.

Diese Art von Investitionspolitik hat aber auch bedeutet, dass man sich sehr stark auf den Anfang der Wertschöpfungsketten fokussiert hat, Investitionen angestoßen hat, die wichtig und richtig sind, um die Infrastruktur des Landes zu erneuern, um in Richtung einer grünen Transformation Impulse zu setzen. Aber das kommt bei den Leuten eben einfach erst in der mittleren Frist

an. Es ist auch so, dass der Wirtschaftsaufschwung wie wir gerade schon gesagt haben, und das muss man doch immer wieder betonen, auch deutlich besser war als in anderen Ländern. Nicht zuletzt, weil es eben sehr viel mehr Staatsausgaben gab unter dem Inflation Reduction Act. Was aber eben trotzdem der Fall ist, ist, dass die Menschen in der Inflationsphase massive Reallohneinbrüche für eine gewisse Zeit erlebt haben.

Das heißt, sie sind weiterhin in die Arbeit gegangen, haben weiterhin ihren Teil des Gesellschaftsvertrags erfüllt, hatten aber gleichzeitig häufig nicht mehr genug Geld, um entspannt das Wesentliche, das Essentielle zu kaufen, sondern sind in finanziellen Stress geraten bei den Preisen von Lebensmitteln, bei den Preisen von Unterkunft, bei den Preisen, von Transport, Energie, also den Sachen, ohne die man einfach nicht zurechtkommt.

Und wenn das passiert, ohne jegliches Verschulden auf der Seite derjenigen, die weiterhin zur Arbeit gegangen sind und ihren Job gemacht haben, entsteht, glaube ich, ein Vertrauensbruch mit dem System, ein Vertrauensbruch mit der Regierung. Dann kommt noch hinzu, dass natürlich die gemessene Inflation mittlerweile wieder niedrig ist, aber es gleichzeitig auch so ist, dass die gemessene Inflation ja einen Durchschnitt abbildet, der auf zwei Seiten angewiesen

ist. Also einerseits misst man einen bestimmten Korb an Waren, die Leute konsumieren, und andererseits misst man bestimmte durchschnittliche Preise, die mit diesen Waren korrelieren. Aber dieser Korb ist natürlich einerseits repräsentativ, aber für viele Leute eben überhaupt nicht adäquat. Das heißt, wenn ich hier zum Beispiel eine Familie habe, gebe ich viel mehr für Essen aus, als dieser Korb abbildet.

Wenn ich auf dem Land wohne, gebe ich mehr aus für Transportkosten, als wenn ich in der Stadt wohne usw. Das heißt, für viele Menschen ist dieser Korb relativ weit entfernt von ihrer Realität. Das ist der eine Punkt. Aber auch auf der Preisseite ist es so, dass diese Durchschnitte nicht unbedingt adäquat sind.

Wenn ich zum Beispiel schon vor der Inflation immer die Sachen gekauft habe, die im Angebot waren und jetzt auf einmal die Angebote verschwunden sind, dann habe ich auf einmal vielleicht eine Inflation von 30, 40 %, weil die anderen Dinge 30, 40 % reduziert waren, wo ich sie normalerweise gekauft hätte. Das heißt, dass sozusagen tatsächlich die Datenlage erstaunlich schlecht ist dazu, wie betroffen die Menschen tatsächlich waren von der Inflation im Verhältnis zu ihren Einkommen.

Philip BansePhilip Banse

Verstehe ja, die durchschnittliche landesweite Inflation in den USA wird also wie in Deutschland auch berechnet, indem man einen Mustereinkaufskorb nimmt, in dem halt von verschiedenen Produkten so repräsentativ Produkte abgebildet sind.

Es gibt aber Millionen von Menschen in den USA, die halt andere Produkte kaufen, mehr Produkte aus bestimmten Produktgruppen kaufen und für diese Produkte dann auch noch viel, viel mehr zahlen, weil zum Beispiel bisher Rabatte genutzt werden, jetzt nicht mehr genutzt werden, als das in diesem Durchschnittskorb angenommen wird.

Und wenn man also von bestimmten Produkten viel, viel mehr braucht, kaufen muss, zu viel, viel höheren Preisen als es im Durchschnitt angenommen wird, kann das halt im Alltag dazu führen, dass man wirklich massiv in finanzielle Probleme gerät und die individuell erfahrene Inflation viel, viel höher liegt als die ohnehin schon hohen fast 8 %, die 2022 in den USA galten.

Isabella Maria Weber

Ein weiterer Punkt auf der Messungsseite, und ich glaube, das ist relativ wichtig, ist, dass zwar im Durchschnitt die Reallöhne hier irgendwann dann wieder aufgeholt haben und das Lohnwachstum das Preiswachstum überholt hat. Also insofern es ein Wachstum der Reallöhne gab, das aber trotzdem der Medianlohn immer noch 0,7 % unter dem Vorkrisenniveau war und dass zusätzlich der Trend, also der Trend, in dem sich diese Reallöhne entwickeln, unter dem Trend vor der Covid Krise

lag. Das heißt, dass sozusagen die Geschwindigkeit des realen Anstiegs niedriger geworden ist. Wir haben es in den Polls immer, immer, immer wieder gesehen, dass die Leute gesagt haben, dass sie financial hardship haben, dass die Inflation ihnen wirkliche, ernstzunehmende Sorgen bereitet. Und da wurde viel zu lange drüber hinweg geschaut und gesagt, die Leute verstehen einfach nicht, dass die wirtschaftliche Lage ja eigentlich sehr gut ist.

Das ist alles nur eine Vibecession, also es ist nur eine Frage von Vibes und nicht eine Frage von real existierenden wirtschaftlichen Problemen. Dieser Diskurs wurde sehr stark auch von den Ökonomen in den USA befeuert und ich glaube, das war eine richtige Fehlentscheidung, man hätte anstattdessen fragen müssen, warum denken denn die Leute, dass es ihnen noch so schlecht geht? Wie kommt es dazu und was können wir tun, damit es ihnen besser geht?

Philip BansePhilip Banse

Okay, also zusammengefasst: Ja, die großen breiten Daten Wirtschaftswachstum, das sieht schon ganz okay aus. Aber die Inflation war hoch und für bestimmte Gruppen aufgrund der Messung extrem hoch. Auch nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich extrem hoch.

Und auch die Löhne haben sich nicht überall so entwickelt, wie das auf den ersten Blick zu sein schien, so dass die wirtschaftliche Not vieler, vieler Wähler tatsächlich groß ist und ein großen, entscheidenden, sagen Sie, Einfluss auf die Wahl gehabt hat. Sie haben ja jetzt schon 2021 davor gewarnt, dass eine hohe Inflation die Demokraten um diese Wahlen um den Wahlsieg bringen könnte. Was hätte denn Joe Biden dagegen tun können?

Isabella Maria Weber

Ja, also ich glaube, dass die politische Konsequenz der Inflation sehr lange massiv unterschätzt wurde. Das hat damit zu tun, dass wir seit Jahrzehnten in den reichen Ländern es nicht mehr mit Inflation zu tun hatten. Ich habe mich vor ein paar Monaten mit einem brasilianischen Regierungsbeamten unterhalten. Brasilien hat natürlich eine ganz intensive Geschichte von Inflation, der meinte, Arbeitslosigkeit schwächt Regierungen, Inflation tötet Regierungen.

Will heißen, dass wenn die Arbeitslosigkeit ansteigt, haben die Leute Verständnis, warum es ihnen schlechter geht. Sie haben ihren Job verloren. Wenn die Inflation ansteigt, geht es ihnen schlechter, ohne dass sie für sich selber einen erkennbaren Grund haben. Das ist ein Teil der Gründe, warum Inflation politisch so schädlich sein kann. In 2021 gab es im Grunde zwei Antworten auf die

Inflation. Die eine war, man müsse die Zinsen noch stärker und schneller steigern, als es damals angedacht wurde. Und die zweite war zu sagen, diese Inflation ist transitory, also es ist eine vorübergehende Inflation, und deshalb muss man sich eigentlich keine großen Sorgen machen, sondern man muss einfach nur warten, bis die Inflation wieder abgeschwächt ist. Beide Standpunkte sind meiner Ansicht nach fatal.

Die Idee, dass man mit Zinssteigerungen eine angebotsgetriebene Inflation, die von globalen Schocks ausging, die Übergewinne ausgelöst hat, die Unternehmen die Möglichkeit gegeben hat, Preise auf eine Art und Weise zu erhöhen, wie sie es ohne diese Schocks nicht hätten erhöhen können. Diese Art von Inflation mit Zinssteigerungen zu bekämpfen, ist ein bisschen so, als würde man Feuer mit Öl bekämpfen.

Die Idee, dass man einfach nur warten kann, bis die Inflation wieder runtergeht, wird der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage der Leute nicht gerecht. Wenn ich zum Beispiel eine alleinerziehende Mutter bin und zwei Kinder habe, für die ich einkaufen gehen muss und dann sagt die Regierung, ja, ja, keine Sorgen, in zwei, drei Jahren sind die Lebensmittelpreise wieder niedriger.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das hilft einem ja aktuell erst mal nicht weiter.

Isabella Maria Weber

Genau das ist einfach der blanke Hohn. Es erscheint als der blanke Hohn aus der Perspektive derjenigen, die wirklich in wirtschaftliche Nöte gekommen sind durch die Inflation. Deswegen habe ich dafür plädiert, dass es eine Erweiterung des Werkzeugkasten braucht. Die Werkzeuge über die man dann redet, sind keine schönen Werkzeuge. Das sind nicht die Werkzeuge, die man sich wünscht, wenn man sich irgendwie so eine Wunschwirtschaftspolitik an die Wand malt.

Aber die Situation ist einfach extrem brisant, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch. Und deswegen muss man auch über unpopuläre Maßnahmen aus der Sicht der Wirtschaftswissenschaft nachdenken. Eines der Instrumente, die es gibt, sind Preiskontrollen.

Ich habe niemals gefordert, dass man allgemeine Preiskontrollen einführen sollte, sondern es ging mir immer um eine Art von Preisbremsen, die der Logik entsprechen, wie die Energiepreisbremsen, die ja dann auch in Deutschland eingeführt wurden in 2022. Man hätte zum Beispiel im Lebensmittelbereich auch eingreifen können. Man hätte sagen können, der Lebensmittelsektor ist extrem konzentriert. Es gibt nur wenige Supermarktketten, die den Markt mehr oder weniger komplett kontrollieren.

Man hätte mit diesen weniger als zehn Unternehmen zusammenarbeiten können und sagen können, man definiert einen Korb an essenziellen Gütern, die die Menschen einfach brauchen. Und für diesen Korb dürfen die Preise nicht mehr steigen als ein bestimmter Prozentsatz oder werden auf dem Preis von einem bestimmten Datum eingefroren. Und wenn das zu einem Problem wird für diese Unternehmen, kann man darüber nachdenken, ob man das durch Subventionen kompensiert bzw.

diese Unternehmen müssen nachweisen, dass es tatsächlich zu einer Situation führt, die ihre Profite unter das Vorkrisenniveau runterdrückt. Das ist ein Vorschlag, der durchaus möglich gewesen wäre, der auch so hätte gestaltet werden können, dass bei den Wählerinnen und Wählern ankommt, dass die Regierung tatsächlich etwas macht, um zu helfen, wo der Schuh drückt.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, schauen wir mal auf das deutsch amerikanische Verhältnis, insbesondere auf die Situation der Wirtschaft. Was bedeutet denn der Wahlsieg von Donald Trump? Wird die Situation jetzt schwieriger für die deutsche Exportwirtschaft?

Isabella Maria Weber

Na ja, also ich glaube, man kann sich schon darauf einstellen, dass Trump keine guten Nachrichten für Europa sind. Trump hat ja ganz klar gesagt, dass er die Zölle erhöhen möchte. Er hat natürlich nicht klar gesagt, wie er sie erhöhen möchte und wie er das alles machen möchte. Aber dennoch ist relativ klar, dass es Zollerhöhungen geben wird, die durchaus auch durch die Bank Zollerhöhungen sein können.

Das ist natürlich ein Problem für die deutsche Exportwirtschaft, weil es die Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft unterwandert, weil eben einfach pauschal die Dinge, die aus Europa und aus Deutschland und aus der ganzen Welt kommen, entsprechend teurer werden. Und er hat an mancher Stelle tatsächlich auch von 20 % Zöllen auf alles gesprochen. Also wenn so was in der Art umgesetzt wird, bedeutet das definitiv, dass der Marktzugang sich verschlechtert und dass die Exportperspektiven sich

verschlechtern. Das Ganze zusammengenommen mit der Divergenz der Energiekosten könnte durchaus einen zusätzlichen Anreiz schaffen für auch deutsche Unternehmen, dann lieber in den USA zu investieren, in USA zu produzieren für die USA, anstatt in Europa, in Deutschland für die USA zu produzieren und dann zu exportieren.

Philip BansePhilip Banse

Blicken wir mal nach Deutschland. Da haben wir ja auch wirtschaftliche Probleme, die sind ein bisschen anders gelagert. Die Inflation hierzulande ist wieder deutlich runtergegangen und auf ein würde ich mal sagen händelbares Niveau um die rund plusminus 2 % gesunken. Und trotzdem ist natürlich hier der Streit, und darüber ist ja auch die Regierung zerbrochen, wie soll die deutsche Wirtschaft wieder angekurbelt werden? Was soll genau passieren?

Christian Lindner, der ehemalige scheidende geschiedene Finanzminister, hatte kurz vorher ein Papier vorgelegt, 18 Seiten, in dem er so wesentliche zentrale Punkte aufgelistet hat, die aus seiner Sicht die deutsche Wirtschaft nach vorne bringen können. Darunter ein wichtiges Thema pauschale Steuersenkungen also für Spitzenverdiener. Soli soll weg, aber eben auch Steuersenkungen für die Wirtschaft. Welche Auswirkung hätte sowas auf die deutsche Wirtschaft in Ihren Augen?

Isabella Maria Weber

Ja, also erst mal vielleicht noch mal ganz kurz einen Schritt zurückgetreten, denke ich, dass das Wahlergebnis in den USA wirklich als eine absolute Warnung für Deutschland stehen sollte. Wie ja vorhin schon rausgekommen ist, ist die wirtschaftliche Lage in Deutschland deutlich schlechter als in den USA.

Dennoch wird die Unzufriedenheit mit Inflation und den Themen des leistbaren Lebens in Deutschland genauso schwerwiegend, wenn nicht noch schwerwiegender sein als in den USA, weil in Deutschland wir tatsächlich ein Reallohnrückgang von 8 % gegenüber dem Vorkrisentrend erfahren haben. Insofern ist die Situation in Deutschland noch viel prekärer als in den USA.

Eine Umverteilung von unten nach oben, wie sie Christian Lindner jetzt vorgeschlagen hat, ist, denke ich, genau die falsche Antwort, weil wir ja bereits eine Inflation erlebt haben, die zu einer Umverteilung von unten nach oben geführt hat. Sozialstaatsabbau ist auch genau die falsche Antwort, weil wir es ja auch mit einer Nachfragekrise zu tun haben, die eben mit diesem Reallohneinbruch zusammenhängt.

Auch die Idee, dass man jetzt sozusagen Pauschalsteuern senkt für Unternehmen, ist, glaube ich, genau die falsche Antwort, insbesondere wenn man es zusammen nimmt mit dem Vorschlag, die Klimaschutzförderung zu kürzen, wo man eine Situation hat, in der man pauschal Steuern senkt und damit sozusagen gewissermaßen pauschal versucht, den Anreiz zu setzen, gleichzeitig aber in den Bereichen, in denen wir wirklich Wachstum brauchen, in den grünen Bereichen, die wir ausbauen müssen, um mit dem

Klimaschutz voranzukommen, die Anreize rausnimmt. Das ist aus der Perspektive der Realität von Klimawandel eine verantwortungslose Politik.

Und natürlich ist das nur die Spitze des Eisbergs dessen, was Lindner in den letzten Jahren wirtschaftspolitisch an Schaden verursacht hat, da er ja über die ganzen Jahre hinweg es im Grunde verhindert hat, dass man die Schuldenbremse aussetzt, was absolut notwendig gewesen wäre, um Staatsausgaben in der Höhe zu tätigen, die notwendig sind, um aus der Krise zu kommen und um sozusagen den enormen finanzpolitischen Spielraum, den Deutschland ja hat, mit der sehr niedrigen

Staatsverschuldungsquote zu nutzen, um ein Anstoß in die Zukunft zu geben.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Da würde ich direkt mal ansetzen. Wie sollte denn aus Ihrer Sicht dieser finanzielle Spielraum, wenn er denn zum Beispiel über den Weg einer Ausnahme von der Schuldenbremse auch genutzt werden sollte, wie sollte dieser Spielraum dann ganz konkret in staatliche Investitionen umgesetzt werden? Also sollten da an bestimmter Stelle Steuern gesenkt werden, oder halten Sie da mehr von gezielter Subvention?

Isabella Maria Weber

Also ich glaube, die große Lektion des Wahlergebnisses der USA ist, dass es nicht reicht, darauf zu setzen, dass man Investitionen in der Wirtschaft ankurbelt, die dann irgendwann bei den Leuten ankommen, sondern dass man in den Investitionsprogrammen auch von den Bedürfnissen der Leute ausgehen muss.

Das heißt, das in der Art und Weise, wie investiert wird, man nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im Blick haben darf, sondern dass man auch ganz systematisch schauen muss, wie können diese Investitionen getätigt werden? Auf eine Art und Weise, die das Leben der Leute verbessern, damit die Leute wieder Vertrauen in das System, Vertrauen in die Demokratie zurückgewinnen und nicht der AfD in die Hände laufen.

Philip BansePhilip Banse

Mal ein paar Beispiele. Ganz konkret. Also wo müssten Subventionen, wo müsste Steuergeld rein fließen, damit genau das passiert? Die Leute mit wenig, relativ wenig Geld spüren, es verbessert sich was.

Isabella Maria Weber

Na ja, eine riesige Baustelle ist natürlich die ganze Frage von Wohnen. Und da ist das Problem natürlich, dass bis man neuen Wohnraum geschaffen hat, Zeit vergeht und man insofern wahrscheinlich eine Kombination braucht aus einem sehr ambitionierten Bauprojekt. Die Gelder lagen ja lange bei der Bauministerin herum.

Das heißt, es mangelt noch nicht mal in diesem Fall allein an dem Finanzspielraum, sondern es mangelt auch an dem Umsetzungswillen und der Planung, tatsächlich Projekte ans Land zu bringen und die dann auch schnell umzusetzen. Und gleichzeitig aber auch das ganze Thema von Mietendeckel. Was mir klar ist, dass es ein kontroverses Thema ist in Deutschland. Aber trotzdem ist es, glaube ich, ein Thema, an das man

ran muss. Es gab ja das Verfassungsgerichtsurteil, das gesagt hat, dass da die Berliner Mietpreisbremse so nicht richtig ist, aber-

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Aber ja nur aus Kompetenz gründen, nicht aus materiellen Gründen.

Isabella Maria Weber

Richtig.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

In Berlin war nur nicht dafür zuständig. Grundsätzlich ist es verfassungsrechtlich durchaus zulässig.

Isabella Maria Weber

Richtig, Vielen Dank.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das müsste halt nur der Bund handeln.

Isabella Maria Weber

Genau. Das heißt ja im Umkehrschluss auch, der Bund hätte die Möglichkeit, das zu tun. Das heißt, wenn man jetzt sozusagen eine Mietenstabilisierungsmaßnahme auf der einen Seite tätigen würde und dann auf der anderen Seite ein ambitioniertes Wohnbauprojekt, das durch staatliche Investitionen vorangetrieben wird, umsetzt, dann könnte man dieses Problem zum Beispiel in den Griff bekommen.

Gleichzeitig gilt auch, dass man beim Infrastrukturausbau eben ganz systematisch überlegen muss, wo sind die Bedürfnisse der Leute? Wenn wir zum Beispiel das unselige Thema Bahn ansprechen, muss man da, glaube ich, auch gar nicht so furchtbar lange drüber nachdenken, was die Leute wollen.

Ich meine, die Leute wollen pünktliche Züge, die Leute wollen Züge, die sie bezahlen können, und die Leute wollen, dass sie sich auf die Fahrpläne so verlassen können, dass die Fahrpläne so funktionieren, dass sie von da, wo sie herkommen, da hinkommen, wo sie hin müssen.

Also das sind eigentlich sehr offensichtliche Probleme, die man aber eben nicht lösen kann, wenn man die Bahn als privatwirtschaftliches Unternehmen behandelt, die man aber schon lösen kann, wenn man die Bahn als Bereitstelle eines öffentlichen Gutes, das absolut zentral ist, behandelt.

Philip BansePhilip Banse

Da ist ja die Ampel da dran, aber schnelle Lösungen sind da nicht zu erwarten. Ich meine, die machen ja schon und bauen und sanieren. Aber bis da wirklich Pünktlichkeitsverbesserungen deswegen eintreten, da werden Jahre ins Land gehen. Also Sie sprachen ja gerade davon, dass sofort die Leute merken müssen, hier tut sich was, hier wird uns mit Subventionen konkret geholfen.

Isabella Maria Weber

Richtig. Deswegen glaube ich, dass das ganze Thema Mietpreisbremse tatsächlich das Thema ist, mit dem man die meisten Deutschen erreichen könnte, die wirklich Schwierigkeiten haben und die sich eine bessere wirtschaftliche Lage nicht nur wünschen, sondern die auch brauchen, da man damit eben zum Beispiel sehr schnelle Ergebnisse erzielen könnte und Deutschland weiterhin eine Nation der Mieterinnen und Mieter ist. Das heißt, das wäre eine Maßnahme, die man schnell umsetzen kann.

Und es braucht eben beides. Es braucht Maßnahmen, die schnell umsetzbar sind und Maßnahmen, die klar in der mittleren Frist die Situation verbessern.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Schauen wir doch noch mal auf die Einnahmenseite des Staates. Sie haben ja schon formuliert, dass Deutschland im internationalen Vergleich relativ große Spielräume hätte, um neue Schulden zu machen, einfach weil die Verschuldungsquote relativ niedrig ist, die Staatsschuldenquote. Aber Schulden sind ja nicht der einzige Weg, um Einnahmen zu

generieren. Eine Alternative wären zum Beispiel Steuererhöhungen, ganz gezielte Steuererhöhungen, beispielsweise bei der Erbschaftssteuer für sehr große Erbschaften oder sogar eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer, dann mit entsprechend hohen Freibeträgen, sodass tatsächlich nur das 1 % der reichsten Menschen betroffen

wäre. Wie würden Sie aus einer ökonomischen Perspektive diese Wege beurteilen, um quasi nicht die Einkommen zu belasten, sondern das kristallisierte Einkommen, also die Vermögen der Leute?

Isabella Maria Weber

Ja, also erstmal ist es, glaube ich ganz wichtig vorwegzuschicken, dass um Staatsausgaben zu tätigen, es nicht nötig ist, Steuern zu erhöhen, wenn das einzige Ziel ist, die Staatsausgaben zu erhöhen. Aber wir haben natürlich in Deutschland auch eine Ungleichheitskrise, die ist ein moralisches Problem und ein gesellschaftliches, ein politisches Problem. Die ist aber auch ein ökonomisches Problem. Und um diese Krise anzugehen, sind Vermögenssteuern, Erbschaftssteuern natürlich ganz zentral.

Und die Tatsache, dass das nicht getan wird, obwohl man so tut, als könnte man nicht mehr Geld ausgeben, zeigt ja auch, dass es eine politische Entscheidung ist, das eben nicht anzugehen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Okay, aber wie würden Sie denn die ökonomischen Folgen beurteilen? Eine große Sorge, die ja manche Menschen umtreibt, ist wenn man zum Beispiel Vermögens- und Erbschaftssteuer einführt bzw anhebt, dann werden die Menschen serienweise, also gerade reichere Menschen, serienweise das Land verlassen und das würde dann im Zweifel wieder zum Verlust von Arbeitsplätzen führen. Also was halten Sie denn von solchen Szenarien?

Isabella Maria Weber

Ich glaube, dass die Menschen serienweise das Land verlassen werden, wenn die AfD an der Regierung ist, weil dann wird es nämlich wirklich ungemütlich. Aber dass Vermögenssteuern und Erbschaftssteuern in der Regel nicht der Grund sind, dass Leute tatsächlich das Land verlassen. Dazu gibt es auch empirische Forschung. Gerade beim Thema Erbschaftssteuer gibt es ja auch gar nicht so viele Möglichkeiten, überhaupt das Land zu verlassen und das Erbe mitzunehmen.

Insofern würde ich sagen, dass wir viel zu lange in diesem Diskurs gefangen waren, dass, wenn wir das tun, irgendwie unsere guten Eliten die Flucht ergreifen und das uns letztlich davon abgehalten hat, wirtschaftspolitische Maßnahmen zu ergreifen, die nötig sind, um die Eskalation der Ungleichheitskrise zu verhindern und die damit dem Aufstieg der extremen Rechten in die Hände gespielt haben. Auf eine Art und Weise, dass es jetzt eben tatsächlich sehr ungemütlich werden könnte in Deutschland.

Philip BansePhilip Banse

Okay, also binde ich das mal noch zusammen. Sie sagen, um quasi die Lehren aus Amerika ernst zu nehmen, bedeutet, dass die Leute hier gerade Leute mit wenig Geld und wenig Einkommen brauchen staatliche Subventionen, die sie sofort spüren. Mietpreisbremse bundesweit wäre ein Mittel. Gibt sicherlich auch noch andere. Sie sagen Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer, also Besteuerung sehr, sehr großer Vermögen wäre kein Muss, aber durchaus angesagt, moralisch und auch volkswirtschaftlich.

Was würden Sie denn zum Abschluss sagen, wenn wir jetzt auch gerade die deutsche Regierungsumbildung haben und die Chance auf eine Lockerung der Schuldenbremse? Was wäre denn noch eine Maßnahme, wo Sie sagen, also, darüber redet irgendwie niemand. Das müsste Deutschland machen, um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten hierzulande in Griff zu kriegen.

Isabella Maria Weber

Nur ganz kurz, wenn ich da einmal reingrätschen darf. Ich sage nicht, dass die Vermögens- und Erbschaftssteuer kein Muss ist. Ich sage, dass sie ein Muss ist, um die Ungleichheitskrise anzugehen, dass sie aber keine Voraussetzung ist, um die Staatsausgaben zu erhöhen, da wir enormen Spielraum haben, weil die Staatsverschuldungsquote so niedrig ist.

Philip BansePhilip Banse

Okay, gut, aber was ist dann, was steht noch auf der Liste, wo wir vielleicht nicht drüber geredet haben? Oder sie sagen also da müsste man mal drüber reden. Gerade mit Blick auch auf Deutschland jetzt.

Isabella Maria Weber

Also ich denke, dass es weitere Maßnahmen braucht, die den Leuten vermitteln, dass die Bekämpfung des Klimawandels etwas ist, was gut ist für ihre, für ihr alltägliches Leben, für den alltäglichen Lebensstandard. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel zu sagen, dass Mieterinnen und Mieter von Vermietern fordern können, dass sie Wärmepumpen einbauen und die Vermieter dann für diesen Einbau der Wärmepumpen kompensiert werden.

Damit würde man ein klares Signal senden, dass Leute, die mittlerweile in Deutschland im Sommer zu Hause sitzen und schwitzen und nicht mehr arbeiten und denken können, dass denen sozusagen eine Technologie zur Verfügung gestellt wird, die ihr Leben tatsächlich besser macht, es ihnen aber nicht aufgedrängt wird, nicht per Regulierung, per Gesetz aufoktroyiert wird, sondern als Angebot entgegengebracht wird. Es ist nur eine Maßnahme, natürlich nur ein Vorschlag.

Aber diese Art von Denkweise brauchen wir in ganz vielen Bereichen, um sozusagen an die Erfahrung der Leute direkt ranzukommen. Ich würde auch sagen, dass das ganze Thema CO2 Preise ein sehr gefährliches Thema ist. Wir haben eine Studie gemacht für die Bertelsmann Stiftung, wo wir zeigen, dass es beim Übergang von ETS eins zu ETS zwei durchaus zu enormen Preissprüngen bei den CO2 Preisen kommen würden, die inflationär sein könnten, die wiederum die essenziellen Sektoren treffen.

Philip BansePhilip Banse

Also das muss man mal kurz erklären. Übergang ETS eins, ETS zwei, da geht es um den Preis von CO2 Emissionen. ETS eins bedeutet, für die Bereiche Energie und Industrie zum Beispiel wird der Preis für eine Tonne CO2 auf einem Markt mittlerweile verhandelt und in der Tendenz geht dieser Preis für CO2 in diesen Bereichen halt nach oben. Für die Bereiche Verkehr und Wärme wird aktuell noch der Preis staatlich festgelegt in Deutschland.

Was kostet eine Tonne CO2 um eine Wohnung zu heizen, um ein Auto zu betreiben? Das ist momentan noch staatlich festgelegt, wird aber demnächst auch in einen europaweiten Handel übergehen. Dann wird der Preis für eine Tonne CO2, für die Heizung oder für den Diesel europaweit

gehandelt. Und die Befürchtung ist, dass eine Tonne dann nicht wie aktuell 45 € kostet, staatlich festgelegt, sondern eben 200, vielleicht 250 oder 300 € kosten kann, was dann Autofahren und Heizen eben entsprechend teuer machen könnte, wodurch dann eben Leute mit weniger Geld in ernsthafte Probleme kommen können. Das ist so ein bisschen die Idee.

Isabella Maria Weber

Das ist meiner Ansicht nach extrem gefährlich. Vor dem Hintergrund der Wahl in den USA und der Rolle der Inflation, die wir dort beobachten könnten. Deswegen braucht es auch Maßnahmen, die dazu beitragen, dass die Preisinstabilität in Kernbereichen wie zum Beispiel auf den Strommärkten, auf den Energiemärkten, dass die reduziert wird, um neuen Schocks vorzubeugen.

Das sind aber natürlich nach vorne gerichtete Maßnahmen, die aber nicht weniger wichtig sind, da, wenn solche Schocks kommen, die Konsequenzen sehr groß sein können.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Letzter Punkt vielleicht, Stichwort Klimageld. Das ist ja nun in dieser Legislaturperiode leider nicht umgesetzt worden. Vor allem deswegen, weil das Finanzministerium unter Christian Lindner da viele, viele technische Probleme gesehen und, sagen wir mal, jetzt hoffentlich bald gelöst haben wird. Was halten Sie denn aus einer ökonomischen Perspektive von einem solchen Instrument? Ist das geeignet, tatsächlich Inflationsbelastung und Preisschocks gerade für untere Einkommensgruppen zu verhindern?

Isabella Maria Weber

Klimageld ist erst mal eine schöne Idee, aber ich glaube, dass es letztlich nicht ausreicht, um mit diesen Schocks umzugehen.

Da wir wiederum, das ist ein Ergebnis, das sich auch jetzt mit der Wahl in den USA abgezeichnet hat, wo ja für viele Leute die Einkommen dann schon nachgezogen haben, das heißt ihre Realeinkommen eben nicht so eingebrochen sind, wie sie in Deutschland eingebrochen sind, sie aber trotzdem am Ende des Tages aus Frustration für Trump gestimmt haben, weil eben der Effekt von solchen Preisschocks sich sehr anders abbildet als der Effekt von Einkommensanpassungen.

Und das Klimageld ist ja die Idee, dass man sozusagen einerseits mit den gestiegenen CO2 Preisen höhere Kosten hat und dann aber durch diese Geldzahlungen kompensiert wird. Was genau das gleiche Problem haben könnte, wie was wir jetzt eben in den USA beobachtet haben. Insofern ist das Klimageld ökonomisch natürlich sehr sinnvoll.

Politökonomisch glaube ich aber nicht ausreichend, um die zunehmende Skepsis gegenüber klimapolitischen Maßnahmen, die zunehmende Unterstützung gegenüber rechtsextremen Parteien wie der AfD entgegenzutreten.

Und ich finde, wir sind in Deutschland an einem Punkt, wo wir nicht mehr sagen können, dass die Wirtschaftspolitik nur auf Prinzipien von Optimalität innerhalb von Wirtschaftsmodellen gestaltet werden kann, sondern dass die Wirtschaftspolitik auf eine Art und Weise gestaltet werden muss, die möglichst systematisch versucht, einem weiteren Aufstieg der AfD etwas entgegenzusetzen.

Und ich glaube, das muss tatsächlich eine absolute Priorität werden für alle, die sich als Demokratinnen und Demokraten verstehen und die aus der deutschen Geschichte gelernt haben.

Philip BansePhilip Banse

Ein schönes Schlusswort. Isabella Weber, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der University of Massachusetts in Amherst in den USA. Ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit und Informationen in der Lage der Nation.

Isabella Maria Weber

Vielen herzlichen Dank für die Einladung. Hoffen wir, dass die Lage der Nation sich bald verbessert.

Philip BansePhilip Banse

Ja, also, das fand ich ja wirklich ein ganz interessantes Interview. Also interessant fande ich, was habe ich mitgenommen? Ich habe mitgenommen, dass solides Wirtschaftswachstum in einem Staat nicht bedeutet, allen Leuten geht es gut und ich habe verstanden, warum wirklich diese Inflation, die hohen Preise für viele Leute katastrophale Auswirkungen hatten und haben und sie auch dazu bewogen haben zu sagen, Schluss reicht, Ende aus, Wechsel. Irgendwas muss sich ändern.

Biden ist Mist, Trump auch, aber ich nehme jetzt Trump.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und das ist halt, das ist halt, glaube ich wirklich was, und sie hat ja auch mehrfach gesagt, das ist eben genau der Effekt, der auch dazu führt, dass Leute in Deutschland AfD wählen. In Deutschland haben wir noch Spezialdiskurse, Stichwort Migration als Scheinproblem, Migration als, Migrantinnen und Migranten als Sündenböcke. Aber im Kern ist das, glaube ich, schon das, was man unbedingt lernen muss aus diesen Wahlen. Es geht ums Portemonnaie.

Und im weiteren Sinne geht es auch um die Infrastruktur, um die Erfahrung von Staat vor Ort. Wie Was krieg ich mit? Jetzt mal ganz platt gesagt. Liefert Demokratie für mich? Ist Demokratie für mich persönlich in meinem Leben ein gutes System, Ja oder nein? Und wenn das nicht stimmt, wenn die Leute das Gefühl haben, ich habe keine Kohle mehr und der Bus fährt nicht, dann ist dir irgendwann egal, ob es demokratisch ist oder nicht.

Und dann setzen eben 30 % oder schlimmstenfalls noch mehr Leute setzen dann auch auf undemokratisch.

Philip BansePhilip Banse

Ja und das ist wahrscheinlich, liefert der Staat? Liefert die Demokratie? für mich persönlich nicht das einzige Kriterium. Aber wenn der Staat gar nicht für mich liefert oder unter einen bestimmten Threshold fällt.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Unter so eine Schwelle.

Philip BansePhilip Banse

Unter so eine Schwelle fällt dessen, was er für mich persönlich liefert, dann ist das halt zu wenig. Dann ist es nicht das, was die Leute erwarten. Und da kommen wir zu dem Punkt, was sie auch gesagt hat. Wir brauchen Investitionen, die die Leute sofort merken. Wärmepumpe wird komplett bezahlt, wenn der Mieter es vom Vermieter verlangt.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Genau. Und damit sinken dann nämlich die Heizkosten sofort. Das muss man sehen.

Philip BansePhilip Banse

Oder die Leute, die eine Wärmepumpe bei sich einbauen wollen in ihrem Haus, die kriegen das halt komplett bezahlt.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Oder selbst wenn man sagt das ist, das ist nicht zu bezahlen, dann muss es halt irgendwie abgestottert werden über einen so langen Zeitraum, dass es die Leute nicht mehr ernsthaft als Belastung wahrnehmen. Ich glaube, das ist eine ganz zentrale Botschaft. Der Staat muss da einfach mehr für die Leute da sein, denn Haushaltsdisziplin, wie das immer so euphemistisch heißt, also eine Politik der leeren Kassen, führt einfach dazu, dass wir uns auf gut Deutsch die Demokratie kaputt sparen.

Und das, ich glaube, das ist etwas, was Christian Lindner einfach nicht begreifen will. Wir haben da, wir haben zwar in Deutschland nach 20, 30 Jahren krasser Sparpolitik eine sehr gute Haushaltssituation in dem Sinne, dass wir kaum Schulden haben, hat sie auch gesagt, im internationalen Vergleich eine sehr geringe Schuldenquote. Aber wir haben eben 20, 30 % AfD. Nein, nun, natürlich nicht monokausal, aber diesen Zusammenhang muss man einfach sehen.

Und was natürlich Christian Lindner auch nicht so gerne gehört haben wird, ist die Tatsache, dass Wirtschaftswachstum alleine eben den Menschen überhaupt nicht zwingend was bringt in ihrem Portemonnaie. Und das kann eben nur durch bestimmte gezielte staatliche Investitionen passieren. Und was sie ja auch ganz deutlich sagt Stichwort Mietmarkt durch Regulierung. Du musst eben hier und da auch mal Preise deckeln.

Philip BansePhilip Banse

Ja, und letzter Punkt, den ich auch noch mitgenommen habe, dass die Situation in Deutschland, verglichen auch gerade mit den USA, schlechter ist für viele als in den USA. Reallohnverluste von 8 % im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit ist substanziell. Und das ist der Grund, warum auch Leute sich beschweren.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Oder abgehängt fühlen.

Philip BansePhilip Banse

Oder abgehängt fühlen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Warum sie, warum zum Beispiel gerade weniger einkommensstarke Milieus sich so von der SPD abwenden. Das macht ja auch alles total Sinn. Also ich glaube, diese ökonomische Perspektive wird einfach tendenziell komplett unterschätzt für den Wahlerfolg der AfD, für den Wahlerfolg des BSW. Oder generell für die, sagen wir mal, Vertrauensverluste in die Demokratie. Das, finde ich, ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Das wird völlig

unterschätzt. Wir reden die ganze Zeit über Migration, als sei Migration ein Riesenproblem. Aber in Wirklichkeit geht es um das Portemonnaie.

Philip BansePhilip Banse

Richtig, Es geht ums Portemonnaie. Und, würde ich als Teil davon unter der Überschrift "Erfahrbare Leistung des Staates" auch eben Infrastruktur nennen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das ist das zweite Ding.

Philip BansePhilip Banse

Meine Wärmepumpe meinetwegen wurde dann bezahlt. Aber Bahnfahren, öffentlicher Nahverkehr, funktionierende Straßen, Schulen und so fallen da mit rein.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Vielleicht muss man einfach mal ein bisschen Geld in die Hand nehmen für den Nahverkehr. Ich meine, wenn man sich die Summen anguckt, was zahlt der Bund an Regionalisierungsmittel ein?

Philip BansePhilip Banse

13, knapp 13 Milliarden € in 2024.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Vielleicht kann man da mal 25 % drauflegen. Damit könnte man ja ein Feuerwerk abbrennen, was Buslinien und Regionalbahnen angeht. Ein Feuerwerk. Und ich finde das immer wieder faszinierend, wofür in Deutschland Geld da ist. 60, 70 Milliarden klimaschädliche Subventionen. Aber für Busse ist die

Kohle nicht da. Also ja, ich finde, wir wollen jetzt nicht ins Tausendstel kommen, aber ich finde es einfach total interessant, gerade aus der Perspektive dieser Wahlkatastrophe in den Vereinigten Staaten mal zu schauen, was machen wir eigentlich in Deutschland bislang falsch?

Philip BansePhilip Banse

Das war die Lage der Nation vom Donnerstag, 7. November 2024. Eine wahrlich historische Lage, eine historische Woche. US Präsident neu gewählt. Donald Trump ist zurück. Die deutsche Ampelkoalition hat sich in Luft aufgelöst. Wir werden hier Neuwahlen erleben. Es wird nicht langweilig.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Es wird nicht langweilig. Schön, dass ihr dabei wart. Wir wünschen euch einen schönen Rest der Woche.

Philip BansePhilip Banse

Werdet nicht depressiv.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Werdet nicht depressiv. Philip und ich machen hier auch immer Gruppentherapie. Ich kann nur sagen, das tut wirklich gut. Und wir hoffen, wir helfen euch ein bisschen damit, mit dieser Situation klarzukommen. Und wir können euch zugleich sagen, an diesem Wochenende gibt es noch mal eine Speziallage. Wir sagen jetzt noch nicht was, kleiner Cliffhänger, wir werden uns morgen noch mal ins Studio setzen, noch mal ein, zwei Stündchen für euch aufnehmen und sind sehr gespannt, was ihr dazu sagt.

In diesem Sinne auf bald.

Philip BansePhilip Banse

Alles Gute und gründet ein Gesprächskreis, das hilft.

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