LdN387 Spezial: Wie kommt Deutschland aus der Krise? (Rüdiger Bachmann, Ökonom) - podcast episode cover

LdN387 Spezial: Wie kommt Deutschland aus der Krise? (Rüdiger Bachmann, Ökonom)

Jun 14, 20241 hr 10 minEp. 387
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LdN387 Spezial: Wie kommt Deutschland aus der Krise? (Rüdiger Bachmann, Ökonom)

Transcript

Philip BansePhilip Banse

Herzlich willkommen zur Lage der Nation, Ausgabe Nummer 387 vom 14. Juni 2024. Das ist ja in dieser Woche nach unserer Spezialfolge über die Europawahlen schon die zweite Ausgabe. Aber immer noch am Mikrofon sind Philip Banse.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und Ulf Buermeyer. Herzlich willkommen, auch von mir. Die Europawahlen werden ja auch in Deutschland ganz erhebliche Auswirkungen haben. Wir haben sie ausführlich analysiert in unserer Folge vom Anfang dieser Woche. Aber wir wollen da noch mal ein bisschen den Blick weiten. Denn die Frage ist ja, wie werden sich die Ampelparteien versuchen jedenfalls, aus ihrem Wahltief herauszuarbeiten? Wo werden FDP, Grüne und SPD Schwerpunkte setzen?

Das alles werden wir vermutlich relativ bald erfahren, denn nach aktuellem Stand will das Bundeskabinett schon am 3. Juli, also so in zwei, drei Wochen, den Haushalt für 2025 beschließen. Bislang gibt es da ganz viele Konflikte. 40 Milliarden Euro groß ist das Loch momentan noch. Da werden ganz viele große Debatten wieder aufflammen.

Philip BansePhilip Banse

Und zwar: mehr Schulden machen Fragezeichen. Wenn ja, wie soll das gehen? Oder sollen wir doch die Steuern erhöhen, um mehr Steuern einzunehmen? Wenn ja, um welche Steuern könnte es denn da gehen? Und sparen wir uns kaputt oder ist das sogar generationengerecht? Das sind die Debatten, die in den nächsten Tagen und Wochen wieder aufflammen werden.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und diese Debatten werden natürlich auch noch weiter an Fahrt gewinnen. Denn wir haben es bei der ausführlichen Analyse der Europawahl ja gesagt. Die soziale Frage war die ganz zentrale Frage für die Menschen in Europa. Sie steht für viele Menschen auch hinter der Migrationsfrage. Selbst wenn sie sagen, Migration finden sie wichtig, dann ja in der Regel gar nicht wegen migrierter Menschen, sondern wegen sozialer Abstiegsängste.

Denn gerade in Regionen in Deutschland, wo praktisch kaum Menschen mit Migrationshintergrund leben, ist die Ablehnung von Migration besonders groß. Das heißt die soziale Frage, die Angst der Menschen vor sozialem Abstieg, vor ihrer sozialen Zukunft, die steht im Zentrum der Politik.

Und deswegen ist die Frage umso spannender, wo soll denn eigentlich das Geld herkommen, um den Menschen ein Stück mehr Sicherheit zu geben, ein Stück mehr das Gefühl zu geben, es geht gerecht zu im Lande und sie fallen nicht hinten runter?

Philip BansePhilip Banse

Und wir haben uns gefragt, wie diese Debatten eigentlich im Ausland wahrgenommen werden und was der Stand der Volkswirtschaft, der ökonomischen Forschung eigentlich zu vielen dieser Fragen sagt. Schuldenbremse, Schulden aufnehmen, Steuern erhöhen, führt das zu Wirtschaftswachstum? Und deswegen haben wir uns am 16. Mai hier einen ausgewiesenen Experten ins Lagezentrum eingeladen, der damals hier auf Berlinbesuch war.

Und daher war das natürlich eine super Gelegenheit, um mal ein ausführliches Interview zu führen. Mit Rüdiger, im Internet heißt einfach nur Rudi Bachmann. Rudi Bachmann ganz herzlich willkommen in der Lage der Nation.

Rüdiger Bachmann

Ja, vielen Dank, dass ich hier sein darf.

Philip BansePhilip Banse

Herr Bachmann, Sie sind Professor für Ökonomie an der University of Notre Dame, also Volkswirtschaftler, wie das auf Deutsch immer so heißt, Makroökonom. Also Sie erforschen so die ganz großen Zusammenhänge der Volkswirtschaften. Wie gesagt, Sie lehren eigentlich in den USA, sind jetzt aber gerade in Berlin unter anderem wegen einer Ökonomenkonferenz im Bundeskanzleramt bei Olaf Scholz. Da ging es um Finanzregeln, Haushaltsschulden, so die gängigen Themen, die wir auch hier besprechen.

Und da werden wir natürlich zuerst einmal drauf eingehen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, Professor Bachmann, fangen wir noch mal an mit diesem Treffen im Kanzleramt. Wie war's denn bei Olaf Scholz? Er hat ja Ihre Vorschläge zum Verzicht auf russisches Gas vor einiger Zeit schon mal als unverantwortlich verworfen. Heute verzichten wir alle auf russisches Gas. Hat er sich da entschuldigt für seine steile These?

Rüdiger Bachmann

Nein, hat er sich nicht, erwarte ich aber auch nicht. Also das habe ich immer als sehr sportlich betrachtet. Das war so ein der-Professor-aus-Heidelberg-Moment, den er da auch mal, er wollte da glaube ich einfach mal ein bisschen Gerhard Schröder sein. Ob ihm das gelungen ist, mögen andere beurteilen. Nein, aber das sehe ich ganz sportlich. Übrigens Olaf Scholz war auch gar nicht da. Der war nämlich in Skandinavien, in Schweden, um die deutsche Sicherheit zu

stärken. Das Ganze wurde gehostet von Wolfgang Schmidt, dem Kanzleramtsminister.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wolfgang Schmidt, vielleicht für die Hörerinnen und Hörer, die mit dem Namen nicht so vertraut sind, seit inzwischen kann man sagen Jahrzehnten quasi die rechte Hand von Olaf Scholz, der in der Öffentlichkeit keine große Rolle spielt, dafür aber auf ganz vielen Berliner Journalist:innenpartys im Hintergrund für Olaf Scholz Kontakte knüpft und so. Nur, dass man mal den Namen einordnen kann.

Philip BansePhilip Banse

Also es ging natürlich um Staatsschulden, Finanzregeln, Haushalt. Da waren ja auch zahlreiche Spitzenforscher/-forscherinnen dabei. Was haben Sie denn da jetzt noch mitgenommen aus der Debatte?

Rüdiger Bachmann

Ja, dass es eigentlich einen ziemlich großen Konsens gibt unter den Ökonomen für eine Reform der Schuldenbremse. Wir haben auch grundsätzlichere Themen diskutiert, so Sachen wie, wie kriegt man Arbeitsanreize hin, wie kriegt man das delinking, das derisking von China hin? Das war allerdings recht unkontrovers, vor allen Dingen, weil es da noch nicht so ganz konkrete Vorstellungen gibt, gerade beim China Bereich. Aber bei der Schuldenbremse sind die alten Gräben da.

Aber ich würde schon sagen, dass es einen Minimalkonsens gibt für eine Reform der Schuldenbremse unter den allermeisten Ökonomen. Die große Ausnahme war natürlich dann wenig überraschend Lars Feld, der persönliche Berater für ökonomische Fragen von Christian Lindner, der auch Minimalreformen ablehnt.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Da haben Sie jetzt im Grunde schon eins unserer zentralen Themen angeschnitten, dass wir uns vorgenommen haben für unser Gespräch, Deutschland und die Schulden. Und wir haben uns gedacht, wenn wir jetzt schon mal einen Hochschullehrer zu Gast haben, wollten wir etwas grundsätzlicher einsteigen. Was ist denn eigentlich die ökonomische Funktion von Staatsschulden? Denn es gibt ja historisch eine ganze Reihe von Wegen, wie sich Staaten finanzieren können.

Rüdiger Bachmann

Genau. Also zunächst mal muss man vielleicht sehr instrumentell über Staatsschulden einfach nachdenken und nicht so moralisch. Ich glaube, in Deutschland hat es, und zwar von beiden Seiten oft eine moralische Aufladung. Manche verbinden das mit der Tatsache, dass im Deutschen das Wort Schuld und Schulden irgendwie zusammenhängen. Ich würde, so wortmagisch würde ich nicht unbedingt gehen. Aber es gibt auch eine moralische

Aufladung. Und ich würde sagen, man sollte einen instrumentellen Blick auf Staatsschulden haben. Und Staatsschulden sind eben ein Mittel der Staatsfinanzierung. Historisch gab es noch andere. Ganz früher hat man das über Kolonialkriege oder eben Kriege gemacht, haben sich Staaten finanziert, indem sie andere Staaten ausgebeutet haben. Das wollen wir natürlich heute nicht mehr machen.

Dann gab es mal eine sehr lange Zeit, dass man einfach Geld gedruckt hat oder Banken angewiesen hat, Geld zu drucken. Das haben wir uns auch aus guten Gründen eher aus der Hand genommen. Es gibt zwar durchaus noch monetäre Komponente der Staatsfinanzierung, das Fachwort dafür ist seigniorage, aber das brauchen wir jetzt auch nicht diskutieren. Das ist eine relativ kleine Komponente.

Und dann bleiben eben die zwei modernen Formen der Staatsfinanzierung übrig, nämlich die Staatsverschuldung und Steuern. Und der juristische Unterschied ist einfach, bei den Steuern tritt der Staat als Hoheitssubjekt auf, der seine Bürger zwingen kann, Abgaben zu leisten. Und bei der Staatsverschuldung tritt er als Kapitalmarktteilnehmer auf. Und da werden dem Staat Mittel freiwillig überlassen oder eben nicht. Das ist zunächst mal, aber so

müssen wir darüber nachdenken. Das ist ein Instrument der Staatsverschuldung. Und von der ökonomischen Theorie gibt es jetzt vielleicht mal vier Funktionen grob gesprochen, warum man Staatsschulden machen will.

Das eine ist, und da unterscheidet sich der Staat eigentlich auch nicht von der Privatperson, er will längerfristige große Ausgaben, also Investitionen im weitesten Sinne, will man oft mit Schulden finanzieren, weil das gar nicht möglich ist, in einer Periode sozusagen mit den laufenden Einnahmen zu stellen.

Da unterscheidet sich der Staat auch nicht von einer schwäbischen Hausfrau, denn auch die schwäbische Hausfrau wird einen Kredit aufnehmen, wenn sie, sagen wir mal, ein neues Haus baut oder ihr Dach erneuert. So das ist die erste Funktion. Die zweite Funktion, da ist es auch noch so oder geht es auch eher noch so wie bei Privatpersonen, wenn man einen

Schock hat. Wenn man also in einer Periode eine Rezession hat, eine Energiekrise, eine Pandemie, was auch immer, dann will man ja nicht sofort alles sozusagen runterfahren, sondern man will möglichst weiterleben können wie bisher. Wenn dieser Schock, solange der temporär ist, solange man weiß, dass der irgendwann wieder vorübergeht, macht es ja keinen Sinn, die komplette Wirtschaft voll runterzufahren und auf Konsum zu verzichten. Das heißt, man glättet Konsum über die Zeit.

Zwei Funktionen von Staatsverschuldung, die der Privatmann genauso macht.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ganz kurz nur zu dieser zweiten Funktion, damit unsere Hörerinnen und Hörer das sich vielleicht gut vorstellen können. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wäre ein Beispiel dafür die Finanzierung des Kurzarbeiter:innengeldes in der Coronapandemie?

Rüdiger Bachmann

Zum Beispiel. Also es gibt Leute, die halt ein Dispo aufnehmen, wenn es ihnen mal nicht so gut geht, die halt nur sechs Monate Arbeitslosigkeit dadurch überbrücken, dass sie vielleicht von Ersparten leben oder einen Dispo nehmen oder Kreditkartenschulden aufnehmen, die sie dann zurückzahlen, wenn sie wieder Arbeit haben. Genauso macht es der Staat um viele Milliarden größer, wenn die Krise groß ist.

Philip BansePhilip Banse

Das war Nummer eins und zwei. Und drei und vier?

Rüdiger Bachmann

Drei und vier. Da geht es tatsächlich um die, da kommt der Staat als Staat, spielt eine Rolle. Das gilt für den Privatmann nicht. Die dritte Funktion ist, dass, jedenfalls für bestimmte Staaten, das gilt auch nicht für alle Staaten. Es gilt jetzt nicht unbedingt, sagen wir mal, für Griechenland, aber für Deutschland, USA, Japan, Schweiz. Es gibt in der Welt ein großes Bedürfnis von Sparvehikeln,

sagen die Ökonomen. Also mit anderen Worten, es kann nicht jeder Staat Sparmöglichkeiten bereitstellen, die einerseits hoch liquide sind und andererseits relativ sicher sind. Mit anderen Worten, dass die Zinsen, die da versprochen wurden, auch tatsächlich gezahlt werden bzw. die Schulden dann auch zurückgezahlt werden. Das können nur ganz wenige Staaten bieten. Deutschland ist einer der Staaten davon. Es gibt einen Hunger in der Welt, weil es Rentenversicherungen zum Beispiel in

der Welt gibt. Die müssen ihr Geld ja irgendwo anlegen, zum Beispiel, wo legen die das an? In Staatsanleihen.

Philip BansePhilip Banse

Und Liquide heißt, wenn sie was anlegen wollen, dann können sie das jederzeit machen.

Rüdiger Bachmann

Und sie können sie jederzeit wieder verkaufen, wenn sie Geld brauchen, wenn sie einen Schock haben. Genau, das ist diese Kombination aus sicher und liquide. Da gibt es nur ganz wenige Staaten. Die USA ist der größte Staat, der das kann, allein schon aus seiner Größe heraus. Der US Staat ist noch mal viel größer, aber Deutschland gehört da dazu, zu diesem Club.

Und es ist einfach absurd, diese Staatsverschuldung nicht anzubieten, wenn der Hunger der privaten Märkte für diese Staatsverschuldung da ist. Woran merkt man, dass dieser Hunger groß ist? Wenn die Zinsen besonders niedrig sind, weil wenn die Zinsen besonders niedrig sehen, dann heißt das, dass die Anleger bereit sind, dem deutschen Staat Geld zu geben für relativ wenig Rendite.

Philip BansePhilip Banse

Nummer drei. Vier?

Rüdiger Bachmann

Und Nummer vier ist, auf Englisch sagt man fiscal forward guidance. Also mit anderen Worten eine Erwartungsstabilisierung. Wenn Sie eine Klimatransformation hinbekommen wollen, dann ist das ja eine Sache von zehn, zwanzig Jahren. Und dann müssen Sie als Staat bestimmte Weichenstellungen setzen und dem privaten Sektor klar machen, aha, wir meinen es jetzt ernst. Wir machen diese Klimatransformation und wir hinterlegen das mit

Mitteln. Wir sagen das nicht nur, sondern wir haben auch die Mittel, um das entsprechend durchzufinanzieren. Und dann ist es gut, wenn man eben so ein, ähnlich bei der Bundeswehr ist genauso, Sondervermögen. Dann stellt man Sondervermögen auf, die füllt man anfangs mit Mitteln und dann kann man die in fünf, sechs, sieben Jahren, wie lange man die halt aufsetzt, verausgaben. Aber der privaten Wirtschaft wird von Anfang an signalisiert, wir wollen, dass es in diese Richtung geht.

Passt euch mit euren eigenen privaten Investitionsentscheidungen entsprechend.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Sehr spannende Frage, denn genau diese Funktion, ja, der Staat trifft einmalig eine Entscheidung, die dann für Jahre mit Geld hinterlegt wird. Diese Funktion ist ja dem Bund jetzt gerade deutlich erschwert worden durch das KTF Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das ja diese Prinzipien der Jährlichkeit und Jährigkeit extrem hoch gehängt

wird. Was halten Sie denn aus ökonomischer Sicht dann von dieser juristischen Vorgabe, jedes Jahr aufs Neue zu entscheiden, jetzt mal verkürzt formuliert, wie man das Geld ausgibt?

Rüdiger Bachmann

Ja, ist eine Katastrophe aus ökonomischer Sicht, weil genau diese eine Funktion der Staatsverschuldung, diese Fiscal forward guidance, hier massiv bestritten wird. Natürlich sagen, die Verteidiger des Urteils sagen, na ja, da muss man diese Sondertöpfe halt nicht aus Schulden, sondern aus laufenden Einnahmen füllen. Aber das ist halt zum Teil auch aufgrund der Größenordnung oft schon gar nicht darstellbar.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also vielleicht noch mal ganz kurz praktisch für unsere Hörerinnen und Hörer. Es gab ja eben diesen berühmten KTF, den Klima- und Transformationsfonds. Der war eben, also die Zahlen schwanken so ein bisschen, aber mit roundabout 60 Milliarden Euro gefüllt.

Rüdiger Bachmann

Das war eine gute Idee ökonomisch.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und damit war einfach klar, man wird über viele Jahre Transformation subventionieren können, teilweise sogar bezahlen können. Und da sagen Sie, das wäre eigentlich gut, weil es die Privatwirtschaft in die richtige Richtung lenkt?

Rüdiger Bachmann

Genau, weil es Erwartungen stabilisiert und Investitionsentscheidungen werden aufgrund von Erwartungen und wie unsicher sind diese Erwartungen zumindest sehr stark mitbestimmt. Und diese ökonomischen Aspekte sind in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bei allem Respekt vor unserem höchsten Gericht schlicht nicht berücksichtigt worden.

Philip BansePhilip Banse

Jetzt gab es das Urteil ja vor allen Dingen, weil die Schuldenbremse in der Verfassung steht. Also diese Idee, die Neuverschuldung darf nicht mehr als 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts jedes Jahr erfolgen, von Ausnahmen abgesehen. Aber das ist so im Kern das Prinzip. Jetzt haben Sie schon gesagt, bei der Konferenz im Bundeskanzleramt gab es weitgehenden Konsens darüber, dass diese Schuldenbremse reformiert werden muss. Was wäre denn Ihr Vorschlag?

Rüdiger Bachmann

Also ich glaube, ein Minimalkonsens, wo sich alle drauf einigen können sollten, sind zwei Elemente. Das erste ist, und das hängt mit dieser Krisenabfederungsfunktion von Staatsschulden zusammen, dass man nicht sozusagen mit dem Bruttoinlandsprodukt mitschwankt in seinen Ausgaben. Dass man, wenn man eine Krise erklärt hat, dass man dann nicht sofort auf die 0,35, 0,35 % ist ja die Normalschulden, die die Schuldenbremse noch erlaubt, 0,35 % als Prozentsatz des Inlandsprodukts.

Dass man auf diese Normallage nicht sofort runtergehen muss nach einer Krise, sondern das über mehrere Jahre aufteilt. Warum? Das hat einerseits auch mit ein bisschen Fiscal forward guidance, also Erwartungsstabilisierung. Und dann bedeutet das, die privaten Wirtschaftsteilnehmer wissen dann schon, der Staat setzt uns nicht direkt nach einer Krise auf Cold Turkey.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Kalter Entzug auf Englisch.

Rüdiger Bachmann

Kalter Entzug, ganz genau. Sondern das süße Gift wird sozusagen langsam ausgeschlichen. Und dementsprechend können sie sich dann besser anpassen, weil es eben so ist, das ist ein Grundsatz, ist sozusagen makroökonomische Grundtatsache. Schocks sind oft sehr kurzfristig, aber die Auswirkungen von Schocks, die erfolgen dann oftmals über zwei, drei Jahre nach dem Schock.

Und wenn man das sozusagen mechanisch nach jeder Krise einfach erlaubt, dann kann man dann sagen, wir machen im ersten Jahr ein Prozent vom Bruttoinlandsprodukt, dann vielleicht 0,5 und im dritten Jahr müssen wir dann wieder auf 0,35 zurück sein. Dann kann sich die Wirtschaft eben leichter anpassen und die Anpassungskosten sind einfach nicht so hoch.

Philip BansePhilip Banse

Und das Beispiel ist ja jetzt aktuell. Wir hatten die Schuldenbremse ausgesetzt wegen einer Krise. Jetzt soll sie für 25 wieder ziehen.

Rüdiger Bachmann

Gnadenlos gelten.

Philip BansePhilip Banse

Gnadenlos gelten. Deswegen gibt es eine Finanzplanung, die sagt, wir müssen die Schuldenbremse einhalten. Daraus folgt Stand jetzt, wir müssen 25 Milliarden Euro im Haushalt einsparen. Und Sie sagen, wenn wir das bisschen stückweise runterfahren würden, dann wäre es im nächsten Jahr vielleicht die 25 Milliarden Euro, sondern zehn, die wir einsparen müssten.

Rüdiger Bachmann

So ist es.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wobei ich sagen muss, die Ausnahme war jetzt nicht nur quasi diese berühmt berüchtigte Konjunkturkomponente, sondern die Ausnahme war ja sogar die ganze Aussetzung der Schuldenbremse aus bestimmten Gründen. Das sind zwei, zwei Ausnahmen, die nebeneinander stehen.

Rüdiger Bachmann

Ich meine, wenn der Gesetzgeber einmal eine Krise erklärt hat und sagt, wir dürfen im Prinzip unbegrenzt Schulden aufnehmen und es gibt dann keine Schuldenbremse mehr, dann folgt automatisch, dass wenn im nächsten Jahr die Ausnahme nicht mehr erklärt wird, folgt dem aber im nächsten Jahr automatisch nicht, dass wir sofort zurückgehen auf 0,35, sondern das eben stufenweise machen. Wenn man das schon mal hätte, wäre glaube ich, viel politische Diskussion, viel politischer Hickhack vorbei.

Es entsteht auch so was wie politische und juristische Unsicherheit, weil wenn man das nicht so mechanisch rausschleicht, was dann passieren kann, ist, das es dann ein Anreiz für eine Regierung zu sagen, wir erklären doch noch mal eine Krise, die das auch irgendwie begründen, auch wenn das vielleicht dann nicht mehr so genau passt, weil die Krise eigentlich schon vorbei ist. Aber man versucht es dann noch

mal. Dann gibt es Opposition, aber die Oppositionsparteien haben immer einen Anreiz zu klagen und am Ende weiß die Wirtschaft nie, woran sie ist. Es wird dann erst im Nachhinein wirklich festgestellt, woran sie ist. Deswegen wenn man das mechanisch macht und man einbaut in die Mechanik der Schuldenbremse, dann gibt es weniger Anreiz zu klagen. Die Wirtschaft hat eine gute Erwartungsstabilisierung, und am Ende des Tages reden wir dann nicht um so große Beträge mehr, dass da jeder sozusagen.

Ich glaube, da sollte sich jeder vernünftige Mensch darauf einigen. Der zweite Punkt ist. Ich würde sagen, die Normallage, diese 0,35 %, das geht auf den Vorschlag vom Sachverständigenrat zurück. Die würde ich selber atmend machen. Ein großes Manko der Schuldenbremse ist, dass sie überhaupt nicht auf so einen Aspekt wie Schuldentragsfähigkeit zurückgeht. Was das bedeutet, die Fähigkeit des Staates, die Schulden am Ende des Tages auch zurückzuzahlen.

Das ist einfach mechanisch, egal wie die Zinsen sind, egal, wie hoch die Schuldenstände sind, die Deutschland hat, es sind immer 0,35, was man jetzt eigentlich ökonomisch machen will. Man will sagen, ob man diese 0,35 eigentlich abhängig macht von den langfristigen Zinsen, die Deutschland zu zahlen hat. Also mit anderen Worten wenn die besonders hoch sind, sollte man sich weniger verschulden können.

Wenn die besonders niedrig sind, dann bedeutet das nämlich, dass die Märkte deutsche Schulden gerne hätten. Mit anderen Worten, die sagen dann dem deutschen Staat, ja, wir, wir sehen keine Probleme mit deinen Schulden, die sind gut, du hast eine gute Bonität, wir wollen deine Schulden, her damit! Und dann sollte der Staat auch mehr ausgeben. Und das ist, was man eigentlich machen will. Das kann man vermutlich verfassungsrechtlich, das ist dann ein Herr Buermeyer, das ist Ihr

Gebiet. Ob man da so eine Formel in die Verfassung oder ein Ausführungsgesetz schreiben kann, weiß ich nicht. Eine pragmatische Lösung, um da ein bisschen ranzukommen, wäre zu sagen, wir machen die diese 0,35, dieser Normalverschuldungsprozentsatz einfach abhängig vom Schuldenstand. Also mit anderen Worten, da muss man dann halt so zwei Triggerpunkte setzen. Wenn man unter 60 % ist, darf man vielleicht 1 % sich verschulden, wenn man über 60 %

ist. Da macht man 0,35, wenn man über 80 % ist, darf man vielleicht gar nicht verschulden. Das kann man dann politisch aushandeln, wo man genau die. Aber das sind so zwei Reformen, die die Schuldenbremse im Grunde genommen intakt lassen, aber ein bisschen das Ganze sozusagen marktbasierter und flexibler machen.

Philip BansePhilip Banse

Zwei kurze, dann kannst du die nächste Frage stellen, zwei kurze Erläuterung. Also die 0,35 sind die Neuverschuldung für jedes Jahr. Und wenn Sie jetzt sagen 60 %, dann bedeutet das, wie viel Schulden haben wir denn insgesamt schon angehäuft.

Rüdiger Bachmann

Und wenn das weniger ist, sollten wir auch mehr Neuverschuldung machen dürfen und umgekehrt. Einfach, damit man da ein bisschen, das ist so ein Schuldentragfähigkeit.

Philip BansePhilip Banse

Und 60 % von dem, was die deutsche Wirtschaft jedes Jahr zu leisten imstande ist.

Rüdiger Bachmann

Im Grunde genommen, das Ironische ist ja, die FDP verteidigt die Schuldenbremse, aber so wie sie geschrieben ist, ist sie halt ein verdammtes Stück Planwirtschaft. Sie ist einfach sehr mechanisch. Sie reagiert null auf Marktssignale, ist also ganz schreckliche Planwirtschaft. Im Grunde, so wie sie geschrieben wird. Ist also eigentlich gar kein liberales Instrument.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Dann hätte ich da noch eine Nachfrage. Erst mal so ein bisschen zur Mechanik. Sie haben sich jetzt ja auch bei dem Vorschlag, die Schuldenbremse im Grunde innerhalb der bisherigen Funktionslogik so ein bisschen atmender auszugestalten. Aber das Problem ist ja, dass der Bezugspunkt zum Beispiel der Schuldenquote von 60 % immer das Bruttoinlandsprodukt ist. Und in einer Rezession sinkt ja nun gerade das Bruttoinlandsprodukt.

Mit anderen Worten, der Nenner wird kleiner, und damit sinkt ja die Schuldenquote, ohne dass der Staat 1 € mehr Schulden gemacht hat. Hat man da nicht dann gerade wieder den Effekt, dass rechnerisch die Schuldenquote quasi durch die Decke geht und man sich dann gerade dann so ein bisschen die Luft abschnürt, wo man das Geld besonders brauchen könnte?

Rüdiger Bachmann

Das ist richtig. Aber erstens ist der Effekt relativ klein, weil auch in relativ großen Rezessionen die Flussgröße, die Größe pro Jahr Bruttoinlandsprodukt relativ klein ist zum Schuldenstand. Also der Effekt ist erstens nicht so groß und zweitens kann man das natürlich damit erledigen, dass man gleitende Durchschnitte nimmt.

Philip BansePhilip Banse

Okay.

Rüdiger Bachmann

Man kann auch genau, man kann auch das stabilisieren und nicht sozusagen dann wirklich zu hetzig sozusagen jährlich betrachten, sondern fünf Jahre, fünf Jahre Durchschnitt. Diese zwei Punkte mehr finde ich ein Minimalkonsens, in dem sich die meisten Ökonomen, egal welcher Partei, auch die meisten Politiker wiederfinden würden. Ich persönlich würde ein Schritt weitergehen, würde noch ein drittes Element vereinbaren.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Aber gut. Aber genau jetzt kommen wir zu den etwas grundsätzlicheren Fragen, die manche Leute doch stellen an die gegenwärtige Ausgestaltung der Schuldenbremse, nämlich Stichwort Investitionen. Bislang ist es der Schuldenbremse ja weitgehend egal, wofür das Geld ausgegeben wird, das eben über Schulden finanziert wird.

Deswegen gibt es schon seit langem den Vorschlag, unter bestimmten Voraussetzungen staatliche Ausgaben zu privilegieren, also zum Beispiel zu sagen, staatliche Ausgaben, die tatsächlich direkt wieder in Infrastruktur, die Bahn meinetwegen oder Wasserstoffleitung, also investiert werden, die werden vielleicht gar nicht angerechnet auf die Schuldenbremse oder nur teilweise.

Was halten Sie von Überlegungen, die in diese Richtung gehen, bestimmte staatliche Ausgaben wie Investitionen zu privilegieren?

Rüdiger Bachmann

Also das Erste, was man dazu sagen muss, ist, dass man das im Prinzip heute schon machen kann und dass auch dieses Instrument letztlich nicht genutzt wird, und zwar, dass es das, oder kaum genutzt wird. Das ist nämlich die Ausnahme der finanziellen Transaktion. Im deutschen Staatsschuldenrecht zählt nicht gegen die Schuldenbremse Schulden, die aufgenommen werden, um einen Finanzgegenstand, um eine Beteiligung zu erwerben. Das Aktienkapital zählt nicht rein.

In unbegrenzter Höhe könnte der deutsche Staat sich verschulden und, vom nationalen Schuldenrecht, beim europäischen zählt es nämlich doch rein. Deswegen geht es dann doch nicht. Klammer zu. Da gibt es dann auch noch sozusagen Interaktion. Aber was die deutsche Schuldenbremse angeht, kann man, was das angeht, unbegrenzt erhöhen. Und damit wären zum Beispiel solche Sachen wie die Bahnmodernisierung leicht zu lösen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Macht der Bund ja auch.

Rüdiger Bachmann

Genau, der macht eben eine Eigenkapitalerhöhung bei der Bahn, Schuldenaufnahme und in vielen anderen Bereichen könnte man das auch machen. Es gibt, man könnte auch die Bundes, ich weiß jetzt nicht genau aber die Bundesbaugesellschaft oder so ähnlich, die eben dafür das ist, öffentliche Gebäude hinzustellen. Also für bestimmte wirklich sozusagen klassische Betoninfrastrukturprojekte kann man im Prinzip eigentlich, wenn man es wollte, kann man das eigentlich heute schon machen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Oder nehmen wir die Autobahn GmbH.

Rüdiger Bachmann

Autobahn GmbH. Alle, alle diese Dinge könnte man im Prinzip machen, dann könnte man immer Beteiligungsgesellschaften gründen. Oder man könnte auch neue Brücken könnte man auch so finanzieren.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Es gibt ja schon eine Autobahn GmbH. Man könnte einfach sagen, die Autobahn GmbH wird nicht mehr aus Steuermitteln finanziert, oder nur noch teilweise, sondern keine Ahnung, jedes Jahr 10 Milliarden Schulden für die Autobahn GmbH.

Rüdiger Bachmann

Lindner nennt das Tricksen, aber ich sehe nicht, warum das Tricksen sein sollte, sondern das ist explizit im Gesetz vorgesehen. Also das ist ein reiner politischer Wille, wenn man das nicht macht. Da brauchen wir überhaupt gar keine Gesetzesänderung, sondern man muss, das ist eine reine Frage der der Exekutive. Die Exekutive müsste das halt machen.

Philip BansePhilip Banse

Man macht es ja zum Teil, also-

Rüdiger Bachmann

Man macht es zum Teil. Aber ich glaube, dass ich glaube, das Instrument könnte man viel mehr nutzen, weil alles, was an physischer Infrastruktur da ist, wo wirklich dann ein physischer Vermögensgegenstand da steht. Für alle diese Bereiche wäre das relativ unproblematisch.

Philip BansePhilip Banse

Auch mit angezogener Schuldenbremse.

Rüdiger Bachmann

Mit angezogener Schuldenbremse, wie gesagt, europamäßig, das müsste man vielleicht eventuell noch mal nachverhandeln in Europa. Aber jedenfalls braucht man gar nichts am nationalen Schuldenrecht.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Aber europäisch kommt Deutschland doch momentan gar nicht an die an die Maastrichtkriterien ran, oder?

Rüdiger Bachmann

Jaja, insofern, da hat man noch Spielraum. Aber ich sage nur, da gibt es dann schon eine Grenze, kann es nicht unbegrenzt machen.

Philip BansePhilip Banse

Aber die große Frage bei dieser Diskussion, sollen wir die Schuldenbremse für Investitionen lockern, ist ja gar nicht mal so sehr, viele sind ja dafür. Aber viele sagen, ja, aber wie soll man das abgrenzen?

Rüdiger Bachmann

Das ist der eigentliche Punkt.

Philip BansePhilip Banse

Also Bildung ist ja heute keine Investition. Und alle fragen sich, wie kann Bildung keine Investition sein? Haben Sie ein Rezept, wie man Investitionen klar abgrenzen kann von Konsumausgaben?

Rüdiger Bachmann

Letztlich nein, letztlich hat es immer eine gewisse Art von Willkür. Und ich bin mir auch nicht sicher, dass man das will oder muss. Ich würde einen anderen Vorschlag machen. Zum Beispiel, es gibt Konzepte von Ökonomen, das ist eine Studie, die jetzt gerade vom ZEW herauskam, die bewusst nicht auf diesen Investitionsbegriff eingeht, weil tatsächlich der Investitionsbegriff der Statistik, der amtlichen Statistik, was das Haushaltsrecht ist.

Das ist noch gar nicht klar, ob das ein ökonomisch sinnvoller Investitionsbegriff ist oder ob das auch ein politisch sinnvoller Investitionsbegriff ist. Und man kann letztlich alles als Investition, was man politisch tut, wenn man, sagen wir mal, Programme gegen Rechts macht. Das ist eine Investition in die Demokratie. Warum sollte, das finde ich, völlig korrekt, das zu sagen. Das ist kein politischer Taschenspielertrick, das ist so. Ich bin deswegen auch kein Freund dieser goldenen Regel.

Also entweder überlegt man, ob man dann einmal eher so ein Konzept der Zukunftsausgaben, da gibt es eine Abgrenzung, das ZEW hat das versucht, nach einigermaßen rationalen Kriterien zu machen und eben sagt, zukunftsorientierte Ausgaben. Und die könnte man dann entsprechend möglicherweise privilegieren. Ich bin dafür, mal noch über was anderes nachzudenken.

Also erstens, wenn man diese beiden Grundbausteine der Reform macht, langsam und ausschleichen und dem atmenden, dann hat man in der Praxis schon viel erreicht. Ja, und dann ist die Frage, ob man nicht über folgenden Gedanken nachdenken kann, um diese Fiscal Forward Guidance zu machen. Es gibt, da muss ich jetzt ein bisschen ausholen, weil es auch rechtlich durchaus interessant ist.

Es gibt in Amerika eine Art von Gesetz, die dem Gesetzgeber sozusagen einmal oder zweimal pro Haushaltsjahr zur Verfügung steht, die sogenannten reconciliation Gesetze. Das bedeutet, der Haushalt in Amerika darf verabschiedet werden, im Senat nicht mit der üblichen 60 Mehrheit, sondern mit 50 plus eventuell Tiebreak Vizepräsidentenmehrheit. Das heißt, einmal pro Fiskaljahr kriegt die Regierung einen Freischuss sozusagen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

So einen Joker.

Rüdiger Bachmann

Einen Joker, um ihren Haushalt mit einfacher Mehrheit auch gegen die mögliche Senatsminderheit zu verabschieden. Klammer auf, so hat Biden den IRA, den Inflation Reduction Act und die Klimasubvention ja überhaupt nur durchbekommen gegen die republikanische Minderheit im Senat. Dieses Prinzip finde ich eigentlich gar nicht schlecht. Das ist jetzt eine Frage an den Verfassungsrechtler oder an den Rechtswissenschaftler.

Aber als Idee zu sagen, pro Legislatur kriegt eine Regierung sozusagen einen Joker und da können die dann, das können wir dann auch begrenzen. Also kann man sagen, es muss im ersten Jahr aussetzen oder in ersten beiden Jahren für den Rest der Legislaturperiode in einer bestimmten maximalen Höhe für ein bestimmtes Projekt, das sie begründen muss, kann sie einen Topf füllen, um eben fiscal forward guidance zu betreiben, um Erwartungen zu stabilisieren. Das ist jetzt hier. Ihr habt mich gewählt.

In diese Richtung möchte ich hingehen. Und das kriegt sie einmal sozusagen als Regierungsmehrheit.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und zwar an der Schuldenbremse vorbei.

Rüdiger Bachmann

An der Schuldenbremse vorbei. Wenn sie weitere aufsetzen will, wie zum Beispiel bei dem Sondervermögen Bundeswehr. Da muss es der Verfassungsgesetzgeber, der Verfassungsgesetzgeber kann es ja immer machen, pro Legislatur kriegt jede Regierung einen Joker.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und der dann idealerweise eben Stichwort Forward guidance auch von der Jährlichkeit und Jährigkeit ausgenommen ist. Also ich sage jetzt mal 2 % BIP wären so 60-65 Milliarden vielleicht in den zwölf Monaten nach der Bundestagswahl können die einmal durchs Parlament. Das wäre eine Idee.

Rüdiger Bachmann

Ich weiß nicht, ob das im deutschen Rechtsgefüge und Verfassungsgefüge und im Staatsfinanzwesen möglich ist.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja klar.

Rüdiger Bachmann

Als ökonomische Idee fände ich, sollte man darüber diskutieren.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also das könnte man aber im Grundgesetz zu verankern.

Rüdiger Bachmann

Ich gebe zu, dass das ein bisschen, das geht weiter als jetzt diese zwei Minimalreformen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, aber es ist natürlich, ist natürlich ein sehr kreativer Gedanke, wie man eben die vielen Probleme mit der Schuldenbremse auch durchaus mit so einer Art Reallabor mal umschiffen könnte. Man würde dann ja sehr relativ bald sehen, man kann das ja zum Beispiel auch befristen. Das ist ja auch ein Gedanke, der im deutschen Recht bislang viel zu wenig, viel zu wenig berücksichtigt ist. Man könnte ja sagen, man schreibt das für die nächsten beiden Legislaturperioden mal rein.

Es gibt immer im ersten Jahr nach der Bundestagswahl diesen, ich sage jetzt mal, Schluck aus der Pulle, wo das Geld dann eben über vier Jahre ausgegeben werden kann und wo man dann eben tatsächlich der Wirtschaft, den Privatleuten signalisiert, das ist so quasi unsere ökonomische große Linie.

Rüdiger Bachmann

Das muss auch abgegrenzt sein. Das kann also kein Omnibustopf sein, wo man dann alles ausgibt, sondern muss man klar sagen Klimatransformation. Und da muss man begründen in dem Gesetzesentwurf, das dann natürlich auch wieder der Revision durch die Gerichte unterlegt. Das ist ein sozusagen thematisch kohärentes politisches Phänomen.

Philip BansePhilip Banse

Vielleicht abschließend würde mich noch mal interessieren. Schuldenbremse ist ja so ein deutsches, sehr deutsches Konstrukt. Wie blickt denn eigentlich die USA darauf? Wie blickt man auf Deutschland?

Rüdiger Bachmann

In den USA blickt man ehrlich gesagt sehr selten auf Deutschland, weil man natürlich. Gerade jetzt sind wir natürlich im Wahlkampf, da sind wir sehr innenpolitisch.

Im Grunde genommen ist die USA ja noch verrückter, also die, was die Schuldenpolitik angeht, weil wir erlauben uns ja in den USA über Arithmetik abzustimmen, in dem Sinne, dass die Abgeordneten dürfen separat abstimmen über Steuern, Staatsausgaben, also das sind die Haushaltspakete, das dürfen sie abstimmen und dann dürfen sie nochmal separat abstimmen über Schuldenaufnahme. Und das geht natürlich nicht, weil es gibt eine Gleichung.

Und die Mathematik sagt, dass diese drei Dinge irgendwie zusammenhängen, zusammenhängen und dass man nur über 2/3 separat abstimmen kann. Und nur 2/3 kann man voluntaristisch lösen. Der Rest ist durch die Mathematik erledigt. Aber deswegen haben wir immer diese schreckliche Dysfunktionalität, wenn die Schuldenbremse.

Also wir haben ja auch diesen Schuldendeckel da, der sogar absolut in absoluten Dollargrößen festgeschrieben ist, noch nicht mal als Anteil vom Bruttoinlandsprodukt und das ist natürlich jedes Mal politisches Theater und zeigt natürlich die politische Dysfunktionalität in den USA.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Vor allem fehlt ja die sogenannte vorläufige Haushaltsführung. Deswegen gibt es ja immer diese Government Shutdowns und so ich würde, ich würde, Sie haben das in einem Halbsatz schon mal gesagt, aber ich würde einmal noch abschließend Sie einladen, dieses Bild der schwäbischen Hausfrau zu kommentieren. Das wird ja im deutschen innenpolitischen Diskurs ständig bemüht und wird immer als Argument angeführt, man könne ja quasi nur ausgeben, was man vorher eingenommen hat. Ist das ökonomisch richtig?

Rüdiger Bachmann

Also das Bild hängt aus mehreren Gründen schief. Wie gesagt, es hängt schon deshalb schief, weil ja auch die schwäbische Hausfrau bestimmte Ausgaben mit Schulden finanzieren würde.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ihren Hausbau zum Beispiel.

Rüdiger Bachmann

Der Hausbau, alle möglichen Investitionen. Viele würden auch ein Autokredit aufnehmen. Also, ja, vielleicht. Mein Vater hat Autos noch bar bezahlt, aber die meisten Menschen heute zahlen ihre Autos einfach ab mithilfe eines Kredites. Das ist etwas völlig Normales. Völlig normaler Vorgang ist auch das wirtschaftlich Rationale. Wenn ich das vielleicht noch gerade mal sagen

darf. Eine kurze Anekdote. Ich bin in den, als ich noch im Doktorat Studium war, mit einem Kollegen, einem polnischen Kollegen, habe ich eine Paddeltour durch Kaschubien gemacht in Polen. Auf so einer Seenlandschaft kann ich nur sehr empfehlen. Aber was da war, da waren standen an den Flussrändern immer so angefangene Häuser, in dnenm die Leute aber drin gewohnt haben und da habe ich meinen Kollegen gefragt, was ist denn da los? Warum wohnen die da in unfertigen

Häusern? Sagt er, ja, wir haben noch keinen guten Hypothekenmarkt in Polen. Das heißt, die Leute müssen immer ansparen, dann bauen die alles 2 Meter weiter, machen ein Dach drüber und dann ziehen die ein und dann sparen sie wieder die nächsten fünf Jahre und dann wird weiter gebaut.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ist in Italien auch häufig so.

Rüdiger Bachmann

Es ist natürlich völlig Banane. Es ist viel besser, einen Kredit aufzunehmen, den Konsum eines fertigen guten Hauses von Anfang an sich daran zu erfreuen und dann eben den Kredit abzubezahlen. Also das ist das erste, was keinen Sinn macht. Das zweite, was keinen Sinn macht, ist, dass der Zeithorizont, der Planungshorizont der schwäbischen Hausfrau natürlich endlich ist. Also die muss am Ende des Tages, jetzt lassen wir mal Vererbung weg, im Prinzip null auf null raufkommen.

Wie gesagt, im Zweifel positiv, weil sie vielleicht noch was vererben will. Diesem Tag X gibt aber bei Staaten nicht. Ja, Staaten haben im Prinzip erst mal einen unendlichen Planungshorizont, also jedenfalls keinen, der in irgendeiner Form deterministisch feststeht. Und wenn Staaten untergehen, dann haben wir meistens größere Probleme als in der Regel als Staatsschulden, die dann noch übrig sind.

Mit anderen Worten der Zeithorizont eines Staates und in diesem Sinne ist in der Tat eine Staatsschuld etwas völlig anderes als die schwäbische Hausfrau, die halt in irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens dann die Schulden tatsächlich zurückgezahlt haben muss. Das gilt dann für einen Staat so nicht, sondern er kann im Prinzip in alle Ewigkeit die Schulden überwälzen.

Philip BansePhilip Banse

Sie haben jetzt über Schulden gesprochen als eine Form der Staatsfinanzierung. Die andere haben Sie auch angesprochen, das sind Steuern, also das ist sozusagen die Einnahmeseite des Staates. Und da interessiert uns mal eine Frage, weil die auch in Deutschland öfter mal vertreten wird, wenn es darum geht, jetzt beispielsweise in so einer Phase, wie wir sie jetzt haben in Deutschland, wenig bis gar kein Wachstum. Wir senken die Steuern.

Also wir senken vor allen Dingen die Unternehmenssteuern, in der Hoffnung, dass dadurch Wachstum entsteht, dass dadurch die Unternehmen mehr investieren, mehr Leute einstellen, wachsen. Und wir haben uns immer gefragt, gibt es dafür eine wissenschaftliche Evidenz? Gibt es einen belegbaren Zusammenhang zwischen, der Staat senkt die Steuern vor allen Dingen für Unternehmen, aber auch für Privatpersonen über die Einkommensteuer, und das führt dann zu Wachstum.

Rüdiger Bachmann

Das führt zunächst mal zu Investitionen. Doch, das kann man schon sagen. Wobei man das auch, sagen wir mal, smarter und weniger smart machen kann. Also was sehr gut zu höreren Investitionen und damit zumindest zu temporärer Kapitalakkumulation und damit auch zu mindestens temporären Wachstum führt, ist so Dinge wie Investitionskredite oder Abschreibungen, erleichterte Abschreibungsregeln.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das bedeutet auf Deutsch, dass man Kosten für Investitionen von der Steuer abziehen kann.

Rüdiger Bachmann

Von der Steuer abzieht, entweder von der Steuerbemessungsgrundlage abziehen kann. Das wäre also dann erleichterte Abschreibungsregelung oder eben eine Investitionsprämie. Auf Englisch heißt das Tax Kredit, dass man quasi die Investitionskosten direkt von der Steuerschuld, die dann noch übrig ist, abziehen sehen. Man zahlt am Ende weniger Steuern und das sind sehr probate Mittel, aus der, das wissen wir aus der Literatur, die Investitionen zu stimulieren.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also quasi weil sie zielgerichtet sind.

Rüdiger Bachmann

Weil sie sehr zielgerichtet sind.

Philip BansePhilip Banse

Weil sie an Bedingungen gebunden sein müssen.

Rüdiger Bachmann

Weil sie auch an Bedingungen gebunden würden. Man muss eben, um das zu bekommen, muss man tatsächlich investieren. Etwas indirekter ist es tatsächlich mit der Unternehmenssteuer bzw der Einkommenssteuer, die, ja, wir haben in Deutschland dieses Konstrukt, dass wir sehr viele Personenunternehmen haben, die an der Einkommensteuer hängen.

Das heißt, immer dann, wenn man Einkommensteuer senkt, senkt man sowohl einerseits die Steuern von Unternehmen, die möglicherweise diese Mittel nehmen, um zusätzlich zu investieren, aber man begünstigt halt auch den Konsum der Reichen. Das ist halt immer so ein bisschen ein Problem in Deutschland, dass man das nicht ganz klar abgrenzen kann.

Aber es ist auch schon so, dass natürlich, wenn man Unternehmensprofite erhöht, dass man dann nicht unbedingt Investitionen in bestehende Anlagen stimuliert. Aber für Standortentscheidungen spielt das dann schon, sagen wir in der längeren Frist, schon eine Rolle. Da gucken sich die Unternehmen schon an, na ja, sind meine Profitmöglichkeiten in den USA höher zum Beispiel als in

Deutschland? Das sind dann eher für Langfrist, das es nicht jetzt für erneuere ich meine, mein bestehendes Unternehmen, baue eine neue Fertigungsanlage rein oder investiere ich da in grüne Produktion? Das ist eher für so Fragen wie, verlasse ich das Land oder oder nicht? Das hat auch Effekte, ist aber ein bisschen sozusagen eher in der längeren Frist.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also ich höre so ein bisschen raus, wenn wenn jetzt quasi die Frage, die im Raum steht, lautet wie können wir jetzt aktuell Investitionen stimulieren, zum Beispiel im Sinne einer CO2 neutralen Transformation? Dann halten Sie mehr von Abschreibungsmodellen, also direkter Investitionsförderung als von Ertragssteigerung.

Rüdiger Bachmann

Beziehungsweise von diesen Investitionsprämien, die aber leider die Länder abgelehnt haben. Das war ja auch vorgesehen im Wachstumschancengesetz. Meiner Meinung schon schon im Entwurf viel zu wenig was das angeht. Und die Länder haben das noch mal rausgestrichen, weil ihnen da Steuereinnahmen entgehen. Und die Länder haben gesagt, das machen wir nicht. Also die Länder haben ja echt gebremst.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also mit anderen Worten, die Grundidee war richtig, absolut. Die Länder haben das gebremst. Aber wenn ich das richtig verstanden hab, haben die Länder das ja auch nicht gebremst, weil sie es makroökonomisch für eine schlechte Idee hielten, sondern schlicht und ergreifend aufgrund leerer Kassen. Und damit wären wir eigentlich bei der nächsten Frage.

Philip BansePhilip Banse

Richtig. Und da ist die Frage, Stichwort Steuereinnahmen erhöhen. Also es gibt ja in Deutschland eine Erbschaftssteuer, die aber nicht besonders scharf geschaltet ist, sondern die Einnahmen über die Erbschaftssteuer sind aufgrund großer Lücken und Ausnahmetatbestände relativ gering. Die bewegen sich so alles in allem im einstelligen Prozentbereich von dem, was so vererbt wird. Und es gibt aktuell keine Vermögenssteuer in Deutschland.

Die wurde mal in den 90er Jahren mal abgeschafft und könnte man wieder reaktivieren. Es gibt Berechnungen, wo man sagt, okay, wenn wir die Erbschaftssteuer scharf schalten würden, also signifikante Einnahmen dadurch erzielen würden, dann die Vermögenssteuer einführen würden auf sehr große Vermögen, könnten wir so Einnahmen pro Jahr von plusminus 70 Milliarden € erzielen.

Und da würde uns mal interessieren, also na klar, es gäbe natürlich mehr Einnahmen, Wir könnten mehr investieren, zum Beispiel ohne die Schuldenbremse zu reformieren und zu lockern. Aber uns würde interessieren, was wären denn die ökonomischen Effekte von so was?

Rüdiger Bachmann

Also das kann man so ein bisschen in der Theorie diskutieren, aber da muss man es auch in die Praxis runterbrechen. Wenn man über Vermögenssteuern nachdenkt, würde ich auch eher für Erbschaftssteuern plädieren als für Vermögensteuer. Das hat einen ganz einfachen Grund. Weil eben um eine Vermögenssteuer gescheit zu machen, müssen Vermögen bewertet werden. Und das ist bei manchen Vermögen einfacher als bei komplexen Vermögen.

Wenn man das dann immer nur bei den einfach zu bewertenden Vermögen macht, dann gibt es Umgehungsstatbestände. Dann investieren halt die Leute in die Assets, die Vermögensgegenstände, die schwierig zu bewerten sind, die man vielleicht rausgenommen hat. Also wenn man das einigermaßen praktisch machen will, dann muss das breit sein, dann muss es und auch gerecht. Wenn man es gerecht machen will, dann muss es breit sein.

Dann hat man aber zum Teil Bewertungsschwierigkeiten und dann ist es besser, wenn man das eben nicht so häufig machen muss. Der Charme der Erbschaftssteuer besteht schlicht und ergreifend darin, dass eben das Event, das eine Erbschaftssteuer auslöst, eben nicht so häufig ist wie eine Vermögensteuer, die jedes Jahr erhoben werden muss.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wobei man sagen muss, die Erbschaftssteuer ist ja quasi identisch mit der Schenkungssteuer. Also und schenken kann man ja ein bisschen häufiger als sterben.

Rüdiger Bachmann

Sicher. Aber auch das sind vermutlich Events, die nicht in Jährigkeit stattfinden. Also ich würde eindeutig für eine Erbschaftssteuer plädieren. Ganz ehrlich, als ich damals gehört habe, dass die Ampel kommen wird, habe ich eigentlich gehofft, dass das ein ein liberales Projekt wird. Weil die Erbschaftssteuer ist eigentlich eine liberale Steuer. Dass die Konservativen das nicht mögen, verstehe ich.

Für Konservative ist Familiendynastie, vielleicht sogar ein bisschen Dynastienbildung etwas, was irgendwie zur politischen Identität gehört, Aber für Liberale eigentlich nicht. Und ich hatte gehofft, dass zwischen Grünen und Liberalen da ein Konsens bestehen würde. Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt.

Aber ja, da sind sich auch mal die meisten Ökonomen, glaube ich, tatsächlich einig, dass man vielleicht die Sätze sogar senkt, aber die Besteuerungsgrundlage so verbreitert, dass am Ende wirklich, wirklich auch gezahlt wird.

Philip BansePhilip Banse

Oder anders herum.

Rüdiger Bachmann

Und das kann man dann auch sehen. Das wäre auf jeden Fall richtig. Selbst wenn man wie die FDP die Meinung vertritt, wir sollten die Staatseinnahmen nicht erhöhen. Man kann das ja einnahmenneutral machen. Und auch von linker Seite kann man ja sagen wenn man erst mal reformiert hat, kann man am Ende des Tages, wenn die FDP vielleicht nicht in der Regierung ist, kann man da natürlich auch ein bisschen an den Sätzen noch drehen und die Einnahmen tatsächlich

erhöhen. Wenn man erst mal diese grundsätzliche Reform hat.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Vielleicht nur ganz kurz, wo Sie sagen, man kann das aufkommensneutral machen. Das würde also zum Beispiel bedeuten, man schafft höhere Einnahmen auf der einen Seite bei der Erbschaftssteuer, würde aber dasselbe Geld direkt wieder ausschütten, zum Beispiel in Form von Tax Credits für Investitionen.

Rüdiger Bachmann

Nein, das meine ich nicht. Ich meine selbst, angenommen, man würde den Staat nicht vergrößern, die Staatstätigkeit, wäre es immer noch ein liberales Projekt zu sagen, wir verbreitern die Bemessungsgrundlage der Erbschaftssteuer. Das heißt, wenige Ausnahmen senken die Steuersätze. Das kann man ungefähr ausrechnen, was man da tun muss, um das einnahmenneutral zu machen. Dann sage ich, beide haben einen Incentive, das zu tun.

Wie gesagt, die Liberalen haben, es ist immer gut, wenn die Steuersätze sinken und die Bemessungsgrundlage sozusagen breiter und gerechter verteilt ist. Wenn man also das System nicht ausnutzen kann. Das sollte ein liberales Anliegen sein. Die Linken hätten einen Anreiz, das zu tun, weil, sobald sie in der Regierung sind, ohne die Liberalen mal, können sie dann die Steuersätze wieder ein bisschen erhöhen und dann die Einnahmen erhöhen, um dann ihre-

Philip BansePhilip Banse

Weil die Bemessung, weil alle erfasst sind.

Rüdiger Bachmann

Weil alle erfasst sind.

Philip BansePhilip Banse

Ich meine, das müssen wir jetzt auch noch mal, dem müssen wir noch Platz einräumen. Das zentrale Gegenargument der FDP und auch des Verbands der Familienunternehmen ist ja, viel vererbtes Vermögen steckt in Unternehmen als Beteiligung, als Investment. Und wenn dann auf einmal ein Unternehmen vererbt wird, dann muss das halt verkauft werden und Arbeitsplätze gehen verloren.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

So die Sorge jedenfalls.

Philip BansePhilip Banse

So die Sorge.

Rüdiger Bachmann

Das ist ja Quatsch. Das ist ein Scheinargument, weil natürlich, was dann passieren muss, ist, dass man möglicherweise das Unternehmen in einen breiteren öffentlichen Streubesitz überführen würde. Aber das gibt es ja. Wir haben ja Aktiengesellschaften, die sozusagen ganz vielen Leuten gehören. Warum muss die dann sozusagen immer dem Dynasten gehören? Und oftmals ist übrigens der Dynast ja selber gar nicht interessiert.

Also ich könnte es noch dann verstehen, wenn der Dynasty selber interessiert ist als Manager, das mit dem Betrieb, weil er ein Herzblut da drin hat und weil weil das eben seine Leidenschaft ist, den Betrieb weiter zu managen. Aber wenn er gut genug ist, kann er ja trotzdem weiter Manager bleiben und von dem Besitz muss halt ein Teil abgeben und sozusagen in Anleihen bzw. Anteile umwandeln, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können.

Da wird ja das Unternehmen als physisches Objekt nicht vernichtet, sondern es werden eben Besitzverhältnisse einfach umgeschichtet.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Oder, ich meine, ein anderer Vorschlag, der in dem Kontext häufig zu hören ist, ist ja, man könnte natürlich auch die Steuerschuld stunden. Man könnte zum Beispiel sagen, wir-

Rüdiger Bachmann

Das kann man natürlich auch noch machen. Aber selbst wenn man das nicht macht, ist es einfach. Was dann passiert ist, dass wir eine breitere Kapitalbesitzstreuung, wäre vielleicht auch aus verteilungspolitischen Gründen gar nicht so schlecht, dass man eben zwingt, das Kapitalbesitz einfach ein bisschen breiter in die Öffentlichkeit gestreut wird, weil dann halt Anteile verkauft werden müssen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Nur, damit unsere Hörerinnen und Hörer, die jetzt nicht so tief drin sind im Wirtschaftsleben, das so ein bisschen nachvollziehen können. Stellen wir uns vor Familienunternehmen, Kommanditgesellschaft, 100 Millionen €. Da müssen vielleicht dann im Nachlassfall 25 Millionen € Steuern bezahlt werden. Da würden Sie sagen, na, dann müssen eben Teile dieses Unternehmens, also zum Beispiel die Belegschaft ausgegeben werden. Macht man Mitarbeitendenaktien und versucht, die 25 Millionen so einzunehmen.

Rüdiger Bachmann

Oder an die Öffentlichkeit, an den breiten Kapitalmarkt? Warum nicht?

Philip BansePhilip Banse

Ich habe gesehen, Sie haben sich auch mal oder beschäftigten sich aktuell noch mit Behavioral Economics. Also so mit, warum verhalten sich Menschen wie sie sich verhalten? Und das ist so ein bisschen so eine Frage, die wir uns im Rahmen dieser Erbschaftssteuer gestellt haben. Wenn das so eine Idee wäre, diese Erbschaftssteuer und man sagt, wir wollen die scharf schalten, dann beträfe das auch nach diesen Berechnungen 70 Milliarden

Einnahmen. Wirklich nur Erbschaften jenseits der 10 Millionen oder, oder, oder oder 50 Millionen. Das würde also ein ganz, ganz, ganz kleinen Teil der Erbschaften betreffen. Warum findet sich in der deutschen Gesellschaft dafür keine Mehrheit?

Rüdiger Bachmann

Ich weiß nicht, ob es in der Gesellschaft dafür keine Mehrheit gibt.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Dass es bei der FDP dafür keine Mehrheit gibt, geschenkt. Aber es gibt tatsächlich selbst für hohe Erbschaftssteuern für superreiche Menschen gibt es gesellschaftlich, sagen wir mal, keine, jedenfalls keine Dynamik oder nur eine große Skepsis. Und das verstehen wir nicht so ganz.

Rüdiger Bachmann

Ja, das ist auch nicht so einfach zu verstehen. Ich kann mir das eigentlich nur dadurch erklären, dass die Leute dann am Ende denken, wenn man das einmal angefasst hat als Instrument und wenn der Staat da sozusagen Geschmack und Erfahrung gefunden hat, wie man das tut.

Philip BansePhilip Banse

Blut geleckt hat.

Rüdiger Bachmann

Blut geleckt hat, dann passiert nämlich genau das, was ich ja schon angedeutet habe, dass man dann eben die Steuersätze auch leicht wieder erhöhen kann oder dass man eben die Freigrenzen dann doch senkt und dass man am Ende befürchtet, vielleicht doch betroffen zu sein. Und der andere Punkt ist natürlich Tod ist natürlich ein emotionales Thema und vielleicht finden Leute es ist unanständig, wenn der Staat von diesem ansich traurigen Event irgendwie profitiert.

Auf der anderen Seite muss man sich klarmachen, ererbtes Vermögen führt natürlich zu Dynastienbildung und wenn es, sagen wir mal, sehr stark akkumuliert wird, ist das natürlich auch demokratietheoretisch möglicherweise ein Problem. In Deutschland vielleicht weniger, aber in den USA würde ich so weit gehen, dass das ein absolutes Problem ist.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, wenn man sich die Koch Brothers anschaut.

Rüdiger Bachmann

Es gibt auch auf der linken Seite Leute, die ganz gut darin sind, Politik zu beeinflussen. Das ist von allen Seiten eher ein schmutziges Kaliber.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Hat aber natürlich auch viel damit zu tun, dass die Regeln in den USA extrem liberal sind, die es Einzelpersonen und Unternehmen erlauben, ich sage es mal etwas zugespitzt, Politiker:innen zu kaufen über Super-PACS und so, das ist natürlich auch Gewicht.

Philip BansePhilip Banse

Wir haben aktuell in den großen Volkswirtschaften EU, China, USA das Phänomen, dass alle oder sehr viele darauf bedacht sind, ja, wir wollen uns irgendwie schon für diese anstehende Transformation hin zu einer kohlenstofffreien Welt rüsten, verbinden das aber immer mit dem Ziel, wir wollen wichtige zentrale Technologien im Land halten und subventionieren daher zentrale Techniken. China mit PV und Autos, USA machen das auch. Europa macht das auch.

Und dann ist die zweite Sache, wir subventionieren sozusagen unsere Industrien national und ziehen gleichzeitig hohe Zollgrenzen hoch, damit andere billig subventionierte Techniken aus China zum Beispiel nicht in unser Land kommen. Was halten Sie davon?

Rüdiger Bachmann

Das ist ein zweischneidiges Schwert. Also da muss man sozusagen mehrere Stufen sehen. Eigentlich wünscht man sich eine Welt, in der wir keine geopolitischen Auseinandersetzungen haben, in der wir wirklich Freihandel machen und uns darauf verlassen können, dass der Freihandel bestehen bleibt. Dann geht es uns allen besser. Im Prinzip auch da gibt es dann noch

Gründe. Muss man sich über Verteilungsfragen vielleicht in ärmeren Ländern, die noch nicht bereit sind, sozusagen für diesen internationalen Wettbewerb, da gibt es vielleicht Gründe, die dann noch temporär rauszunehmen. Aber im Prinzip ist es schon so, wenn jeder das machen kann, was er am besten kann und das handeln können, so basiert ja auch unsere letztlich unsere Marktwirtschaft im

Inland. Sie sind eben gut darin, Podcast zu machen und es wäre nicht so gut, wenn sie auch noch ihre Autos selber bauen müssten und ihr Gemüse selber anpflanzen müssen etc. Das sollen andere machen, die es besser machen können. Und ich kann halt gut Makrovorlesungen geben, also im Prinzip diese Spezialisierung und dass wir dann tauschen, das hat schon enorme Wohlstandsgewinne zur Folge. Das gilt natürlich auch für den internationalen Handel.

Also dieses, sagen wir mal, Theorem der Wohlfahrtsgewinne durch Freihandel, das gilt weiterhin. So. Natürlich ist es jetzt aber so, dass die Welt nicht so ist, sondern dass wir eben diese geostrategischen Probleme haben. Und dann muss man sich tatsächlich genau überlegen, was ist so wichtig, dass es wirklich absolut immer verfügbar sein muss? Zu Hause oder jedenfalls in Europa kann man ja wenigstens darauf hoffen, dass innerhalb der EU wir uns gegenseitig aufeinander verlassen können.

Und dann muss man tatsächlich Einzelne, das ist schmutziges Geschäft, da wird man auch Fehlentscheidungen treffen, da muss man dann die einzelnen Produktkategorien dann durchgehen und jeweils entscheiden, was man haben will.

Philip BansePhilip Banse

Also Photovoltaik in der EU. Muss die EU dafür Geld ausgeben, damit wir relativ teure Panel machen können, bauen können?

Rüdiger Bachmann

Da habe ich meine Zweifel. Tatsächlich, weil im Zweifel kann man das relativ schnell überall auf der Welt bauen. Das ist keine Raketentechnologie, selbst wenn es Friktionen mit den USA geben sollte. Die USA können das jetzt auch ganz gut wohl bauen. Selbst wenn Trump drankommt und uns nicht mag, wird er uns, glaube ich, am Ende doch diese Panels verkaufen wollen. Das scheint mir jetzt eine Technologie zu sein, die man nicht unbedingt in Deutschland unbedingt haben will.

Ja, und dann muss man halt überlegen, gibt es Technologien? Da bin ich auch kein Experte. Das müssen letztlich, letztlich muss das auch die Politik dann entscheiden und Verantwortung dafür übernehmen. Aber das kann nicht für alle Technologien sein. Und am Beispiel der Solarpaneele. Das ist glaube ich ein ganz gutes Beispiel, wo klar wird, dass die optimale Reaktion von uns auf Subventionen anderer Länder nicht bedeuten muss, auch Subventionen auszuschütten.

Warum? Es kann dann sein, dass dadurch Produktion bei uns verloren geht, dass wir das halt nicht produzieren.

Philip BansePhilip Banse

De facto der Fall.

Rüdiger Bachmann

Was de facto der Fall ist. Auf der anderen Seite haben wir sowieso ein angespannten Arbeitsmarkt, das heißt, Fachkräfte werden in anderen Bereichen sowieso gebraucht. Das wäre noch ein anderes Problem, wenn wir jetzt massive Unterbeschäftigung hätten, dann will man vielleicht mal anders über das Problem nachdenken.

Aber wir gehen ja eher in eine Zeit hinein, die Zeit kommt ja erst noch, wenn die Boomer jetzt ab demnächst, also es heißt irgendwie gefühlt, dass seit irgendwie schon 15 Jahren, jetzt kommt's aber ich glaube, jetzt kommt das wirklich.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Da kann man in jedem Biergarten gehen.

Rüdiger Bachmann

Also die Arbeitsplätze werden, wenn das nicht eine massive KI Revolution so gibt, dass wir, was wir noch nicht wissen, aber das ist das einzige, was ich sozusagen als Gegenbewegung sehe in diesem ziemlich lang andauernden Fach- und Arbeitskräftemangel. Also das ist gar kein Problem, wenn wir dann die Amerikaner unsere Solarpanele, ist doch schön, wenn Sie billig Solarpanele kaufen können, die mit meinen Steuergeldern bezahlt werden, die Sie nicht subventionieren müssen.

Ist ja im Prinzip erst mal wunderbar.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also mit Ihren als US-Amerikaner.

Rüdiger Bachmann

Das meinte ich jetzt grade. Als US Amerikaner subventioniere ich Ihnen die billigen Solarpanele.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Vielen Dank, Herr Bachmann. Sie revanchieren sich dann mit einem Interview für die Lage. Wunderbar. Wir haben noch einen anderen großen Themenblock, den wir mit Ihnen gerne mal anschneiden wollten. Sie haben das Thema auch eben schon in zwei, drei Halbsätzen angedeutet, nämlich die Transformation der Gesellschaft hin zur CO2 Neutralität. Die Jahreszahl ist so ein bisschen umstritten, bis wann wir das erreichen wollen, aber eigentlich irgendwie in den 2040er Jahren allerspätestens.

Denn schon heute ist das 1,5 Grad Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens allenfalls noch schwer zu erreichen. Das heißt, eigentlich müssten wir wahrscheinlich noch ein bisschen mehr Gas geben. Und die Frage ist ja immer, wie kommen wir dahin? Und es gibt da zwei grundsätzlich unterschiedliche Instrumente, die sich ergänzen, und uns würde einfach ihre Perspektive darauf interessieren.

Also zum einen gibt es die Idee, dass man einfach die CO2 Emissionen immer teurer macht und auf diese Art und Weise quasi einen marktwirtschaftlichen Anreiz setzt, möglichst wenig CO2 zu imitieren. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder die Frage, ist das effektiv genug? Wirkt das schnell genug? Brauchen wir nicht auch hier und da zumindest Ordnungspolitik, die bestimmte besonders klimaschädliche Aktivitäten im weitesten Sinne verbietet? Also keine Ahnung.

Neueinbau von CO2 intensiven Gasheizungen?

Philip BansePhilip Banse

Verbrenner-Aus?

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, wie ist Ihre Perspektive auf das Zusammenspiel dieser Anreize?

Rüdiger Bachmann

Und es gibt noch eine dritte Philosophie, die wir in den USA gewählt haben, nämlich Subvention. Ja, in den USA ginge sowohl das eine als auch das andere ging nicht.

Philip BansePhilip Banse

Also Verbote gehen nicht und CO2 Preis gibt es irgendwie auch nicht.

Rüdiger Bachmann

Auf Staatsebene gibt es das ein bisschen, aber eben nicht bundesweit. Das hätte Biden auch gegen den republikanischen Senat, obwohl die da eine Minderheit haben, aber das ist eben die Besonderheit, dass auch die Minderheit Rechte hat, um Gesetze zu blockieren. Im Senat hätte er nie durchbekommen können.

Philip BansePhilip Banse

Subventionen heißt, wir geben einfach Steuergeld aus, damit ökologisch klimafreundliche Produkte billig sind und deswegen gekauft werden.

Rüdiger Bachmann

Genau.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wärmepumpensubvention. E-Auto-Subvention.

Rüdiger Bachmann

Alles genau. Und so machen wir das jetzt in den USA. Das wird sehr, sehr teuer werden, weil dadurch natürlich Mitnahmeeffekte entstehen. Das heißt, die Leute, die sowieso umstellen wollen, die kriegen auch die Subvention. Aber in USA war es politisch eben nicht anders möglich. Insofern müssen wir damit leben. Ich befürchte, damit werden wir dauerhaft höhere Inflation in den USA haben, einfach um diese gewaltigen Staatsschulden, die Biden da jetzt aufgehäuft hat, so langsam wieder abzubezahlen.

Aber wir werden nicht so schnell auf 2 % glaube ich kommen. Na gut, das ist halt der Preis, den die Amerikaner für ihre politische Dysfunktionalität einfach zahlen müssen. Und im Prinzip würde ich immer sagen, ist es natürlich ein Mix von beiden. Mit dem Preis muss man aber vorsichtig sein.

Philip BansePhilip Banse

Mit dem CO2-Preis?

Rüdiger Bachmann

Mit dem CO2 Preis. Genau. Man kann das ja einerseits als Steuer ausgestalten, indem man eben immer eine höhere Steuern macht oder man macht es und das ist eigentlich die präferierte Variante, tatsächlich über, so wie es die EU macht und in dem wir ja auch sozusagen langsam uns integrieren müssen mit dem ETS 1 und 2, dass man eben die Mengen, die emittiert werden dürfen, strikt über die Zeit zurückfährt und am Ende kommt halt null raus und dann darf keiner Netto emittieren. Das ist dann halt so.

Im Prinzip ist das, wenn man das implementieren kann, wenn man die politischen Nerven hat, das durchzuhalten.

Philip BansePhilip Banse

Vor allem die höheren Preise, die damit einher gehen.

Rüdiger Bachmann

Die höheren Preise, die damit einhergehen, ist das die sicherste Methode, um dann auf Null zu kommen, weil das steht ja im Gesetz. In diesem Jahr musst du auf Null, Netto Null sagen.

Philip BansePhilip Banse

Es gibt einfach keine Zertifikate mehr, Ende, aus.

Rüdiger Bachmann

Ende, aus und dann muss eben Netto Null da sein. Also im Prinzip funktioniert das schon. Das muss natürlich kombiniert werden mit intelligenten Klimageldern. Nur dann ist das politisch machbar. Das heißt mit anderen Worten wenn der Preis hoch ist, dann wird halt auch viel zurückgegeben. Also insofern und wenn man das geschickt zurückgibt, dann kann man eben die Verlierer durch die hohen Preise auch ausgleichen und die

Leute mitnehmen. Da gibt es das Erstelement, das man zunächst mal allen gleich zurückgibt. Hilft da schon, weil es natürlich schon so ist, dass im Schnitt die Reichen mehr CO2 verbrauchen als die Armen. Wenn aber jeder das Gleiche zurückbekommt, machen die Armen da ein ganz eigentlich ein ganz gutes Geschäft.

Philip BansePhilip Banse

Wenn also jeder dieselbe Summe pro Kopf im Jahr bekommt.

Rüdiger Bachmann

Genau, die machen da ein ganz gutes Geschäft. Am Ende des Tages traut man sich politisch immer noch nicht ran. Ich verstehe es nicht ganz, warum? Man müsste das aggressiv verkaufen, dass gerade die Ärmeren da ein gutes Geschäft machen. Es gibt eine Sondersituation beim Bau der Häuser, bei der Wärme von den Häusern, wo das eben nicht unbedingt so ist, dass die Reichen mehr verbrauchen als die Armen. Da gibt es eine sehr starke Streuung. Das ist hauptsächlich Land versus Stadt.

Da muss man vielleicht noch mal über eine Sonderkompensation nachdenken.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Da hatten wir gerade ja.

Rüdiger Bachmann

Da gibts auch Vorschläge dafür. Das kann man alles lösen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Da hatten wir gerade ein Interview mit der Expertin aus Österreich, die uns erklärt hat, wie das eben regional unterschiedlich ausgezahlt wird.

Philip BansePhilip Banse

Also in Österreich.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

In Österreich, in Österreich. Der sogenannte Klimabonus.

Rüdiger Bachmann

Kann man alles machen. Also gibt es, wie gesagt, ich nenne das das intelligente Klimageld, was ein bisschen mehr ist, als nur jedem das Gleiche zu geben. Das kann man als Sockel machen und dann eben noch was obendrauf legen. Es kann man also alles machen. Ja, warum macht es die Politik nicht? Ich weiß es nicht.

Philip BansePhilip Banse

Es ist verplant.

Rüdiger Bachmann

Es ist halt schon verplant in Subventionen und Ordnungsrecht, so wenig wie möglich. Ich habe am Ende aber auch nichts gegen bestimmte ordnungsrechtliche Maßnahmen, wenn es zum Beispiel hilft, politisch für die politische Akzeptanz des Ganzen zu sagen, wir verbieten jetzt Privatflüge oder so oder wir verbieten zumindest Privatflüge, die emittieren.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Oder Kurzstreckenstrecken. Inlandsflüge.

Rüdiger Bachmann

Wir machen das. Das wäre nichts, wo man im Prinzip meine liberale Grundstimmung ein Herz dafür entwickeln würde. Aber wenn es das braucht, um sagen wir mal für einen wirklich schneidenden CO2 Preis mit plus intelligenten Klimageld eine gesellschaftliche Mehrheit zu bekommen, dann kann ich auch damit noch.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das finde ich den interessanten Punkt, dass Sie sagen, solche Verbote können sogar für eine gesellschaftliche Akzeptanz sorgen in bestimmten Konstellationen. Denn in Deutschland ist die politische Schlachtordnung gerade ja eher genau andersherum. Also in Deutschland ist es ja so, dass es enorme Polemik gibt von der FDP, von der Union noch viel mehr natürlich von rechtsextremen Stimmen gegen jede Form von Ordnungspolitik im Bereich des Klimaschutzes.

Und deswegen hatten wir uns so ein bisschen von Ihnen erhofft, quasi so, wie soll ich sagen so, so, so, Kriterien vielleicht an die Hand zu bekommen, wann Sie sagen, Ordnungspolitik ist auch aus einer liberalen Position heraus gerechtfertigt, oder wo Sie sagen, ne das ist jetzt wirklich bürokratischer Wahnsinn, das geht zu weit.

Rüdiger Bachmann

Also im Prinzip ist die liberale Lösung der Preis plus ein intelligentes Klimageld, sodass die Leute nicht schlechter gestellt werden, aber Anreize haben, umzustellen. Das ist die liberale Lösung. Wie gesagt, wenn man das hinkriegt, dann bin ich dafür. Und dann würde ich das Ordnungsrecht so wenig wie möglich antasten. Aber wie gesagt, es gibt halt so ein paar Reiche, die sich dem entziehen und weiter ihre Privatjets da rumfliegen. Na ja, gut, dann verbietet man die halt. Damit kann ich leben.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Friedrich Merz zum Beispiel.

Rüdiger Bachmann

Ja, oder was weiß ich. Dann ist es halt so. Also ich würde sie ja auch nicht ganz verbieten, sondern mit Kerosin. Also die müssen dann halt sofort auf Null reinkommen. Im Prinzip will man solche, solche Spezialregeln und solche Sektorenregelung eben nicht machen. Man will halt CO2 vermeiden, da wo es am einfachsten zu vermeiden ist, da wird man anfangen und dann sozusagen, man will sozusagen für die schwierigen CO2 Vermeidungen will man die möglichst die möglichst lange Zeit haben.

Ich kann aber sehen, dass das Gerechtigkeit, in bestimmten Fällen, Gerechtigkeitsempfinden in der Bevölkerung möglicherweise dem entgegenläuft. Und wenn man da dann ein oder zweimal auch mit dem Ordnungsrecht zuschlägt, finde ich im Sinne des Gesamtergebnis ist, kann ich dann damit leben.

Philip BansePhilip Banse

Ich habe noch eine Frage, die uns hier auch regelmäßig bewegt. Und zwar geht es darum, Sie haben es, glaube ich, im Vorgespräch angedeutet, dass das auch im Kanzleramt Thema war. Stichwort Arbeitsanreize. Also wir haben hier in Deutschland das Bürgergeld und es gibt einen dauernden Streit darum, wie muss das eigentlich gestrickt sein, wie viel müssen und dürfen wir bedürftigen Menschen zahlen, auch nach Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts?

Da ist dann aber auch klar, je mehr Geld die bekommen, desto geringer der Arbeitsanreiz. Je stärker die Sanktion, also die Strafen, sind, je höher der Druck, desto größer der Arbeitsanreiz. Und das ist ja so eine gesellschaftliche Optimierungsaufgabe. Weder will man den Leuten, es gibt natürlich einige, die sagen, wir kriegen einfach ein bedingungsloses Grundeinkommen, aber so weit wollen wir mal nicht gehen, sondern wo ist da für Sie so der Sweet Spot? Also man will diese Leute unterstützen.

Also das Verfassungsgericht hat das ja auch vorgegeben, es muss ein Existenzminimum gesichert sein. Gleichzeitig ist aber auch erwiesen, dass je mehr die bekommen und je geringer die Sanktionen sind wenn sie Arbeit nicht annehmen, desto geringer ist auch der Anreiz, Arbeit anzunehmen. Wie blicken Sie auf diese Diskussion? Wo müsste man da hingehen?

Rüdiger Bachmann

Als Ökonom muss man, kann man da verschiedene Sachen sagen. Aber was man nicht sagen soll, ist, wo dieser Sweet Spot ist, weil das eine gesellschaftliche Entscheidung ist. Das ist eine Frage der politischen Aushandlung. Das vielleicht mal als Erstes. Und dann ist eben die Frage, es geht nicht darum, Arbeitseinsatz zu maximieren, sondern am Ende geht es darum, Wohlfahrt zu maximieren. Und es ist Arbeit, sozusagen um jeden Preis, ist kein Politikziel.

Der Punkt ist, die bestehenden gesetzlichen Regelungen, das hat eben die wunderbaren Studien, die ifo Studien von Andreas Peichl ja gezeigt. Und da hat der Ökonom dann in der Tat was zu sagen. So wie wir das zurzeit ausgestalten, haben wir ja Reformmöglichkeiten, die den Arbeitsanreiz erhöhen würden, aber zum Beispiel dem Staat, mit anderen Worten, es würden sogar mehr Transfers ausgezahlt, die am Ende aber selbst finanziert sind.

Philip BansePhilip Banse

Weil die Leute arbeiten und Steuern zahlen.

Rüdiger Bachmann

Weil sie arbeiten und Steuern zahlen. Und das hängt nicht am Bürgergeld per se. Aber es hängt am Bürgergeld im Zusammenspiel mit anderen Transfers, die der Staat hat. Also Wohngeld, da gibt es, glaube ich, über 100 Einzeltransfers. Wenn man die alle zusammen modelliert, dann hat man für bestimmte Leute in bestimmten Regionen bestimmte Situationen, sogenannte, jetzt müssen wir technisch werden, sogenannte Transferentzugsraten von über 100 %.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wenn die anfangen zu arbeiten?

Rüdiger Bachmann

Das heißt, wenn die Leute einen Euro mehr verdienen, haben sie am Ende mehr als einen Euro weniger. Und das ist natürlich ein absoluter Killer. Und diese Stellen zu beseitigen innerhalb einer Reform, das kann man sogar so machen, sagt Andreas Peichl, dass es den Staat am Ende keinen Pfennig, den Gesamtstaat zumindest, keinen Pfennig kostet.

Das Problem ist, dass dann, der Staat ist eben nicht ein Monolith, sondern der Staat sind einerseits die Sozialversicherung, das ist der Bund, die Länder, die alle Eigeninteressen haben, muss man auch dazu sagen, aber den Staat als Gesamtentität eben keinen Pfennig kostet, das kann man reformieren und vielleicht sollte man da mal anfangen, bevor man sozusagen die moralische Entscheidung trifft. Wie wollen wir als Gesellschaft diesen Trade off zwischen Fürsorge und Eigenverantwortung treffen?

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also lese ich aus Ihrer Äußerung richtig heraus, dass Sie eher skeptisch sind gegenüber Sanktionen und zunächst mal dafür sorgen würden, dass die Anreizwirkung stimmt, dass sich quasi jeder verdiente Euro lohnt.

Rüdiger Bachmann

Das heißt nicht, dass sie skeptisch gegenüber den Sanktionen bin, aber es gibt hier eine klare Reihenfolge, finde ich, in der Politik. Bevor man mit harten Sanktionen kommt, sollte man erstmal diese Irrationalität der Gesetzgebung, das wie gesagt in manchen Fällen die Zusammenwirkung von diesen verschiedenen Transfers eben so ist, dass es sich eben überhaupt nicht lohnt, einen Euro mehr zu verdienen oder 100 € mehr zu verdienen, weil am Ende hab ich sogar dann weniger Netto raus.

Das ist ja die Absurdität. Das sollte man mal als allererstes beseitigen und dann gucken wir mal, dann evaluieren wir das mal, und wenn man dann noch glaubt, Sanktionen machen müssen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Zumal man ja ehrlich sagen muss, den Sanktionen sind ja auch verfassungsrechtlich sehr enge Grenzen gesetzt. Also mit anderen Worten, bevor man da in sich in einen Dauerkonflikt mit dem Bundesverfassungsgericht begibt, wäre es doch vielleicht sinnvoll, erst mal so was wie eine gewisse Zielgerichtetheit der staatlichen Regelungen hinzubekommen.

Philip BansePhilip Banse

Okay, okay, verstehe. Ein interessanter Punkt, ja. Wollen wir noch den letzten Punkt anschneiden?

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Unbedingt. Das finde ich total spannend. Das ist ein schönes Ende.

Philip BansePhilip Banse

Schönes Ende. Also das betrifft jetzt so ein bisschen, ich würde mal sagen Hochschulpolitik, Bildungsstandort Deutschland, USA. Sie haben ja an diversen deutschen Unis als Hochschullehrer gearbeitet, Sie haben an diversen auch Eliteuniversitäten in den USA gearbeitet, arbeiten da noch, haben also ein ziemlich gute Vergleichsbasis. Und uns stellt sich so die Frage, wie attraktiv ist eigentlich das Hochschulsystem, das deutsche Hochschulsystem für internationale Spitzenforscher und -forscherinnen?

Rüdiger Bachmann

Das kommt sehr darauf an, welchem Fach Sie angehören. Also wenn ich ein Geisteswissenschaftler wäre, das gilt nicht nur, wenn ich Germanist wäre, sagen wir mal, ich wäre ein Romanist, würde ich lieber in Deutschland arbeiten. Ganz einfach deshalb, weil aufgrund des Beamtensystems, in dem die professorale Besoldung angesiedelt ist, gibt es einfach eine viel stärkere Lohnkompression.

Das heißt, der Ökonom oder Jurist wird etwas mehr verdienen als der Professor der Ökonomik oder der Juristerei wird etwas oder der Ingenieurwissenschaften wird vielleicht etwas mehr verdienen als sein Kollege in der Romanistik, aber nicht sehr viel mehr. In den USA ist das völlig gespreizt. Ja, es hat schon seinen Grund, warum in den USA die besonders gut Wissenschaft in der Ökonomik sind, aber vielleicht ein bisschen schlechter, relativ zu Deutschland, in Geisteswissenschaften.

Also dass mal das eine, die Besoldungsordnung in den USA ist sehr viel marktbasierter als in Deutschland. Von daher kommt es wirklich darauf an, auch wo man ist. Als Ökonom sind die Arbeitsbedingungen in den USA schon sehr traumhaft. Wie gesagt, was die Gelder angeht, das kann mir keine deutsche Uni normalerweise bieten. Und in dem Moment, wo viele Leute da sind, gibt es natürlich dann so positive Peer-Effekte, dass da spielt halt wissenschaftlich die

Musik. Wie gesagt, wenn ich jetzt Romanist wär3, wäre ich vielleicht lieber in Deutschland.

Philip BansePhilip Banse

Okay, aber wenn Sie jetzt überlegen, ich würde gerne nach Deutschland gehen. Geld ist nicht alles. Was würde dann dagegen sprechen, nach Deutschland zu gehen?

Rüdiger Bachmann

Na ja, also was würde dagegen sprechen?

Philip BansePhilip Banse

Also es gibt ja viele Umfragen, die sagen, Leute kommen hier her und wundern sich über eine ganze Menge. Da würden, also es gab zum Beispiel jetzt ein Berufungsverfahren, ich glaube, es war die Leipziger Uni. Da ging es um zwei Juristen, die wollten angeworben werden aus UK und die wollten auch kommen, weil sie beide Deutsche waren und so und hätten auch Einkommenseinbußen hingenommen. Aber dann sind die nach Deutschland gekommen, dann haben die keinen Schulplatz gefunden, keine Kita

gefunden. Die haben irgendwie diese ganze komische Univerwaltung, die haben ihnen da einen Stein nach dem anderen in Weg gelegt und haben am Ende beide abgesagt und gesagt, ja ne, dann bleiben wir lieber da in Cambridge oder Oxford oder wo sie wohnen.

Rüdiger Bachmann

Univerwaltung und Selbstverwaltung gibt es auch bei mir in den USA. In meinem ganz konkreten Fall ist natürlich, meine Frau ist nicht Deutsche, auch phänotypisch nicht Deutsche. Die kommt nämlich ursprünglich aus China. Sind zwar alle amerikanische Staatsbürger, da würde ich mir schon überlegen, ob ich in jede deutsche Stadt meine Frau überzeugen könnte, hinzugehen. Ganz einfach wegen des nach wie vor existierenden Alltagsrassismus in Deutschland. Das ist in Berlin kein Problem.

Na ja, vermutlich in Berlin würde man da weniger Bedenken haben als vielleicht keine Ahnung in einer, sagen wir mal eher ländlicheren oder im ländlichen Raum befindlichen Universität.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Vielleicht für unsere Hörerinnen und Hörer zum Hintergrund. Ihre Frau ist gebürtig aus China.

Rüdiger Bachmann

Gebürtig aus China.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und deswegen natürlich phänotypisch erkennbar.

Rüdiger Bachmann

Erkennbar.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Als nicht Biodeutsche.

Rüdiger Bachmann

Nicht Biodeutsche.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ist klar. Und das, ich meine, das ist natürlich schon hart. Ich meine, das hat ja auch die Chefin eines großen Uhrenherstellers vor einiger Zeit gesagt, die ihren Sitz in Sachsen hat. Dass sie einfach einen großen Standortnachteil darin sieht, dass Menschen, die eben so phänotypisch nicht aussehen, als wenn sie schon seit 500 Jahren in Deutschland ansässig sind familiär, dass die einfach sich nicht mehr trauen, nach Sachsen zu gehen.

Philip BansePhilip Banse

Ja, ich würde gerne jetzt zum Schluss einmal, wenn man das so einmal so zusammenbinden vielleicht so als Abschlussfrage. Wir haben uns das angeguckt Arbeitsanreize, Steuersystem, Schuldensystem, bisschen Hochschulpolitik. Wenn Sie so aus den USA auf Deutschland gucken, ist das der kranke Mann in Europa? Ist das System im Eimer? Muss das, ist da 20 Jahre, 30 Jahre zu wenig passiert? Fallen wir jetzt die nächsten 15 Jahre zurück oder reden wir uns das zu schlecht?

Rüdiger Bachmann

Nein, es ist nicht der kranke Mann. Das würde ich nicht sagen. Aber ich glaube schon, was passiert ist, ist, wir haben durch ironischerweise vielleicht sogar durch die Eurokrise, haben wir auch gerade ökonomisch einen Sonderboost bekommen durch die sehr gut ausgebildete Immigration aus Südeuropa. Das darf man nicht vergessen. Deutschland wurde ja prophezeit, dass wir jetzt ungefähr oder mindestens auf dem Weg in die 60, auf die 60 Millionen sind, was die Bevölkerung angeht. Im Gegenteil.

Deutschland ist gewachsen. Wir sind stark über die 80 gekommen und das liegt nicht an der an der hohen Fertilität der Biodeutschen, sondern das liegt eben an Migration, zum großen Teil eben auch aus Südeuropa. Das heißt, Deutschland hat so einen, einen einen Sonderboost bekommen, der zu starken Wachstum geführt hat, der Deutschland eben als wenn man sich zurückdenkt, sozusagen ungefähr zehn Jahre zurück, da war Deutschland der Weltmeister in Europa oder der Europameister, um es

genau zu sagen. Ja, da waren wir die Lokomotive Europas. Aber das hat zum Teil einfach damit zusammen gehängt, dass wir sozusagen den anderen Ländern Talent abgezogen haben. Und dann kam die Coronakrise, dann die Energiekrise, sodass es jetzt diese Sondereffekte sind jetzt alle vorbei und wir sind, glaube ich, eigentlich wieder in der Situation der ungemachten Hausaufgaben von vor 15 Jahren. Und insofern würde ich zustimmen, dass viele Dinge liegen gelassen

worden sind. Aber das sind, ich trau mich das fast nie zu sagen, weil das alles so alte Hüte sind, ja, das ist ja Bildungsreform. Wir hatten den Pisa Schock, dann wurde was gemacht, dann ging die Zahl ein bisschen nach oben und dann hat es keinen mehr interessiert. Und jetzt haben wir wieder die Pisa Schocks und jetzt stehen wir wieder da. Zwischendurch ist nicht nichts

passiert. Wir haben Föderalismusreformen angefangen. Inzwischen haben wir eine Bund-Länder-Beziehung, die man ehrlich gesagt als organisierte Verantwortungslosigkeit charakterisieren muss. Alles ist irgendwie zusammengemischt, keiner will wirklich Verantwortung haben. Es gibt so viel dezentralisierte Verwaltung. Die Digitalisierung hat in ihrem Kern ein bisschen Zentralisierung, weil man will halt nicht 16 verschiedene Softwaresysteme in den

Bundesländern haben. Das heißt, da gibt es Koordinationsleistungen, die zu erbringen wären. Das führt, was die Verwaltungsabläufe angeht, notwendigerweise, wenn man digitalisieren will, auch zu einer Zentralisierung. Das machen wir nicht. Wir reden seit 20 Jahren über Kapitalmarktunion in der EU und eben einem Geschmack für die europäische Wirtschaft. Mehr an Eigenkapitalfinanzierung, weg vom Fremdkapital auf Eigenkapital zu gehen. Das ist mit ein Grund, warum, die Start ups gibt es in Europa.

Wir wissen, dass es Start ups gibt. Da unterscheidet sich Europa eigentlich nicht von Amerika, aber die Skalierung dann. Unsere Start ups werden einfach nicht so, nicht so in dem Maße größer, wie das in den USA ist. Und das ist eines dieser großen Wachstumshindernisse. Weil woher kommt das Wachstum in den USA? Eben durch diese neuen Firmen, die neue Ideen haben jetzt Stichwort KI. Aber das gilt allgemeiner als KI. Neue Ideen, die skaliert werden

können. Das ist in Europa deutlich weniger möglich. Und dann kommt noch dazu, dass wenn man in Europa skalieren will, oftmals 27 unterschiedliche Regulierungen und Vorschriften, unterschiedliche Insolvenzrecht usw hat. Und das haben die amerikanischen Unternehmen nicht. Die können skalieren auf einen 350 Millionen Markt relativ schnell. Das Kapital ist da. Das müssen wir Unternehmen in Europa auch ermöglichen.

Dann kann Europa auch sehr schnell wieder auf den Wachstumspfad kommen und Deutschland mittendrin. Also das ist alles gewollt. Aber das ist, wie gesagt, das sind alles alte Hüte. Ich trau mich das gar nicht oft zu sagen, weil es keine neuen Erkenntnisse sind. Das waren schon die Probleme vor vor 20, 15 oder 20 Jahren.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Deutschland also nicht als kranker Mann. Aber es gibt eine Reihe von Baustellen der Nation. Und interessanterweise haben Sie zwei, drei Themen angesprochen, die ja auch in unserem Buch prominenten Raum einnehmen. Ganz herzlichen Dank! Das war im Gespräch mit der Lage der Nation, Rüdiger, genannt Rudi Bachmann, Professor an der University of Notre Dame in den Vereinigten Staaten, Volkswirtschaftler, Makroökonomen. Schön, dass Sie bei uns im Studio waren.

Rüdiger Bachmann

Ich bedanke mich, war super.

Philip BansePhilip Banse

Und das war's mit der Lage 387. Die zweite Lage in dieser Woche. Einmal EU Wahl, einmal ausführliches Interview. Ich hoffe, ihr fühlt euch ausführlich, ausreichend und detailliert informiert. Wir danken für euer Interesse und wünschen euch eine schöne Restwoche. Schönes Wochenende und wenn ihr mögt, hören wir uns nächste Woche wieder.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Bis bald!

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