
Herzlich willkommen zur Lage der Nation, Ausgabe Nummer 389 vom 27. Juni 2024. Und an den Mikrofonen im sommerlich heißen Berliner Lagestudio begrüßen euch Ulf Buermeyer, das bin ich, Jurist aus Berlin und...

...Philip Banse. Eben zeigte das Thermometer noch 30, dann ganz runter auf 27, jetzt sind wir bei soliden 28 Grad, haben natürlich für euch extra die Fenster zugemacht, damit ihr den Regen nicht hört. Auch von mir ganz herzlich willkommen! Ja, wieder ein volles Pad, bevor es losgeht. Eine kurze Danksagung noch mal, wir hatten das ja letztes Mal schon gesagt. Vielen, vielen Dank für die Unterstützung mit einem plus Abo. Und da hatten wir ja gesagt, wir verlosen als Dank ein iPad und zwei Paar
wie es die Dinger? Airpods.

Airpods.

Also die schönen Kopfhörer. Und das verlosen wir unter allen, die am 15. Juli um 15:00 Plus Abo haben, könnt ihr euch klicken unter plus.LagederNation.org.

Das haben auch ein paar Leute schon gemacht, seit wir in der letzten Woche die Verlosungsaktion gestartet haben. Herzlichen Dank an alle, die sich bei dieser Gelegenheit den Ruck gegeben haben und gesagt haben: Ja, das ist guter Journalismus, das ist mir ein paar Euro im Monat wert.

Außerdem müssen wir sagen dies hier, was ihr jetzt hört, ist die letzte Lage vor der Sommerpause.

Jedenfalls die letzte reguläre Lage. Aber keine Sorge, die Lage gibt es natürlich auch weiterhin. Wir füttern euch wie gewohnt mit spannenden Interviews in diesem Jahr, sogar mit so vielen wie noch nie. Wir haben fünf Interviews geplant für euch.

Ja, und zwar machen wir die in der nächsten Woche im Rahmen einer großen Deutschlandtour. Wir haben einen Ministerpräsidenten, wir haben eine Bundesministerin, wir haben eine europäische Spitzenpolitikerin, wir haben zwei Wissenschaftler. Also Content galore.

Content galore. Ich glaube, das wird richtig spannend. Ich freue mich schon sehr auf unsere Interviewreise nächste Woche. Und ich glaube, das wird auch Spaß machen, da reinzuhören. Letzte gute Nachricht, die wir vor euch haben: Wir schieben noch eine Lage live ein. Unsere Show am 3. Oktober in Bonn ist ja schon lange ausverkauft und wir haben uns überlegt, wir geben jetzt ein Bonus Konzert.

Richtig und zwar am 5. Oktober, zwei Tage später in Leipzig, im Westbad Leipzig, um genau zu sein. Tolle Location. Waren wir schon mal vor fünf Jahren, glaube ich.

Mittlerweile, Dezember 2019.

Richtig. Könnt ihr euch Tickets klicken. Gibt es unter Lage.live.

Zu unserem ersten Thema: Noch eine gute Nachricht. Julian Assange ist frei! Eine überraschende Nachricht, Philip, oder?

Absolut. Ich war wirklich überrascht und auch ein bisschen froh. Details können wir dann noch besprechen, aber dass das jetzt offensichtlich zu einem Ende kommt. Also Julian Assange hatte ja diese Plattform gegründet, Wikileaks und auf dieser Plattform wurden eben Dokumente veröffentlicht, mit denen dann auch Kriegsverbrechen der Amerikaner unter anderem enthüllt wurden. Und die Amerikaner warfen also Assange und Wikileaks den Verrat von Staatsgeheimnissen
vor. Daraufhin war Assange jahrelang eingesperrt. Kritiker sprachen auch von Folter und von einem Angriff auf die Pressefreiheit.

Und der Fall hatte sich ja in den letzten Wochen noch mal zugespitzt. Er schien nämlich kurz vor seiner Auslieferung an die USA zu stehen, wo ihm über 100 Jahre Haft drohten. Und nun plötzlich ist der Fall beendet. Julian Assange ist frei, befindet sich bereits wieder in seiner Heimat Australien. Philip, wie kam es denn zu dieser überraschenden Wende?

Na ja, also ich habe es angedeutet. Assange ist Gründer von Wikileaks. 2006 ging das los und das war eben eine Plattform, auf der damals jeder Dokumente letztlich veröffentlichen konnte. Und der Ärger für Assange begann eigentlich 2010, als Wikileaks Dokumente der USA veröffentlichte und gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning. Und diese Dokumente belegten also sehr ausführlich und detailliert Kriegsverbrechen der Amerikaner in den Kriegen im Irak und in Afghanistan.
Also Stichwort hier ist dieses Video Collateral Murder, wo amerikanische Soldaten Zivilisten erschossen im Irak. Und das große andere Stichwort sind die sogenannten Cableleaks, wo also viele, viele, viele 1000, wie das so hieß Cabels veröffentlicht wurden.

Also diplomatische Telegramme quasi.

Richtig, die die Botschaften untereinander ausgetauscht hatten und auch nach Hause ans Außenministerium der USA geschickt hatten. Also da war sehr detailliert dargelegt, was die USA so denken und machen international. Und die Kritik war am Anfang bei Wikileaks immer ja, die schütten ja die Dokumente mehr oder weniger ungeschwärzt ins Internet. Also da sind dann auch Namen von Unbeteiligten, von Informanten im Klartext zu lesen.
Und diese Politik hat Wikileaks dann aber im Rahmen der Zusammenarbeit mit internationalen Medien geändert. Also da gab es dann wirklich eine Redaktion dieser geheimen Dokumente, so wie das journalistisch, ethisch dann eben auch zu verantworten war. Und damit war in meinen Augen dann einer der großen Kritikpunkte an der Publikationspolitik von Wikileaks behoben.

Ja, Gleichwohl erhoben die USA schwere Vorwürfe gegen Wikileaks allgemein, aber speziell eben auch gegen Julian Assange. Er habe geheimes Material gestohlen und veröffentlicht und damit das Leben von US-Informantinnen und Informanten in Gefahr gebracht. Interessant dabei: Ein solcher Schaden durch die Veröffentlichung wurde aber nie nachgewiesen, es wurde immer von Risiken gesprochen. Die waren jetzt sagen wir mal abstrakt auch gar nicht von der Hand
zu weisen. Also wenn also zum Beispiel aus diesen Cables sich ergeben hätte, dass eine bestimmte Person in Afghanistan mit den USA zusammengearbeitet hat, dann hätte man sich ja theoretisch schon vorstellen können, dass die Taliban das nicht so lustig finden. Aber in der Praxis ist das eben nie eingetreten. Was aber ganz klar ist Philip, glaube ich, kann man schon sagen, ist der Mehrwert für die Öffentlichkeit. Der ist nämlich riesig.

Ja, ich würde sagen, wie gesagt, da wurde sehr, sehr detailliert in Zusammenarbeit mit internationalen Medien, basierend auf Tausenden von Dokumenten wirklich konkret nachgewiesen, was die Amerikaner in diesen Kriegen machen. Auch wenn natürlich das Handeln von Assange selber schon auch oszilliert zwischen Journalismus und Aktivismus.
Ich würde sagen, die Arbeit konkret, um die es hier geht, nämlich die Veröffentlichung Cableleaks, Collateral Murder, Irak, Afghanistan, war im Kern ganz klar investigative journalistische Arbeit.

Die USA jedenfalls verfolgten Julian Assange, klagten ihn an, daraufhin floh er in die ecuadorianische Botschaft in London, saß dort sieben Jahre quasi im Botschaftsasyl, wurde dann irgendwann rausgeworfen, daraufhin von der britischen Justiz verhaftet und saß daraufhin noch fünf Jahre in einem Hochsicherheitsknast in London unter, sagen wir mal jedenfalls sehr umstrittenen Bedingungen.
Es waren eben manche Menschenrechtler:innen auch als Folter bezeichnet und daraufhin folgte ein jahrelanger Streit um die Auslieferung an die Vereinigten Staaten, wo ihm, wie gesagt, wenn er jetzt in allen Anklagepunkten für schuldig befunden worden wäre, mit bis zu 175 Jahren Haft hätte rechnen müssen.

Richtig, dieses Asyl in der ecuadorianischen Botschaft war auch, sagen wir mal, evoziert durch Ermittlungen, die es in Schweden gab wegen Vergewaltigung. Die wurden dann aber aus Mangel an Beweisen einfach eingestellt.

Das muss man sagen. Diese ganzen Verfahren sind in Schweden im Sande verlaufen und auch da gab es zum Beispiel vom UN Sonderbeauftragten für Menschenrechte massive Vorwürfe gegen die schwedischen Ermittlungsbehörden. Es handele sich bei diesem Verfahren in vielen Details um Menschenrechtsverstöße.
Also das ist auch nicht so ganz sauber gelaufen, deswegen gab es da eben Vorwürfe, dass die Schweden da quasi ihren Freunden in Washington einen Gefallen hätten tun wollen, ist natürlich nie nachgewiesen. Aber diese Verfahren waren auch sehr umstritten und es ist jedenfalls nichts dabei rausgekommen. Das kann man sagen.

Aus Mangel an Beweisen eingestellt wurden. So, nun also dieser Deal mit der US Justiz, der im Kern besagt Assange, bekennt sich in Teilen schuldig. Konkret bekennt er sich schuldig zur Verschwörung, zur unrechtmäßigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen. Dazu, war so der Deal, wird er halt zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Diese Strafe gilt aber als verbüßt, weil er eben in Großbritannien schon fünf Jahre im Gefängnis gesessen hat.

Ja, die Gegenleistung der Vereinigten Staaten. Daraufhin lässt das Department of Justice das Justizministerium, das eben auch oberste Anklagebehörde ist, den Rest der Vorwürfe fallen gegen Julian Assange, und damit ist er ein freier Mann. Nun kann man sich noch die Frage stellen, warum dieses interessante Detail, das er eben nicht in den Vereinigten Staaten, wie man sie sich so vorstellt, Mainland USA vor Gericht gestellt wurde, sondern auf der Marianneninsel Saipan irgendwo im Pazifik.
Na ja, kann man sich vorstellen. Assange wollte auf gar keinen Fall in die Vereinigten Staaten einreisen, also wie gesagt, ins Kernland der USA. Deswegen war der Kompromiss man trifft sich auf einem formal zu den USA gehörenden Außengebiet irgendwo im Pazifik und das dortige US Bezirksgericht machte bei diesem Deal auch mit. Und damit ist die Sache abgeräumt.
Ihr seht schon, also das zeigt auch noch mal so ein bisschen, dass die Rechtslage in den USA so ist, aus deutscher Sicht da einfach viel pragmatischer ist. Die Anklagebehörden haben da wesentlich mehr Spielräume. In Deutschland gibt es ja das sogenannte Legalitätsprinzip. Also wenn man tatsächlich einen Verdacht einer Straftat hat, dann kann man nicht den Fall nicht einfach so beerdigen, dass es in den USA ein bisschen anders.
Da hat also sowohl das Justizministerium als Staatsanwaltschaft Spielräume als auch eben Julian Assange, der sich eben zum Beispiel schuldig bekennen kann, auch wenn er gar nicht schuldig war. Also ein deutsches Gericht zum Beispiel dürfte ein falsches Geständnis seinem Urteil nicht zugrunde legen. Das ist ganz interessant.
Also in Deutschland kann man eine Tat natürlich gestehen, aber das Gericht darf selbst auf ein Geständnis hin nicht verurteilen, wenn es nicht auch selber von der Schuld des Angeklagten überzeugt ist. Wie gesagt, das läuft in den USA alles ein bisschen pragmatisch ab. So Philip, wie bewertest du denn jetzt diesen Verfahrensausgang? Ist das jetzt eine gute Nachricht für die Pressefreiheit?

Sowohl als auch. Wie das immer so ist in der Lage.

Es kommt drauf an.

Es kommt drauf an! Also fangen wir an Assange hat sich nach US-Recht wohl strafbar gemacht. Also Anklage nicht völlig aus der Luft gegriffen. Das US-Recht kennt einfach keinen ausreichenden Schutz für Whistleblower und Informanten. So ist das nun einfach. Aber das Verfahren, so würde ich das trotzdem einstufen, war ein Racheakt an Assange für all das, was er gemacht hat. Also ich glaube, das Department of Justice musste ihn nicht anklagen, anders als es in Deutschland der Fall gewesen wäre.
Das hast du gesagt. Assange hatte damals 2010 und Folgejahre den USA würde ich mal sagen öffentlich einfach die Hosen runtergezogen.

Also quasi das wenn eines der Länder auf der Welt, die sich so quasi als Heimathafen von Demokratie und Menschenrechten ansehen, wenn die jetzt eben quasi mit Dokumenten nachgewiesenermaßen brutale Kriegsverbrechen begehen. Das sieht halt einfach doof aus. Und das fand selbst ein demokratischer Präsident Barack Obama und seine damalige Außenministerin Hillary Clinton nicht lustig.

Vor allen Dingen die Veröffentlichung der Cabels, also dieser internen Kommunikation der Botschaften des Außenministeriums weltweit. Das war für die USA extrem peinlich und ich glaube, aus meiner Sicht war das eindeutig eine Racheaktion und galt auch ganz klar der Abschreckung. Macht das nicht nochmal. Wer sich mit uns in diesem Maß anlegt, der muss damit rechnen, dass wir mit voller Kraft zurückschlagen.

Und vor allem wir USA haben einen verdammt langen Arm. Wir erwischen euch überall auf der Welt. Das ist natürlich auch nur die halbe Wahrheit. Also denken wir an Edward Snowden, der den USA zu einem ähnlichen Thema ja ebenfalls die Hosen runtergelassen hat, nämlich zur amerikanischen Massenüberwachung auf der ganzen Welt durch die NSA. Der sitzt ja nun in Moskau im Exil und nach allem, was man weiß, geht es dem vergleichsweise gut.
Also weil eben die diplomatischen Beziehungen zwischen Washington und Moskau gerade nicht so sind, dass man da Whistleblower ausliefert.

Aber auch der will auf gar keinen Fall zurück in die USA.

Und auch sonst auch fast nirgendwo mehr hin.

Also auch da gilt Snowden bleib da, wo du bist, meinetwegen in Russland. Aber wag es auf gar keinen Fall in die USA zurückzukommen, da machen wir dich fertig. Also das Signal ist schon ähnlich. Die Frage ist so ein bisschen warum hat das jetzt so lange gedauert? Also der Gesundheitszustand von Julian Assange ist schwierig, war schwierig, wurde immer kritischer über die Haft hinweg. Und da muss man schon fragen, warum musste das so lange dauern?
Warum hat sich speziell Australien nicht früher viel stärker für ihren Staatsbürger, der es ja nun ist, Julian Assange ist Australier, warum hat er sich nicht so eingesetzt? Offenbar hat jetzt die Verhandlung und der Einsatz des Ministerpräsidenten in Australien dazu geführt oder extrem dazu beigetragen, dass es nun zu diesem Deal gab. Gut.

Tja, also ich würde mal sagen, ist eigentlich ziemlich eindeutig. Das Verhältnis zu den USA ist für Australien aus strategischen, auch militärischen Gründen halt einfach wichtiger als eine einzelne Person. Ich glaube, so trocken wird da kalkuliert.
Man kann sich natürlich auch völlig zu Recht darüber aufregen, dass Julian Assange eben viele, viele Jahre seine Freiheit verloren hat, während auf der anderen Seite über eine Strafverfolgung der verantwortlichen Soldaten wenig bekannt geworden ist, mal vorsichtig formuliert. Ich glaube, die sind weitgehend ungesühnt davongekommen.

Nach meinem Stand ist das so, dass die Leute, die in Collateral Murder da gefilmt wurden, wie sie Zivilisten erschossen haben, bisher nicht belangt wurden.

Also es geht ja konkret um so eine Hubschrauberbesatzung, die eben quasi aus dem Hubschrauber heraus Leute auf dem Boden erschossen haben, die...

Journalisten waren und Zivilisten waren und keine Kombattanten waren. Und darüber ist jetzt also nichts bekannt. Es ist nicht bekannt geworden. Und natürlich muss man aber auch sagen, obwohl das unterm Strich jetzt alles richtig war. Assange selber ist natürlich eine problematische Person, daran kann man, glaube ich, nicht vorbeigehen. Diese Sexualstraftaten, die ihm vorgeworfen wurden, die wurden aus Mangel an Beweisen eingestellt.
Aber sein Verhältnis zu Russland glaube ich, das kann man schon kritisieren. Das ist relativ einseitig. Er hat immer im Kern die USA kritisiert. Es gab selten ein Wort gegen Putin. Er hatte auch mit Hillary Clinton, glaube ich, eine sehr persönliche Fehde am Laufen. Das war halt die Außenministerin, als diese Cabledokumente, diese Botschaftsdepeschen geleakt wurden. Und die hat das nicht gut gefunden, das muss man sagen.
Und daraus hat sich halt eine persönliche Fehde zwischen Clinton und Assange entwickelt.

Ja, ja, und daraufhin hat Assange auch zurückgeschlagen. Anders kann man es, glaube ich nicht sagen. Er hat nämlich mit seiner Plattform Wikileaks im US Wahlkampf 2016 eben Emails veröffentlicht, die von Hillary Clintons privaten Email-Server stammen sollen. Diese Emails stammten mutmaßlich aus russischen Quellen, also quasi erst haben russische Hacker diese Emails abgesaugt, dann wohl an Julian Assange /Wikileaks weitergespielt.
Und mit diesen Emails hat dann Assange/Wikileaks in den US Wahlkampf 2016 eingegriffen. Mit massiven Folgen. Wenn ihr euch erinnert, es gab eine riesen Debatte um Hillarys Emails damals. Donald Trump hat das Thema enorm hochgespielt und vor allem hat das dazu geführt, dass die konservative Basis, die republikanische Basis in den USA auf Wahlkampfveranstaltungen regelmäßig so in Sprechchöre eingestimmt hat. "Lock her up!" Sperrt sie ein.

Aus journalistischer Perspektive könnte man argumentieren: Egal woher die kommen, egal mit welcher Motivation, wenn der Inhalt dieser Emails im öffentlichen Interesse liegt und der Inhalt dieser Emails wirklich im überragenden öffentlichen Interesse läge, dann wäre auch eine Veröffentlichung unter journalistischen Kriterien durchaus legitim. Egal aus welchen Quellen sie kommen, egal mit welcher Motivation es
passiert. Aber nach allem, was wir heute wissen, steckte halt in diesen Emails relativ wenig drin, was die öffentliche Meinung angeht.

Das ist genau der Punkt. Ich denke auch, man kann ihm auf den ersten Blick nicht vorwerfen, diese Emails veröffentlicht zu haben. Aber auf den zweiten Blick muss man sagen, war diese ganze Email-Kampagne halt einfach Quatsch. Ja, sie hat damit gegen bestimmte formale Vorgaben des US Dienstrechts verstoßen. Sie hätte diesen Server ausschließlich für ihre privaten Urlaubsgrüße verwenden dürfen und nicht für Business. Das ist richtig. Das heißt, dieser Ansatz des Vorwurfs stimmt.
Aber diese ganzen Emails zu veröffentlichen, war aus einer journalistischen Perspektive aus meiner Sicht nicht gerechtfertigt. Und damit hat Assange quasi aber die Grundlage gelegt für Donald Trumps im Prinzip komplett virtuelle Hasskampagne gegen Hillary. Also ich will jetzt nicht sagen, er hat, er hat, das hat sie die Präsidentschaft gekostet, aber es hat jedenfalls einen Beitrag dazu geleistet, den die Wahl war ja knapp.
Klar, Assange ist nicht verantwortlich für Trumps Kampagne, die der dann eben mit diesen Emails angestellt habe. Ich denke, das zeigt schon, dass Assange eben auch nicht in jeder Hinsicht immer journalistisch ganz sauber arbeitet.

Richtig, Und das würde ich auch sagen hier, da so ein bisschen die journalistische Werkstatt verlassen und journalistische Handwerksregeln verletzt im Namen einer persönlichen Fehde. So würde ich das mal interpretieren. Aber trotzdem, trotz all dieser persönlichen Flaws und aktivistischen Fehltritte, so möchte ich es mal nennen. Unterm Strich ist es eine gute Nachricht, dass er nun endlich, endlich frei ist.

Aber es ist eben leider auch nicht nur ein Grund zum Feiern. Reporter ohne Grenzen, eine Organisationen, die sich weltweit für die Pressefreiheit einsetzt, freut sich natürlich auch über die Entlassung. Sie machen vor allem auch deutlich, dass dieser Deal mit der US-Justiz nicht ohne das Engagement zahlreicher Unterstützer:innen weltweit möglich gewesen wäre. Also ganz viele Menschen haben einfach gesagt mit Julian Assange wird quasi stellvertretend die Pressefreiheit eingesperrt.
Das kann ja nicht wahr sein. Aber. Reporter ohne Grenzen kritisiert zugleich, das sie schmerzen, die juristischen Eingeständnisse, die er, also Assange, dafür machen musste. Assange kamen nur um den Preis frei, schreibt Reporter ohne Grenzen, sich der Verschwörung zur unrechtmäßigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen schuldig zu bekennen.
Davon, so die Organisation, gehe das klare Signal gerade an Investigativjournalist:innen aus: Der lange Arm der US Justiz erreicht euch überall. Und das ist natürlich ehrlich gesagt für die Pressefreiheit keine gute Botschaft.

Und deswegen würde ich sagen, es ist gut, dass es jetzt so geendet ist. Aber trotzdem hatten sich die USA, auch Großbritannien und Schweden teilweise in eine Sackgasse begeben. Sie haben einen, sind ein Weg eingeschlagen, der der Abschreckung und der Rache an Whistleblowern diente. Und dieses Signal bleibt erhalten, auch wenn das jetzt durch einen Deal irgendwie so beendet wird.

Aber das ist ja ein fatales Signal!

Das ist ein fatales Signal. Und das ist ja auch nichts, worauf sich irgendjemand verlassen kann, dass der sagt okay, ich veröffentliche das. Und am Ende gibt es irgendeinen Deal. Also darauf kannst du nicht bauen. Und deswegen würde ich sagen, Demokratien bleiben weltweit dazu aufgerufen, die Pressefreiheit und vor allen Dingen Whistleblower und Whistleblowerinnen besser zu schützen als heute.

Die Presse kann einfach ohne Whistleblowing häufig Probleme nicht aufdecken. Democracy Dies in Darkness. Das ist nicht umsonst das Motto der Washington Post. Demokratie stirbt in der Dunkelheit. Demokratien sind einfach darauf angewiesen, dass Missstände aufgedeckt werden. Und das geht häufig nicht ohne Whistleblowing. Deswegen, da brauchen wir wasserdichte Gesetze. Übrigens auch in Deutschland. Da ist die Rechtslage nämlich auch bislang sehr defizitär.

Assange wird übrigens am 3. Juli, also wenn das hier veröffentlicht wurde, 53 Jahre alt. Wir gratulieren herzlich zu einem Leben in Freiheit.

In diesen Tagen diskutiert die Ampelregierung aufgeregt, muss man schon fast sagen, in Berlin über den neuen Bundeshaushalt, also den Bundeshaushalt für das Jahr 2025. Eigentlich wollte sie einen Haushaltsentwurf, also quasi einen Gesetzentwurf für das Haushaltsgesetz für das kommende Jahr schon bis zum 3. Juli vorlegen. Philip, das wird nun wohl nichts mehr.

Nein, das hat Olaf Scholz kassiert in einem der Sommerinterviews. Da sprach er: Na ja, wir wollen das im Juli vorlegen. Gut, also sind wir gespannt, ob es denn im Juli klappt. Denn der Streit ist doch ziemlich substanziell, denn im Haushalt klafft noch eine ziemlich große Lücke. Stand heute plus -30 Milliarden. Und das ist einfach eine Lücke, die entsteht durch Das wollen wir ausgeben. Also die Summen, die die ganzen Bundesministerien beim Finanzminister angemeldet haben.
Und auf der anderen Seite stehen halt die wahrscheinlichen Einnahmen, zum Beispiel durch Steuern und Schulden. Und diese Steuereinnahmen, die sind dann halt wahrscheinlich doch ein bisschen geringer als angenommen. Deswegen wurde die Lücke dann noch mal größer. Also durch die Größe der Lücke ist halt ordentlich Dampf auf dem Kessel.

Und dieser Druck, der wächst auch von Tag zu Tag, weil immer mehr Menschen, immer mehr Organisationen fordern: Wir müssen mehr investieren, das ist nicht die Zeit zum Sparen. Und dazu müsst ihr, liebe Ampel, einfach mehr Geld ausgeben. Die Kritik, die jetzt inzwischen doch sehr breit geäußert wird von allen Teilen des politischen Spektrums, geht dahin: Wir sparen uns immer tiefer in die Krise.
So kritisieren es zum Beispiel jetzt in einem aktuellen Schreiben sämtliche Flügel der SPD in einer gemeinsamen Erklärung, also die parlamentarische Linke, kurz PL. Das jetzt weniger überraschend, aber auch das Netzwerk Berlin, so quasi die Mitte der SPD Fraktion und selbst der als konservativ geltende sogenannte Seeheimer Kreis. Alle, die sagen gemeinsam: So geht es nicht weiter, wir müssen mehr investieren. Und so eine gemeinsame Erklärung der SPD Flügel hat es wohl so auch noch nicht
gegeben. Jedenfalls ist mir kein anderer gemeinsamer Brief dieser Art bekannt.

Das sagt also jetzt die gemeinsame SPD, sozusagen mehr investieren, das wollen im Prinzip auch Grüne und Linke. So weit, so erwartbar. Aber in diesen Tagen fordert jetzt auch der Bundesverband der Deutschen Industrie erheblich mehr Investitionen. Und Bundesverband der Deutschen Industrie. BDI ist klassischerweise nah an der Union, nah an der FDP jedenfalls viel näher als an Rot grün.

Und der Bundesverband der Deutschen Industrie fordert 400 Milliarden € mehr Investitionen in Infrastruktur. Sie sagen, in den nächsten zehn Jahren müssten zusammen 400 Milliarden € ausgegeben werden, um marode Infrastruktur zu sanieren. Das heißt konkret für Verkehrswege, für bessere Schulen, für die grüne Transformation der Wirtschaft. Auch da wollen sie Investitionen und für den "Aufbau wirtschaftlicher Widerstandsfähigkeit".
Gemeint sind da wahrscheinlich Subventionen für Unternehmen, damit sie teuer in Europa produzieren können. Das wird nicht so ganz klar aus dem Papier. Ausgeklammert hat der BDI aus seinen 400 Milliarden die Verteidigung. Das gibt, da gibt es ja ein Sondervermögen und auch die Frage Was wird denn eigentlich mit dem Stromnetz. Alleine für die anderen Investitionen fordert der BDI zehn mal 40 Milliarden. Phillip, ne Menge.

Noch mehr Bedarf sehen renommierte Forschungsinstitute, namentlich das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, das ist ein Institut der Böckler Stiftung, der gewerkschaftsnahen Böckler Stiftung und das Institut der Wirtschaft in Köln. Und auch hier, das klingt schon so ein bisschen an, das eine Institut ist nah an den Gewerkschaften, also eher links liberal. Und das zweite Institut, das IW ist ein Institut der deutschen Wirtschaft, also nah an den Arbeitgebern.
Und beide Seiten sind sich einig: Wir brauchen nicht 40 Milliarden pro Jahr, sondern eher 60 Milliarden pro Jahr, also 600 Milliarden € über die nächsten zehn Jahre.

600 Milliarden €. Das ist deutlich mehr als ein Bundeshaushalt. Der Bundeshaushalt hat so 450, 480 Milliarden je nach Jahr. So viel Geld soll ausgegeben werden. So groß sei die Investitionslücke, sagen die Institute. Ja, das liegt einfach daran, dass Bund, Länder und Kommunen die Infrastruktur auf allen Ebenen seit Jahrzehnten auf Verschleiß gefahren haben, um zu sparen. Es musste ja unbedingt der Haushalt ausgeglichen werden.
Wir wollten sogar eine schwarze Null erreichen, also quasi möglichst gar keine Schulden mehr machen. Und das führt dazu, dass Deutschland jetzt im internationalen Vergleich zwar sehr wenig Schulden in Euro hat, aber dafür eben hunderte Milliarden an Schulden in Infrastruktur, also Autobahnen, Straßen, Schulen alles ist mehr oder weniger kaputt. Und die Gesamtsumme, die erforderlich ist, um das wieder auf Vordermann zu bringen, das sind diese berühmten 600 Milliarden.
Das drödeln wir übrigens auch im Lagebuch noch genauer auf. Das stehen diese Zahlen schon seit dem letzten Herbst drin. Gibt es jetzt übrigens auch als aktualisierte Taschenbuch unter Lage.Link/Buch.

Also immer mehr Fraktionen in der Gesellschaft fordern mehr investieren für die Infrastruktur, um sie zu reparieren und auszubauen. Finanzminister Christian Lindner von der FDP hält dagegen: Machen wir doch, wir investieren doch, sagt er. Wir haben Rekordinvestitionen im Rahmen der Ampel gemacht. Das stimmt, aber nur aus einer bestimmten Perspektive. Denn Lindner spricht bei diesen Rekordinvestitionen immer von Bruttoinvestitionen. Und das ist ein riesiger Unterschied zwischen Brutto und Netto.
Und um noch mal deutlich zu machen ein kleines Rechenbeispiel, ein fiktives Rechenbeispiel um den Unterschied zwischen Brutto und Netto Investitionen klarzumachen. Also Brutto Investition bedeutet, der Staat gibt 100 Millionen € aus für neue Autobahnen. Super, Klingt toll. 100 Millionen für neue Infrastruktur. Super.

Also man kann schon streiten, ob man überhaupt Autobahnen bauen soll. Aber gehen wir davon aus.

Gehen wir davon aus. Also 100 Millionen € brutto Investitionen. Na toll. Wenn man jetzt aber netto guckt, dann bedeutet das ja, wir geben zu einem Zeitpunkt 100 Millionen für eine neue Autobahn aus. Im gleichen Zeitraum aber vergammeln und verfallen bestehende Autobahnen und es entsteht ein Reparaturbedarf von 200 Millionen €. Sprich trotz Investitionen wird die Infrastruktur schlechter. Tolle Bruttoinvestitionen reichen halt nicht. Netto muss ein Plus sein, die Nettoinvestitionen müssen im Plus
liegen. Die Bruttoinvestitionen müssen also so hoch sein, dass sie a) die Schäden ausgleichen.

Den Verschleiß.

Den Verschleiß ausgleichen und sie müssen darüber hinaus neue Infrastruktur im Idealfall schaffen. Und deswegen ist das, sind das Interessante nicht die Bruttoinvestitionen, die eine Ampelregierung tätigt, sondern die Nettoinvestitionen. Da sieht's schlecht aus.

Da muss man halt einfach sagen, Deutschland wird immer ärmer, was seine Infrastruktur angeht. Es zerbröselt alles. Wir leben quasi von der Substanz. Wir zehren immer noch davon, dass im Kaiserreich mal gute Schulen gebaut wurden. Und wir zehren immer noch davon, dass wir in den 50er, 60er Jahren mal relativ viele Schienen gebaut oder repariert haben. Aber seit mindestens den 90er Jahren passiert eben nicht mehr genug. Und deswegen dieser gigantische Investitionsstau.
Wie gesagt, 600 Milliarden sagen sehr unterschiedlich politisch positionierte Institute. Und jetzt ist natürlich die Frage: Wie soll dieser gigantische Investitionsbedarf finanziert werden? Philip, die FDP hat da eine einfache Antwort.

Ja, sie will sparen. Und zwar sparen so sehr, dass Teile der Fraktion auch einen Bruch der Ampel dafür in Kauf nehmen würden. Also wenn die anderen denn nicht sparen wollen, dann sind wir eben raus aus der Ampel. Das Problem ist nur Wo soll man denn sparen? Wo soll man vor allen Dingen diese ganzen Summen zusammenkriegen? Also 40, 60 Milliarden € pro Jahr? Und die FDP sagt Na, wir können ja anfangen zumindest mit Bürgergeld und Entwicklungshilfe.
Und Bürgergeld kann man sagen, Ja, das ist zwar reformiert worden, da sind jetzt Mehrkosten entstanden, aber weitgehend ist das eben verfassungsrechtlich vorgegeben, was man da ausgeben muss. Und selbst wenn man sagt, okay, beim Bürgergeld, wir drehen das alles zurück, wir sparen da, wir kommen auf gar keinen Fall auf 40 bis 60 Milliarden Euro.

Komplett ausgeschlossen.

Da kommen ein paar Milliarden maximal zusammen. Aber es wird halt hinten und vorne nicht reichen, um diese ganzen Investitionen zu stemmen.

Und bei der Entwicklungshilfe muss man sagen, also man kann auch da erst mal natürlich moralisch die Frage stellen ist das eigentlich okay, wenn ein so reiches Land wie Deutschland seine Entwicklungshilfe für ärmere Länder auf der Welt kürzt? Also moralisch eine problematische
Position. Aber selbst wenn man nur mit dem Scheckbuch unterwegs ist, wenn man wirklich nur ökonomisch rechnet, ist das auch ein Riesenproblem, weil natürlich sehr viel Geld, das in Entwicklungsländer fließt, im Grunde wieder zurück geht durch Aufträge dieser Entwicklungsländer für die deutsche Industrie. Also ihr erinnert euch dunkel vielleicht an dieses Beispiel von den Radwegen in Südamerika, was jetzt von der AfD immer wieder
zitiert wird. Da ging es also sehr, zum Teil jedenfalls auch um Kickback-Zahlungen, die dann letzlich wieder die deutsche Industrie förderten. Und vor allem muss man natürlich auch sagen wir leben ja in einer Zeit, wo auch die FDP zum Beispiel Migrationsbewegungen eigentlich eindämmen möchte. Wenn man aber natürlich die Entwicklungshilfe streicht, dann verschlechtern sich die Lebensbedingungen in anderen Ländern. Das heißt also, es entsteht höherer Migrationsdruck.
Also ich weiß nicht, so richtig durchdacht ist das nicht. Und ich habe auch auf Twitter zum Beispiel schon sehr häufig oder X heißt es ja heute, schon häufiger liberale Spitzenpolitiker:innen gefragt: Was konkret sind denn die Vorschläge? Wo wollt ihr denn wirklich sparen? Und ich muss ganz ehrlich sagen wirklich belastbare Sparvorschläge sind da einfach nicht zu kriegen.
Ist vielleicht nicht repräsentativ, Vielleicht haben die das nicht gesehen, vielleicht haben die einfach gar keinen Bock, auf X zu diskutieren. Alles möglich. Aber mir fehlt wirklich dieses...

Naja, es sind ja Vorschläge.

Na ja, aber wir haben es ja gar durchgerechnet.

Das reicht halt hinten und vorne nicht.

Aber das kann man ja kaum ernst nehmen Philip, weil die Zahlen einfach so überhaupt nicht zusammenpassen. Zum Finanzbedarf und deswegen frage ich mich: Ist dieses Sparen nicht letzten Endes auch immer so ein Argument und das fast schon in die Richtung eines Scheinargument geht? Ich meine, wenn man, wenn man wirklich sagt, diese Summen müssen durch Sparen reinkommen, dann muss man auch Sparvorschläge machen, die jedenfalls in der Größenordnung in die richtige Richtung gehen.

Also es stellt sich also die Frage, wenn das mit diesen Sparvorschlägen nicht wirklich zu erreichen ist, woher sollen diese Summen kommen? 40, 60 Milliarden pro Jahr. Und da gibt es natürlich verschiedene Optionen, die wir auch schon auf diskutiert haben, die auch oft diskutiert werden. Die erste Option ist Schuldenbremse reformieren, also ändern. Das bedeutet aber immer: Es muss die Verfassung geändert werden. Union und FDP sind dagegen.
Das ist also mindestens für diese Legislatur keine realistische Option. Die zweite Option ist na ja, wir nutzen halt die Ausnahme in der geltenden Schuldenbremse. Wir ändern die also nicht im Gesetz oder in der Verfassung, sondern wir nutzen halt diese Ausnahme, die die jetzt geltende Schuldenregelung bietet. Und das ist diese sogenannte Haushaltsnotlage, wie sie ja auch schon mal gezogen wurde.
Und das bedeutet im Kern die Schuldenbremse, so wie sie heute gilt, erlaubt im Prinzip nur dann mehr Schulden aufzunehmen als vorgegeben, wenn eine plötzliche Notlage entsteht.

Und diese Hintertür möchte jetzt die SPD nutzen. Es soll aus ihrer Sicht eine Haushaltsnotlage erklärt werden, zum Beispiel wegen des Kriegs in der Ukraine und auch oder möglicherweise auch nur von einem wegen der jetzt gerade aufgetretenen Flutschäden, was ja auch viele Milliarden Euro sind. Und verfassungsrechtlich muss man sagen, das lässt sich begründen.

Auch wenn es nicht plötzlich ist?

Na ja, gut, aber der ja. Boah...

Also...

Die Definition des Bundesverfassungsgerichts ist ja, ob der Bundesgesetzgeber haushaltsrechtlich in der Lage gewesen wäre, dafür Vorsorge zu treffen für den Krieg in der Ukraine, für die Flutschäden.

Kann man drüber streiten.

Also ich denke mal, verfassungsrechtlich lässt sich das schon noch begründen. Habe ich auch aus der FDP nicht anders gehört. Die haben auch nicht gesagt, es ist verfassungsrechtlich nicht möglich. Sie sagen, sie wollen das politisch nicht. Aber das Problem ist: Das Volumen ist halt gedeckelt. Man kann natürlich über eine Haushaltsnotlage nur so viel Geld abfangen, wie auch tatsächlich aufgrund dieses besondere Ereignisses tatsächlich ausgegeben werden muss.
Und die Schätzungen gehen von maximal 30 Milliarden für die Ukraine kann man da einrechnen plus Flutkosten. Das reicht also höchstens für die bisherigen Lücken im Haushalt. Die sind ja auch noch da. Und selbst das würde also kaum Spielraum schaffen für weitere Investitionen. Jedenfalls die BDI Forderung wäre damit nicht zu finanzieren, schon mal gar nicht die Forderung der Wirtschaftsforschung.

Und schon gar nicht über die nächsten zehn Jahre. Das wäre dann allenfalls was für den Haushalt 25, aber eben nicht für die nächsten zehn Jahre.

Dazu muss man sagen, es gibt eben auch diese thematische Bindung. Das Geld darf man natürlich nur für das Thema Ukraine ausgeben. Da können wir nicht sagen, dadurch wird halt anderes Geld frei. Also nicht, dass sich jetzt Leute wundern, ist das nicht wieder ein hin und her schieben? Das hat Karlsruhe ja im KTF Urteil im letzten Herbst gerade verboten. Ja, das stimmt natürlich. Aber dann könnte man das Geld natürlich frei schaufeln, quasi und an anderer Stelle investieren.

Also die Frage ist, das kommt irgendwie alles das alles nicht realistisch, da kommt nicht genug Geld zusammen. Frage ist, war es das jetzt? Sind wird doomed? Und da musste ich an unser Interview mit Rudi Bachmann denken.

Von vor zwei Wochen.

Diesem Ökonomen von der Universität in Notre Dame, der bei uns im Interview finde ich ein einen Punkt angerissen hat, den wir jetzt noch mal vertiefen wollen, weil das schon ganz interessant ist. Und zwar hat Rudi Bachmann ja gesagt, als wir ihn fragten: Wie kann Deutschland eigentlich mehr investieren mit der Schuldenbremse, so wie sie heute im Gesetz ist und Rudi Bachmann sagte dazu folgendes:
Also das erste, was man dazu sagen muss, ist, dass man das im Prinzip heute schon machen kann und dass auch dieses Instrument letztlich nicht oder kaum genutzt wird. Das ist nämlich die Ausnahme der finanziellen Transaktion. Im deutschen Staatsschuldenrecht zählt nicht gegen die Schuldenbremse Schulden, die aufgenommen werden, um einen Finanzgegenstand, um eine Beteiligung zu erwerben.

Das war damals schon ein interessanter Punkt, und den haben wir jetzt noch mal ein bisschen vertieft, weil das schon wirklich interessant ist.

Wir haben die verfassungsrechtliche Lage recherchiert. Also wenn der Staat Schulden macht, um Beteiligungen an Unternehmen zu erwerben, dann kann er ganz legal mehr Schulden machen, als die Schuldenbremse erlaubt.

So sieht es offensichtlich aus. Wir haben das jetzt mal Rudis Lücke genannt, also die rechtliche Grundlage für Rudis Lücke ist der Artikel 115 im Grundgesetz. Der regelt nämlich die Details der Schuldenbremse des Bundes. Also wie funktionieren also Investitionen, hohe Investitionen mit angezogener Schuldenbremse?

Das Grundgesetz legt fest: Einnahmen und Ausgaben des Bundes sind im Prinzip ohne Nettokreditaufnahme auszugleichen. Das ist die Schuldenbremse. Das heißt, die Schuldenbremse verbietet nicht explizit, Kredite aufzunehmen. Sie sagt nur Einnahmen und Ausgaben sind im Prinzip ohne Kredite auszugleichen. Und das ist ein wichtiger Unterschied im Detail. Denn das eröffnet nämlich Spielräume bei der Frage: Was sind eigentlich Ausgaben?

Wenn es einen Weg gäbe, bestimmte Investitionen nicht als Ausgabe zu bezeichnen, dann wären diese Investitionen trotz Schuldenbremse möglich, weil sie einfach nicht in diese Ausgaben Kategorie fallen.

Und genau das geht eben schon nach heute geltendem Recht. Also so wie das Grundgesetz ausgestaltet ist. Denn in Artikel 115 Absatz zwei des Grundgesetzes findet sich eine Ermächtigungsgrundlage in einem Bundesgesetz zu Regeln Was sind Einnahmen, Was sind Ausgaben? Also insbesondere erlaubt das Grundgesetz solche Details zu regeln wie"Die Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen."

Und finanzielle Transaktionen sind zum Beispiel: Der Bund kauft Anteile an einem Unternehmen. Das ist eine finanzielle Transaktion. Und da sagt das Grundgesetz die kann man, wenn ihr das denn wollt, aus den Ausgaben rausrechnen, weil es eben eine Art linke Tasche rechte Tasche ist. Man gibt eben Geld aus. Der Bund gibt Geld aus, ja, aber er bekommt eben auch Anteile dafür.

Und die Details dazu soll der Bund eben in einem Gesetz regeln. Dieses Gesetz wiederum heißt ganz unspektakulär und sehr bürokratisch "Gesetz zur Ausführung von Artikel 115 des Grundgesetzes." Und dort ist in Paragraf drei genau das geregelt. Da heißt es nämlich so schön:

"Aus den Ausgaben sind die Ausgaben für den Erwerb von Beteiligungen herauszurechnen." Das ist geltendes Recht. Mit anderen Worten: Wenn der Bund sich Anteile an einem Unternehmen kauft, dann ist das heute schon keine Ausgabe.

Und das bedeutet aber, sie bleiben dann auch bei der Prüfung außen vor, ob der Bund Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen hat. Denn nur das verlangt das Grundgesetz. Es verbietet eben nicht explizit Kreditaufnahme, sondern es verlangt nur diesen Ausgleich. Das heißt auf Deutsch, solange der Bund Schulden macht, um zum Beispiel Anteile an Unternehmen zu kaufen, ist das der Schuldenbremse Stand heute egal.

Und das Lustige ist ja: Rudis Lücke wird heute schon genutzt, zum Beispiel von der FDP. Die FDP will ja beispielsweise den Anstieg der Rentenbeiträge in Zukunft dämpfen mit dem sogenannten Generationenkapital, haben wir drüber geredet. Das bedeutet aber, jedes Jahr soll eine bundeseigene Einheit, so nennen wir sie mal, gut 10 Milliarden € Schulden machen. Und das geht mit der Schuldenbremse trotz der Schuldenbremse.
Warum? Na ja, weil der Bund technisch Anteile an dieser Firma erwirbt, die eben dieses Generationenkapital aufbaut. Das heißt, diese Investitionen, die der Bund dort tätig, die zählt nicht als Ausgabe im Sinne des Artikel 115, Absatz zwei Grundgesetz in Verbindung mit diesem Ausführungsgesetz. Es ist also möglich, diese Investitionen zu tätigen und gleichzeitig die Schuldenbremse einzuhalten.

Und das findet die FDP super. Wir finden das ja auch eine gute Idee. Wir haben ja auch das Generationenkapital schon beleuchtet, finden das ja im Ansatz richtig, eher zu wenig Geld drinnen und so, aber im Grundsatz kann man das so machen. Oder man macht eben tatsächlich sogenannte Eigenkapitalerhöhung. Das hat ja auch Robert Habeck letzten Sommer bereits im Interview mit uns vorgeschlagen. Beispielsweise gehört die Deutsche Bahn AG ja zu 100 % dem Bund.
Der Bund kann jetzt untechnisch formuliert, einfach mehr Geld an die Bahn überweisen, das Eigenkapital der Bahn erhöhen. Und das zählt auch nicht als Ausgabe im Sinne der Schuldenbremse.

Dasselbe würde ja gelten bei der AutobahnGmbH des Bundes.

Also die bundeseigene Gesellschaft, die dafür zuständig ist, die Autobahn in Deutschland zu sanieren und auszubauen. Auch die könnte man per Eigenkapitalerhöhung an der Schuldenbremse vorbei mit Geld ausstatten, all das ginge schon ohne irgendwelche Änderung. Teilweise macht es die Ampel auch bei der Bahn ja ein Stück weit bei der Autobahn, so weit ich weiß, bisher noch nicht. Die entscheidende Frage ist: Will die Ampel das? Man muss es nur wollen, dann geht das.
Dann hält man dabei sogar die Schuldenbremse.

Du kannst ja alles Mögliche an Investitionsgesellschaften gründen. Der Bund kauft halt Anteile oder erhöht das Eigenkapital. Und mit diesem Geld kann man dann eben langfristig geplant Investitionen tätigen mit angezogener, geltender Schuldenbremse. Und in diese Richtung scheint auch der BDI, der Bundesverband der Deutschen Industrie, gehen zu wollen. Er schlägt vor, Sondervermögen für Investitionen aufzulegen. Und das könnte man, das steht jetzt so wortwörtlich gar nicht drin.
Aber so basierend auf dem, wie die Rechtslage ist, könnte man das eben so realisieren, dass das Geld über Investitionsgesellschaften eben ausgegeben wird. Und teils gibt es das ja auch schon.

Wie bei der Deutschen Bahn kann der Bund einfach Anteile an der neuen Infrastrukturgesellschaft Infrago erwerben.

Schon ist Geld da.

Schon ist Geld da. Bei der Autobahnbude des Bundes same, auch da könnte der Bund einfach eine Kapitalerhöhung vornehmen oder teilweise in anderen Bereichen müsste man solche Gesellschaften noch gründen, beispielsweise wenn der Bund Geld in Mobilfunkmasten oder in Glasfaser investieren möchte. Na, da gibt es ja auch Regionen in Deutschland, wo das ökonomisch bisher nicht so richtig Sinn macht, wo der Ausbau nicht vorankommt.
Da könnte der Bund natürlich einfach sagen: Liebe Leute, wir stellen jetzt hier mal Mobilfunkmast hin. Für euch könnte er mehr oder weniger kostenfrei nutzen, damit es endlich mal vorangeht, damit wir endlich die weißen Flecken auf der Mobilfunklandkarte schließen. Dann müsste der Bund halt so eine Gesellschaft gründen, die mit ein paar Milliarden ausstatten. Das wäre alles möglich und wird von der Schuldenbremse auch nicht gedeckelt.

Der Einwand von Christian Lindner ist ja, das hat er ja auch schon mal so im Interview angedeutet: Theoretisch könnte man das vielleicht alles machen, aber wir müssen uns ja nicht nur an die deutsche Schuldenbremse halten, sondern es gibt ja auch auf EU Ebenen noch Grenzen für die Verschuldung der Mitgliedsstaaten, die sogenannten Maastrichtkriterien. Die schreiben im Kern vor, dass die Länder nicht mehr Schulden anhäufen dürfen als 60 % ihres Bruttoinlandsprodukts.
Deutschland liegt aktuell knapp mit seiner Verschuldung drüber bei rund 63 % des Bruttoinlandsprodukts.

Also grundsätzlich Mal hat Christian Lindner an dieser Stelle den Punkt. Wir gehen jetzt mal davon aus, dass tatsächlich diese Investitionen, wenn dafür Schulden aufgenommen werden, trotzdem quasi in die Maastrichtberechnung mit rein fallen und da auch als Schulden zählen. Gehen wir jetzt mal von aus. Das hat Rudi Bachmann ja auch so gesagt. Aber die Frage ist halt, wie relevant ist das wirklich?
Denn schaut man sich mal die bisherige Disziplin Deutschlands an, dann war es nämlich so, dass Deutschland seit 2003 die Maastrichtkriterien nur ein einziges Mal eingehalten hat, nämlich 2019.

Und das auch nur knapp.

Extrem knapp und aber vor allem, wie gesagt, Stichwort Relevanz. Die ständige Verletzung der Maastrichtkriterien durch Deutschland hat dem Euro in keiner Weise geschadet und auch der Kreditwürdigkeit des Bundes nicht. Also Bundesanleihen sind nach wie vor weltweit mit die sichersten Anleihen. Zumal man ja auch sagen muss, andere Eurostaaten überschreiten diese Kriterien noch viel stärker. Mit anderen Worten eine leichte Überschreitung kratzt eigentlich
niemanden. Auch die Europäische Kommission hat da bisher immer stillgehalten. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Ganz offenbar sind diese Kriterien einfach viel zu streng. Denn die deutsche Infrastruktur zerbröselt, und das bleibt bei diesen Maastrichtkriterien völlig außer Betracht. Das wird ja auch vielfach kritisiert, dass einfach der Zustand der öffentlichen Infrastruktur bei dieser Betrachtung völlig aus dem
Blick gerät. Und außerdem muss man ja sehen: Wenn die Infrastruktur kaputt ist, schadet das wiederum auch dem Bruttoinlandsprodukt. Man kann auch sagen, wenn wir investieren und das Bruttoinlandsprodukt wächst, dann hält Deutschland irgendwann von ganz alleine die Kriterien.

Ja, und man muss auch sehen: Das Bruttoinlandsprodukt liegt irgendwo bei 4000 Milliarden Euro. Wenn wir davon jetzt 40 Milliarden investieren, dann bewegt das die Schuldenquote kaum nach oben.

1 %. Dann sind ja 30 bei 44. Gut, nun ist das natürlich jährlich so, aber wenn entsprechend das Bruttoinlandsprodukt wächst, dann halten wir mit einem Mal rechnerisch die Schuldenquote wieder ein, ohne auch nur 1 € Schulden zurückgezahlt zu haben. Mit anderen Worten: Das ist alles so ein bisschen Frucht dieser doch sehr neoliberal geprägten Überlegungen aus den 90er Jahren. Da hatte man einfach wahnsinnig Sorge um die Stabilität des Euro.
Aus heutiger Sicht kann man sagen Ja, war vielleicht auch gut, es war eine neue Währung, da musste erst mal Vertrauen wachsen. Aber heute, glaube ich, kann man da guten Gewissens die Zügel auch etwas loslassen. Und wenn man also in Kauf nimmt, dass wie eigentlich jedes Jahr die Maastrichtgrenze leicht gerissen wird, würde ich sagen Philip, dann ist Rudis Idee derzeit doch die einzige, auch wirklich umsetzbare pragmatische Lösung, um den Investitionsstau aufzulösen.

Du brauchst keine Ausnahme von der Schuldenbremse, Du brauchst schon gar keine Reform der Schuldenbremse mit Verfassungsänderung. Aber der Bund könnte endlich massiv in Infrastruktur investieren und nicht nur in einem Jahr, sondern tatsächlich kontinuierlich über die nächsten Jahre. Und das ist ja der nächste Punkt, den Rudi Bachmann auch ganz stark gemacht hat. Es geht darum, dass der Staat nicht einmal nur in einem Jahr jetzt irgendwie mal Geld berappelt, um irgendeine Lücke zu stopfen.

So surprise Surprise!

Sondern diese nachhaltige Finanzierung von Investitionen hätte halt noch einen weiteren riesigen Vorteil, nämlich Planungssicherheit.

Darum geht es ja auch. Der Staat alleine kann es auf gut Deutsch nicht reißen, sondern der Staat ist darauf angewiesen, dass eben auch private Investoren, dass private Firmen quasi mit auf den Zug aufspringen und Investitionsentscheidung treffen. Also beispielsweise Stichwort Infrastruktur. Da geht es ja häufig um Baumaßnahmen. Und damit das überhaupt funktioniert, muss natürlich die Bauwirtschaft auch entsprechend Kapazitäten
aufbauen. Sie muss Menschen einstellen, die diese Bauaufträge überhaupt ausführen können. Und das macht sie natürlich nur dann, wenn sie davon ausgehen kann, dass jetzt nicht nur in einem Jahr so eine Art Strohfeuer gezündet wird, sondern dass tatsächlich dauerhaft viel Geld zur Verfügung steht und damit entsprechend staatliche Aufträge ausgelöst werden. Denn nur wenn Unternehmen darauf vertrauen, dass über viele Jahre investiert werden wird, nur dann bauen sie auch Kapazitäten auf.
Und das genau fordert Professor Bachmann.
Auf Englisch sagt man Fiscal Forward Guidance, also mit anderen Worten eine Erwartungsstabilisierung. Wenn Sie eine Klimatransformation hinbekommen wollen, dann ist das ja eine Sache von zehn, 20 Jahren. Und dann müssen Sie als Staat bestimmte Weichenstellungen setzen und dem privaten Sektor klar machen: Aha, wir meinen es jetzt ernst, wir machen diese Klimatransformation und wir hinterlegen das mit Mitteln. Wir sagen das nicht nur, sondern wir haben auch die Mittel, um das entsprechend
durchzufinanzieren. Und dann ist es gut, wenn man eben so und so ähnlich bei der Bundeswehr ist, genauso Sondervermögen. Dann stellt man Sondervermögen auf, die füllt man anfangs mit Mitteln und dann kann man die in der 5, 6, 7 Jahre Bilanz halt, wie lange man die halt aussetzt verausgaben. Aber der privaten Wirtschaft wird von Anfang an signalisiert wir wollen, dass es in diese Richtung geht. Passt euch mit euren eigenen privaten Investitionsentscheidungen entsprechend an!

Also der Staat muss allen klar machen, wohin die Reise geht und das bringt uns zu unserem nächsten Thema, nämlich die Energiewende ist eine der Aufgaben der Politik. Aktuell also gemeint ist der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energiequellen. Und da hängt halt wahnsinnig viel dran. Netze umbauen, ausbauen, alles mögliche, also Energiewende.

Wo stehen wir da, wie geht es voran, was ist zu tun? Das muss die Bundesregierung natürlich wissen, das muss die Öffentlichkeit wissen. Und deswegen gibt es schon seit vielen, vielen Jahren eine Expertenkommission zum Energiewendemonitoring, also eine Expertenkommission, die regelmäßig draufschaut, ob wir da genügend Fortschritte machen und wo es noch klemmt. Und die ist besetzt mit vier anerkannten Expertinnen und Experten, nämlich:

Andreas Löschel, der ist Umweltökonom an der Ruhr Uni Bochum. Veronika Grimm, die hatten wir ja auch schon mal im Interview. Die ist Wirtschaftsweise und forscht, glaube ich, an der Uni in Nürnberg. Felix Matthes ist ein Experte vom Ökoinstitut und schließlich Anke Weidlich. Die ist Professorin für Energiesystemtechnik und Energiewirtschaft an der Uni in Freiburg. Also die analysieren mehr oder weniger fortlaufend den Stand der Energiewende in Deutschland.

Diese Kommission hat diese Woche ihren Monitoringbericht vorgestellt und der enthält fünf interessante Punkte, die wir euch mal kurz vorstellen wollen, weil das mal so als Teaser vorab, es da einfach ganz viele Hausaufgaben gibt, die diese Bundesregierung, soweit es jedenfalls nach außen erkennbar wird, bislang noch nicht ernst genug nimmt. Aber dazu später. Also Philip, erstmal haben sie ein paar Umfragen gemacht, nämlich wie es eigentlich aussieht mit der öffentlichen Meinung.

Ja, da ist, glaube ich, die bottom line, die Zustimmung zur Energiewende insgesamt, zum abstrakten Konzept ist konstant hoch, liegt so bei plusminus 90 %. Also im Prinzip finden das alle schon okay. Was die Leute jetzt deutlich kritischer sehen in letzter Zeit ist die Umsetzung, da sagen 20 % nur noch Ja, im Prinzip wird das gut gemacht und das ist ein Trend nach unten. Das sind weniger als bisher.
Mehr als 50 % dagegen sagen mittlerweile das ist schlecht gemacht, so wie die Energiewende gemanagt wird, das mögen wir nicht. Dieser Anteil ist drastisch gestiegen, und rund 25 % erwarten negative Auswirkung im persönlichen Bereich. Auch das sind mehr als in der Vergangenheit. Also in der Theorie gut, aber mit der Umsetzung sind die Leute unzufrieden.

Ja, kein Wunder nach diesem Riesenstreit um das Gebäude Energiegesetz und so und und die Verbrenner. Also da wird ja einfach vieles wahnsinnig streitig gestellt, was eigentlich sein muss und dementsprechend steigt die Unzufriedenheit. Kann man sich vorstellen. Aber gute Nachricht, ist Punkt zwei dieses Berichts: Der Kohleausstieg, also der Ausstieg aus der Verstromung von Kohle, vor allem von Braunkohle, kommt schon 2030, und zwar nicht gesetzlich vorgegeben, sondern marktgetrieben.
Der CO2 Preis ist nämlich einfach viel zu hoch, als dass sich Kohlekraftwerke noch wirklich lohnen würden. Aber damit das dann auch wirklich klappt, also wenn die Kohlekraftwerke zu teuer sind, muss der Strom woanders herkommen und da gibt es einfach noch so ein paar Baustellen.

Also die Voraussetzungen, damit das so kommt, 2030 keine Kohleverstromung mehr, die Voraussetzung dafür ist, dass wir halt massiv die erneuerbaren Energien ausbauen. Bei PV sind wir auf gutem Weg, bei Wind gibt es noch erheblichen Nachholbedarf. Außerdem müssen natürlich die Stromnetze auch ausgebaut werden, gerade auch auf lokaler Ebene, was immer mehr so ein bisschen in den Fokus rückt. Und wir brauchen auch Netze für den
Wasserstoff. Das sind die Voraussetzungen, damit 2030 dann marktgetrieben die Kohle in Deutschland nicht mehr verstromt wird.

So, dann hat Felix Matthes vom Ökoinstitut einen spannenden Punkt aufgemacht. Der ist jetzt nicht neu, aber ich habe schon den Eindruck, dass der nicht allen so immer so präsent ist, wie das vielleicht nötig wäre. Denn er sagt 2038, also so in 13, 14 Jahren wird es einfach überhaupt keine Emissionszertifikate mehr geben, um aus fossilen Energieträgern Strom herstellen zu können oder CO2 in der Industrie zu imitieren. Das ist der sogenannte ETS eins.
Dann 2038 sind einfach die Zertifikate komplett alle.

Und was mir neu war, ist was wir wussten, was wir auch schon gesagt haben, dass dann keine neuen mehr ausgegeben werden, dass sozusagen dann keine neuen mehr von der EU ausgegeben werden.

Woher die auch immer kommen...

Also was mir neu war, ist, dass sie dann wirklich alle weg sind. Es gibt dann 2038 Stand heute keine Berechtigung mehr in der Industrie und im Stromsektor im Energiesektor CO2 in Europa auszustoßen.

Und das heißt mit anderen Worten, es gibt dann einfach mangels Zertifikaten keine Gaskraftwerke mehr, die fossiles Erdgas verbrennen. Es gibt dann auch schon mal gar keine Kohleverstromung mehr. Wahrscheinlich eh schon früher. Aber auch die Industrie darf dann ihre Prozesse nicht mehr mit Erdgas betreiben. Und das bedeutet ab 2038 werden nur noch Wasserstoffkraftwerke oder Wasserstoffbrennanlagen im weitesten Sinne erlaubt sein.
Und das ist ein Problem, denn bis heute gibt es einfach gar keine Gaskraftwerke, die man ausschließlich mit Wasserstoff beheizen kann. Maximal 70 % sind möglich. Wir brauchen also ganz dringend einen Markt dafür, dass solche Gaskraftwerke überhaupt hergestellt werden.

Ja, die müssen, das nennt man Kapazitätsmarkt. Also es muss ein Marktdesign von der Bundesregierung geschaffen werden, was es rentabel macht, aktuelle Gaskraftwerke hin zu bauen, die idealerweise 70 oder 100 % Wasserstoff verbrennen können, die aber nicht dauernd laufen und damit Geld verdienen, sondern eben Kapazität bereitstellen. Also mögliche Leistung für den Fall, dass sie gebraucht werden.
Und dafür braucht es ein Marktdesign, sagt dieser Monitoringbericht, damit die Technik angekurbelt wird, damit es einen Anreiz gibt, diese Kraftwerke zu bauen und eben auch zu entwickeln. Weil aktuell gibt es eben kein Gaskraftwerk, was zu 100 % mit Wasserstoff betrieben werden kann.

Und wenn man das jetzt alles mal zusammenbindet, sind wir beim vierten Punkt und der lautet bei uns im Pad Gigantischer Strombedarf und zwar gigantischer Strombedarf für eine klimaneutrale Industrie, die eben ab 2038, 39, 40, wenn die Zertifikate irgendwann ganz alle sind, nur noch mit Strom laufen. Das muss man sich überlegen. Alles, was da bislang an Energieträgern verwendet wird Erdöl, Erdgas und so, das ist alles vom
Tisch. Erdöl wird es noch geben, als chemischen Rohstoff natürlich, aber eben nicht mehr, um daraus Energie zu erzeugen. Und wieso wird da so viel Strom gebraucht? Entweder direkt um zum Beispiel Prozesse mit Strom zu betreiben oder eben indirekt über Wasserstoff. Denn dieser Wasserstoff muss natürlich auch mit grünem Strom erzeugt werden.

Und da hat die Wirtschaftsweise Veronika Grimm ein paar Zahlen aus diesem Bericht vorgestellt und die fand ich so interessant, weil die Zahlen wirklich deutlich machen, wie unglaublich viel grünen Wasserstoff wir brauchen werden und wie viel Strom wir vor allen Dingen auch brauchen werden, um den zu erzeugen. Sie sagt eine klimaneutrale Industrie, wie von dir eben skizziert, die wird im Jahr ungefähr 600 Terawattstunden Wasserstoff brauchen.
Zur Herstellung von 600 Terawattstunden Wasserstoff braucht es ungefähr 1000 Terawattstunden Ökostrom, nur für eine klimaneutrale Industrie! Und das ist doppelt so viel Strom, wie wir heute in einem Jahr verbrauchen, nur um eine klimaneutrale Industrie zu betreiben. Und die Frage ist: Wo um alles in der Welt soll so viel grüner Wasserstoff herkommen?
Wenn man sich zum Beispiel vor Augen hält, dass in Deutschland gerade geplant ist, Elektrolyseure einzurichten, also Fabriken, die aus Ökostrom Wasserstoff herstellen mit einer Leistung von zehn Gigawatt. Und da, sagt der Monitoringbericht, werden ungefähr 35 Terawattstunden Wasserstoff pro Jahr rausfallen.
Wenn man sich dagegen noch mal hält, die deutsche Industrie braucht 600 Terawattstunden Wasserstoff, und aus deutschen Anlagen, so wie sie jetzt geplant sind, sollen 35 Terawattstunden rausfallen, dann wird klar: Wir werden massiv grünen Wasserstoff importieren müssen.

Denn die deutsche Industrie wird jedenfalls nach diesen Plänen nur so 1/20 etwa schaffen. Das wird sich ja noch skalieren. Vielleicht schaffen wir irgendwann auch 1/10, aber da bleibt einfach eine gigantische Versorgungslücke, was Wasserstoff angeht. Und deswegen brauchen wir eine Wasserstoffimportstrategie. Wir müssen also Quellen finden auf der Welt, wo Wasserstoff produziert werden kann. Selbstverständlich Grün also selbstverständlich zum Beispiel aus Sonnenenergie.
Und dann brauchen wir natürlich auch die entsprechende Vertriebsinfrastruktur. Also entweder muss es Gasleitungen geben, die diesen Wasserstoff nach Deutschland führen, oder es muss zum Beispiel mit Tankern transportiert werden. Auch eine Möglichkeit. Und da gibt es einfach bislang nur relativ wenig Schritte, ehrlich gesagt, um diese Versorgung Deutschlands mit Wasserstoff sicherzustellen. Also ich denke mal, das hat zugleich aber natürlich auch großes
Potenzial. Ich sehe da schon auch Chancen, wenn man sie denn ergreift.

Richtig, Genau. Und das sagen die auch. Im Monitoringbericht wird es ja nicht nur irgendwie von irgendwelchen ehemaligen Ölstaaten abhängig sein, sondern du musst das diversifizieren.
Und dazu zählt eben auch, dass du Staaten, in denen zum Beispiel sehr, sehr viel Sonne scheint, dazu wie sagt man, dazu ermutigt oder auch ermächtigt, eben grünen Wasserstoff herzustellen, in dem du halt mit weiß ich nicht Staaten in Afrika sagst: Passt mal auf, wir brauchen euren Wasserstoff, ihr habt viel Sonne, wir liefern euch die Technik und es gibt da irgendwie eine Art von Kooperation, um sich einfach breiter aufzustellen, um nicht wieder in diese Russland Falle zu laufen, wo dein ganzes
Betriebsstoffe die Industrie aus einem Land kommt.

Ein Riesenproblem. Also zu denken wäre ja zum Beispiel an die Staaten an der Südküste des Mittelmeers, Tunesien, Marokko, Ägypten, Libanon. Und klar, politisch alles nicht so ganz einfach, aber grundsätzlich mal scheint ja die Sonne und die haben extrem viel Wüste. Da wäre Platz für riesengroße Anlagen, um entsprechend Wasserstoff herzustellen. Aber da sind wir eben wieder bei Rudi Bachmann und seiner Fiscal Forward Guidance.
Der Staat muss heute klarmachen, dass es sich lohnt, in solche Wasserstoffkraftwerke zu investieren. Und das passiert bislang viel zu wenig. Und dann Philip, Ich sage jetzt mal die Energiewendeweisen, die haben noch auf ein anderes großes Problem hingewiesen. Denn bislang, so beklagen sie, ist nicht genug an die Folgen gedacht worden, die diese ganzen Veränderungen für gerade einkommensschwache Gruppen haben werden.

Ich glaube, das ist ein wichtiger Fokus, den wir auch in den nächsten Jahren sehen müssen. Beispiel Gebäudeheizung. Das betrifft halt viele Leute, machen ungefähr die Hälfte des Primärenergieverbrauchs in Deutschland aus. Gleichzeitig kommen die Sanierungen aber nicht vom Fleck. Das heißt, die Gebäude sind nach wie vor sehr ineffizient, brauchen viel Energie und die Sanierungen, die dafür nötig wären, die liegen bei unter einem Prozent pro Jahr. Man müsste auf zwei kommen.
Also da geht wenig vom Fleck. Und gleichzeitig wissen wir halt, die Heizkosten werden massiv steigen. Denn, du hast es gesagt, nicht nur in diesem Bereich Industrie und Stromerzeugung werden irgendwann die Zertifikate alle sein, sondern auch in diesem Bereich Verkehr und Gebäude. Auch Gebäude werden ungefähr 2042 nicht mehr mit Gas beheizt werden können, weil es einfach niemanden mehr geben wird, der dir Gas verkauft, weil es keine Berechtigung mehr gibt, 2042 Gas in den Verkehr zu bringen.

Das muss man sich mal ganz kurz überlegen. Das hatten wir auch nicht ganz so auf dem Zettel. 2042 wird es nicht mehr möglich sein, fossiles Gas oder Erdöl einzukaufen oder Heizöl einzukaufen, um damit eine Heizung zu betreiben. Und zwar ganz egal, was im sogenannten Heizungsgesetz steht, im Gebäudeenergiegesetz. Das ist dann gar nicht mehr die entscheidende Frage. Es wird einfach niemand mehr geben, der die diese Brennstoffe überhaupt verkaufen kann mangels Emissionsrechte.

Und das ist geltendes EU Recht, dass es nicht könnte vielleicht kommen beschlossen werden maybe. Das ist heute geltendes EU Recht und total vorhersehbar. Und das bringt natürlich enormen sozialen Sprengstoff mit sich. Reiche können sich da raus investieren.

Die sanieren ihr Haus.

Sie nehmen einmal richtig Kohle in die Hand und sind raus aus dieser fossilen Falle. Leute mit weniger Geld können das eben nicht machen. Die haben wenig Geld, die kriegen diese Einmalinvestitionen nicht gestemmt, müssen also weiter bis auf Weiteres mit fossilen Energien heizen, bis es die irgendwann nicht mehr gibt.

Oder sie ihnen gehört das Haus gar nicht. Also wenn du zur Miete wohnst, zum Beispiel, das kannst du ja überhaupt nicht so richtig beeinflussen, wie dein Haus beheizt wird. Und wenn dann deine Vermieterin nicht freundlicherweise die Heizungsanlage umstellt, dann zahlst du halt die enormen Summen für Gas. Und irgendwann geht es nicht mehr.

Und deswegen ist die ganz klare Empfehlung dieser Kommission, aber auch ein paar andere Experten, habe ich auch gelesen: Wir müssen einkommensschwächere Familien und Menschen massiv und viel massiver als heute fördern und ihnen Geld geben, damit sie in die Lage versetzt werden, ihre Häuser zu sanieren, sich rauszuinvestieren aus dieser fossilen Falle. Sich Elektroautos zu besorgen, Wärmepumpen zu besorgen, das Haus zu sanieren, all diese Sachen.
Und das gibt es natürlich, diese Förderungen, aber die kriegen halt auch Leute mit viel Geld. Wir müssen aber gerade uns konzentrieren mit diesen Förderungen auf Leute, die relativ wenig verdienen. Das gibt es jetzt schon. Es gibt schon so einkommensabhängige Förderungen bei der Wärmepumpe, so unter 40.000 € Jahreseinkommen gibt es ein bisschen mehr Förderung. Aber das muss massiv ausgebaut werden, denn die Zeit ist knapp.

Die Zeit läuft uns davon. Die letzten Zertifikate für die Industrie werden in etwa 14 Jahren schon auf dem Markt sein, also 2038 die letzten Zertifikate für den Bereich Wohnung und Verkehr 2042, Es sind noch 18 Jahre, dann ist der CO2 Ausstoß in diesen Sektoren de facto verboten. Für die Industrie, aber eben auch in Wohnung, Häusern und in Fahrzeugen. Und da sagt Felix Matthes vom Ökoinstitut: Das kommt, das ist Gesetz.
Das heißt mit anderen Worten, dass da eine Wand vor uns auftaucht am Horizont, das ist jetzt schon völlig klar. Die Politik kann aber natürlich den Weg hin zu dieser Wand gestalten. Und da stellt sich einfach die Frage: Wie rumpelig wird der Übergang? Wird es der Politik gelingen, da die richtigen Anreize zu setzen? Stichwort Rudi Bachmann Fiscal Forward Guidance. Wird es dem Staat gelingen, auch private Investitionen in diesen Bereichen zu mobilisieren?

Und das gilt vor allem fürs Heizen und den Verkehr, also Mobilität, Häuser beheizen. Denn auch da werden die CO2 Preise demnächst stark steigen. Wie stark, das hängt eben von den politischen Entscheidungen ab, die heute getroffen werden. Wenn wir uns nicht jetzt vorbereiten, können uns die Preise fürs Heizen und für die Mobilität in zwei, drei, vier Jahren richtig um die Ohren fliegen und die Gesellschaft gleich mit, weil die Belastung einfach so groß ist.

Der Grund ist, dass da eben der Emissionshandel auch für die Bereiche Gebäude und Verkehr startet. Emissionshandel zwei oder auch kurz ETS zwei. Es wird 2027 geplant und das birgt eben großen sozialen Sprengstoff. Da muss man sich jetzt vorbereiten. Die Idee ist im Grunde genauso wie beim Emissionshandel für Industrie, Energie, Flüge und Seeverkehr. Das ist der Emissionshandel Eins, den gibt es schon.
Da legt die EU fest, wie viel Millionen Tonnen CO2 noch ausgestoßen werden dürfen, um damit wir unsere Klimaschutzziele nicht reißen. Und wenn diese CO2 Mengen ausgestoßen wurden, dann ist einfach Schluss. Und der Weg, um das zu erreichen, sind eben diese berühmt berüchtigten Zertifikate.

Die EU hat heute festgelegt wir geben halt noch X Millionen Berechtigung aus, also Berechtigung gleich Zertifikate. Und für jede Tonne CO2, die man ausstößt, braucht man eine Berechtigung. Das müssen halt sich Unternehmen besorgen, das kaufen sie entweder, ersteigern oder kriegen es zum Teil eben auch geschenkt. Und die Zahl dieser Berechtigung, die ist eben absolut begrenzt, gedeckelt nach oben. Und sie sinkt immer weiter, Jahr für Jahr für Jahr für Jahr.
Und irgendwann ist es bei null und so ist gesichert. Wir haben es gesagt 2038 de facto für Strom und Industrie sind die Zertifikate weg und bei Verkehr wird das ein bisschen später sein. Verkehr und Gebäuden, also ungefähr bei 2042 sind die Zertifikate weg. Dann gibt es keine Berechtigung mehr, CO2 auszustoßen.

Und das sind richtig harte Grenzen. Da ist einfach vorbei. So, und jetzt muss man sagen, um welche Bereiche geht es? Wir haben es erwähnt Gebäude und Verkehr. Da ist in Deutschland die Besonderheit, dass es da jetzt schon einen nationalen CO2 Preis gibt. Der liegt zurzeit bei 45 € pro Tonne, macht Benzin, Diesel und Heizöl schon heute ein bisschen teurer. Ja, es gibt politische Reduktionsziele, aber bislang eben keine echte Obergrenze.
Solange du diese 45 € zahlst, bekommst du eine Berechtigung, selbst wenn die politischen Ziele längst gerissen sind. So Philip, da könnte man doch jetzt argumentieren: Na ja, wenn es das doch in Deutschland. Gibt, dann ist doch alles in Ordnung? Ob nun deutscher, nationaler CO2 Preis oder ETS zwei ist doch wurscht, oder?

Nicht ganz, denn in drei Jahren wird sich was ändern. Dann wird nämlich dieser nationale CO2 Preis in einen europäischen Emissionshandel überführt und das bringt substantielle Veränderungen mit sich. Denn dann gilt auch für die Emissionen in den Bereichen Gebäude und Verkehr eine europaweite fixe Obergrenze.

Also nicht mehr so viel Zertifikate kaufen, wie man möchte. 5 € pro Tonne bis zum Get No. Sondern dann gibt es eine begrenzte Anzahl an Zertifikaten.

Richtig. Und die kann man sich besorgen. Die werden dann gehandelt. Das ist der nächste Änderung. Da gibt es ja kein Festpreis von 45 € mehr oder demnächst dann vielleicht 50 oder 55, sondern da wird dieser Preis dann frei gehandelt, denn man braucht für jede Tonne CO2 eine Berechtigung. Die muss man sich besorgen. Und da das gedeckelt ist und dieser Deckel immer weiter sinkt und die Berechtigung immer, immer immer immer weniger werden, sinkt für jedes Jahr die Anzahl der
Berechtigung. Und irgendwann 2042 ist sie halt bei null und dann darf auch bei Verkehr und Gebäude nix mehr passieren.

Ja und der Witz ist natürlich, wenn es immer weniger Zertifikate gibt, dann regelt der Markt, dass der Preis steigt. Und die große Frage ist nun: Was wird denn jetzt die Emission einer Tonne CO2 im Verkehr oder für die Heizung von Gebäuden kosten? Und das heißt dann natürlich praktisch: Was wird ein Liter Benzin Diesel kosten? Was wird die Kilowattstunde Gas zum Heizen entsprechend mehr kosten. Ich glaube, die Antwort ist nicht so ganz einfach.

Niemand weiß das wirklich genau. Niemand kann das vorhersagen. Fest steht nur: Bisher stoßen wir in Deutschland viel mehr CO2 im Verkehr und in den Gebäuden aus als 2027. Wenn der Emissionshandel eingeführt werden soll, erlaubt sein wird, dann wird es viel weniger Berechtigungen geben, als wir heute bräuchten. Das heißt, die Nachfrage nach Zertifikaten wird extrem groß sein und dementsprechend hoch wird wahrscheinlich auch der Preis sein.

Nur wie hoch er genau sein wird, ist, wenn man ehrlich ist, ziemlich unklar. Studien sehen den Preis zwischen 40 und 400 € pro Tonne, wobei die 40 glaube ich ein bisschen zu optimistisch sind, eben weil der Verbrauch viel höher liegt als das Angebot an Zertifikaten. Also wir werden sicherlich im dreistelligen Bereich sein. Eigentlich glaube ich, kann man sagen, in jüngerer Zeit gehen Schätzung eher so von 2 bis 400 € die Tonne.

Irgendwas so was. Wir haben jetzt mal ein vorsichtiges Beispiel genommen. Also gehen wir mal von 200 € die Tonne aus. Was würde das bedeuten? Na ja, dann würde der Liter Benzin ungefähr 0,38 € pro Liter teurer werden. Also heute sind es ungefähr 1,80, was ein Liter Benzin kostet. Dann wär halt fast 0,40 € teurer. Gas, Erdgas kostet heute 0,08 € ungefähr pro Kilowattstunde und mit 200 € pro Tonne wären das halt 3 Cent mehr.
Also das klingt erst mal nach Peanuts, aber das sind unterm Strich 30 40 €, je nachdem 50 % Mehrkosten fürs Fahren und fürs Heizen.

Und das war die optimistische Annahme. 200 €. Wenn der Preis sich höher einpendelt, kann es eben auch das Doppelte werden. Und was das bedeutet, muss man sich mal überlegen. Ja, auf der Habenseite: Wirksamer Klimaschutz! Ein ganz, ganz, ganz starkes Preissignal. Benzin super teuer, Heizen super teuer. Aber auf der anderen Seite wird das natürlich einen Volksaufstand geben und soziale Probleme mit sich bringen.

Richtig. Und deswegen sagen alle, die sich damit beschäftigen, wir müssen uns darauf jetzt vorbereiten. Die Politik muss jetzt Maßnahmen ergreifen, damit diese sozialen Probleme nicht so massiv werden. Also was muss getan werden? Das sind Forderungen von der Agora Energiewende, einem energiepolitischen Thinktank und auch Forum Ökologische Marktwirtschaft hat dazu eine lange Studie geschrieben. Die sagen im Kern ungefähr das Gleiche.
Die sagen Erstens müssen wir die nationalen Preise, die es jetzt schon gibt, für CO2 im Verkehr und im Gebäudebereich schneller anheben. Heute sind es 45 €, demnächst sollen es halt 60, 65 sein. Das muss viel schneller gehen. Wir sollten auch national schon vielleicht 2026 anfangen, diese Sachen zu versteigern, um so ein Mechanismus zu etablieren, um ein Gefühl zu kriegen, was da der Preis sein wird, um einfach diesen Übergang, diesen Preissprung nicht so radikal ausfallen zu lassen.

Hätte auch den Vorteil, dass natürlich dann eben mehr Geld für den sozialen Ausgleich im Topf ist. Dazu kommen wir noch. Ein zweiter wichtiger Schritt, um uns vorzubereiten auf die drastisch steigenden Preise: Jetzt schon CO2 vermeiden. Klar, je geringer die Nachfrage ab 2027, desto geringer der Preis für das einzelne Zertifikat. Mit anderen Worten: Mehr sanieren, mehr Wärmepumpen einbauen, Tempolimit einführen usw.

Und der dritte Punkt ist einfach diesen sozialen Ausgleich eintüten und vorbereiten, der wird essenziell sein, damit das funktioniert. Ja, der europäische Emissionshandel zwei für Verkehr und Gebäude, der wird mehr Einnahmen geben. Es wird auch einen Europäischen Sozialfonds geben, in denen das Geld fließt. Und vor allem müssen wir uns Systeme überlegen, wie wir das Klimageld und die Subventionen und die Zuschüsse vor allem an Menschen bringen, die heute wenig Geld haben.
Das wird ein ganz großer Schlüssel sein, um das sozialverträglich abwickeln zu können, damit einem das am Ende eben nicht um die Ohren fliegt. Weil irgendwann wird der Konflikt sein: Oh, ist ja alles so teuer. Dann stehst du vor der Wahl entweder du stehst das politisch durch oder du bläst den Klimaschutz ab. Und deswegen müssen wir uns mit diesen drei Sachen jetzt darauf vorbereiten. Die erste Möglichkeit ist so ein bisschen verstrichen.
Also das ganze ist natürlich auf EU Ebene wieder mal eine Richtlinie, die sogenannte ETS zwei Richtlinie, die in nationales Gesetz umgesetzt werden muss. Da müsste Deutschland eigentlich regeln: Wie soll denn dieser Übergang genau funktionieren? Von einem festen CO2 Preis, den wir heute haben, hin zu einer Versteigerung. Wie wollen wir das mit dem sozialen Ausgleich machen? Da müsste Deutschland eigentlich bis zum 30. Juni, also in drei Tagen, ein Umsetzungsgesetz verabschiedet
haben. Tja, won't happen.

Also nach unseren Recherchen gibt es nicht mal einen Gesetzentwurf. Das heißt also, irgendwo im Haus von Robert Habeck wird hoffentlich eine Worddatei existieren, wo daran gestrickt wird. Aber bislang ist jedenfalls noch nicht mal ein Entwurf durchgesickert. Aber wir können alle nur hoffen, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz das Problem auf dem Zettel hat und da bald ein pragmatischer Vorschlag
gemacht wird. Ich meine immerhin Philip hat ja Christian Lindner angekündigt, dass zum Jahreswechsel die Technik stehen soll und die IT stehen soll für ein Klimageld. Vielleicht kommt ja dann doch noch eins.

Wir müssen also schnell runter mit den Emissionen, vor allen Dingen Gebäude und Verkehr. Nichts Neues. Ist halt gut fürs Klima. Aber wie wir gelernt haben, auch wichtig für den sozialen Frieden und eines der zentralen Werkzeuge in Deutschland, um für weniger CO2 Emissionen zu sorgen, ist das Klimaschutzgesetz. Das enthält ja nach wie vor vor allem Vorgaben für die einzelnen Sektoren und für die einzelnen Ministerien. Wie viel muss da bis wann eingespart werden?
Das muss dann, wie gesagt, auf jeden Sektor runtergebrochen werden, von Industrie über Wohnen bis zum Verkehr. Ja, wir haben ja darüber berichtet. Die Ampel will ja dieses Klimaschutzgesetz reformieren, ist der neutrale Ausdruck, man könnte auch sagen zahnloser machen, abschwächen. Aber das habe ich jetzt heute auch gelernt. Es ist noch nicht in Kraft, obwohl das ja schon so was wie durch schien.

Ja, es ist also schon durchs Parlament. Aber der Bundespräsident muss ja ein vom Parlament beschlossenes Gesetz noch ausfertigen, wie das so schön heißt. Also unterschreiben. Womit er bestätigt, dass es verfassungsmäßig zustande gekommen ist und dann im Bundesgesetzblatt verkünden lassen. Und das ist noch nicht passiert. Bundespräsident Steinmeier hat jedenfalls Stand heute das Gesetz noch nicht unterschrieben. Warum, ist unklar. Es gibt dazu keine offizielle Kommunikation, soweit wir sie finden
konnten. Aber es ist schon auffällig, dass die Ausfertigung dieses Gesetzes extrem lange dauert. Das ist ja seit April durchs Parlament. Mit anderen Worten: Es könnte dafür sprechen, dass Steinmeier Bedenken hat gegen die Verfassungsmäßigkeit, könnte noch die große Überraschung geben, dass Steinmeier die Unterschrift verweigert, weil er das Gesetz für verfassungswidrig hält. Bislang ist das nicht passiert, gehe aber davon aus, dass das noch kommt.
Und der Kern der Reform, Philip hat es eben angedeutet, ist, dass einfach weniger Druck auf einzelne Ministerien ausgeübt wird, die in ihrem Sektor die CO2 Einsparziele verfehlen. Insbesondere müssen sie nach dem Gesetz erstmal keine Sofortprogramm mehr vorlegen. Und da hatten wir ja schon gesagt, das ist also ein klarer Konfrontationskurs zur insbesondere Klimaschutzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2021.
Dagegen müsste mal jemand klagen, denn der Witz wäre: Wenn man gegen dieses Änderungsgesetz klagt, dann bliebe einfach das alte Klimaschutzgesetz inklusive Sektorzielen inklusive Sofortprogramm in Kraft. Und das hätte zum Beispiel zur Folge, dass Volker Wissing dann im Verkehrsbereich endlich einsparen müsste.

Und ein Programm vorlegen müsste, wie er das machen will. Und wir hatten also gesagt, wäre doch interessant, wenn da mal jemand klagen würde und turn out: Am Mittwoch dieser Woche also diese Nachrichten, eine Pressekonferenz von Umweltverbänden, die verkünden Wir klagen gegen das Gesetz, das das Klimaschutzgesetz weichspülen soll. Im Detail ist das komplex. Es klagen im Kern so zwei Gruppen nach heutigem Stand.
Da ist auf der einen Seite die Deutsche Umwelthilfe, die unterstützt wird von Professor Dr. Remo Klinger. Die stehen in den Startlöchern. Die Verfassungsbeschwerde ist so, wie wir das hören, fertig. Die warten nur noch eben darauf, dass Steinmeier das Gesetz auch unterzeichnet.

Und dann gibt es noch ein weiteres Projekt. Da sind vor allem Greenpeace und Germanwatch dahinter, mit einer anderen Anwältin. Das soll im Herbst kommen, und die suchen interessanterweise noch Mitklagende, sagen sie auf ihrer Homepage. Und das sehen wir so ein bisschen mit gemischten Gefühlen.

Also natürlich, glaube ich, ist es schon sinnvoll zu klagen. Die Frage ist, welche Strategie wendet man da an? Und da erscheint uns doch es nicht sehr ratsam zu sein, mit solchen Massenverfahren um die Ecke zu kommen, wie Greenpeace und Germanwatch das jetzt machen.
Also Mitklagende bedeutet, die sammeln Leute, die als Betroffene aktiv mit Klagen vor Gericht, also nicht einfach nur so die Unterschrift finde ich gut, sondern die sind Teil des Prozesses und sind Teil der Akten und der Bürokratie des Gerichts in Karlsruhe. Und wenn da 1000, 2000, 3000 Leute mitklagen, dann bedeutet das für Karlsruhe einfach einen riesen Sack voll mehr Arbeit.

Und vor allem bringt es für das Verfahren nichts. Das ist der Witz. In Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht zählen Argumente und keine Papierberge oder keine gigantischen Emails mit Vollmachten. Es reicht eine Handvoll persönlich Betroffener. Die muss man natürlich gut auswählen, dann muss man deren Betroffenheit überzeugend darlegen. Aber noch viel mehr Menschen als fünf oder zehn meinetwegen bedeuten einfach nur mehr Arbeit für das
Gericht. Und das ist auch strategisch einfach eine blöde Idee. Denn warum sollte man ausgerechnet das Gericht mit dieser sinnlosen Mehrarbeit nerven, von dem man eine positive Entscheidung will? Ich sage das deswegen so deutlich, weil ich 2008 selber einmal beim Bundesverfassungsgericht wissenschaftlicher Mitarbeiter war, als so eine digitale NGO meine Massenverfassungsbeschwerde losgetreten hat.
Und das kann man sich wirklich nicht vorstellen, wie wütend die Menschen im Gericht waren auf diesen Quatsch, diese vollkommen sinnlose Mehrarbeit. Gut, damals war das alles noch in Papierform, jetzt wird es wahrscheinlich digital eingereicht. Aber trotzdem, das bringt der Sache nichts. Es schafft mehr Arbeit und es ist einfach strategisch dumm, genau die zu provozieren, von denen eine schöne Entscheidung willst.

Zumal jeder, der da drinsteckt, weiß, es ist eine reine PR Maßnahme. Du willst halt irgendwie den Anschein erwecken, dass du von halb Deutschland unterstützt wirst. Du und deine Klage. Da bietet sich dann doch aber eher an: Sucht euch eine Handvoll Betroffener und macht eine Soliseite. Macht einfach ne Unterschriftensammlung oder so! Wir unterstützen die Klage. Super Aktion.

Meinetwegen noch ein Spendenformular.

Meinetwegen auch das. Und dann kann man auch in der Argumentation sagen, hier haben eine halbe Million Unterschriften und das Gericht sagt Ah Interessant.

So planen das wohl Deutsche Umwelthilfe und Professor Klinger. Da wird man sich wohl, sagen sie jedenfalls auch symbolisch beteiligen können. Aber die Menschen, die sich da eben beteiligen, sind nicht formal Teil des Verfahrens, machen Karlsruhe keine Arbeit. Und ich glaube, das ist doch so ein bisschen der überzeugendere Weg.

Letzte Woche haben 108 Organisationen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, einen offenen Brief an den Bundeskanzler geschrieben. Und sie fordern in diesem Brief eine Änderung des Gemeinnützigkeitsrechts. Sie warnen davor, dass ihnen die Gemeinnützigkeit aberkannt werden könnte, weil sie gegen Rechtsextremismus sich engagieren.

Da steht man natürlich erst mal sehr fragend davor. Denn gibt es in einer Demokratie etwas Wichtigeres, als sich gegen Rechtsextremismus einzusetzen? Und das soll nicht gemeinnützig sein? Antwort leider ja

Ja. Für die Frage, ob eine Organisation gemeinnützig ist, sind die Finanzämter zuständig. Das so als ganz grundsätzliche Erklärung. Und diese 108 Organisationen warnen nun, dass einzelne Finanzämter schon an Vereine Briefe geschickt haben, in denen sie die Gemeinnützigkeit dieser Vereine bezweifeln. Und Anlass dafür sei die Organisation von Demonstrationen und anderen Aktionen gegen Rechtsextremismus.
Deswegen hätten die Finanzämter geschrieben: Das mit eurer Gemeinnützigkeit, das müssen wir uns noch mal angucken. Das, so jedenfalls die Position einiger Finanzämter in Deutschland, sei ein Verstoß gegen die Regeln für gemeinnützige Vereine.

Da steht man wirklich fassungslos davor und deswegen schauen wir uns das jetzt mal ein bisschen genauer an. Warum ist die Gemeinnützigkeit eigentlich wichtig und warum sollen Demos gegen Rechts ein Problem sein?

Also Frage eins: Warum ist die Gemeinnützigkeit für Vereine so wichtig? Da müssen wir einmal kurz sagen Du bist ja auch...

Im Vorstand eines gemeinnützigen Vereins.

Der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Deswegen bist du da jetzt nicht ganz unbefangen, aber trotzdem können wir das hier mal so ein bisschen aufplustern.

Die GFF hat sich in dem Bereich auch schon engagiert. Wir hatten da vor Jahren zum Beispiel einen Gesetzentwurf vorgelegt. Also wir sind da schon dran an dem Thema.

Ihr seid da sozusagen beteiligt. Das hier mal als Hinweis. Trotzdem. Also warum ist Gemeinnützigkeit für Vereine so wichtig? Also das Wichtigste sind, glaube ich, gemeinnützige Vereine können Spendenquittungen ausstellen, das heißt, die Leute, die diesen Vereinen Geld spenden, können ihre Spenden wie gesagt wiederum von der Steuer absetzen, zahlen also dann weniger Steuern und die Organisationen bekommen also so mehr Spenden, weil es einfach attraktiver ist zu spenden.
Ich glaube, das ist der wichtigste Punkt.

Außerdem ist es zweiter Punkt schon relevant, dass nur wer gemeinnützig ist, an viele staatliche und auch private Förderung rankommt. Also es gibt halt Förderprogramme von Ministerien oder von privaten Stiftungen, so Open Society Foundations und so und da ist typischerweise die Gemeinnützigkeit Voraussetzung. Außerdem bekommt man auch noch andere Vorteile. Also zum Beispiel können Organisationen, die gemeinnützig sind, viele Hallen von Gemeinden billiger oder überhaupt erst mieten.

Und als letztes vielleicht auch noch der Punkt: Du zahlst halt keine Steuern auf deine eigenen Gewinne als Verein. Wobei Gewinne bei Vereinen eh nur sehr begrenzt möglich sind. Das Geld muss dann zeitnah ausgegeben werden. Aber gut, wenn welche anfallen, zahlst du als gemeinnütziger Verein eben keine Steuern. Das also zur Frage eins.

Deswegen ist also die Gemeinnützigkeit für die Vereine wichtig bis essenziell oder überlebenswichtig sogar. So, und jetzt ist natürlich die Frage, warum sind dann Demonstrationen gegen Nazis angeblich ein Problem? Und das kann man, glaube ich, so deutlich sagen liegt daran, dass das Recht der Gemeinnützigkeit in Deutschland einfach völlig veraltet ist.

Und das Problem Nummer eins ist dieser Katalog in Absatz 52 der Abgabenordnung. Was gemeinnützig ist, listet dieser Katalog in Paragraph 92 der Abgabenordnung nämlich auf. Und dort stehen alle möglichen Dinge, die man auch sofort versteht. Die Förderung von Wissenschaft und Forschung, gemeinnützig. Die Förderung der Jugend und Altenhilfe, gemeinnützig. Die Förderung von Kunst und Kultur, die Förderung des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege. Fein, unumstritten, alles gut.

Aber dann fehlen da auch wichtige Dinge. Beispielsweise ist Journalismus nicht gemeinnützig, obwohl er offensichtlich natürlich für eine Demokratie total wichtig ist. Da sind wir nicht ganz neutral, kann man sich vorstellen, wir zahlen nämlich eine ganze Menge an Gewerbesteuer. Aber es fehlt auch eine klare Grundlage im Gemeinnützigkeitsrecht für ein Engagement gegen die Feinde der Demokratie, also für den demokratischen Rechtsstaat.
Es gibt da zwar eine Klausel, die für gemeinnützig erklärt: "Die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich dieses Gesetzes und auch die Volksbildung." Und beides zusammen wird so verstanden, dass politische Bildung ein gemeinnütziger Zweck im Sinne von Paragraf 52 der Abgabenordnung ist. Und darunter könnte man natürlich jetzt auch Projekte gegen Rechts fassen. Aber dann kommt Problem zwei um die Ecke.

Und das ist die extrem enge Auslegung dieses Katalogs durch den Bundesfinanzhof. Der Bundesfinanzhof ist das oberste deutsche Gericht in Steuerfragen und der Bundesfinanzhof hat vor einigen Jahren darüber entschieden, ob Attac, also diese Organisationen, die sich gegen die Folgen der Globalisierung engagiert, ob Attac gemeinnützig ist. Und da sagte der Bundesfinanzhof, die Einwirkung auf die öffentliche Meinungsbildung reicht als solche nicht, um gemeinnützig zu sein.

Nur wenn die Inhalte dieser PR ihrerseits wieder einem der Zwecke der Abgabenordnung der gemeinnützigen Zwecke dienen. Und außerdem müsse die PR, so der Bundesfinanzhof, in geistiger Offenheit erfolgen. Mit anderen Worten: Es muss eine gewisse Form von Beliebigkeit herrschen. Es darf also keine bestimmte inhaltliche politische Position verfolgt werden, sondern nur allgemein politische Bildung, aber bitte ohne konkrete politische oder noch schlimmer parteipolitische Inhalte.

Das ist natürlich extrem vage und bietet sehr viele Angriffsmöglichkeiten. Und weil die Rechtslage eben jetzt so ist, sieht inzwischen auch die AfD hier eine Chance, die Zivilgesellschaft einzuschüchtern und so zu torpedieren.

Inzwischen versucht sie nämlich immer wieder, Vereine zu behindern, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. So schwärzen AfD Abgeordnete gezielt gemeinnützige Vereine beim Finanzamt an, um deren Gemeinnützigkeit aberkennen zu lassen. Beispiel: Der AfD Politiker Uli Henkel aus München. Nach einem Bericht von tagesschau.de feiert er sich selbst auf YouTube dafür, dass er den Verein "München ist bunt" beim Finanzamt angezeigt
habe. Seine Kritik: Die Vereinszwecke seien parteiisch und gegen die AfD gerichtet. Und in der Tat setzt sich "München ist bunt" nach diesem Bericht von tagesschau.de für Demokratie und gegen Rechtsextremismus ein und wie gesagt: Darin erkennt die AfD ein Verstoß gegen das Gemeinnützigkeitsrecht.

Aber das Gemeinnützigkeitsrecht ist noch an anderer Stelle veraltet und birgt für Vereine ziemlich große Unsicherheiten. So überprüfen die Finanzämter nur alle drei Jahre die Gemeinnützigkeit. Verweigern sie die Gemeinnützigkeit aber, so hat das gravierende finanzielle Folgen, denn die Aberkennung wirkt rückwirkend. Das führt zu einer mega finanziellen Belastung. Vereine müssen pauschal für jede Spendenquittung der letzten drei Jahre Geld ans Finanzamt überweisen.

Und das kann natürlich schnell den Ruin eines Vereins bedeuten. Selbst Rücklagen darf ein gemeinnütziger Verein auch nicht so richtig bilden. Das Geld muss eben zeitnah ausgegeben werden. Das heißt, du kannst jetzt nicht einfach sagen okay, wir legen jetzt einfach mal von jeder Spende ein paar Prozent 25 % oder so aufs Sparbuch, denn das wären viel zu hohe Rücklagen. Die darfst du nicht bilden. Das wäre ein Verstoß gegen das Gebot zeitnah Mittel verwenden.

Und rückwirkend heißt also, wenn dann alle drei Jahre geprüft wird, das Finanzamt kommt zum Schluss, dein Verein ist nicht gemeinnützig, dann wirkt das rück und das heißt, du musst dann für die letzten drei Jahre die Steuern nachzahlen oder so.

Na ja, du musst halt einen Anteil für jede Spendenquittung. Wenn du, also stell dir vor, du hast pro Jahr 200.000 € Spenden eingenommen, macht in drei Jahren 600.000 € und davon musst du dann 1/4 ans Finanzamt zahlen. Ich meine, es waren 25 oder sogar 30 %. Also absurd hoch, das heißt, wenn man es mal vor 25 % würde bedeuten, da muss der Verein über Nacht 150.000 € ans Finanzamt bezahlen. Und zwar ein Verein, der im Jahr nur 200.000 € Spenden kriegt.
Der ist pleite. Der hat von heute auf morgen keinen Cent mehr auf der Tasche. Dann muss der Vereinsvorstand de facto, wenn das Finanzamt das durchzieht, Insolvenzantrag stellen wegen Überschuldung.

Also wie viele Probleme in der Lage ist auch das kein Naturgesetz, sondern lässt sich mit ausreichend politischem Willen und juristischer Fingerfertigkeit lösen. Fix Nummer:

Das wäre der naheliegende Fix. Natürlich darf die Aberkennung der Gemeinnützigkeit in Zukunft nicht mehr rückwirkend möglich sein. Natürlich muss das Finanzamt in Zukunft sagen okay, wir sehen da ein Problem. Ab heute bitte keine Spendenquittung mehr ausstellen. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit darf nur noch für die Zukunft gelten. Dann können Vereine und Spendende nämlich planen.

Also Fix Nummer zwei wäre: Der Bundestag muss halt diese Kriterien für die Gemeinnützigkeit modernisieren, überarbeiten.

Natürlich muss die Verteidigung der Demokratie, natürlich muss Engagement für Grundrechte, für den Rechtsstaat gemeinnützig sein. Da bin ich, hat Philip eben schon gesagt, natürlich nicht ganz neutral, weil sich ja die Gesellschaft für Freiheitsrechte, für Grundrechte und Menschenrechte einsetzt. Aber ich denke mal, das sollte in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat selbstverständlich sein, dass man sich dafür steuerbegünstigt einsetzen kann.
Der Bundestag sollte auch darüber nachdenken, ob nicht Journalismus möglicherweise im Dienste der Demokratie steht und deswegen gemeinnützig sein sollte. Und es gibt noch so ein paar andere Dinge. Der Bundestag hat da in den letzten Jahren nur ganz kleine Änderungen vorgenommen, zum Beispiel eSport, also Computerspiele sind neuerdings gemeinnützig. Herzlichen Glückwunsch an alle, die das gerne machen.
Aber man sieht ja schon so ein bisschen, da fehlt momentan einfach ganz klar der der nötige Reformeifer. Dabei hat die Ampelkoalition eigentlich eine Modernisierung dieses Gemeinnützigkeitsrechts bereits in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Aber die Umsetzung dieser Vereinbarung in der Abgabenordnung steht noch aus. Nach meinem Kenntnisstand gibt es da noch nicht mal einen abgestimmten Gesetzentwurf. Das Thema liegt also bei Christian Lindner im Bundesfinanzministerium
auf dem Tisch. Außerdem gibt es wie gesagt auch von der GFF schon seit einigen Jahren einen Gesetzentwurf. Könnte man sich ja mal anschauen, denn ich glaube, so in Sonntagsreden sind sich alle einig. Zivilgesellschaft ist wichtig, findet aber so in der Praxis?

Ich glaube, wir haben heute gute Chancen, auch als eSportler einsortiert zu werden. Die Zimmertemperatur hat jetzt hier 30 Grad erreicht. Wir sind ja den ganzen Tag vorm Rechner und schwitzen.

eSauna, ist bestimmt auch ein Sport. Aber wir haben ja, wir haben ja einen klitzekleinen Trost: Wir gehen jetzt in die Sommerpause. Aber wie gesagt, keine Sorge, es kommen in diesem Sommer fünf Folgen Lage der Nation. Also alle zehn Tage etwa kommt eine. Diese Folgen nehmen wir in der kommenden Woche auf. Wir freuen uns schon sehr auf unsere Sommertour. Und wenn ihr uns unterstützen wollt und bei unserer Verlosung dabei sein wollt, dann ist es noch nicht zu spät.

Es ist noch nicht zu spät. Geht zur Plus.LagederNation.org. Klickt euch ein Abo für einen Heiermann, wie man in Hamburg immer sagt. Knapper Heiermann, 5 € im Monat. Und wenn ihr am 15. Juli um 15:00 so ein Abo habt, dann nehmt ihr Teil an unserer Verlosung, gibt ein iPad und zwei paar iPods. Plus.LagederNation.org

Ja, aber vor allem gibt es natürlich ganz viel gutes Karma, weil ihr unabhängigen Journalismus unterstützt. In diesem Sinne wünschen wir euch jetzt schon einen ganz, ganz tollen Sommer. Macht es gut, bleibt uns gewogen, wenn ihr Lust habt, empfehlt uns weiter und wir sagen Bis ganz bald.

Winke, winke, Macht's gut.