
Herzlich willkommen zur Lage der Nation. Ausgabe Nummer 394, aufgenommen am 3. Juli 2024 und an den Mikrofonen begrüßen euch heute Ulf Buermeyer. Das bin ich und...

Philip Banse, Journalist. Ganz herzlich willkommen auch von mir. Ja, ihr habt es wahrscheinlich mitbekommen. Die reguläre Lage ist noch ein bisschen in der Sommerpause. Anfang September geht es wieder los. Aber bis dahin haben wir ja alle zwei Wochen ungefähr für euch ein langes Sommerinterview aufgenommen. So auch in dieser Woche. In der aktuellen Folge wollen wir uns nämlich mal aus ökonomischer Perspektive vor allem dem Thema Migration nähern.

Also nicht emotional oder kulturell. Das sind auch legitime Perspektiven, sondern diesmal eher so ein bisschen mit dem Taschenrechner. Uns interessiert, was die Volkswirtschaft zu Vorteilen und Nachteilen von Migration zu sagen hat. Und wir möchten besser verstehen: Lässt sich Migration überhaupt kontrollieren? Lässt sie sich steuern? Und selbst wenn das möglich ist, sollten wir das eigentlich tun aus einer wirtschaftlichen Perspektive?

Welche Bedeutung hat Migration also aus volkswirtschaftlicher Sicht, wenn wir Migration denn steuern wollen? Geht das überhaupt? Und falls ja, wie gehen wir das am besten an?

Und auf der Suche nach Antworten sind wir in Kiel gelandet, sitzen im Kiel Institut für Weltwirtschaft, kurz IFW. Und hier forscht zu diesen Fragen Professor Dr. Matthias Lücke. Er ist Honorarprofessor an der Universität Kiel. Herzlich willkommen in der Nation, Professor Lücke.
Vielen Dank für die Einladung.

Herr Lücke, Sie waren jahrelang Koordinator des Forschungsprojekts Mercator Dialogue on Asylum and Migration in Europe, kurz MEDAM und haben da sich ausführlich mit unter anderem diesen Fragen beschäftigt, die wir da oben skizziert haben. Vielleicht sagen Sie noch mal ganz kurz: Was ist MEDAM? Was haben Sie da geforscht?
Bei MEDAM ging es darum, auf der einen Seite die aktuelle Asyl- und Migrationspolitik in Europa, also ob auf der EU Ebene und bei den EU Mitgliedsstaaten zu begleiten und auf der anderen Seite akademische originale Forschung zu machen. Insbesondere zuletzt zu den Fragen: Wie wird eigentlich Migration in Afrika gesehen? Wie entscheiden sich Menschen, ob sie migrieren wollen? Wie führt man einen sinnvollen Dialog mit afrikanischen Staaten über Migrationsmanagement?
Das waren zuletzt die großen Punkte.

Und dieses Projekt MEDAM ist inzwischen abgeschlossen. Es gibt aber ein Nachfolgeprojekt, das auf den schönen Namen Dynamik hört Es lebe das Akronym. Und vor diesem Hintergrund haben wir den Eindruck, sind Sie einfach sehr nah dran an der wissenschaftlichen Begleitung von Migration.
Und Sie haben in einem Bericht geschrieben, die diversen Krisen von Covid bis zum Ukrainekrieg, diese Krisen hätten überschattet eine Debatte "on how well managed migration can create opportunities and attract talent trough which migrants contribut to the continent." Was meinen Sie denn mit gut gemanagter Migration?
Wir haben ja die Beobachtung, dass Länder wie Australien und Kanada als Vorbilder gelten für gute Migration. Und wir sehen auch, dass diese Länder sehr genau schauen, ob denn die Zuwandernden überhaupt eine Chance haben, im Land auf dem Arbeitsmarkt anzukommen und darauf zu achten, zu schauen, wie kommen Menschen an, wer kommt? Wie müssen wir diesen Menschen begleiten, damit sie sozial und wirtschaftlich integriert sein
sollen? Das ist spontan erst mal mein Verständnis von gut gemanagter Migration.

Können wir gleich noch mal drüber drüber reden. Also notieren wir uns vielleicht für unten mal Kanada, Australien, so als Vorbilder für gemanagte Migration. Aber wir wollen das mal so ein bisschen der Reihe nach aufdröseln. Also bevor Leute hierherkommen nach Europa und dann irgendwie gemanagt werden können als Migranten und Migrantinnen sollten wir vielleicht mal gucken, wie es losgeht. Also welche Faktoren, welche Dinge bringen Menschen dazu, ihr Heimatland zu verlassen?
Wann entscheiden Sie sich dafür, auf die Flucht zu gehen oder zu migrieren? Es ist ja nicht immer Flucht, sondern es ist ja einfach auch eine Auswanderung. Wann machen Sie das? Was sind die Kriterien?
Ja, ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es gibt eben ein weites Spektrum an Motivationen. Flucht ist der eine Punkt, aber selbst Flucht ist oft gemischt mit ganz vielen anderen Motivationen. Typischerweise gibt es ja auch, das ist in Dynamik ein Thema, längliche Migrationswege. Also Menschen gehen erst in ein Land, wo sie erst einmal Aufnahme finden, zum Beispiel syrische Flüchtlinge in die Türkei.
Und dann entscheiden sich viele, dort zu bleiben und einige entscheiden sich auch weiterzugehen. Und das sind natürlich dann ganz andere Entscheidungsmechanismen wieder, die die dazu tragen kann bei den weiteren Schritten als bei dem klaren Eindruck hier fallen Bomben, ich muss hier weg. Selbst dann bleiben ja einige Leute
da. Aber das, das ist natürlich ein starker Faktor und ich könnte einmal kurz darauf eingehen, wie denn ein sinnvoller analytischer Rahmen aussieht, weil so viel über Push und Pullfaktoren geredet wird.

Dafür haben wir die Zeit hier.
Das ist natürlich immer so, dass Menschen sich überlegen Wie sieht mein Leben jetzt aus? Wie würde mein Leben in Zukunft aussehen? Wie stelle ich mir das vor, in einem Zielland, in einem anderen Zielland zuhause? Und dann gibt es eine Abwägung halt. Und so muss man dann zumindest unterscheiden. Natürlich gibt es Push Faktoren, also Faktoren im Heimatland, die die Leute dazu bringen zu sagen Ich will hier weg. Das kann Krieg sein.
Und bei der Migration, die wir im Augenblick nach Europa beobachten, ist es natürlich sehr oft Krieg. Also die allermeisten Asylsuchenden kommen aus Ländern mit Krieg oder Bürgerkrieg und haben deshalb auch relativ gute Aufnahmechancen, wenn sie es denn bis hierhin schaffen, also Chancen, die Schutzantrag anerkannt zu kriegen. Aber es gibt natürlich auch Faktoren, die die Leute im Land zu Hause halten.
Beziehungen zu Familie, Verwandtschaft, Freunden das alles sind Stay at Home Faktoren sozusagen, die gegen die Pushfaktoren abgewogen werden. Und das gleiche gibt es auch auf der Zielländer Seite. Es gibt Pullfaktoren, zum Beispiel die Idee Ich kann da mein Einkommen wesentlich erhöhen, ich lebe besser, ich lebe sicherer. Ich kann mich politisch vielleicht frei äußern. Das sind alles denkbare Pullfaktoren. Und natürlich gibt es auch, nennen wir es Stay away Faktoren.
Also es gibt vielleicht Diskriminierung, Es ist schwer anzukommen in dem Land. Das alles geht in die Überlegungen von potenziellen Migranten, von Menschen, die über ihre Perspektiven nachdenken, ein. Und zwischendrin stehen natürlich noch die Kosten der Migration. Wie hoch ist das Risiko? Wie viel Geld muss ich legal aufbringen an Vermittler zahlen, an Schmuggler zahlen?
Das alles hat natürlich auch Auswirkung darauf, ob ich denn eine Migrationsabsicht, die ich vielleicht habe, im Prinzip, ob ich die auch umsetzen kann. Und das sind so die großen Dinge, diese fünf Blöcke. Was hält mich zu Hause, was treibt mich zu Hause weg, was zieht mich irgendwo an, was hält mich dort ab? Und wie komme ich überhaupt dahin? Zu welchen Kosten? Das sind diese fünf Blöcke, die wir dann brauchen, um zu verstehen Wie entscheiden Menschen überhaupt.

In Deutschland wird ja Migrationspolitik eben sehr häufig aus der Perspektive der von Ihnen jetzt auch schon angesprochenen sogenannten Pullfaktoren diskutiert. Und viele Menschen, die politisch Verantwortung tragen, wollen solche Faktoren unbedingt reduzieren. Es ist im politischen Diskurs häufig quasi ein NoGo, irgendwas zu tun, wovon gesagt wird, das könne ein Pullfaktor sein. Andererseits gibt es aber auch viele Expertinnen für Migration, die das Konzept der Pullfaktoren eher
kritisch sehen. Manche verweisen darauf, dass es sich zumindest nicht empirisch belegen lasse. Was ist denn Ihre Position? Gibt es Pullfaktoren oder ist das tatsächlich nur ein politischer Begriff?
Natürlich gibt es Pullfaktoren. Ich habe es ja gerade versucht einzuordnen. Ein hohes Einkommen in einem Land ist natürlich ein Pullfaktor, und das wollen wir ja auch nicht abschaffen. Wir wollen ja jetzt Deutschland nicht künstlich arm machen, um keinen Pullfaktor mehr zu sein. Oder die Möglichkeit, sich politisch frei zu äußern, ist für viele Menschen ein Pullfaktor. Auch das wollen wir ja nicht abschaffen, um jetzt jetzt Migration zu reduzieren.
Es gibt über Pullfaktoren aufgeregte Debatten und dann muss man mal schauen, was da jeweils genau gemeint ist. Aber natürlich gibt es Faktoren, die Menschen anziehen an einem Land und wahrscheinlich wollen wir die nicht abschaffen, denn das macht ja gerade Deutschland und jedes andere Land auch für uns auch aus, die wir schon da leben.

Völlig klar. Schauen wir doch vielleicht noch ein bisschen genauer rein, gerade weil die Debatte so aufgeregt ist. Vielleicht können Sie noch ein bisschen sortieren. Sie haben gerade schon ein paar Faktoren genannt, die wir gar nicht ändern wollen, weil Sie Deutschland ausmachen. Und wenn man sie auch zum Beispiel gar nicht fokussieren kann, nur auf einzelne Menschen.
Man kann ja schlecht sagen, Menschen, die schon immer in Deutschland gelebt haben, werden hier reich oder haben gute Erwerbschancen und Menschen mit Migrationshintergrund nicht. Das lässt sich kaum umsetzen. Aber was denken Sie denn? Was wären solche Pullfaktoren, auf die man politisch Einfluss nehmen kann und welche, vielleicht sind auch dezidiert gerade keine, die häufig genannt werden.
Ich habe nicht den Eindruck, dass man auf Pullfaktoren sehr viel Einfluss nehmen kann. Letztlich denke ich, geht es darum zu schauen Wie viel Einwanderung ist in Deutschland so möglich, dass Menschen sozial und wirtschaftlich gut integriert sein können? Und dann wird man halt schauen, wie man diese gestalten kann und wer kommen kann und eben auch implizit, wer nicht kommen kann. Also ich denke nicht, dass das offene Grenzen in einem Sozialstaat gut funktionieren würden.
Wir wissen tatsächlich aus empirischer Forschung, dass dann vor allen Dingen Menschen kommen würden, die damit rechnen, den Sozialstaat zu brauchen. Und die anderen potenziellen Migranten würden eben nicht kommen, weil die dann sehen, hier zahlen wir hohe Steuern, wir gehen lieber nach, ich sage mal Kanada, Australien, USA, Großbritannien, wo die Steuern vielleicht niedriger und auch der Sozialstaat weniger ausgebaut sind. Aber das passt für uns besser.

Aber wenn man jetzt mal darauf guckt, noch mal, bevor wir jetzt in die volkswirtschaftliche Perspektive gehen. Ihr Kollege, Migrationsforscher Hein de Haas, hat gemessen. Also alles in allem Über die ganzen Jahrzehnte ist der Anteil der Weltbevölkerung, die auf Migration ist, ungefähr konstant. Das geht immer so um die plus -3 Prozent, mal ein bisschen runter, mal ein bisschen. Aber ungefähr so was ist das.
Trotzdem erleben wir hier in Europa große Unterschiede, was Migration und Migranten angeht. Wodurch werden diese Wellen ausgelöst?
Also die Diskussion mit den 3 %, man möge mir mein Alter nachsehen, erinnert mich ein bisschen an Franz Josef Strauß, mit dem ich politisch wenig gemeinsam habe. Aber er war immer gut für gute Sprüche und war Jäger. Und er hat gesagt Wenn ich einmal links vorbeischießen und einmal rechts vorbei schieße, habe ich im Durchschnitt zweimal getroffen. Und so ist das mit diesen
Durchschnitten. Also weltweit sind in der Tat 3 % Migranten, das heißt Menschen, die irgendwo zugewandert sind, die in einem anderen Land geboren sind, als sie aktuell leben. Das ist die Definition von Migrant. Und das sind in China und in Indien fast niemand. Da gibt es praktisch keine Zuwanderung. Es sind in Deutschland zwölf, 13 % ungefähr. Es gilt immer, wenn ich eine Zahl hoch werfe, auch für die Hörerschaft. Bitte googlen Sie es, bevor Sie es weitersagen. Aber die Größenordnung stimmt.
Es sind in anderen Ländern Australien, Kanada eher um die 20 25 %. Also der Durchschnitt weltweit hilft uns eigentlich überhaupt nicht. Und wir haben also gerade in der Europäischen Union und auch in Deutschland eine deutliche Zunahme des Anteils der Zugewanderten an der Gesamtbevölkerung gehabt.

Über die letzten...
Über die letzten 30 Jahre sicherlich seit den 1990er Jahren, auch vorher schon, natürlich mit der ersten, wie es damals hieß, Bewegung von Gastarbeitern. Aber wir sind quasi von Null gekommen in den 1950 er Jahren und haben dann mittlerweile eben 13 % erreicht. Menschen mit Migrationshintergrund, also wo mindestens ein Elternteil im Ausland geboren ist, alle zusammen ungefähr 25 %. Also das ist die Diskussion, worüber wir reden. Es geht nicht um 3 % und ein bisschen rauf und runter.
Da finde ich die Debatte über den weltweiten Durchschnitt absolut nicht hilfreich.

Okay.

Ich würde gerne noch einmal auf diese von Ihnen ganz am Anfang unseres Gesprächs geschilderte Entscheidung zurückkommen, wo Menschen für sich überlegen Entscheide ich mich für Migration ja oder nein? Jenseits dieser objektiven Pullfaktoren gibt es ja noch eine subjektive Seite, nämlich den Informationsstand der Menschen. Also was wissen die eigentlich? Entscheiden die faktenbasiert? Oder spielen da auch Mythen
eine Rolle? Haben Sie das, Sie haben ja zum Beispiel, wenn ich es richtig weiß, in Uganda und im Senegal geforscht zu der Frage Wie treffen Menschen Migrationsentscheidung? Können Sie was dazu sagen, wie faktengestützt die sind, diese Entscheidungen?
Insgesamt erstaunlich faktengestützt. Es gibt da eine große Debatte darüber, müssten wir mehr Informationskampagnen machen? Und in Westafrika zum Beispiel. Und hätten wir dann weniger irreguläre Migration nach Europa? Und eigentlich ist immer recht deutlich Die Menschen verstehen sehr gut die Risiken. Und es gibt eine kleine Gruppe von Menschen, die sehr wohl bereit ist, dieses Risiko für reguläre Migration einzugehen, weil sie sagen Ich will hier weg, ich will mit meinem Leben was anfangen.
Hier ist alles Mist, ohne dass es diesen Menschen objektiv sehr schlecht gehen würde. Das ist eine Beobachtung, die sich immer wieder zeigt. Eine andere Beobachtung ist tatsächlich, dass die Chancen, Einkommen zu verdienen, die Höhe der Einkommen, die Höhe des Lebensstandards im Zielland tatsächlich oft überschätzt wird. Also viele Menschen sagen Eigentlich müsste ich unbedingt hier weg. Das kam gerade bei Kollegen auch raus, die in Westafrika forschen.
Eigentlich müsste ich unbedingt hier weg und mindestens in die Hauptstadt, nach Dakar gehen im Senegal. Und die Aussage ist na ja, wenn man sie sich anguckt, was diese Menschen realistischerweise in Dakar verdienen könnten, ist schon ganz gut, dass sie zu Hause geblieben sind. Da geht es ihnen besser, als wenn sie nach Dakar gegangen werden. Also die die Einschätzung der Möglichkeiten ist oft wahrscheinlich überoptimistisch, aber die Risiken werden recht klar gesehen.

Also direkt noch eine Nachfrage dazu: Wie fokussiert oder wie präzise ist denn dann so eine Migrationsentscheidung? Also sagen die Menschen dann Ich möchte nach Berlin. Oder sagen sie dann, ich möchte nach Deutschland? Oder sagen die dann so genau weiß ich das gar nicht. Aber ich will jedenfalls nach Europa und da mein Glück suchen.
Es gibt natürlich ganz unterschiedliche Dinge. Es gibt in Uganda, Kenia Menschen, die sagen Ich will in einen Golfstaat und gehen zu einem Vermittler und landen in einem bestimmten Golfstaat und wissen im Prinzip auch ungefähr, was da auf sie zukommt. Auf der anderen Seite gibt es viele irreguläre Migration in Richtung Europa. Die fängt aber auf dem Land in Westafrika an, die geht zunächst mal in die Hauptstadt. Menschen entscheiden sich zu bleiben oder weiterzugehen.
Sie kommen vielleicht durch die Sahara nach Nordafrika und dort sind wieder die gleichen Entscheidungen. Kommen wir weiter. Was kostet das? Welches Risiko, welche Lebensbedingungen haben wir hier vor Ort?

Und ich versuche das jetzt mal so ein bisschen zu beziehen auf die Debatte um die Pullfaktoren, also Stichwort Bezahlkarte, was man davon halten mag oder nicht. Aber ein Argument für die Bezahlkarte, das ich häufiger gehört habe, war ja, na ja, dann ist es für die Menschen schwieriger, zum Beispiel Geld nach Hause zu überweisen. Wie sinnvoll dieses Argument quasi ökonomisch ist, dazu kommen wir später. Aber mir geht es jetzt erst mal um die Migrationsentscheidung.
Also ist das überhaupt eine realistische Vorstellung, dass jemand in Uganda in seinem Dorf sitzt und sagt In Deutschland haben Sie jetzt die Bezahlkarte eingeführt, Da geh ich lieber mal nicht mehr hin.
Kurz gesagt Nein, das das leuchtet mir überhaupt nicht ein. Wir können da nur auf Plausibilität gehen. Aber es ist ja so, dass die Menschen, die nach Deutschland kommen, auch wenn sie irregulär sind, einen Asylantrag stellen, vielleicht gar nicht so furchtbar verfolgt sind, sondern vor allen Dingen kommen, um ihr Leben zu verbessern. Aber die hoffen ja jetzt nicht von Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes unbegrenzt lang in Deutschland zu
leben. Das ist ja für Deutschland relativ wenig Geld. Also man lebte dann schon sehr, sehr bescheiden und ob das nun mit einer Bezahlkarte oder bar ausgezahlt wird, ist eigentlich ein bisschen egal. Im Zweifelsfall hat doch jeder ein Freund und kauft für den ein und der Freund hat Bargeld und dann geht das schon.
Und ich verstehe auch letztlich dabei nicht, warum man jetzt unbedingt mit Leuten, denen es ja tatsächlich nicht gut geht, materiell jetzt noch hässlich sein will und sagt Jetzt machen wir denen das Leben möglichst schwer. Die schicken ja nicht Geld zum Spaß nach Hause, sondern wenn die sich von den Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz etwas absparen. Da gibt es auch nette Anekdoten inzwischen in der Presse.
Dann geht es da um Lebensmittel, wo die Leute merken, wenn sie zu Hause anrufen, da ist es offenbar Hunger. Und dann meinen sie, die müssen Geld schicken, damit die Lebensmittel kaufen können. Oder es geht um lebensnotwendige Medikamente, wofür dann eben sich Asylsuchende in Deutschland von ihren sehr knappen Leistungen was vom Mund absparen. Also dass man da jetzt hässlich sein will, verstehe ich einfach nicht und wird eh funktionieren.
Denn das bisschen Bargeld, was die die Leute schicken können, das kriegen sie ja sowieso irgendwo.

Wenn wir da jetzt einen Strich drunter machen, warum entscheiden die sich Leute, ihr Land, ihr Heimatland zu verlassen? Haben sie jetzt ein paar Faktoren genannt. Was haben Sie denn da jetzt, weil das ja auch so eine Politik beratendes Projekt war, was Sie da gemacht haben. Was nehmen Sie da jetzt so mit? Wir haben die analysiert, die Motivationslagen. Was lernen wir daraus? Was sind unsere Handlungsmöglichkeiten basierend auf diesen Motivationslagen?
Wenn das Paradigma ist Wir wollen Migration vielleicht begrenzen, aber mindestens menschenfreundlich gestalten.
Ja. Zunächst mal müssen wir ganz klar unterscheiden zwischen Fluchtmigration, also Menschen, die einen Asylantrag stellen und tatsächlich internationalen Schutz brauchen und hier Asyl bekommen, wenn sie es denn schaffen, hier anzukommen. Und denen, die vor allen Dingen eine wirtschaftliche Motivation haben, was ja völlig okay ist. Wir alle wollen ja unser Leben möglichst gut gestalten und dazu zählt für ganz viele Menschen
Migration. Aber das ist eben was anderes, auch rechtlich betrachtet als jemand, der einen Asylantrag stellt und internationalen Schutz braucht. Und das, das ist erst mal eine wichtige Unterscheidung Bei denjenigen, wo es um wirtschaftliche Motivation geht, können wir
gestalten. Wir können zum Beispiel sagen wir machen eine Skill Partnership, wir schaffen Berufsausbildungen im Herkunftsland in vielen Entwicklungsländern, die sowohl für den heimatlichen Arbeitsmarkt taugt, als auch für zum Beispiel bestimmte Tätigkeiten in Deutschland. Dann gucken wir mal, wie das geht. Das ist alles nicht so einfach. Da ist es viel zu gestalten, bei echter Flucht sozusagen.
Also Menschen, die tatsächlich einen guten Asylgrund haben, der hier anerkannt wird, gibt es aus meiner Sicht nur die Möglichkeit, sinnvoll Verantwortung zu teilen. Wenn alle nach Schweden gehen würden, würde das nicht funktionieren. Aber wenn EU Mitgliedsstaaten untereinander Verantwortung teilen und auch Verantwortung teilen mit Nachbarstaaten rund um die EU, dann kommen wir da möglicherweise viel weiter.

Gut, da kommen wir gleich noch dazu. Kommen wir mal zur volkswirtschaftlichen Perspektive.

Ja, Sie beschäftigen sich ja auch mit den Folgen von Migration für die Zielländer, also die Länder, in die migriert wird. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU nannte heute Morgen im Deutschlandfunk eine sehr große Summe, die Migration Deutschland angeblich koste.
Wenn wir sehen, dass wir 50 Milliarden € für das Thema Migration ausgeben, muss man doch da rangehen. Das kann doch nicht so weitergehen.

Also 50 Milliarden €. Er meint, glaube ich, pro Jahr. Das ist so die Zahl, die kursiert, die nicht nur von ihm genannt wird, sondern auch von anderen. Ist das eine realistische Zahl? Lässt sich die mit Ihren Erkenntnissen abdecken, bestätigen?
Die Frage ist tatsächlich, wie wir es denn gerechnet hat. Man möchte ihn eigentlich gerne fragen, was er da meint und und wo die Zahl herkommt. Aber wenn wir einmal auf die fiskalischen Effekte von Fluchtmigration gehen, das ist ein naheliegender Gedanke. Es gibt eine ganz sinnvolle Studie für Schweden, wo wahrscheinlich die Verhältnisse ähnlich sind.
Und da sieht man tatsächlich, dass Schweden Jahr für Jahr für die ehemaligen Flüchtlinge, die jetzt in Schweden leben, ungefähr 1,5 % vom Bruttoinlandsprodukt ausgibt. 1 % plus etwas mehr. Wiederum die genauen Zahlen googeln wir gerne noch mal, aber das ist die Größenordnung.

Also von 50 Milliarden...
50 Milliarden ist ungefähr anderthalb Prozent vom deutschen Bruttoinlandsprodukt. Also ich würde sagen, wenn wir jetzt schauen, was haben die verschiedenen Flüchtlingsbewegungen aus Syrien, aus anderen Ländern zwischendrin, jetzt aus der Ukraine gekostet, was kosten sie laufend? Wie lange dauert es, die Menschen in Arbeit zu bringen? Klappt das überhaupt? Bei einigen eben nicht. Das ist eine plausible Größenordnung für den fiskalischen Effekt von dieser Kohorte. Ja.

Das ist jetzt quasi, ich sage mal brutto, also das, was abfließt aus dem Bundeshaushalt. Gibt es denn da auch quasi eine Gegenbewegung? Also schaffen diese Menschen auch auf der anderen Seite Mehrwert oder sogar Einnahmen für den Bund und die Länder, die Kommunen?
Das ist ja tatsächlich nicht nur der Bundeshaushalt, sondern, wie Sie gerade gesagt haben, Bund, Länder, Kommunen. Es sind schon mindestens alle, alle Staatshaushalte, die betroffen sind. Das ist tatsächlich sehr schwer auszurechnen. Natürlich schaffen diese Menschen auch Einnahmen. Aber die Frage ist ja, wie würden wir das Geld sonst ausgeben? Und so gesehen ist es ein bestimmter Betrag, der als Netto Fiskalbeitrag sozusagen bei diesen Menschen einfällt.
Also idealerweise wäre es so gerechnet, dass man schaut, was zahlen diese Menschen an Steuern? Also alle Flüchtlinge, die seit sagen wir 2013, 14, 15 gekommen sind. Was bekommen sie an staatlichen Leistungen? Was kostet sonst die staatliche Verwaltung dieser Leistungen? Und dann wäre das der Beitrag, der idealerweise rauskommt. Natürlich sind einige Flüchtlinge in Arbeit und zahlen auch Steuern.
Also je nachdem wie Kretschmer gerechnet hat, müsste man mindestens diese Steuern abziehen, aber würde wahrscheinlich finden, dass immer noch ein erheblicher Nettobeitrag bleibt. Also die Zahl für Schweden, die ich hatte, die ist methodisch sauber gemacht und das ist der netto Fiskalbeitrag.

Also 1 % Bruttoinlandsprodukt.
Das ist so ungefähr ganz grob...

Ein bis Anderthalb. 1 % wären 30 Milliarden für Deutschland so übern Daumen.
50 ist hochgegriffen. Da würde mich schon interessieren, wie es gerechnet ist. Aber wenn es eben quasi brutto ist. Und wir wissen ja, dass zunehmend Flüchtlinge auch in Arbeit kommen. Das dauert zehn Jahre, bis die Beschäftigungsquote erreicht ist, die andere ausländische Staatsangehörige in Deutschland haben. Aber wir sind ja schon ein Stück weit auf diesem Weg. Zehn Jahre, da gibt es natürlich ein bisschen netto was gegen ein bisschen plus sozusagen was gegengerechnet werden kann.

Es gibt ganz interessante Zahlen. Relativ aktuell hat die Süddeutsche Zeitung vor ein paar Tagen berichtet zu einem Beitrag geflüchteter Menschen oder auch eben von Arbeitsmigration zur Volkswirtschaft, insbesondere auch zum Arbeitsmarkt. Da war die Rede von etwa 260.000 Menschen, die zusätzlich in den Arbeitsmarkt gekommen sind, die fast komplett Menschen waren, die ursprünglich nicht in Deutschland geboren worden sind.
Daher meine Frage jenseits der reinen Zahlen, was würden Sie denn denken, leisten diese Menschen, für die da im Brutto 50 Milliarden € ausgegeben werden, leisten die einen sinnvollen Beitrag? Oder stünde Deutschland jetzt hypothetisch besser da, wenn die einfach nicht mehr da wären?
Also es wäre sicherlich billiger, wenn die Flüchtlinge nicht nach Deutschland kommen würden. Alles andere leuchtet mir nun überhaupt nicht ein. Das muss billiger sein. Und gleichzeitig ist der Schutz von Flüchtlingen eine wichtige humanitäre Aufgabe und deshalb kostet das Geld und wir sind ein reiches Land und können uns das leisten.

Ja, mir geht es aber jetzt tatsächlich um die wirtschaftliche Seite. Denn gerade diese humanitäre Perspektive liegt mir persönlich sehr am Herzen. Philip Mit Sicherheit auch. Aber wir erleben ja im politischen Diskurs, dass sich da einfach in Deutschland eine, ich sage jetzt mal etwas zugespitzt neue Hartherzigkeit breitmacht. Frei nach dem Motto: Wir mögen ja ein reiches Land sein, aber wir können uns diesen ganzen Zirkus nicht mehr leisten.
Deswegen die Frage an den Ökonomen jetzt mal Unter Ausblendung der humanitären Perspektive: Gibt es aus einer volkswirtschaftlichen Blickrichtung auch Vorteile? Und das oder zugespitzt war meine Frage ja stünden wir als Land generell besser da, wenn die paar Millionen Menschen mit Migrationshintergrund nicht da wären, volkswirtschaftlich gesehen?
Die Frage als Land ist halt wieder schwer zu beantworten. Also wenn wir uns da rein ökonomisch über die Wirkungen von Migration Gedanken machen, dann müssen wir ja eigentlich fragen: Wie wirkt sich das auf die Realeinkommen der einheimischen Bevölkerung aus, also derjenigen, die vorher da sind? Das können ja auch früher Zugewanderte sein. Aber das ist die Frage, die wir eigentlich haben.
Und ich habe gerade gesagt Realeinkommen, dazu gehört natürlich erst mal verfügbare Einkommen nach Steuern und Transfers. Und dann gehört aber auch dazu mögliche Änderungen von relativen Preisen. Sagen wir mal, es gibt sicherlich viel mehr Restaurants heute, also eine größere Dichte an Dienstleistungsangebot, als wir das ohne Zuwanderung hätten. Da spielt vielleicht die letzte Kohorte der Flüchtlinge noch keine so große Rolle, aber insgesamt ist das ganz sicher so..
Wenn ich jetzt von letzten paar Wochen mal hier vietnamesisch essen gegangen bin oder mal südasiatische in Kiel. Das gäbe es alles nicht. Hier gäbe es Labskaus in Kiel, aber sonst nicht so viel. Also die die Breite an Dienstleistungen, die Varianten an Dienstleistungen. Das ist auch ein wichtiger ökonomischer Punkt, der da relevant ist. Aber ansonsten ist es eben sehr schwierig. Ich hatte gerade gesagt relative Preise. Wahrscheinlich ist auch Onlinehandel günstiger geworden.
Die vielen Zulieferer. Wir hätten diesen Zugang zu so viel Lieferdiensten nicht, wir würden mehr zu Paketstationen laufen.

Das ist ja das Argument, was Hein de Haas macht. Der sagt, durch die Zuwanderung, die vorwiegend erst mal in so gering bezahlte Jobs stattfindet, ist aber generell ein höheres Wachstum möglich, was dann wiederum neue Arbeitsplätze schafft in höher qualifizierten Bereichen, die dann in der Regel besetzt wird von Leuten, die hier schon schon länger wohnen. Also er hatte auch durch Messung keine messbare Lohnkonkurrenz oder Lohndumping feststellen können, sondern eher Wachstumseffekte.
Aber was ich in diesem Punkt noch ganz interessant fand: Sie schrieben, man müsste den Schutz von Flüchtlingen als öffentliches Gut begreifen. Das ist ja eine ökonomische Dimension. eine Ökonomische Überlegung, ein öffentliches Gut, den Schutz von Flüchtlingen. Was meinen Sie damit?
Vielleicht darf ich doch noch einmal zu Hein de Haas zurück, denn der sagt ja vor allen Dingen: Auch die ökonomischen Effekte von Migration sind relativ gering. Also wieder passieren da Katastrophen, insbesondere wenn die Leute im Arbeitsmarkt ankommen. Noch lösen wir die Probleme, die wir sonst haben, zum Beispiel den demografischen Wandel, sondern die Effekte bleiben eben sehr überschaubar.
Und das liegt daran, dass wir natürlich ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes haben, kommen wir ganz viele Menschen dazu, mittlerweile 1/4 der Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Aber die arbeiten und verdienen Geld und konsumieren selber. Und am Ende sind die Effekte für die Einheimischen eben relativ gering, verglichen mit dem, was wir alles sehen, was alles passiert.

Also weder besonders positiv noch besonders negativ.
Das kommt eigentlich immer bei bei ökonomischen Schätzungen raus.

Okay. Zurück zur Frage Öffentliches Gut, Schutz von Flüchtlingen als öffentliches Gut. Was meinen Sie damit?
Ganz schlicht meinen ich damit, das ist für uns in Deutschland ja zum Beispiel ganz toll, wenn Flüchtlinge in Österreich ankommen, dort versorgt werden und aufgenommen werden.

Weil wir es dann nicht machen müssen.
Weil wir es nicht bezahlen müssen. Genau. Und wir können uns aber freuen, weil die Flüchtlinge sind geschützt. Das heißt, wir schätzen das, dass es Flüchtlingsschutz gibt. Und wir haben jetzt nicht Menschen, die im Schengenraum orientierungslos und mittellos umherirren. Aber wir freuen uns, dass sie woanders untergebracht sind und da gut geschützt sind. Der Standard in Österreich ist genauso gut wie in Deutschland. Das wäre super für uns.
Und wenn das jeder sagt, dann bricht das halt irgendwann zusammen. Und in diesem Sinne öffentliches Gut. Die Österreicher können nicht verhindern, dass wir davon profitieren, dass sie Flüchtlinge schützen. Aber wenn das jeder tut, dann geht es eben nicht. Und da wissen wir halt aus der ökonomischen Theorie schon, dann muss man sich zusammentun und gemeinsam entscheiden und gemeinsam finanzieren und produzieren. Das öffentliche Gut sozusagen. Also letztlich gemeinsam Flüchtlinge schützen.
Sei es durch finanzielle Umverteilung, sei es durch gemeinsame Anstrengung bei der Aufnahme.

Wir haben ja im Umgang mit Migration tatsächlich auch die eine oder andere Stellschraube. Zum Beispiel kann man sich natürlich überlegen, ob und unter welchen Voraussetzungen man Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, arbeiten lässt. Und nun haben wir ja in Deutschland einen erheblichen Mangel an Arbeitskräften. Viele Jahre haben wir vom Fachkräftemangel gesprochen. Da ging es um Menschen mit einem bestimmten höheren Bildungsniveau. Das hat sich geändert.
Inzwischen fehlen Arbeitskräfte auf allen Ebenen. Die Industrie warnt seit Jahren davor und auch die Menschen in Deutschland erleben das in ihrem Alltag. Philip, du hast da neulich schon mal einen Kurztrip nach Mecklenburg gemacht hast, eine Erfahrung gemacht.

Das war einfach ganz, ganz interessant. Ich war da in so einem kleinen Hotel in Mecklenburg Vorpommern. Die haben auch ein Restaurant mit angegliedert. Und üblicherweise hat dieses Restaurant an sieben Tagen die Woche offen für die Leute im Hotel, aber auch für Leute, die nicht im Hotel wohnen. Jetzt hat das aber nur an drei Tagen offen und das hat uns ja, wir mussten dann irgendwo anders hin gehen oder haben ne Stulle gegessen an dem einen Abend.
Das hat aber auch Leute abgeschreckt, überhaupt in dieses Hotel zu kommen. Und sie sagten Also, wenn das an drei Tagen oder in vier Tagen nicht öffnet das Restaurant, dann gehe ich da gar nicht hin. Und der Grund war, dass die Chefin sagt: Ja, mir fehlen die Köche und Köchinnen. Und was war für mich so das erste Mal so wirklich hautnah gesehen hab, ja, es ist nicht nur nervig, dass irgendwie Leute fehlen, die arbeiten, sondern das kostet richtig
Umsatz. Dieses Hotel macht weniger Umsatz, weniger Gewinn, kann weniger Leute beschäftigen und weniger Steuern an die Kommune abführen, wo das wirklich spürbar war. Fachkräftemangel oder Arbeitskräftemangel kostet Wachstum.

Und trotzdem dürfen ja viele Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland nicht arbeiten. Also entweder weil sie zu einer Gruppe gehören, die prinzipiell keine Arbeitserlaubnis bekommt, von Ausnahmen abgesehen. Also keine an geduldete Menschen in vielen Fällen oder weil das Amt sie einfach über viele Monate nicht erteilt diese Arbeitserlaubnis. Also, die theoretisch arbeiten dürfen, wo dann aber ein Antrag seit Monaten auf Halde liegt.
Und da würde mich mal Ihre volkswirtschaftliche Perspektive darauf interessieren. Sollten wir nicht zumindest die Menschen unbürokratisch möglichst schnell arbeiten lassen, die eh schon im Land sind?
Kurz gesagt ja. Man hat ja die Idee, wir dosieren die Arbeitsgenehmigungen je nach dem Status. Und wenn jemand sowieso eigentlich wieder gehen soll, dann machen wir das so unattraktiv wie möglich für die, hier im Land zu bleiben. Und früher hat man natürlich gedacht, wir haben schon so und so viele Millionen Arbeitslose, deshalb wollen wir die gar nicht arbeiten lassen.
Das war ein großes Problem für die vom westlichen Balkan Geflüchteten, die über Jahrzehnte eigentlich die, die über Jahrzehnte dann in einem Status hingen, wo sie weder vor noch zurück richtig konnten. Also meine Einschätzung ist natürlich wollen wir Asylanträge prüfen und wer kein Asyl bekommt, wer keinen Schutzanspruch hat, sollte auch möglichst schnell zurückgehen und zur Not zurückgeschickt werden, wenn sie nicht freiwillig gehen. Aber wenn das nicht geht, aus den verschiedensten Gründen.
Und darüber haben wir eine große Diskussion in Deutschland. Zum Teil ist es die deutschen Bürokratie, die schwierig ist, zum Teil sind es die Herkunftsländer, die die Menschen einfach nicht annehmen, weil sie halt auf Migration setzen, egal ob regulär oder irregulär. Wenn die Menschen eben ohnehin nicht zurückgehen, dann finde ich es absolut einleuchtend, pragmatisch zu sagen: Natürlich sollen sie dann arbeiten, das ist allemal besser.
Menschen arbeiten hier als als wenn sie in einem Zwischenstatus gehalten werden. Das ist humanitär nicht okay und letztlich ist das auch richtig teuer.

Wir haben, wir haben ja, ich sage jetzt mal Experte sind auch für Migrationsentscheidungen und für die berühmt berüchtigten Pullfaktoren. Wir haben das den Thüringer CDU Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten natürlich auch mal gefragt. Und er hat uns, ich habe das nicht wörtlich im Ohr, aber sinngemäß war er skeptisch bei Ihrer These, Man sollte doch alle arbeiten lassen. Eben wieder aus der Perspektive.
Pull-Faktor. Wenn man die jetzt zu leicht arbeiten lässt, gerade die, von denen er sagt, dass sie möglicherweise keine Bleibeperspektive haben, dann würde man ja noch mehr Migration provozieren, geradezu. Teilen Sie die Einschätzung?
Also die Frage ist ja die mit der Bleibeperspektive. Und wenn, wenn die Bleibeperspektive daran besteht, dass sie Dauerduldung kriegen, aber de facto nicht zurückgeführt werden. Da gibt es ja mittlerweile auch im Aufenthaltsrecht viele, viele Änderungen, die darauf hin führen, aus der Duldung heraus bei guter beruflicher Integration dann ein Bleiberecht zu erwerben.
Das scheint hier allemal sinnvoller zu sein, als am Ende eine eine große Gruppe von Menschen zu haben, die im Prinzip ausreisepflichtig sind, aber de facto nie ausreisen und de facto auch nie, nie weggeschickt werden können. Das funktioniert, glaube ich, einfach nicht und mein Eindruck ist, dass es da sinnvoll ist, pragmatisch zu sein.

Das sind ja die Leute, die hier, sagen wir mal, wie das immer so heißt irregulär hergekommen sind, nicht zurückgeschickt werden können, hierbleiben, geduldet sind. Aber dann gibt es ja die große Gruppe, der das dann immer so im Gegensatz heißt reguläre Migration, kriegen ein Visum, weil sie einen Arbeitsvertrag haben und arbeiten dann hier. Sie haben es vorhin genannt Australien, Kanada. Deutschland hat da jetzt ja Liberalisierung eingeführt, was diesen Zweig der Zuwanderung angeht.
Wie groß sind die Unterschiede zu diesen großen Einwanderungsländern Kanada, Australien heute noch, wenn man die reguläre Migration, um zu arbeiten, in Deutschland betrachtet?
Mein Eindruck ist, dass die Unterschiede nicht so riesig groß sind. Es gibt natürlich dann die Punktesystem, die in einer bestimmten Weise dann dann ausschlagen und eine gewisse Flexibilität ermöglichen. Aber die Punkte Systeme sind eben auch recht rigoros. Französisch sprechen auf dem Weg nach Kanada zusätzlich zu Englisch ist super, dann kann man nach Quebec gehen. Aber ansonsten muss man eben schon recht gut in das Qualifikationsprofil passen, was da gewünscht wird, wenn man nicht
Flüchtling ist. Kanada nimmt auch auf dem Wege von Neuansiedlung, also Resettlement, sehr viele Flüchtlinge auf. Und das ist komplett separat davon. Die humanitäre Aufgabe findet ja auch statt, in Australien genauso.

Aber die kommen eben nicht an der Küste an, sondern die werden...
Die kommen eben nicht an der Küste an, sondern da kann eben wirklich entschieden werden, wie viele wollen wir denn? Wo gehen die hin? Was brauchen die, damit sie sinnvoll ankommen können.

Und die werden dann aus Afghanistan oder Syrien oder afrikanischen Staaten nach Kanada gebracht. Und zwar nicht mehr und nicht weniger, als da vereinbart wurde.
Genau, mit dem Flugzeug und gemanagt von denen.

Die können das besser kontrollieren, einfach aus geografischen Gründen. In Deutschland sind wir ja in dieser etwas paradoxen Situation, die, glaube ich, auch für viele Menschen, die quasi den Rechtsstaat und die Autorität des Staates hochhalten, wirklich provozierend ist, wir sind in der paradoxen Situation, dass wir von denen, die wir in Anführungsstrichen wollen, ja Fachkräfte mit Visum viel zu wenig bekommen. Stichwort Fachkräftemangel.
Dass wir auf der anderen Seite aber eine ganze Menge an Menschen haben, die entweder Fluchtmigranten sind oder oder auch Wirtschaftsmigrantinnen. Was wird denn da so der pragmatische Umgang damit? Ich habe so ein bisschen das Gefühl, dass viele, auch die so in der Politik Verantwortung tragen, versuchen quasi so unsere normativen Vorstellungen auf Biegen und Brechen durchzusetzen.
Frei nach dem Motto Ja, wir kümmern uns um die Fachkräfte, die wir haben wollen und die anderen lassen wir nicht arbeiten, wollen wir so schnell wie möglich loswerden. Ist das ökonomisch eine sinnvolle Herangehensweise, volkswirtschaftlich?
Die Frage ist ja, wie die Realität aussieht, wenn wir offene Grenzen hätten, sozusagen, dann würden wir sagen: Egal ob du qualifiziert bist oder nicht qualifiziert bist, ob du in den Arbeitsmarkt gut reinpasst oder ob du bestenfalls prekär arbeitest und Aufstocker, Leistungen und irgendwann Sozialrente beziehst, das ist alles egal, Du kannst kommen.
Dann wären wir wahrscheinlich in der Situation, wo es mindestens schwierig wird, auf die Dauer einen Sozialstaat aufrecht zu erhalten, weil dann eben vor allen Dingen diejenigen kommen würden, die damit rechnen, den Sozialstaat irgendwann mal in Anspruch nehmen zu müssen. Und die anderen, die Fachkräfte in Anführungszeichen, würden noch mal extra wegbleiben.

Aber sind wir denn in dieser Situation offener Grenzen?
Bei weitem nicht. Nein. Wir haben relativ offene Grenzen, denke ich für qualifizierte Arbeitskräfte. Gemessen daran, wenn Qualifikation heißt Universitätsabschluss. Da ist es ja schon lange so, dass das Mindesteinkommen, was erforderlich ist, um nach Deutschland zu kommen und hier Arbeitsvisum zu bekommen, relativ niedrig und auf dem Niveau von akademischen Startgehältern eigentlich angekommen ist.
Das ist aber auch schon recht lange so, da ist möglicherweise Deutschland aus anderen Gründen nicht so attraktiv. Man muss Deutsch können, die Gehälter sind eben relativ niedrig im internationalen Vergleich. Ich hatte gerade die Situation, dass meine Tochter einen indischen Kollegen in Los Angeles hatte, der sich überlegt, nach Deutschland zu gehen und hier für deutsche Verhältnisse ein gutes Angebot kriegte.
Der ist nachher nach Utah gegangen, wo er mit seiner Familie realistischerweise besser leben konnte und natürlich weiter Englisch sprechen konnte. Und die ganze Frage Wie komme ich denn als Inder in Deutschland an, mit meiner Familie, mit brauner Hautfarbe sich da nicht gestellt hat. Also da kann Deutschland sicherlich noch viel tun im Blick auf Offenheit.
Die Wartezeiten, Sie hatten es zwischendurch erwähnt, in den Botschaften für Visa und für andere Erlaubnisse sind sind zum Teil öde, lang und unnötig lang. Wenn wir Arbeitskräfte anwerben wollen, dann muss zumindest die Bürokratie funktionieren. Da gibt es viel zu tun, aber im Prinzip die Richtung ist eigentlich klar und ich glaube auch verstanden. Und der Zugang ist eher besser geworden im Laufe der Jahre
als schlechter. Aber natürlich haben andere Länder dieselben demografischen Probleme wie wir. Praktisch überall auf der Welt gibt es einen Alterungsprozess. Ausnahme ist Afrika und Teile von Südasien. Und da sind eben auch die Basisqualifikationen relativ schwach bei vielen Menschen, sodass wir uns fast überlegen müssen ziehen wir da die wenigen Qualifizierten raus? Wenn wir da jetzt eine selektive Migrationspolitik machen wollen, ist das nicht so einfach.

Wir haben ja so ein bisschen so diese können wir Migration kontrollieren, schon gestreift, da kommen wir gleich noch mal dazu. Vorher noch mal so eine Frage zu dieser, andockend an diese Arbeitsdiskussion. Wir haben es eben schon angeschnitten die Überweisungen der Migranten, Migrantinnen, die hier in Deutschland irgendwie Geld beziehen, sei es jetzt über Sozialstaat oder durch eigene Arbeit. Da werden enorme Summen in die Heimatländer überwiesen.
Und Hein de Haas, schon ein paar Mal erwähnt, der sagt, eigentlich ist das die viel coolere Entwicklungshilfe als staatliche Zahlung, weil dieses Geld direkt bei den Familien ankommt. Das gibt keine Gefahr der Korruption. Und es ist halt eine sehr verstreute Finanzierung der Infrastruktur in den Heimatländern. Wie sehen Sie das?
Grundsätzlich ähnlich. Die Frage ist natürlich immer nur: Es landet erst mal bei den Familien. Das ist okay. Und da hat es typischerweise auch einen erheblichen Einfluss, indem Armut gemindert wird. Das heißt, wir haben lange in der Republik Moldau gearbeitet. Da ist es halt so: Die Leute können besser essen als sonst, sie können Medikamente kaufen, die sie sonst nicht kriegen würden. Sie können es sich leisten, ihre Kinder länger zur Schule zu
schicken. Also da findet bei den Haushalten, die es kriegen, tatsächlich Armutsbekämpfung statt. Und wenn in einem relativ kleinen Land, egal ob Georgien oder Moldau oder Tadschikistan relativ viel Geld reinkommt, dann ist es ja so, dass da nicht nur Importe nachgefragt werden, sondern es werden auch örtliche Güter und Dienstleistungen nachgefragt und das nutzt tatsächlich dann allen.
Und insofern haben dann auch also die die Überweisungen von Migranten auch positive Effekte über die betroffene Familien hinaus. Und die Beträge sind in der Tat riesig. Allerdings nicht unbedingt für Deutschland, soweit wir das wissen aus den Zahlen der Bundesbank. Das ist recht überschaubar.

Auch diese Rücküberweisungen in die Herkunftsländer werden im deutschen politischen Diskurs in der Tendenz eher negativ geframt. Es wird argumentiert, dass das weitere Migrationsanreize schaffe. Auf der anderen Seite gibt es Beispiele dafür, dass vielleicht eher das Gegenteil der Fall ist, weil es in den Herkunftsländern einfach ein Stück weit aufwärts geht, die Lebensbedingungen vor Ort besser werden. Was würden Sie denken? Per Saldo sind Rücküberweisungen ein Pullfaktor.
Um dieses etwas abgegriffene Wort noch mal in den Mund zu nehmen. Oder sind Rücküberweisungen eigentlich gerade dann auch gut, wenn man Migration begrenzen will?
Das ist natürlich eine ganz breite Frage und und insofern ist es eine Einschätzung, ein bisschen Bauchgefühl. Aber ich würde sagen, es ist eher ein Stay at Home Faktor. Natürlich gehen Menschen, weil sie hier mehr Geld verdienen wollen und natürlich haben dazu viele beigetragen aus den Familien und deshalb wird auch Geld
zurückgeschickt. Aber letztlich stabilisiert es die Lage von denjenigen, die zu Hause geblieben sind, und man kommt vielleicht nicht zu einem Gleichgewicht, aber es ist sicherlich kein Pullfaktor, also mehr als die hohen Einkommen in Deutschland sowieso sind. Also die Entwicklungsökonomen, die auf Migration und Entwicklung schauen, sagen, die sind der Faktor, der das Ganze für Entwicklungsländer interessant macht. Und deshalb gibt es ja auch Diaspora Politik.

Also quasi etwas zugespitzt: Ja, einer kommt, der dann Geld nach Hause schickt, aber dafür bleiben halt 20 da.
Das ist...

Oder fünf oder zehn.
Genau, ja das. Die können besser leben und haben weniger Grund zu gehen. Natürlich könnten die irgendwann vielleicht auch auch kommen, aber dann eben tendenziell in geordneten Umständen.

Also die Mechanik, die ich da so gelesen habe, war am Anfang, ganz am Anfang, also wenn ein Land ein sehr geringes Bruttoinlandsprodukt und Pro Kopf Einkommen hat, dann sind diese Rücküberweisungen in der Tendenz eher migrationsfördernd, weil die Leute Ambitionen entwickeln und sie im eigenen Land aber nicht umsetzen können, also ein Anreiz haben, auszuwandern.
Ab einem bestimmten Pro Kopf Einkommen, also plusminus so 10.000 $ pro Jahr, dreht sich das aber um, dann ist das Land so entwickelt, hat so viele Optionen, dass diese Menschen ihre Ambitionen, ihre Vorstellung von eigenem Leben tendenziell besser in den Heimatländern umsetzen können und dann solche Rücküberweisungen tatsächlich auf diesem Weg auch migrationshemmend wirken. Klingt das plausibel?
Das ist insofern plausibel, als es zumindest eine große Debatte gibt unter Migrations- und Entwicklungsökonomen, wie das aussieht mit dem Zusammenhang von Einkommen und Migrationsneigung, das ist sehr strittig.
Aber es gibt vielleicht so was wie eine herrschende Meinung, die Migration haben, also Migrationsbuckel beschreibt genauso wie gesagt, am Anfang ist die Migrationsmöglichkeit sehr beschränkt, das heißt die die faktische Migration wird auch bezogen auf die heimische Bevölkerung gering sein. Dann bekommen Leute mehr Geld in die Finger und mehr Leute können dann auch migrieren.
Das heißt, vielleicht wollten sie das schon immer, aber jetzt haben sie auch die Chance, das zu tun und irgendwann sinkt das wieder. Das ist, kurz gesagt, empirisch nicht so einfach, wenn man sorgfältiger rechnet. Da gibt es auch Studien hier aus dem Haus und ich glaube, es wird zu technisch, dann dann auf die Details einzugehen. Aber viele Leute sehen das. Ganz sicher gibt es den Effekt, welcher Effekt am Ende durchschlägt in der gegebenen Situation, weiß ich nicht so genau.

Gibt andere Faktoren.
Es gibt durchaus, das bleiben mir auch Leute zu Hause. Ich habe tatsächlich die Freude gehabt, wenn man das so sagen kann, überhaupt aber schon die sehr interessante Erfahrung gemacht, die Migration in Moldau sozusagen vom Punkt Null, wo es kaum Migranten gab, bis heute zu
verfolgen. Und es sind natürlich viele gegangen, aber es sind gerade durch Remittances auch viele Lebensunterhalte, viele Familien, viele Situationen stabilisiert worden, sodass viele eben länger zu Hause geblieben sind und dann vielleicht irgendwann auch mal regulär gegangen sind. Aber es ist halt immer kein Gleichgewicht, so doch eine irgendwie geartete Balance von wie kommen wir zu Hause klar? Wer möchte gehen? Wie könne eben auch Remittances dazu führen, dass Menschen Optionen
haben? Und die Option ist nicht immer zu gehen, Also vor allem die Heterogenität von Erfahrung ist da, ist da sehr wichtig. Aber in der Tat, was Sie bei Herrn de Haas wahrscheinlich gelesen haben, ist eine breite Diskussion und und je nachdem, was man anguckt, sieht man, dass eben die Aspirationen und die Fähigkeit, das Geld, das Kleingeld, um zu migrieren, am Anfang bei sehr niedrigen Einkommen stark auseinanderfallen. Leute wollen weg, sie können nicht. Je mehr sie können, desto mehr gehen
auch. Und irgendwann geht das halt wieder zurück. Insofern ist es auch nicht so einfach zu sagen, wir bekämpfen jetzt Migrationsursachen mit Entwicklungshilfe. Das kann mindestens in alle Richtungen gehen.

Es hängt halt immer so ein bisschen davon ab. Sie haben das so schön bildhaft ja formuliert als die Migrationsbuckel. Am Anfang steigt die Migrationsneigung Slash Möglichkeit und dann sinkt sie wieder ab. Die Frage ist ja immer wo sind wir jetzt aktuell auf der Kurve? Das ist ja die spannende Frage. Sind wir schon auf dem Buckel? Dann würde mehr Entwicklungshilfe oder mehr Remittances, mehr Geldüberweisungen dazu führen, dass die Migration eher nachlässt.
Sind wir natürlich vor dem Buckel, dann hätten wir den gegenteiligen Effekt.
Also wenn wir das mit den 10.000 $ ernst nehmen möchten, wie auch immer die genau gerechnet sind, Kaufkraftparitäten von welchem Jahr und so, aber dann sind wir in ganz vielen Ländern, ein Großteil von Westafrika, Ostafrika sicherlich vor dem Buckel. Das heißt, da bedeutet mehr Geld eben auch mehr Leute können gehen und dann hängt es von von allen anderen Dingen ab. Kann ich legal
gehen? Also Legalität wäre für viele Menschen ein echter Anreiz und fehlende legale Migrationsmöglichkeiten schrecken auch ab. Also da, da gibt es sehr wohl Steuerungsmöglichkeiten. Das auch.

Stichwort Steuerungsmöglichkeiten. Damit sind wir bei unserem nächsten großen Block Möglichkeiten, nämlich der Migrationskontrolle auf nationaler und auf EU Ebene. Also viele Menschen haben ja diese Erwartung an den Staat. Das klingt bei vielen politischen Äußerungen durch, wenn von Migrationsobergrenzen die Rede ist. Eine Obergrenze macht nur dann Sinn, wenn ich die auch umsetzen kann. Viele Menschen haben die Erwartung an den Staat: Wir brauchen Kontrolle von Migrationsbewegungen.
Und da stellt sich uns die Frage: Lässt sich Migration durch nationale Kontrolle irregulärer Zuwanderung überhaupt steuern? Also sind jetzt noch nicht auf EU Ebene Frontex, sondern erst mal geht es nur darum der Bundeskanzler, die Länder, Ministerpräsidentinnen, die Innenminister? Können die sinnvoll alleine irgendwas tun, um Migration zu verhindern?
Ich wüsste nicht wie. Kurz gesagt. Also wenn es um Arbeitsmigration geht, kann man natürlich überlegen, wer bekommt ein Arbeitsvisum? Und viele Leute werden in der Tat abgeschreckt sein, wenn sie kein Arbeitsvisum bekommen.

Aber das sind ja die, die wir wollen.
Das ist die Diskussion, die wir hier wollen, das ist kein Thema bei der irregulären Migration. Wenn Menschen in die EU kommen, einen Asylantrag stellen und damit einen Anspruch darauf haben, dass der geprüft wird. Da kann man halt überlegen, ob man die nationalen Grenzen abschotten will. Aber dann ist da die Frage: Bleiben die dann in Österreich oder Italien oder oder wie soll das
gehen? Also das kann in einem Schengenraum, wo Bewegung zwischen den Mitgliedern, Mitgliedsstaaten der EU und des Schengenraums offen sind, kann das nur gemeinsam auf auf europäischer Ebene passieren.

Provokante Frage: Ist dann Schengen vielleicht einfach passe? Müssen wir das einfach sein lassen? Brauchen wir wieder reguläre Grenzkontrollen dauerhaft?
Ich sehe nicht, dass das sehr viel verbessern würde. Ich meine, auch dann wäre die Frage regulärer Migration, wenn wir dann gar nicht wissen, wo die Leute herkommen und die anderen EU Mitgliedsstaaten auch nicht gerade kooperieren werden. Die werden ja nicht sagen: Oh, diese Person haben wir hier schon mal gesehen, da haben wir die Fingerabdrücke. Wenn das ein Free for all wird und jeder versucht, die Last hin und herzuschieben. Wir waren ja 2016 herum, kurz davor.
Es gab damals so große Tore, die die Österreicher am Brenner hätten anbringen können und hätten dann die Brennerpass praktisch stillgelegt für ireeguläre Migration, buchstäblich physisch, was dann eben auch ein Hinweis an Italien war: Bitte registriert die Leute ordentlich und dann werden wir über gemeinsame Politik reden. Aber es kann nicht so sein, dass ihr alle einfach durchwinkt.

Genau. Also verhindern bedeutet ja immer nach Recht und Gesetz und nach rechtsstaatlichen Prinzipien. Natürlich kann man die Leute, wie das ja zum Teil auch gemacht wird, an einigen Grenzen einfach fortjagen und verscheuchen und ertrinken lassen.

Das fordert ja der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer. Im Deutschlandfunk hat er vor einer Woche etwa gesagt: Uns doch egal, was die europäische Rechtslage ist, die anderen Mitgliedsstaaten halten sich ja auch nicht an die Dublinregelungen. Also schicken wir jetzt einfach Leute zurück, auch wenn das illegal ist. Das war seine harte Forderung.

Genau. Also wenn Sie sagen, ich wüsste nicht, wie das gehen soll, dann heißt das, ich wüsste nicht, wie das nach Recht und Gesetz gehen sollte, dass die Leute, die hier einen Anspruch haben Gehört werden und eventuell Schutz bekommen, bevor wir. Wir können sie nicht einfach fortjagen, ohne dass sie das Land betreten haben und sie einmal gehört haben.
Ja, zur Not könnte man ja doch sagen Du kommst aus Österreich. Österreich hat alle Schutzvorkehrungen und Regeln, die wir auch haben. Also geh bitte zurück nach Österreich.

Das war die Idee von Herrn Kretscher.
Aber da müsste man ja quasi ganz viele Leute an die Grenze stellen und einen dicken Zaun bauen und hoffen, dass die die Migranten nicht rüberkommen. Und das meinte ich, dass das kann irgendwie nicht praktisch funktionieren. Da an der Außengrenze haben wir natürlich Zäune und zum Teil ja auch andere Situationen, wenn Herr Putin relativ gezielt tausende Migranten an die finnische und belarussische polnische Grenze schickt, da sieht man dann das auch.

Ich meine die Maßnahmen, die jetzt unter dieser Überschrift National wir müssen Migration kontrollieren gemacht werden sind zum Beispiel die Geldkarte, sind so Abschreckungsmechanismen, wir müssen mehr abschieben! Das sind dann, selbst wenn man es verdoppelt halt nicht 20.000, sondern 40.000 im Jahr oder so.

Na ja, also realistisch ist es ja eher so, dass wir ein paar 100 mehr abschieben. Oder vielleicht ein paar 1000. Na ja, die Zahlen für die letzten öffentlichen Zahlen, weil so 13, 14.000 und vielleicht sind es 5000 mehr geworden. Das sind ja die Größenordnung bei etwa 250 bis 300.000 Menschen, die in Deutschland eigentlich keinen Aufenthaltstitel haben.

Also diese Mechanismen haben wir oft schon beschrieben. Würden Sie die als Symbole, als Abschreckungssymbolpolitik bezeichnen?
Also die Bezahlkarte mag ja zum Beispiel durchaus eine sinnvolle Verwaltungsvereinfachung sein. Also viele Sozialleistungen werden ja auf Bankkonten gezahlt und vielleicht kann man auch auf Bezahlkarte zahlen. Aber wenn man die jetzt letztlich als Abschreckungsinstrument einsetzen will, das leuchtet mir schon der Funktionsweise her nicht ein.
Und ich sehe auch nicht, dass man Menschen, mit denen man eigentlich friedlich zusammenleben möchte, möglichst hässlich behandelt und meint, damit irgendwas Positives zu erzielen. Also Bezahlkarte ist sicher kein Instrument der Migrationskontrolle und alles andere, was vielleicht an den Außengrenzen praktiziert wird, würde aus meiner Sicht zwischen Deutschland und Polen, zwischen Deutschland und Tschechien, Deutschland und Österreich nicht funktionieren.

Also es gibt ja momentan so einen, Sie sagen Hässlichkeit und halten sie nicht für zielführend. Es gibt ja im Prinzip drei große Vorschläge, die immer gemacht werden. Das eine ist Grenzen zu! Grenzkontrollen! Dazu haben Sie schon gesagt das funktioniert nicht, sonst müsste man Zäune bauen. Dann gibt es diese Bezahlkarten, das haben Sie auch
schon gesagt. Und das Dritte, was immer wieder ins Feld geführt wird, ist möglichst verhindern, dass die Menschen arbeiten, damit sie kein Geld verdienen und das möglichst unschön ist. Dann muss man ganz ehrlich sagen: Dann steht man ja, ich sage jetzt mal etwas platt mit heruntergelassenen Hosen da. Dann gibt es ja eigentlich wenig, was man national tun kann, um Migration zu verhindern, oder?
Das sehe ich in der Tat so. Wir haben eine Europäische Union mit einem Schengenraum und Regeln, wie die Grenzen innerhalb der der Europäischen Union organisiert sind. Und wenn wir Migration steuern wollen durch Grenzmanagement, dann kann das nur an der Außengrenze sein. Das gemeinsam mit den Nachbarstaaten, also gemeinsam, genau wie Deutschland und Österreich kooperieren müssen darüber, wer jetzt wo sein Asylantrag stellt, müssen dann eben die EU und die Türkei auch kooperieren.

Sie haben das ja jetzt in diesem Projekt jahrelang erforscht, auch um der EU Kommission, Verwaltung Ratschläge zu geben. Wie kann man Migration managen, wenn es national jetzt nicht geht? Sie sagen, es geht nur auf EU Ebene nur an den EU Außengrenzen. Was sind denn Ihre Empfehlungen?
Eine Situation, die auch im Rückblick aus meiner Sicht besser war, als sie hätte enden können, war das EU Abkommen mit der Türkei, was im Wesentlichen zwei Elemente hatte. Zum einen hat die EU Flüchtlinge, syrische Flüchtlinge, aber eigentlich alle Flüchtlinge und die Gemeinschaften, wo die leben in der Türkei finanziell erheblich unterstützt. Ich denke, das hat geholfen. Das heißt, die Flüchtlinge hatten einen Ort, wo sie bleiben konnten.
Vorher hatten wir eine Situation gehabt, wo Essensrationen in Flüchtlingslagern gekürzt wurden. Das war dort eigentlich dann vorbei. Und zum anderen hat die Türkei dann eben auch gesagt okay, dann werden wir den Menschenschmuggel auf die griechischen Inseln unterbinden. Das ist auch eine polizeiliche Maßnahme und das hat auch eine Zeit lang eigentlich ganz gut geklappt, solange das politisch gewollt war.

Und das gehört ja auch zu diesem Deal, dass gleichzeitig monatlich ich glaube 50.000 geflüchtete Migranten, Migrantinnen aus Syrien, die in der Türkei geflüchtet waren, regulär in die EU einwandern können.
Das war ganz kompliziert. Da gab es eine völlig schräge Regelung, die nannte sich eins zu eins Regelung. Die ist so schräg, dass es jetzt ist es sich jetzt gar nicht lohnt, darauf einzugehen. Aber in Wirklichkeit sind einige mehr gekommen und es war wohl auch so gewesen, dass da irgendwann mal der Ministerpräsident gewechselt hatte in der Türkei, mitten in den Verhandlungen. Und der hatte dann diesen 0.1 Stück weit fallen gelassen.
Eigentlich war die EU darauf eingestellt, wesentlich mehr Flüchtlinge als es passiert ist. Das waren glaube ich ungefähr 20.000 nachher also eine überschaubare fünfstellige Zahl. Aber die EU war darauf eingestellt gewesen, wesentlich mehr durch ordnungsgemäßes Resettlement zu übernehmen, was ja gerade wenn man an besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, Kranke usw.denkt, eine sinnvolle Maßnahme gewesen wäre.

Der Erfinder dieses Türkeideals, Herr Knaus, argumentiert: Das Ding ist nicht daran gescheitert, weil das an sich eine schlechte, unpraktikable Idee und ein schlechtes Konstrukt war, sondern weil am Ende der politische Wille gefehlt hat, das umzusetzen und all das zu bezahlen, was von europäischer Seite aus nötig gewesen wäre. Sehen Sie das auch so?
Also die Türkei hat schon so wie wir das nachrechnen konnten erhebliche Aufwendungen gehabt für die syrischen Flüchtlinge, die dort sind. Da gibt es auch erheblichen Handlungsbedarf, was die soziale und wirtschaftliche Integration angeht. Also Arbeitsgenehmigungen sind erst sehr spät und sehr wenige gekommen, Also da ist viel zu tun. Aber da sind Menschen sinnvoll untergekommen und das hat sicherlich
geholfen. Und dann gab es aber aus anderen politischen Gründen machte Herr Erdogan alle möglichen Fässer auf in bilateralen Verhältnis mit Griechenland und ob es um Ölbohrungen und sonst was ging, das hat dann das Verhältnis sehr gestört.

Aber das Argument ist jetzt ja, das war die Türkei, die sind NATO Mitglied. Das ist jetzt auch keine Demokratie, wie wir wissen. Aber mit denen gibt es enge Verbindungen, mit denen gibt es eine lange Tradition. Wenn solche Abkommen jetzt die Zukunft sein sollen, dann müssen die ja mit allen möglichen Ländern abgeschlossen werden. Das gibt jetzt mit Ägypten und Tunesien und Marokko gibt es verschiedene Versuche.
Da wird viel Geld überwiesen, in der Hoffnung, dass diese Länder Migranten, Migrantinnen aufhalten und verhindern, dass die ins Boot steigen und verhindern, dass die nach Europa kommen. Halten Sie das für eine tragfähige Strategie?
Da fällt mir tatsächlich wenig anderes ein, muss ich ganz offen sagen. Wir haben ja schon ausgeschlossen mehr Abschiebungen in die Herkunftsländer, weil die Herkunftsländer, auch wenn es keinen Schutzanspruch gibt, die Leute nicht zurücknehmen. In vielen Fällen, wenn es nicht die deutsche Bürokratie ist, die die Abschiebung verhindert. Aber wenn wir sagen, dass das kann überhaupt nicht gehen, dann hätten wir ein Problem.
Und was mir im Augenblick bei insbesondere den Diskussionen mit Tunesien und Ägypten fehlt, ist, dass die Menschen dort eine Bleibeperspektive brauchen. Wenn die Politik Tunesiens darin besteht, Migranten in der Wüste auszusetzen, dann ist das keine Bleibeperspektive. Und das hat schon immer gegeben, schon lange vor den vor den Abkommen. Aber natürlich fällt es irgendwann auch der EU politisch auf die Füße, und allemal hat das dann keine keine
Zukunft. Aber letztlich geht es darum, dass die Länder in Nordafrika sich noch stärker und auch offiziell sozusagen damit auseinandersetzen, dass sie auch Zielländer von Migration sind. Viele Migranten bleiben ja in Marokko. Viele Migranten würden auch in Tunesien bleiben und um vielleicht reguläre Möglichkeiten dann weiter suchen. Aber diesen Status Zielländer anzunehmen und entsprechende Zuwanderungspolitik zu entwickeln, da ist noch ein weiter
Weg. Und das ist in der Tat ganz anders als bei der Türkei, wo es ja eine gemeinsame entwickelte Migrationspolitik über viele, viele Jahre gegeben hat, die. Die Türkei hat ja sozusagen eine Richtlinie für temporären Schutz, so wie die EU das für die Ukraine angewandt hat. Das hat die Türkei ja für syrische Flüchtlinge angewandt und letztlich gemeinsam. Mit der EU von früher schon entwickelt.

Da ist Tunesien meilenweit weg.
Ist meilenweit davon entfernt. Immerhin galt es lange als als Demokratie nach dem Arabischen Frühling. Aber die die Anerkennung des eigenen Status als als Zuwanderungsland und Wir schaffen Bedingungen, wie Zugewanderte hier leben und arbeiten können, das ist sicherlich noch ein weiter Schritt und das ist aus meiner Sicht Voraussetzung dafür, dass solche Abkommen auf die Dauer funktionieren können.

Denn der nächste Schritt, der dann diskutiert wird, ist, dass auch nicht nur diese Länder, die Migranten Migrantinnen irgendwie aufnehmen, beherbergen sollen, in Zukunft Perspektive geben sollen, sondern dass in diesen Ländern auch Asylverfahren nach europäischen Standards durchgeführt werden.
Mit europäischen Bürokratie, mit Rechtsstaat, mit Einspruchsmöglichkeiten, mit Anwältinnen, Anwälten vor Ort, an die sich dann die Geflüchteten wenden können im Rahmen des europäischen Rechts, so weiter und so fort. Für wie realistisch halten Sie das?
Soweit ich weiß, sind sowohl Tunesien als Marokko Unterzeichnerstaaten der Flüchtlingskonvention. Die UNHCR hat auch einige registrierte Flüchtlinge, einige 1000 in beiden Ländern. Was dann europäischer Standard ist, wird man sehen. Angemessener afrikanischer Standard würde ja vielleicht ausreichen. Also wichtig ist aus meiner Sicht, dass Menschen irgendwo bleiben können und nicht in der Wüste ausgesetzt werden.
Aber wenn das bedeuten würde, alle können einfach irregulär nach Europa weiterreisen, würde das glaube ich in Europa zu Situationen führen, die dann auf die Dauer auch nicht mehr tragfähig wären.

Also mit anderen Worten. Es gibt keine richtig guten Lösungen, wenn man ehrlich ist. Aber Sie sagen, nationale Migrationssteuerung ist jedenfalls im Ansatz wenig vielversprechend. Deswegen ist die einzige, wenn auch nicht schöne Option, die Außengrenzen der EU möglichst gut abzusichern und vor den Toren der EU eben Asylverfahren durchzuführen. Kann man das so zusammenfassen?
Ja, ich denke schon, dass das Grenzmanagement nur an den Außengrenzen stattfinden kann und dass das Verantwortungsteilung eben nicht nur in der EU statt sich auf die EU beschränken kann, sondern auch mit allen anderen Staaten in der Umgebung dann passieren muss. Und die Bedingungen sind dann eben letztlich so, wie sie im Rest der Welt sind.
Und wichtig ist aus meiner Sicht, dass wir das nicht mit der Perspektive angehen, die Leute sind irgendwie weg und deshalb interessiert es uns nicht mehr, sondern dass wir schauen, dass Menschen irgendwo sinnvoll leben können, in Würde leben können. Aber das wird nicht für alle in Europa sein können, sonst hätten wir offene Grenzen und mit mit wirtschaftlichen und sozialen Folgen, die glaube ich, auf die Dauer auch nicht tragfähig wären.

Vielleicht eröffnet das dann ja auch die Perspektive mit den Menschen, sagen wir mal vielleicht in ihrem Sinne etwas konstruktiver umzugehen, die schon da sind. Stichwort Arbeitserlaubnisse zum Beispiel oder praktische Hürden zur Arbeitsaufnahme.
Also nachdem ich lange draufgeschaut habe, ohne dass es dazu jetzt spezialisierte Forschung gäbe. Aber nachdem ich lange auf die Situation geschaut habe, denke ich, da macht es Sinn, absolut pragmatisch zu sein, wenn wir die Menschen nicht abschieben können, obwohl sie hier eigentlich kein Bleiberecht haben. Aber das geht eben nicht.

Oder im Asylverfahren, wo wir sie natürlich auch noch nicht abschieben können. Also sind noch ein paar Jahre.
Asylverfahren, sollten idealerweise ein paar Wochen dauern und nicht ein paar Jahre.

Ja gut, aber das sind wir noch nicht.
Ein Monate, wenn's auf den Klageweg geht. Aber, das muss eigentlich nicht so lange gehen, aber ja.

Das heißt also, es wird natürlich dann teuer. Das muss man sich überlegen. Sie haben ja völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass die Verantwortung Europas für die geflüchteten Menschen oder auch vielleicht für ArbeitsmigrantInnen nicht endet, wenn sie nicht mehr europäischen Boden erreichen, sondern auch vor den Toren Europas. Das wird natürlich nicht ganz billig.
Das wird nicht ganz billig. Das ist auch im Fall der Türkei nicht ganz billig. Aber auch da ist die Frage Was ist denn die Alternative? Also selbst einen kleinen Teil dieser Menschen in Europa aufzunehmen, bis die sozial und wirtschaftlich integriert werden, wenn sie hier bleiben, wäre auch nicht ganz billig. Die Lebensbedingungen, die die Lebenshaltungskosten sind schon deutlich niedriger in Nordafrika und da lässt sich mit europäischem Geld recht viel bewegen.
Auch wenn ich denke, dass die Türkei letztlich viel zu wenig Geld bekommen hat für die Kosten gegeben die Kosten, die sie selbst als relativ armes Land gehabt hat. Aber da ist, glaube ich, viel Spielraum.

Das ist ja der Kern der Kritik, dass eben dieser sogenannte Türkei Deal für die geflüchteten Menschen tatsächlich zu hohen humanitären Kosten geführt hat, dass also einfach die Lebensbedingungen in der Türkei häufig nicht adäquat waren, nicht zuletzt wegen zu geringer Zahlungen. Insofern, da wird man dann wirklich doch an substantielle Zahlungen denken müssen.

Nun ist ja auf europäischer Ebene gerade das gemeinsame europäische Asylsystem reformiert worden. Vielleicht können Sie mal kurz skizzieren was sind die Eckpfeiler und bringt das was im Sinne des erklärten Ziels?
Eckpfeiler oder Geschosse von Gebäuden. Herr Schinas, der ehemalige Vizepräsident, hat wahrscheinlich jetzt noch kommissarischer Vizepräsident der Kommission, hat immer davon gesprochen, dass das Erdgeschoss in dem Gebäude sind die Beziehungen mit Nachbarstaaten, also die externe Dimension des Systems. Das heißt, wir müssen Migrationsbewegungen gemeinsam mit Nachbarstaaten managen. Das sind die Abkommen, über die wir gerade gesprochen haben.
Aus meiner Sicht unverzichtbar, aber natürlich nicht ohne Herausforderungen und möglicherweise auch deutlich teurer als bisher. Und dann geht es um die Frage zum einen Wie können wir diejenigen, die keinen Schutzanspruch bekommen, relativ schnell identifizieren und auch wieder in ihre Herkunftsländer schicken? Da geht es um die Grenzverfahren. Da muss eine Menge Bürokratie geschaffen werden.
Aber das sollte eigentlich im Interesse aller Beteiligten sein, das zu tun, also das schnelle Verfahren zu haben. Und die Herausforderung ist dann eben, wie klappt das mit der Rückführung? Ansonsten ist man eigentlich da, wo man jetzt ist. Und dann ist ja die Idee Wir schaffen Solidarität zwischen den EU Mitgliedsstaaten.
Zum einen bei der Durchführung der Grenzverfahren, zum anderen auch bei der Aufnahme von Menschen, die eben sagen wir mal in großer Zahl auf Malta oder Zypern ankommen oder auch in Griechenland und und, wo dann eben einige EU Mitgliedsstaaten überfordert sein können. Und wenn das alles andere funktioniert, wird es da dann vielleicht auch eine Bereitschaft geben von anderen Staaten die aufzunehmen? Wobei Solidarität verpflichtend ist, aber nicht eine bestimmte Form.
Also jedes Land könnte sagen, ich will lieber bei den Grenzverfahren mithelfen und will aber niemand aufnehmen aus anderen EU Mitgliedsstaaten. Das ist so der ganz grobe Rahmen, also die externe Dimension als Grundlage, dann zu schauen, wie können wir schnell diejenigen, die keinen Schutz bekommen, zurückschicken, um damit auch unnütze, schlecht begründete Asylanträge im Grunde genommen abzuschrecken und zu sagen, das ist kein Weg. Das hilft euch nicht weiter.
Und dann die Frage Wie können wir diejenigen schützen, die die Schutz bekommen sollen?

Die Grenzverfahren haben natürlich aus einer menschenrechtlichen Perspektiven einen sehr hohen Preis. De facto werden Menschen inhaftiert, die niemandem was zuleide getan haben, die nichts falsch gemacht haben, außer eben aus europäischer Perspektive nach Europa zu kommen. Da kann man schon, sagen wir mal, vorsichtig Zweifel anmelden. Aber auch aus einer ökonomischen Perspektive sind wir dann doch eigentlich wieder bei dem Problem, das wir oben gerade schon
diskutiert haben. Da haben wir dann Menschen, die wir alimentieren müssen, über Monate, über Jahre, möglicherweise, solange sie eben in diesem Grenzverfahren in Haft sitzen, die aber nicht arbeiten können.
Gut. Ob das jetzt wirklich Haftbedingungen sind, vermag ich nicht zu erklären. Aber wenn wir wissen, dass die Menschen sonst in großer Zahl abhauen würden, ist halt die Frage, ob es nicht okay ist zu sagen Ihr seid jetzt in der Gemeinschaftsunterkunft und das Ganze ist ja auf Wochen eigentlich begrenzt.

Das ist ja unrealistisch.
Ich glaube ja. Dann ist ja ganz klar sie kommen ins normale Asylverfahren. Aber wenn man sich damit zufrieden gibt, dass das unrealistisch ist, dann braucht man fast nicht anzufangen. Aber dann ist die Frage Was passiert denn dann?

Also ich sage nicht, ich frage mich das ganz pragmatisch, weil wir es in Deutschland nicht schaffen, sehr schnelle Asylverfahren durchzuführen. Bei einem bürokratischen, ja aber doch im Grundsatz sehr gut ausgebauten Rechtsstaat.

Größte größte Einwanderungsbehörde der Welt, das BAMF.

Und da frage ich mich so ein bisschen Warum soll jetzt eine zum Beispiel spanische oder oder italienische Behörde dieses Verfahren effizienter abwickeln? Und vor allem wieso soll dies mit einmal schaffen, Menschen in den Senegal zum Beispiel abzuschieben, wenn wir aus Deutschland das doch auch nicht schaffen? Also ich habe so ein bisschen das Gefühl, dieses ganze Grenzverfahren baut auf mindestens zwei sehr wackeligen Fundamenten, nämlich Verfahrensgeschwindigkeit und effektive Rückführung.
Also für beides gibt es aus meiner Sicht kein plausibles Argument. Vielleicht habe ich aber auch was übersehen. Also gibt es da irgendwelche Gründe, warum das besser klappen könnte bei so einem Grenzverfahren als es bisher in Deutschland zum Beispiel?
Also was die Verfahrensgeschwindigkeit angeht zumindest bei Gerald Knaus galten die Niederlande als positives Beispiel. Die haben es lange geschafft, ordentliche Asylverfahren in acht Wochen im Wesentlichen abzuwickeln, wo es auch eine ordentliche Rechtsberatung gab. Und das hat geklappt. Das geht also. Man muss wahrscheinlich entsprechende Ressourcen widmen. Ich glaube, da gibt es inzwischen auch wieder Probleme. Aber, aber das wäre machbar und das ist ja die Vorgabe.
Wenn Menschen dann nach acht Wochen immer noch im Grenzverfahren drin sind, haben sie einen Anspruch darauf, in ganz normale Verfahren zu rutschen. Und dann sind wir da, wo wir jetzt sind. Und ob das in der Tat mit der Rückführung besser klappt, bliebe abzuwarten. Wenn die EU wirklich bereit wäre, ihr politisches Gewicht dahinter zu setzen, kommen wir da vielleicht weiter als bisher. Aber bisher gab es immer die Idee Team Europe steht da zusammen.
Aber letztlich haben alle verschiedenen Interessen, egal ob Home Faires oder ich sage mal Außenministerium, also Außenpolitik, Entwicklungspolitik immer ihre eigenen Interessen verfolgt. Und das war natürlich jetzt nicht die Rückführung zu maximieren.

Also ich glaube, Knaus argumentiert ja, was die Verfahren angeht, UNHCR kann so was machen, die machen das seit vielen, vielen Jahrzehnten weltweit. So haben da also Übung. Erstens. Zweitens diese Rückführungen, sagt er. Die werden, glaube ich, so in der Tendenz nur funktionieren, wenn man diesen Ländern, den Heimatländern, irgendwas anbietet, wovon sie substanziell was haben.
Und da ist die Währung a) Visa, zum Teil Visafreiheit für bestimmte Länder, dass die Leute aus diesen Ländern einwandern können, was in den vielen Ländern ein unglaublich hohes Gut ist und sehr begehrt und den Anreiz stärken könnte, auch abgelehnte Flüchtlinge anzunehmen. Und das zweite ist eben eine regulär geordnete Überführung von Migranten und Migrantinnen aus diesen Ländern in die EU.
Also wir weisen sie an den EU Außengrenzen ab, aber dafür nehmen wir aus eurem Land eine bezifferte Zahl per Flugzeug regulär lassen wir einwandern in die EU. Ich glaube, das sind so die Mechaniken, die ihm vorschweben.
Die Ideen, die mit, die man haben kann, um, um da auf eine Diskussion auf Augenhöhe zu kommen und auch zu sagen was, was brauchen diese Staaten, um sie zurückzunehmen, in der Tat, ja.

Ja, was mich jetzt noch mal zum Abschluss interessieren würde Sie haben am Anfang Australien Kanada genannt. Das wird ja auch hier von Leuten, die sagen, wir müssen Migration kontrollieren, oft als Vorbild genannt. Geht doch auch in Kanada. Australien macht es uns vor. So genau müssen wir das machen. Sie haben ein paar Unterschiede schon genannt. Ich würd klärend zum Schluss einmal noch sagen: Was sind denn die entscheidenden Unterschiede zwischen der EU und beispielsweise Kanada?
Inwiefern sind diese beiden, was Migrationskontrolle angeht, zu vergleichen und in welchen Aspekten vielleicht auch nicht?
Unter dem Kontrollaspekt sind es in der Tat die geographischen Unterschiede, die ich auch ganz besonders sehe. Kanada hat wahrscheinlich auch ein paar irreguläre Einwandernde über die USA Grenze, aber das ist eben doch dort immer noch zu vernachlässigen. Solange in Europa Grenzen relativ offen sind und das Meer ist eben relativ offen, wird dieser Teil so nicht funktionieren.
Und und damit sind wir zumindest was Asylsuchende angeht, in einer anderen Welt und müssen uns mit dem Asylsystem in einer Weise auseinandersetzen, wie Kanada das nicht muss.

Ja, das ist der große Unterschied.
Es ist schlicht, schlicht und einfach. Ich glaube, Kanada ist in der komfortablen Position, dass sie Flüchtlinge gezielt aufnehmen durch Resettlement. Da tun sie auch viel. Aber sie haben eben nicht das quasi Unkontrollierte, was ja auch politisch heikel ist, dass Flüchtlinge einfach hier sind, egal ob aus der Ukraine oder oder über das Mittelmeer.

Wenn man jetzt mal aus dem Ganzen raussuchen, wir kommen so langsam quasi auf die Zielgerade unseres Gesprächs. Sie sind, ich sage jetzt mal Migrationsexperte. Sie beschäftigen sich seit vielen, vielen Jahren Daten gestützt mit dem Thema, gerade auch mit der Motivation von geflüchteten Menschen, mit den Folgen für Deutschland.
Wenn Sie dann so auf den politischen Diskurs in Deutschland schauen, was wären denn da so die eins zwei Mythen, die sie gerne mal debunken würden, wo sie sagen würden das ist einfach Quatsch. Und von dieser These, von diesem Mythos sollten wir uns im politischen Diskurs in Deutschland verabschieden.
Schön, dass wir die Pause rausschneiden können.

Die nehmen wir raus.

Die lassen wir. Da ist eine Dramatik drin...wir machen ein paar spannungsgeladene Streicher da rein...(Allgemeines Gelächter)
Ähm. Was sind die Mythen in der deutschen Diskussion?

Wo fließt viel politische Energie, wo sie sagen, das ist doch Quatsch. Können wir uns wirklich sparen. Lasst uns über was anderes reden. Die Nuss ist hart genug zu knacken.

Lass uns die Lösungen in den Blick nehmen und nicht die Mythen.
Also ein wichtiger Punkt ist sicherlich, dass nationale Migrationskontrolle nicht wirklich funktionieren kann. Es kann darum gehen, konstruktiv auf EU Ebene mitzuarbeiten. Aber die Idee national irgendwas bewegen zu wollen, ist einfach nicht hilfreich. Die Diskussion über Obergrenzen gehört da eigentlich auch rein. Gerade Fluchtmigration findet halt statt, wenn es Krisen gibt. Das betrifft dann unter Umständen Europa als Ganzes.
Aber das betrifft natürlich auch Deutschland direkt, wenn Menschen aus der Ukraine kommen. Es gibt relativ wenig Möglichkeiten, auf Fluchtursachen einzuwirken. Das ist ja auch eine beliebte Diskussion. Wir bekämpfen lieber Fluchtursachen, als als Menschen aufzunehmen. Eine wichtige Migrationsursache sind die weltweiten Einkommensunterschiede. Die werden lange noch bestehen bleiben. Andere wichtige Migrationsursache sind in der Tat die Krisen.
Ein bisschen Krisenmanagement können wir vielleicht weltweit betreiben, aber letztlich werden wir auch Menschen unterstützen müssen aus humanitären Gründen, die durch Krisen vertrieben werden. In der Ukraine können wir diskutieren, ob nicht eine umfassende militärische Unterstützung, die der Ukraine eine Chance gibt, als als Staat weiter zu existieren. Ob die nicht Voraussetzung dafür ist, dass nicht viele weitere Migrationsbewegungen nach Deutschland kommen?
Also hier habe ich den Eindruck, gibt es ausnahmsweise mal die Möglichkeit, tatsächlich über Fluchtursachen nachzudenken und was wir tun können, um sie zu bekämpfen. Aber das ist eigentlich das das große Spektrum, eine gewisse Sachlichkeit und ansonsten eben zu schauen, wie können wir als eine zunehmend diverse Gesellschaft immer besser zusammenleben? Wo sind wir einfach nicht einladend für Arbeitskräfte, die wir wollen?
Wo machen wir es schwer für Menschen, die wir vielleicht nie ausgesucht haben, aber die jetzt einfach hier sind und zur Gesellschaft dazugehören und wo es für uns alle am besten ist, wenn die ihre Chancen für gesellschaftliche und und wirtschaftliche Teilhabe haben.

Arbeiten lassen.
Das heißt zum Beispiel arbeiten lassen. Das hat mit dem Bildungssystem zu tun. Aber einfach anzunehmen, dass wir eine diverse Gesellschaft sind und mit dieser Diversität leben lernen und die Chancen nutzen.

Matthias Lücke Ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit.
Vielen Dank für das Gespräch.

Honorarprofessor an der Uni Kiel und hier Migrationsforscher am Kiel Institut für Weltwirtschaft. Und das war's mit der Lage der Nation für diese Woche.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, dass ihr dabei seid und wir wünschen euch noch einen schönen Sommer. Wir hören uns Anfang September wieder. Bis dahin macht es gut. Genießt die Tage. Auf bald.

Bis dahin.

Und tschüss.