Herzlich willkommen zur Lage der Nation, Ausgabe Nummer 378 vom 17. April 2024 und im Berliner Lagestudio begrüßen euch Ulf Buermeyer, das bin ich, Jurist aus Berlin und-
Philip Banse, Journalist. Ganz herzlich willkommen auch von meiner Seite. Wir haben heute wieder ein volles Pad, viele Themen, viel vorbereitet. Deswegen nur ganz kurze Hausmitteilung vorweg. Hatten wir letztes Mal schon angedeutet. Es gibt da diesen deutschen Podcastpreis und da werden halt Podcasts gekürt in verschiedenen Disziplinen.
Und es gibt eben auch eine Disziplin, journalistischer Podcast, glaube ich, heißt es und speziell das Publikumsvoting, also wo ihr abstimmen könnt, welchen Podcast ihr besonders toll und preiswürdig findet. Wir haben da mal einen Link für euch.
Wir haben einen Vorschlag, welcher Podcast möglicherweise eure Stimme verdient haben könnte. Unter lage.link/preis. Lage.link/preis.
Die Lage im Nahen Osten hat sich weiter zugespitzt. Da schauen natürlich jetzt alle gebannt nach Israel und vor allen Dingen auf den Iran, denn der Krieg dort droht sich auszubreiten. Vielleicht aber auch nicht. Vieles ist unklar. Deswegen analysieren wir mal die Lage, wie sie sich jetzt gerade darstellt im Nahen Osten, im Konflikt zwischen Iran und Israel.
Ja, was ist passiert? Wir müssen zunächst zurückblicken zum 1. April. Da wurden zwei hohe iranische Militärführer und noch ein paar Mitarbeitende von ihnen getötet. Und zwar, und das macht die Sache so juicy, im Gebäude der iranischen Botschaft in Damaskus, also in Syrien. Dieses Gebäude wurde von einer Rakete zerstört. Es ist ein bisschen umstritten, ob Botschaft selber oder Nebengebäude, aber jedenfalls in diesen diplomatischen Komplex ist eine Rakete reingeflogen.
Da stand natürlich kein Name drauf, kein Absender, aber höchstwahrscheinlich und auch nicht dementiert, wurde dieses Projektil von Israel abgefeuert.
Und das, muss man sagen, wenn es denn so war und alle gehen davon aus, dass es so war, ist ein klarer Bruch des Völkerrechts. Israel hat mit Waffengewalt auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates zugeschlagen. Botschaftsgebiet ist Hoheitsgebiet. Und das ist ein klarer Verstoß gegen das Gewaltverbot. Außerdem sind natürlich diplomatische Vertretungen noch mal gesondert geschützt, ist auch klar.
Also das ist ziemlich unstrittig, wenn es Israel war, alle gehen davon aus, dass Israel war, war dieser Angriff mit den Raketen auf diese beiden Generäle ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht.
Und in der Nacht zum Sonntag nun hat der Iran auf diesen Angriff mutmaßlich Israels geantwortet, nämlich in dem er rund 300 Drohnen, Raketen, Marschflugkörper vom Iran, selbst vom eigenen Staatsgebiet aus, auf Israel abgefeuert hat. Wobei man sagen muss 90 %, mehr als 90 %.
Weit über, fast 99, glaube ich eigentlich.
Auf jeden Fall sehr viele dieser Projektile wurden abgefangen. Israel selbst hat das geschafft mit dem sogenannten Iron Dome. Also so ein Raketenabwehrschutzschild.
Gibt auch noch andere Abwehrschutzschilde, die da zum Einsatz gekommen sind. Aber das ist schon erstaunlich, was die abgewehrt haben.
Das muss man schon sagen. Wirklich Respekt. Was natürlich wiederum auch ein gewisses gutes Gefühl geben dürfte den Menschen in Israel, dass sie einfach so gut verteidigt sind. Wobei es natürlich trotzdem Stress ist, wenn es die ganze Nacht rummst am Himmel.
Rummst am Himmel und vor allen Dingen auch nach diesem 7. Oktober, wo ja natürlich dieses "Wir sind geschützt und wir sind sicher durch unser Militär" dieses Bewusstsein extrem Schaden genommen hat. Und jetzt zu sehen okay, da kommen 300 Drohnen, Raketen, Marschflugkörper und wir und unsere Freunde können de facto 99 % davon abschießen. Das ist schon auch noch mal eine neue Perspektive.
Wir und unsere Freunde ist ja in diesem Fall tatsächlich wichtig. Denn wie gesagt, Israel hat mit eigenen Mitteln sehr viele Projektile abfangen können. Allerdings haben auch die Vereinigten Staaten und Großbritannien und interessanterweise auch Jordanien bei der Verteidigung Israels geholfen.
Jordanien ist deswegen so speziell, weil es ja auch ein islamisches Land ist, das sich aber in diesem Krisenfall jetzt auf die Seite Israels gestellt hat und dazu beigetragen hat, dass, das muss man auch sagen, der Schaden in Israel tatsächlich minimal geblieben ist. Ein paar Schäden gab es an Luftwaffenstützpunkten und insbesondere gab es keine Toten.
Es sind allerdings Kinder verletzt worden und ich habe irgendwo gelesen, 30 Menschen sind verletzt worden, durch Stolpern wahrscheinlich, auf dem Weg zu Luftschutzkellern. Natürlich muss man sagen, natürlich haben die Sirenen geheult, die Menschen sind in halbwegs sichere Unterkünfte geflüchtet und dabei gab es dann circa 30 Verletzte.
Auch dieser Angriff durch den Iran ist illegal. Das sagt Matthias Goldmann vom Max-Planck-Institut in Heidelberg. Das Völkerrecht, sagt er, kennt keine Vergeltung, nur Selbstverteidigung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr. Iran verletze das Gewaltverbot, auch wenn das durch den illegalen israelischen Angriff auf die diplomatische Vertretung provoziert sein sollte. Das ist also die Einschätzung von Matthias Goldmann vom MPI in Heidelberg. Also kein Recht auf Rache steht eigentlich dahinter.
Das gilt im Grunde für beide Seiten auch bei dem israelischen Angriff auf die oder mutmaßlich israelischen Angriff auf die Botschaft in Damaskus kann man natürlich sagen, dass es für den gute Gründe gab, einfach weil der Iran quasi so Terror Mastermind in der ganzen Region ist, weil der Iran offiziell die Vernichtung Israels plant. Also es gibt gute Gründe dafür, aber das macht den Angriff nicht legal.
Und zumal muss man auch sagen, diese Generäle, die da getötet wurden, die sind natürlich Stellvertreter, die organisieren diesen Krieg des Irans über Proxy Kräfte in Syrien und anderen Staaten und Libanon. Die versorgen die mit Waffen, mit Geld und so, also das waren ganz zentrale Figuren in diesem Schattenkrieg des Irans gegen Israel. Aber was wollte jetzt also der Iran mit diesem Gegenschlag? Na ja, er wollte halt antworten.
Er wollte diesen Angriff auf seine Botschaft nicht einfach so stehen lassen. Die Tötung der hochrangigen Generäle. Zerstörung der Botschaft. Das musste irgendwie vergolten werden. Gleichzeitig wollte der Iran aber ganz offensichtlich auch nicht zu viel Ärger machen.
Zum Beispiel hat der Iran sich ganz bewusst nur Militärbasen als Ziele ausgesucht, also gerade nicht zivile Ziele in Haifa zum Beispiel oder in Tel Aviv oder in Jerusalem. Und dieser Angriff wurde stundenlang im Voraus angekündigt, so dass tatsächlich sowohl Israel als auch verbündete Kräfte in die Lage versetzt wurden, sich darauf entsprechend vorzubereiten.
Aber das ist und bleibt der erste direkter Angriff des Irans auf Israel seit der Machtübernahme der Ayatollahs 1979 im Iran hat der Iran sich offiziell auf die Fahnen geschrieben, wir wollen Israel von der Weltkarte tilgen, wir wollen Israel vernichten. Aber dieser proklamierte Vernichtungskrieg, der blieb eben immer indirekt. Also Iran hat finanziert und mit Waffen unterstützt Truppen in Syrien, Gaza, Libanon, Irak, Jemen. Und so weiter und so fort.
Die waren aber immer bemüht, einen direkten Konflikt mit Israel und dann damit mittelbar auch mit den USA zu vermeiden. Auch weil sie wahrscheinlich demnächst die Atombombe haben und dieses Projekt nicht durch einen eskalierenden Konflikt mit Israel und USA gefährden wollten. Würde ich mal annehmen.
Stellen wir uns vor, sie überschreiten so weit die rote Linie, dass Israel und oder die USA irgendwann entscheiden, jetzt reicht's uns, jetzt wollen wir Regimechange im Iran, wie auch immer das dann aussieht. Ob dann Marschflugkörper abgefeuert werden, ob es dann tatsächlich eine Invasion gibt, was auch immer. Wenn das passieren sollte, dann würde das Mullahregime ja quasi wenige Meter vor dem Ziel der Atombombe noch weggeputscht oder gestürzt. So, das wollen sie natürlich vermeiden.
Und deswegen zum Beispiel haben sie auch direkt nach diesem Angriff eine etwas skurrile Botschaft veröffentlicht, wo sie nämlich sagen so sinngemäß, habe ich jetzt nicht wörtlich drauf. Wir haben uns jetzt gerächt und jetzt ist auch gut. Jetzt schlag mal bitte nicht zurück. Von uns aus ist die Sache jetzt erledigt.
Wir haben einen Kuchen mitgebracht. Habt ihr Interesse? Israel hat momentan kein verstärktes Interesse an so einem Kuchen. Die Frage ist, steht immer noch so ein bisschen im Raum, was wollte Israel mit diesem sehr riskanten Angriff auf die iranische Botschaft in Syrien, auf diese Generäle? War das nicht zu riskant in so einem sowieso schon aufgeheizten Klima? Und Analysten machen so ein bisschen die Rechnung
auf. Na ja, Israel könnte mit diesem Angriff versucht haben, den Iran zu provozieren und damit die Lücke, die Zwistigkeiten mit den USA zu beseitigen, die es ja um den Gazakrieg gegeben hat, wo die USA extrem Druck machen
auf Israel. Jetzt beende diesen Krieg im Gaza oder dreht ihn auf jeden Fall deutlich zurück oder greift auf keinen Fall Rafah an, aber wenn der Iran sich entscheiden sollte, Israel anzugreifen, dann, das war die Kalkulation, oder könnte die Kalkulation hinter diesem Angriff gewesen sein, dann wäre die USA gezwungen, sich wieder eng an die Seite Israels zu stellen. Und letztlich ist ja auch das genau passiert.
Also diese Einschätzung hat zum Beispiel Tomas Avenarius geäußert, Redakteur der Süddeutschen Zeitung. Er schreibt: "Nach den nach wie vor geltenden Spielregeln des Nahen Ostens musste Irans Revolutionsführer Ali Chamenei zurückschlagen und das vermeintliche Gleichgewicht des Schreckens wiederherstellen. Das war erwartbar, aber erhöht das Risiko eines regionalen Kriegs um das Vielfache. Und genau das war von Israels Regierung wahrscheinlich so beabsichtigt.
Benjamin Netanjahu steht unter gewaltigem Druck. Im Gazakrieg hat seine Armee die Hamas auch im sechsten Monat nicht besiegt. Gut die Hälfte der von den Terroristen am 7. Oktober entführten Geiseln vegetiert in Tunneln im Gazastreifen. Auf den Straßen Israels rufen Demonstranten nach einer neuen Führung. Was käme da gelegener, als das Feuer auf die Islamische Republik zu lenken? In den Augen der westlichen Politik ohnehin der Erzbösewicht des Nahen Ostens.
Jetzt ist die Frage, wie reagiert also Israel? Und das hängt natürlich sehr von Israel ab. Werden sie also einen Vergeltungsschlag ausüben? Wenn ja, wie sieht der aus? Würde der dann die Spirale der Gewalt weiterführen, wäre das vielleicht so ein Schlag, der zehnmal so groß ist wie der vom Iran, um klar zu machen in dieser Vergeltungslogik, also das war's jetzt von uns aus. Kommt bloß nicht auf die Idee, noch mal zurückzuschlagen.
Oder, muss man ganz ehrlich sagen, setzen sich in Israel die Kräfte durch, die die These vertreten, Moment mal, die sind auf dem Weg zur Atommacht? Wenn die so was wie vor ein paar Tagen jetzt mit Atomwaffen durchgeführt hätten, dann reicht eine einzige Rakete, die wir nicht abfangen und wir haben ein echtes Problem.
Mit anderen Worten, man kann sich sehr gut ein Narrativ vorstellen, warum ich sage jetzt mal die Falken die Meinung vertreten, das ist unsere letzte Chance, das Atomprogramm des Iran in die Steinzeit zu bomben.
Richtig. Und diesmal auch mit einer Legitimation. Sie haben das ja schon öfter versucht. So-
Mit so chirugischen Schlägen.
Mmit so chirurgischen Schlägen nicht richtig offiziell, Aber alle wissen, dass es sie Israelis waren, mit Angriffen auf Atomfabriken und Anreicherungsanlagen und so im Iran. Das könnten sie jetzt mehr oder weniger offiziell vom Völkerrecht sanktioniert tun, würde ich mal denken.
Also völkerrechtlich glaube ich die Lage schon schwierig deswegen war diese Erklärung des Iran zwar skurril, aber vielleicht gar nicht so dumm. Wenn der Iran jetzt wirklich sagt, das war's jetzt aus unserer Sicht, aus unserer Sicht herrscht jetzt wieder Frieden, dann kann man insbesondere nach einem gewissen Zeitablauf natürlich schon die Frage stellen, ob es sich tatsächlich, wie Herr Matthias Goldmann völlig richtig dargestellt hat, noch um die Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr handelt.
Wenn man jetzt tatsächlich zum Beispiel Atomanlagen im Iran ausbombt.
Gut, aber die öffentliche Rechtfertigbarkeit, so möchte ich es mal nennen, die wäre schon besonders stark gegeben in diesem Kontext. Netanjahu, der steht also unter einem enormen Druck. Tomas Avenarius hat das skizziert mit Protesten. Neuwahlen sind gefordert. Er hat seine rechtsradikalen Minister, die eben so einen Gegenschlag verlangen, an den sich, wie sie sagen, Generationen noch
erinnern sollen. Dann die USA, die da gegenhalten und sagen, jetzt haltet euch mal zurück, ihr habt wirklich alles erreicht. Maximaler Gewinn in dieser, in dieser Sache. Ihr habt diese Generäle getötet. Der Iran steht als schwach da und ihr könntet euch auch Sympathien, verlorengegangene Sympathien zurückerobern, wenn ihr jetzt still haltet. Man muss sagen, ist offen. Man weiß es nicht was passiert. Zur Stunde. Wir nehmen jetzt hier am Mittwoch, 17. April, 12:12, das auf.
Ja, eine interessante Option für den Nahen Osten wäre natürlich auch, dass man versucht, diesen Konflikt rauszuholen aus dieser Bipolarität Israel gegen Iran, Iran mit Proxies, Israel mit Unterstützung insbesondere westlicher Kräfte. Eine interessante Option wäre nämlich eine langfristige Absicherung der Region. Statt einem kurzfristigen Pingpong von Abschreckung und Vergeltungsschlägen.
Nämlich sagen wir mal durch so einen Ausbau und vielleicht auch durch eine Institutionalisierung der jetzt gerade aktuell gezeigten Militärkooperation.
Richtig, da ist die Argumentation so, na ja, es gibt ja schon so ein zartes Pflänzchen, was sich nennt Middle East Air Defense und da gibt es schon so eine zarte Zusammenarbeit zwischen Israel und auch einigen arabischen Staaten wie Jordanien zum Beispiel.
Und da geht die Argumentation, jetzt auch in Israel vertreten, vor allen Dingen von Benny Gantz, dem Oppositionsführer, der jetzt aber in diesem Kriegskabinett mit sitzt, und dem Verteidigungsminister Joaw Galant, die geht so, na komm, lass uns dieses Pflänzchen doch jetzt züchten, lass uns das doch größer machen. Wir haben doch jetzt bei der Abwehr dieser iranischen Raketen und der Drohnen gesehen, dass es da doch durchaus einige Staaten gibt, die uns wohlgesonnen
sind. Sollen wir nicht diese Kooperation verstärken? Ist das nicht für Iran die viel größere Gefahr, dass jetzt auch arabische Staaten Israel sich zu einer Art Middle East NATO zusammenschließen gegen den Iran? Ist das nicht für den Iran die viel größere Gefahr? Und bringt das nicht viel mehr Sicherheit für Israel als jetzt ein Gegenschlag auf eine Atomanlage?
Ja, also ich sage mal, das hat natürlich alles auch aus israelischer Perspektive Vor und Nachteile. Auf der einen Seite würde dann quasi die Front noch mal gestärkt gegen den Iran, denn dem Iran würde noch deutlicher gemacht, mit wem er sich da so anlegt, wenn er tatsächlich weitere Militärschläge planen sollte oder wenn er seine Proxies weiter in die Schlacht schickt.
Auf der anderen Seite hat das aus israelischer Perspektive natürlich auch den Nachteil einer doch noch intensiveren Einbindung in ich sage mal internationale Struktur. Man müsste dann vermutlich schon damit rechnen, dass einem gerade die Amerikaner, aber vielleicht in Zukunft auch die Briten etwas mehr reinreden, wie man denn seine eigene Militäroperationen plane. Mitunter neigt Israel ja schon zu sehr harten Schlägen. Schauen wir auf den Konflikt im
Gazastreifen. Schauen wir auch auf die sehr scharfe internationale Kritik an Israel. Auf der anderen Seite aus einer menschenrechtlichen Perspektive, glaube ich, hätte das tatsächlich den Vorteil einer besseren Einbindung. Denn in Israel muss man einfach sehen, sitzen radikale Kräfte mit am Kabinettstisch. Manche von denen bezeichnen sich selbst wohlgemerkt als Faschisten, also keine Fremdbezeichnung, sondern sagen das quasi mit Stolz.
Jedenfalls werden einige Minister von Beobachtern im Westen auch als Rechtsextremisten angesehen. Und wenn dieses teilweise doch loose Cannon Kabinett jetzt besser eingebunden würde in so eine etwas formellere Allianz, glaube ich, dann birgt das auch Perspektiven für ein, sagen wir mal besonnenes Vorgehen.
Wir haben noch ein Update zu unserer Berichterstattung über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von letzter Woche, das die Rechte leiblicher Väter gestärkt hat und da substanzielle Änderungen in der deutschen Gesetzgebung angemahnt hat. Und bei dem, was wir erzählt haben, ging es natürlich auch darum, na, welche Rechte haben denn leibliche Väter heute schon.
Und zwar ohne rechtlicher Vater zu sein. Das war ja die Konfliktlage in diesem Fall und wir haben das nicht ausdrücklich erwähnt und ich denke, das lohnt sich aber, das nachzutragen. Sie sind nicht komplett rechtlos gestellt, sondern Paragraph 16 86 des Bürgerlichen Gesetzbuches gibt ihnen auch heute schon jedenfalls gewisse Rechte. Die Voraussetzung ist immer, dass sie ein ernsthaftes Interesse am Kind gezeigt haben.
Dann haben sie zum einen unter bestimmten Voraussetzungen auch die Möglichkeit, ein Umgangsrecht zu bekommen, aber eben nur, wenn es dem Kindeswohl dient. Und da hatten wir ursprünglich einen Fehler in der Folge, wo wir gesagt haben, das kann die Mutter entscheiden. Das war nicht korrekt, deshalb haben wir das ganz früh schon rausgeschnitten. Aber ein paar Leute hatten die alte Folge schon runtergeladen. Deswegen wollen wir das an dieser Stelle ausdrücklich noch nachtragen.
Und außerdem kann ein solcher leiblicher Vater auch Auskünfte von den rechtlichen Eltern, also zum Beispiel der Mutter und ihrem neuen Partner, verlangen. Das Problem dabei ist nur, dass diese Rechte des leiblichen Vaters in der Praxis natürlich im Konfliktfall schwer durchzusetzen sind.
Im Zweifel muss man klagen. Dann hat der leibliche Vater mit der leiblichen Mutter ein Kind. Die beiden trennen sich, die Mutter hat einen neuen Partner. Der wird dann vielleicht auch rechtlicher Vater. Und der leibliche Vater hat dann zwar noch Anrechte, die du oben skizziert hast, auf Umgang, bestimmte Auskünfte, aber wenn die Mutter ihm die freiwillig nicht gibt, was ja durchaus vorkommen soll, dann muss der Vater eben vor Gericht ziehen.
Und das ist natürlich kein Spaß. Und das würde natürlich alles einfacher, wenn der biologische Vater auch rechtlicher Vater ist, denn dann hat die Mutter einfach ein größeres Interesse, sich zu einigen. Das ist ja im Grunde die Situation, wenn zum Beispiel ein Ehepaar sich trennt, die gemeinsame Kinder haben, dann sind ja beide Elternteile auch rechtliche Eltern. Ich will das jetzt nicht beschönigen. Natürlich gibt es Scheidungskriege
ohne Ende. Das ist jetzt auch nicht alles quasi Candyland und und Ponyhof. Aber jedenfalls ist dann auf beiden Seiten grundsätzlich ein Interesse da. Ich kenne das aber auch bei unverheirateten Eltern in meinem Freundeskreis, die sich getrennt haben. Das ist nicht immer leicht, wenn beide Eltern sind nach so einer Trennung. Aber es gibt dann einfach ein grundsätzliches beidseitiges Interesse zu einem gedeihlichen Zusammenleben oder jedenfalls dazu, irgendwie eine Lösung zu finden.
Und ich würde mal denken, der neue, der neue soziale Vater, also der neue Partner der Mutter, der braucht so eine rechtliche Position eigentlich nicht, weil er sich ja hoffentlich mit der Mutter auch so einig wird. Also insofern glaube ich, macht das schon Sinn, was das Bundesverfassungsgericht da
entschieden hat. Dass diese bisherigen Rechtspositionen, also nur Umgangsrecht, vielleicht unter bestimmten Voraussetzungen ein Auskunftsrecht, das die der Rolle des biologischen Vaters nicht gerecht werden.
Und dann hatten wir in dem Kapitel auch, ich will mal sagen, den Eindruck erweckt, als würde das Bundesministerium der Justiz gar nicht so wahnsinnig viel in Sachen Kindschaftsrecht unternehmen, als käme da nix. Und da müssen wir uns korrigieren lassen vom BMJ selber. Wir haben uns gefreut, die haben uns angemailt und hören offensichtlich auch die Lage. Zumindest ein Mitarbeiter.
Der weist uns darauf hin, dass das Ministerium der Justiz bereits Eckpunkte vorgelegt hat zur Reform des Kindschaftsrechts. Da muss man sagen, ja, Eckpunkte in dieser ganzen Hierarchie oder in der Biografie eines Gesetzes sind Eckpunkte sowas wie die Geburtsstunde, würde ich mal sagen. Das ist ein Brainstorming. Was könnten wir denn mal machen, wenn wir denn ein Gesetz schreiben wollen würden? Was könnte denn da drinstehen?
Und das ist eben insbesondere noch kein Gesetzentwurf, noch nicht mal einen Referentinnen- oder Referentenentwurf. Und deswegen hatten wir in der letzten Folge auch nicht darauf hingewiesen, weil wir so ein bisschen den Eindruck hatten, so wahnsinnig viel Dynamik ist da nicht drin. Aber der Mitarbeiter, der uns geschrieben hat, hat natürlich völlig recht. Das sollte man schon erwähnen. Und wir haben die Eckpunkte jetzt auch verlinkt. Wer sich dafür interessiert, kann es also mal nachlesen.
Außerdem haben wir zur Einordnung der Diskussion um Väterrechte, biologische Väter, rechtliche Väter und Mütter natürlich auch noch mal mit einer Expertin gesprochen, nämlich mit Rechtsanwältin Lucy Chebout. Sie ist Fachanwältin für Familienrecht in Berlin, vertritt insbesondere viele queere Familien, also beispielsweise Familien aus zwei Frauen und einem Baby. Und sie beschreibt die bisherigen rechtlichen Probleme der Menschen, die sie vertritt.
Das Problem ist bislang im geltenden Abstammungsrecht, dass es quasi nur Regelungen für Mutter Vater Kind Familien vorsieht. Das heißt ein Kind, das in eine Ehe von einem Mann und einer Frau hineingeboren wird.
Das hat qua Geburt und qua Gesetz zwei rechtliche Eltern die Mutter, die das Kind geboren hat, und den Ehemann der Mutter und ein Kind, das in eine Ehe von zwei Frauen beispielsweise hineingeboren wird, gilt als das Kind einer alleinerziehenden Mutter und hat zur Ehefrau der Mutter überhaupt gar keine rechtliche Beziehung. Die muss das Kind erst in einem Adoptionsverfahren unter staatlicher Prüfung als Kind annehmen.
Und das Problem ist eben, dass hier die zweite Elternstelle für dieses Kind frei bleibt, das Kind also auch nur durch einen rechtlichen Elternteil abgesichert ist. Gegen einen rechtlichen Elternteil nur Unterhaltsansprüche, Versorgungsansprüche, ein Erbrecht, ein Recht auf Namensführung, ein Recht auf Staatsangehörigkeit usw.
hat und eben die andere Person überhaupt gar nicht existiert für das Kind, obwohl sie im Alltag des Kindes und im Leben des Kindes von Anfang an die Elternverantwortung auch übernimmt und ausübt. Aber diese ist eben nicht abgesichert.
Wir haben sie dann auch gefragt, was sie vor diesem Hintergrund, quasi dieser Problemlage ihrer Mandantinnen und Mandanten von den Eckpunkten hält. Und die sieht sie im Grundsatz positiv. Da gibt es nämlich insbesondere zwei Regelungsansätze, die diese Situation queerer Familien verbessern würden. Also zum einen soll die Frau, die mit der Mutter eines Kindes verheiratet ist, in Zukunft auch automatisch zweite Mutter werden.
Also genauso wie das heute für den Ehemann der Mutter gilt, soll das auch für die Frau gelten. Und zum zweiten soll es auch für weibliche Partnerinnen einer Mutter einfacher werden, quasi die in Anführungsstrichen zweite Mutterschaft anzuerkennen. Auch da soll ein einfacherer rechtlicher Weg geschaffen werden, sodass diese Adoption in Zukunft nicht mehr erforderlich ist.
Okay.
Aber das Problem ist halt, es sind eben nur Eckpunkte. Es liegt immer noch kein Gesetzentwurf auf dem Tisch. Und da sagt sie, das findet sie natürlich nicht gut, dass bisher nichts passiert ist. Nach zwei Jahren Ampel nur Eckpunkte oder zweieinhalb Jahren Ampel. Sie macht sie einfach so ein bisschen Sorgen, ob das jetzt wirklich passiert.
Okay, das ist so die Frage. Es gibt zwei Elternteile und wer kann diese Position der Eltern eigentlich besetzen? Sie hat eben dieses Problem beschrieben, dass es bei, wenn zwei Frauen ein Kind haben, dass es aktuell eben wahnsinnig schwierig ist und dass die, die nicht-Mutter sozusagen das Kind adoptieren muss mit allen Hürden. Da gibt es jetzt Eckpunkte, das will das BMJ ändern, aber besonders viel Dynamik ist da nicht
drin. Und dann war natürlich im Kontext dieses Urteils vom Bundesverfassungsgericht, das die Rechte der leiblichen Väter gestärkt hat, diese Option aufgeworfen worden, oder die drängt sich auf, der Gesetzgeber muss da also was neu regeln. Und dann ist eine sehr, wie sagt man sehr, sehr naheliegende Option, na, der Gesetzgeber könnte doch regeln, dass ein Kind nicht nur zwei Elternteile hat, sondern drei Elternteile.
Das macht das Bundesverfassungsgericht sehr stark, weist mehrfach in den Leitsätzen der Entscheidung schon darauf hin, dass es diese Option ja auch geben könnte. Man könnte fast sagen, es winkt so ein bisschen mit dieser Option und sagt Lieber Gesetzgeber, mach mal! Dieser Idee aus Karlsruhe hat allerdings Bundesjustizminister Marco Buschmann direkt nach der Entscheidung gleich eine Absage erteilt. Er sagt, es soll weiter im deutschen Familienrecht nur zwei Elternstellen geben.
Ja.
Und ich finde das ganz, ganz interessant. Wir dachten ja auch, dass das jedenfalls aus der Perspektive von queeren Familien eigentlich eine tolle Sache sein könnte, weil dann dieser Konflikt zwei Mütter und Samenspender, weil der vielleicht dann nicht mehr so aufbrechen dürfte. Wobei das Bundesverfassungsgericht ja die Rechte von Samenspendern gar nicht so explizit gestärkt hat, sondern es ging da ja vor allem um Männer, die auch eine Beziehung zu ihrem Kind haben.
Richtig, Aber in meiner Vorstellung war das so okay, ein Kind kann drei Elternteile haben, das muss doch in diesem Kontext queere Familien mehr Möglichkeiten bieten. Ja, und deswegen haben wir Lucy Chebout, die viele dieser Familien vertritt, auch danach gefragt, was hält sie denn eigentlich von dieser Idee? Ein Kind kann auch drei Eltern haben.
Also grundsätzlich bin ich total dafür, über Möglichkeiten der Mehrelternschaft nachzudenken. Und es kommt auch gerade aus der Ecke von queeren Familien, dass eben gefordert wird, das Abstammungsrecht viel selbstbestimmter und an den Bedürfnissen und Vereinbarungen der konkreten Familien orientiert auszugestalten, auch Selbstbestimmung in familienrechtlichen Beziehungen zu ermöglichen.
Meine große Sorge ist aber vor allen Dingen mit Blick auf die zwei Mütter Familien, die bislang nicht rechtlich entstehen dürfen, dass hier eine Mehrelternschaft quasi aufgezwungen wird, indem etwa dem Samenspender eine automatische Beteiligung an der elterlichen Verantwortung eingeräumt wird, die von den Familien selbst überhaupt nicht gewünscht ist.
Also im Grunde positiv. Gutes, vielversprechendes Modell, was vielen Familien neue Optionen geben könnte. Aber in diesem speziellen Modell, Familie aus zwei Müttern und einem Kind fürchtet sie, dass der Samenspender, der ja eigentlich erst mal nur Samenspender ist, auf diesem Weg auch tatsächlich Elternrechte bekommen könnte. Das ist so ihre Befürchtung.
Das ist ihre Befürchtung und das ist natürlich auch, jedenfalls im geltenden Recht, eine reale Gefahr. Muss man so deutlich sagen. Also man versucht das dann natürlich auszuschließen, indem man also in der Praxis jetzt versucht, einen Samenspender zu suchen, bei dem völlig klar ist, dass der kein Interesse hat. Also zum Beispiel, weil er ganz anderswo auf der Welt lebt. Also ich habe das im Freundeskreis tatsächlich auch mal erlebt.
Da ging es dann um eine Person, die tausende von Flugkilometern entfernt lebt, wo so ein bisschen die Hoffnung war, der wird schon nicht Vater werden wollen im sozialen Sinne. Und auch das Bundesjustizministerium hat diese Konfliktlage durchaus erkannt.
Also es soll auch da Möglichkeiten geben, wie eben solche Samenspender, man nennt das dann Becherspender, weil das eben nicht über ein Institut geht, über eine Samenbank, sondern weil das tatsächlich ganz banal mit einem Becher passiert, dass diese Becher Spender tatsächlich schon im Vorfeld rechtliche Klarheit schaffen können, indem sie auf diese Elternverantwortung verzichten.
Weil das ist ja bei den normalen Samenbanken der normale Fall.
Da ist das, genau, bei den Samenbanken ist das rechtlich schon geklärt, aber eben bei diesen sogenannten Becherspendern nicht.
Also wo das so im informellen Kreis passiert, nicht über eine Samenbank und Vertrag und unterschreiben und Geld und hier und da, sondern zwei Frauen wollen Kind, da ist ein Mann, der hat Samen.
Der würde wohl.
Der würde wohl und hat sonst kein Interesse. Aber wenn ein Kind auf der Welt ist und wenn zwei Frauen glücklich sind, voila. Ja. Hier ist der Becher. Das könnte deutlicher geregelt werden.
Überhaupt mal. Bislang versucht man da alles Mögliche, geht man halt mal zum Notar und so, aber das ist eigentlich rechtlich nicht wirklich bindend. Und deswegen hat das BMJ das auch in den Eckpunkten schon drin. Also man muss schon sagen, diese Eckpunkte sind an einigen Stellen finde ich aus meiner Sicht schon sehr progressiv.
Deswegen hat ja auch Rechtsanwältin Chebout nicht grundsätzlich Probleme angemeldet, sondern vor allem so ein bisschen an der, wie soll ich sagen, an der Entschlossenheit des Ministeriums gezweifelt.
Man kann ja die Ampel wirklich substanziell kritisieren. Was man aber schon sagen muss, sie arbeiten doch auch ihren Koalitionsvertrag ab. Und da steht zum Beispiel auch drin, wir wollen eine Kommission einberufen, die ergründen soll, ob die Abtreibung in Deutschland nicht anders geregelt werden kann, zum Beispiel außerhalb des Strafgesetzbuchs. Und danach hatten wir ja auch Marco Buschmann bei unserem Interview gefragt, den Bundesjustizminister.
Sag mal, was ist da eigentlich mit deiner Kommission und da sagt er, ja, ja, die richten wir jetzt ein, kann ich nichts zu sagen. Die wird dann irgendwann einen Bericht vorlegen, dann reden wir weiter. So, das ist dann also diese Woche passiert.
Die Kommission hat geliefert. Seit Montag liegt ihr Vorschlag, ihre Analyse auf dem Tisch. Interessant ist auch, wer da so mitgewirkt hat an dieser Kommission.
Oder auch nicht mitgewirkt hat.
Also fast nur Frauen, was ja beim Thema Abtreibung total Sinn macht und auch keine Kirchenvertreterinnen.
Ja, und da herrscht ein bisschen Dissens hier in der Redaktion, ob das eine gute oder schlechte Nachricht ist.
Jedenfalls war es so.
Jedenfalls war es so. Ich halte es ja für einen großen Fortschritt, dass die Kirche raus ist, zumindest aus dieser Kommission. Die hat, finde ich, das Recht, sich zu moralischen Fragen zu äußern, weitgehend verspielt. A) durch die Verbrechen, die unter ihrem Dach passieren und B) durch die schlechte Aufklärung. Insofern finde ich es gut, dass die Kirche nicht mehr einfach ein Abo auf solche Kommissionen hat.
Also ich sehe das, ich sehe das deswegen anders, weil natürlich Straftaten und Verbrechen und schlechte Aufklärung in der Kirche tatsächlich vorgekommen sind. Aber ich störe mich schon an dem Begriff "die Kirche". Es gibt ja reihenweise Kirchen. In der katholischen Kirche ist das in jedem Bistum anders gelaufen. Die evangelische Kirche ist auch betroffen, aber weniger betroffen. Also ich finde das-
Aber alle sind betroffen.
Alle sind mehr oder weniger betroffen. Aber von der Aufklärung sind, denke ich, die verschiedenen Einrichtungen sehr unterschiedlich betroffen. Und ich finde, dass sie tatsächlich auf einem Themengebiet sich, sagen wir mal kritikwürdig verhalten haben, bedeutet ja nicht, dass sie deswegen keine sinnvollen Positionen mehr zu moralischen Fragen formulieren können.
Also das würde mir zu weit gehen, auch wenn das, wenn ich damit natürlich nichts irgendwie gesundbeten oder rechtfertigen will, was da schiefgelaufen ist.
Jedenfalls diese Kommission hat in der genannten Zusammensetzung sich zusammengesetzt und getagt und überlegt und gemacht und geschrieben und haben nun also einen Bericht vorgelegt, der der Frage nachgeht, kann Abtreibung in Deutschland nicht anders geregelt werden außerhalb des Strafgesetzbuches? Und die These ist von diesem Bericht Abtreibung sollte sogar außerhalb des Strafgesetzbuchs in Deutschland geregelt werden.
Und vor allem, und das ist, glaube ich, die zentrale These, verlangen sie eine weit gehende Liberalisierung der Rechtslage rund um Abtreibung. Insbesondere in der Frühphase der Schwangerschaft, so die Kommission, müsse sie sogar generell legal werden.
Also die Lage heute, und deswegen ja auch diese Kommission, die Lage heute ist eben ja auch ein Kompromiss. Das ist ein überparteilicher Kompromiss aus den 90er Jahren, der bis heute Gesetz ist. Der wiederum fußt auf einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Und diese Entscheidung oder in dieser Entscheidung hatte das Gericht dem Bundestag relativ wenig Spielraum eingeräumt.
Das heißt, die Vorgaben des Verfassungsgerichts, sie waren da sehr detailliert und dementsprechend hatte der Bundestag da auch wenig Spielraum. Aber darauf fußt halt die Rechtslage heute.
Genau. Und die Rechtslage ist jetzt wirklich nur in Stichworten. Wir hatten es in der Lage ja schon ganz häufig. Abtreibung ist generell strafbar nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches. Sie wird aber nicht bestraft. Sie ist also rechtswidrig, aber nicht tatbestandsmäßig. So dieser Knoten im Kopf. Für die Jura Nerds, die uns zuhören ist also rechtswidrig, aber nicht tatbestandsmäßig, wenn die Schwangere bestimmte Voraussetzungen
einhält. Sie muss sich beraten lassen, mindestens drei Tage vor dem Abbruch von einer solchen Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle. Der Abbruch darf nur bis zur zwölften Woche nach der Befruchtung vorgenommen werden. Und natürlich muss er durch einen Arzt oder eine Ärztin vorgenommen werden.
Abtreibung bleibt aber auch in diesen Fällen rechtswidrig, das heißt nur straffrei, aber eben gesellschaftlich nicht okay, sondern geächtet. Und ja, also ich verstehe, dass dieser Kompromiss vielen, vielen Frauen nicht passt. Das kann ich total nachvollziehen. Im Kern aus drei Punkten.
Ja, die hatten wir auch schon oft, deswegen auch hier nur in Stichworten. Zum einen führe die weitere Rechtswidrigkeit, wenn auch Straffreiheit von solchen Schwangerschaftsabbrüchen zu einer Stigmatisierung. Sie hat ja tatsächlich auch Kostenfolgen zum Beispiel, weil Krankenkassen typischerweise die Kosten nicht übernehmen, außer bei sehr jungen Frauen. Viele Frauen erleben die Pflichtberatung als übergriffig, frei nach dem Motto, ich weiß schon selbst, was für meinen Körper gut
ist. Es geht ja auch immerhin um meinen Körper. Und der dritte, eher praktische Kritikpunkt, es gibt einfach viel zu wenig Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und es gibt zu wenig Ärzte und Ärztinnen, die dann auch tatsächlich Abbrüche vornehmen. Mit anderen Worten, die vermeintliche Freiheit, die das Gesetz heute einräume, die sei in der Praxis gar nicht wirklich gewährleistet.
Klar ist aber auch auf der anderen Seite, wer in Deutschland abtreiben möchte, der kann das eben auch tun, wenn auch mit Hürden. Aber in aller Regel geht das. Die Rechtslage ist also nicht perfekt. Aber, muss man auf der Habenseite sagen, immerhin gibt es zumindest aktuell keine so extrem polarisierende Debatte wie in anderen Ländern.
Wir hatten das ja auch in der Lage, glaube ich, 2020 irgendwann mal dargestellt, wie die Debatte um Abtreibung das politische Klima in den USA vergiftet hat, wie das Kristallisationspunkt war für Spaltung links und rechts. Das Thema hat den Republikanern massiv in die Hände gespült. Und diese aufgeheizte Debatte hat unter anderem dazu geführt, dass nun der Supreme Court vollgepackt wurde mit erzkonservativen Richtern und Richterinnen.
Die werfen das Gesetz nun insgesamt um Jahrzehnte zurück, unter anderem auch nicht nur bei Abtreibungen, haben wir auch darüber gesprochen, sondern auch zum Beispiel im Klimaschutz.
Ja. Und das muss man sehen. Also dieser Kulturkampf um die Frage Schwangerschaftsabbruch ja oder nein? Der ist also für progressive Kräfte in den USA insgesamt eine Katastrophe. Sie haben jetzt nicht nur das Recht auf Abtreibung verloren, das ja mal ein verfassungsrechtliches Recht war in den USA, das jetzt eben nicht mehr gilt, sondern sie verlieren auch an 1000 anderen Stellen. Und einen solchen Kulturkampf kann ja in Deutschland eigentlich niemand
wollen. Und dementsprechend gespalten war die Ampel auch bei den Koalitionsverhandlungen 2021. Und was macht man, wenn man sich da nicht so richtig einigen kann? Dann einigt man sich eben darauf, wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man einen Arbeitskreis.
Und dieser Arbeitskreis, diese Kommission, die hat nun ihren Bericht vorgestellt und schlägt, wir haben es oben angedeutet, ziemlich weitreichende Änderungen vor.
Zum Beispiel für die Frühphase der Schwangerschaft, sagt die Kommission, eine Verpflichtung zur Fortsetzung der noch vergleichsweise kurz bestehenden Schwangerschaft gegen den Willen der Frau erscheint angesichts der gravierenden und lang andauernden Auswirkungen auf den körperlichen und seelischen Zustand sowie die persönliche Lebensführung und Zukunftsplanung der Frau unzumutbar. Der Frau steht in dieser Schwangerschaftsphase ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch zu, das ist deutlich.
Das ist sehr deutlich eine völlige Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Für spätere Abbrüche, also zum Beispiel ab dem Zeitpunkt der Lebensfähigkeit des Fötus außerhalb des Mutterleibes, soll im Prinzip im Großen und Ganzen alles bleiben wie bisher. Und dann fordert die Kommission drittens noch, dass Frauen den Abbruch auch tatsächlich zeitnah barrierefrei in gut erreichbaren Einrichtungen vornehmen lassen können.
Ja, also sie sagen, Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölfte Woche muss möglich sein. Die Frauen haben ein Recht darauf.
So sagen sie das jedenfalls aus einer verfassungsrechtlichen Perspektive. Die Studie ist ist aber auch ansonsten sehr lesenswert, weil wirklich sehr, sehr viele, auch quasi tatsächliche Fragen rund um Abtreibungen ausführlich analysiert werden, und so. Also es ist schon sehr lesenswert. Soweit so gut. Aber eine wichtige Frage wird letztlich nicht so richtig beantwortet.
Und zwar ist es die, dass diese Frage Abtreibung strafbar, ja oder nein, ja immer zu einer Güterabwägung führt. Und die Kommission schreibt, der Gesetzgeber muss auf Seiten des Embryos, des Fötus, vor allem das Grundrecht auf Leben aus Artikel zwei, Absatz zwei Satz eins des Grundgesetzes beachten. Also hier ist das Grundrecht auf Leben beim Fötus.
Auf der anderen Seite aber eben auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Schwangeren aus dem Grundgesetz und ihre Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit einbeziehen. Das sind also die beiden Grundrechte, die hier immer miteinander und gegeneinander abgewogen werden müssen. Und daneben gibt es dann noch die Grundrechte Dritter wie den des männlichen Erzeugers und der Ärzte und Ärztinnen, denen eben auch Rechnung getragen werden muss.
Aber im Kern geht es hier um das Recht auf Leben beim Fötus, beim Embryo und eben das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Leben bei der Frau.
Und das ist als solches natürlich auch gar keine Überraschung, denn das Bundesverfassungsgericht ist seinerzeit bei dieser Abwägung ja zur geltenden Rechtslage gekommen. Es hatte da auch noch die Menschenwürde des Fötus stärker in den Blick genommen. Das sieht die Kommission jetzt ein bisschen anders. Aber im Grundsatz hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung von 1993 dieselbe Güterabwägung vorgenommen. Es ist allerdings zu einem völlig anderen Ergebnis gekommen.
Als die Kommission jetzt. Jetzt wiederum kommt die Kommission zu dem Ergebnis, was wir oben geschildert haben. Die Frau hat ein Recht auf Abtreibung in dieser frühen Phase der Schwangerschaft, also die ersten zwölf Wochen. Was aber völlig offen bleibt, ist, wie ist die Kommission dahin gekommen? Ja, sie sagen, die Frau hat ein Recht. Aber diese Eindeutigkeit, mit der sie das formulieren, hat ein Recht und es muss, die ist kühn.
Also ich finde das deswegen so spannend, weil diese Analyse auf der einen Seite sehr ausführlich und nach meiner Wahrnehmung auch sehr nachvollziehbar, plausibel und vollständig die verschiedenen grundrechtlichen Positionen darstellt, auch die verschiedenen rechtsdogmatischen Sichtweisen auf diese Grundrechte, auch zum Beispiel verschiedene juristische Auffassungen. Es wird alles sehr sauber aufgearbeitet wie in einer guten Doktorarbeit.
Und dann kommt am Ende dieses langen Grundrechtesteils, nach mehr als 50 Seiten, kommt dann so ein kurzer Abschnitt, wo so mehr oder weniger apodiktisch diese Konsequenz gezogen wird, die wir eben gerade vorgelesen haben. Man kann natürlich sagen, das ergebe sich jetzt irgendwie aus diesen 50 Seiten oder noch mehr, ich habe es jetzt nicht gezählt, grundrechtsdogmatischer Erwägungen. Das will ich auch gar nicht Abrede stellen. Vielleicht ist es ja alles
richtig. Nur dieser logische Schluss, von den vielen, vielen Grundrechten hin zu der These der Kommission, der hängt irgendwie so ein bisschen in der Luft. Viele würden daher sagen, na ja, das ist eine plausible Position, das darf man so sehen, kann man so sehen. Aber letztlich bleiben da eben doch eine ganze Menge Spielräume. Und wirklich entscheiden kann das eben nur der Gesetzgeber.
Also ich glaube, das, was du ja sagst, es steht einfach nicht bei uns in der Verfassung, im Grundgesetz, Frauen haben ein Recht auf Abtreibung bis zur zwölfte Woche. Das steht da nicht. Deswegen würde ich sagen, jedes Gesetz, was am Ende Gesetz wird, ist immer Ergebnis einer Abwägung der Sachen, die im Grundgesetz stehen. Und die Kommission hat die Sachen, die im Grundgesetz stehen, sauber aufgelistet.
Aber wie sie zu dieser Gewichtung kommen, dass das, was wir aufgelistet haben, dazu führt, dass wir sagen, die Frau hat ein Recht und der Staat muss, das bleibt einfach im Dunkeln. Und sie sagen, das Grundrecht der Frau überwiegt und man fragt sich, ja, das kann man sicher so sehen. Aber wie leitet ihr das her aus dem, was im Grundgesetz steht? Das wird da irgendwie nicht richtig klar.
Also da sehe ich den zentralen Bruch. Es gibt so einen Gedanken, der, also das muss man mutmaßen, aber der vermutlich die Kommission zu diesem Ergebnis geführt hat. Und das ist der Gedanke, dass das Grundrecht des Fötus auf Leben mit fortdauernder Schwangerschaft immer intensiver wird. Sie gehen davon aus, dass gewinnt immer mehr an Gewicht, insbesondere von dem Zeitpunkt an, wo der Fötus auch außerhalb des Mutterleibes lebensfähig wäre.
Andererseits argumentieren sie, dass das Grundrecht auf Leben so lange gleichsam schwächer ausgeprägt sei, wie der Fötus biologisch noch auf den Körper der Mutter angewiesen ist. Ja, das ist, glaube ich, der Grundgedanke, der dahintersteht. Andererseits sagen sie, dass quasi das Selbstbestimmungsrecht der Mutter immer schwächer werde. Aus einer feministischen Perspektive auch vermutlich nicht unstrittig
dieser Punkt. Aber, dass das Recht immer schwächer werde, je länger die Frau quasi die Schwangerschaft schon geduldet hat. Na, das habe ich jetzt etwas zugespitzt, aber das scheint mir der Gedanke zu sein. Also das sind die beiden zentralen Argumentationsmuster und ich finde, die haben auch mehr oder weniger was für sich. Mit dem zweiten habe ich eher ein bisschen Probleme.
Grundsätzlich kann man aber, glaube ich, schon sagen, je weiter das Baby herangewachsen ist, desto stärker sein Recht auf Leben. Nur auch das führt aus meiner Sicht jetzt nicht zwingend zu der Konsequenz, die die Kommission zieht. Und ich frage mich so ein bisschen-
Ja, Entschuldigung, aber wenn dir hier jetzt so zuhöre, das ist ja letztlich auch der Gedanke, der der jetzigen Regelung zugrunde liegt.
Genau.
Die kommen halt dann zu anderen Konsequenzen, wie diese Güterabwägung dann in reales Leben umgemünzt werden soll. Aber die Abwägung ist da. Sie kommen aber zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen und man würde schon gern wissen, wie kommt denn diese Kommission, die nun extra eingesetzt wurde, um das mal richtig wissenschaftlich aufzuschlüsseln, wie kommt diese Kommission zu ihrem Schluss?
Das wird ja auch nicht ganz unwesentlich sein, denn sollte diese Regelung wirklich Gesetz werden, dann wird die in Karlsruhe landen und dann hätte man von so einer Kommission schon gerne gewusst, na, wie würden wir denn wohl in Karlsruhe argumentieren? Weil-
Sie würden halt und sie würden es halt einfach glaube ich so argumentieren, wie ich es gerade dargestellt habe. Ich glaube, das wäre die Argumentation. Ich glaube, der zentrale Fehler ist noch nicht mal zu sagen, wir finden das die plausiblere Lösung. Aber ich glaube, es geht eigentlich zu weit zu sagen, es gibt quasi in diesem verfassungsrechtlichen Konfliktfeld letztlich nur noch eine richtige Lösung. Das halte ich jedenfalls verfassungsrechtlich betrachtet für mutig.
Kühn.
Kühn. Ich glaube, das ist die richtige Beschreibung. Ich glaube, es wäre ein Tick redlicher gewesen zu sagen, das ist das Spannungsfeld. Das haben sie ja sehr schön gemacht, das haben sie ja aufgearbeitet. Und innerhalb dieses Spannungsfeldes muss der Gesetzgeber eine Abwägungsentscheidung treffen. Und ich meine, das ist doch die klassische Aufgabenverteilung. Das Grundgesetz definiert bestimmte Rechtspositionen, verfassungsrechtliche Positionen.
Da bleibt eigentlich immer irgendwo eine Grauzone, außer bei Menschenwürdeverstößen. Und diese Grauzone auszufüllen, zu entscheiden im Detail, welches Grundrecht überwiegt welches andere? Das ist doch die zentrale Aufgabe der Politik. So spielen Grundrechte, Grundgesetz und Politik zusammen. Das Grundgesetz gibt einen Rahmen vor und innerhalb dieses Rahmens eine Wertentscheidung zu treffen, das ist eben genau das, was die Menschen tun müssen, die wir demokratisch legitimieren.
Da würde ich jetzt sagen, genau dabei hätte diese Kommission der Politik ja helfen sollen.
Da würde ich sagen, diesen Auftrag hat sie aus meiner Sicht erfüllt. Ja, ich bin jetzt auch kein Oberexperte für das Thema, aber ich habe das mit großem Interesse, mit großem Gewinn gelesen. Das ist aus meiner Sicht eine sehr gute juristische Analyse, die die relevanten Rechtspositionen tatsächlich darstellt. Das ist extrem hilfreich.
Nur wenn man so eine steile These aufstellt, es gibt nur noch eine richtige rechtliche Lösung, dann braucht man an dieser Stelle aus meiner Sicht mehr an Begründungen.
Die Union droht ja nun auch mit Klage. Wenig überraschend. Es wäre grundfalsch, sagt Thorsten Frei, der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, es wäre grundfalsch, weitere gesellschaftliche Konflikte zu provozieren. Auch der Vorsitzende der CSU Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, drohte mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Dobrindt sprach von einem weiteren Baustein in der Polarisierung der Gesellschaft.
Mit dem Paragraphen 218 sei vor 30 Jahren ein schwieriger Kompromiss erarbeitet worden, sagt er, der für viele nicht zufriedenstellend ist, der aber einen gesellschaftlichen Frieden hergestellt hat über dieses Thema. Zitat Ende. Dann war natürlich jetzt die große Frage okay, da gibt es die Kommission mit einer sehr klaren Handlungsanweisung an die Politik. Was sagen denn nun die Minister Ministerinnen, die diese Kommission ins Rennen geschickt haben?
Da gab es dann im Anschluss gleich auch eine Pressekonferenz von den drei betreffenden Ministern Ministerinnen, Karl Lauterbach, SPD Gesundheit, Marco Buschmann, FDP Justiz und Lisa Paus, Familie von den Grünen. Und ich würde ihre Aussage mal so paraphrasieren. Vielen Dank für den Bericht. Wir prüfen das mal und melden uns dann, falls wir irgendwann noch mal wiedergewählt werden, aber in dieser Legislatur werden wir das nicht anfassen.
Also es klang tatsächlich so, also Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat deutlich gemacht, es brauche einen breiten gesellschaftlichen und parlamentarischen Konsens. Klammer auf, den es ja nicht gibt, hat die Union sofort deutlich gemacht. Das heißt also, Karl Lauterbach hat einer Reform damit durch die Blume eine Absage erteilt, und er schiebt das jetzt so ein bisschen auf die lange Bank.
Er sagt nämlich, er werde einen geordneten Prozess vorschlagen, wie, Zitat, wie wir als Bundesregierung im Parlament damit umgehen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann sagt, er werde den Bericht zunächst gründlich auswerten. Immer gut über Konsequenzen zu reden, sei noch zu früh. Zitat Was wir nicht gebrauchen können, das sind Debatten, die die Gesellschaft in Flammen setzen oder gar spalten.
Klingt auch nicht so, als wenn er da in den Konflikt gehen wollte mit der Union.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus von den Grünen sagt, die Empfehlungen der Kommission böten eine gute Grundlage für den notwendigen offenen und faktenbasierten Diskurs. Ich will mal sagen politischer Drive, politischer Gestaltungs- und Handlungswille in dieser Frage, der klingt anders.
Dann hören wir aus der Ampel auch noch das Zitat, das haben wir von mehreren Leuten gehört, Olaf will das nicht.
Also Olaf Scholz will das Fass nicht aufmachen.
Der Kanzler hat keine Lust auf einen weiteren Konflikt, was ich politisch nachvollziehen kann. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde, diese Kommission hat eine sehr wertvolle Arbeit gemacht. Das war auf jeden Fall gut, die Kommission einzusetzen. Die verfassungsrechtliche Aufarbeitung ist aus meiner Sicht aller Ehren wert. Und gerade auch diese Analysen, zum Beispiel Rechtsvergleichen, wie sie das in anderen Ländern so, das ist alles total wertvoll.
Und sie hat immerhin deutlich gemacht, aus ihrer Sicht kann man Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren. Man kann sie außerhalb des Strafgesetzbuchs regeln. Das, finde ich, ist schon mal ein starkes Statement. Und sie führt ja auch durchaus gewichtige Argumente an. Andererseits hat die Analyse, wie wir finden, auch Schwächen an zentralen Stellen.
Eins ist aber jedenfalls klar, eine Reform im Sinne der Kommission, also Straffreiheit für den Schwangerschaftsabbruch in den ersten Wochen, eine solche Reform kann tatsächlich gut gehen, aber eben letztlich nur, wenn das Bundesverfassungsgericht mitspielt.
Außerdem ich glaube, da hat die Union nicht ganz Unrecht, natürlich wären sie da auch dran beteiligt, aber es wird nicht nur die Union sein. Außerdem würde so eine Debatte sehr wahrscheinlich zu einem echten Kulturkampf auch in Deutschland führen. Deutschland ist nicht Amerika. Aber es gibt doch auch Strukturen der öffentlichen Debatte und Player, die hier auftauchen, die denen in den USA schon sehr ähnlich sind.
Und ich glaube, es bedarf nicht zu vieler Fantasie, um zu sagen, das wird hier eine richtig, richtig heiße, wilde, völlig irre Debatte auslösen. Ein Kulturkampf, der unter Umständen mehr kaputt macht, als er bringt.
Das ist das Risiko, das ich persönlich auch sehe. Das, muss man natürlich sagen, ist als solches jetzt auch kein alleinseelig machendes Argument. Also ganz ehrlich, es gibt auch andere Kulturkämpfe, die totaler Bullshit sind. Denken wir an die Genderdebatte und so. Auf der anderen Seite muss man eben sehen. Hier ist es nicht ganz so einfach. Hier sind richtig und falsch nicht so klar.
Und ich bin da glaube ich im Ergebnis bei Olaf Scholz, wenn er sagt, also dieses grundsätzliche Fass aufzumachen, das hätte große Risiken. Aber ich finde, Philip, mit der Absage an die grundsätzliche Diskussion bedeutet das ja nicht, dass die Ampel gar nichts machen sollte. Ich finde nämlich, die Ampel sollte doch zumindest die Kraft aufbringen, innerhalb des bisherigen Rechtsrahmens endlich mal was zu tun, um die Situation schwangerer Menschen zu verbessern.
Ich finde, ich kann die Leute total verstehen, die sagen, wir müssen, wenn wir das Richtige erkannt haben, auch das Richtige tun und auch dafür kämpfen.
Ja.
Ich finde, es gibt Argumente, die einen da nachdenklich werden lassen, ob das in diesem Fall die richtige Idee ist. Aber wie du sagst, wenn wir uns dafür entscheiden, dieses Fass jetzt nicht aufzumachen, zumindest nicht in dieser Legislatur.
Das sagt die Ampel ja jetzt im Prinzip.
Das sagt die Ampel, das wird nicht passieren. Dann müsste sie mindestens dafür sorgen, dass A) der Abbruch wirklich kostenlos möglich sein muss, nicht nur für junge Frauen, sondern einfach kostenlos, dass die das nicht selber bezahlen müssen. Und er muss natürlich viel, viel einfacher werden. Die Hürden, die da sind über dieses Stigma hinaus, ist rechtswidrig, die müssen einfach abgebaut werden. Wir brauchen viel mehr Beratung, viel mehr Ärzt:innen, viel leichteren Zugang.
Es braucht viel mehr Anreize, um Beratungsstellen einzurichten, Fahrtkosten und so zu der Beratung, auch zu dem Abbruch. Die müssen übernommen werden. Es muss eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch geben können. Wenn man zu so einer Beratung geht, ohne zu sagen, ich gehe zu so einer Beratung.
Man muss halt einfach zum Hausarzt oder zur Hausärztin gehen können. Ich hole mir jetzt einen gelben Zettel, weil ich mich beraten lassen will. Das geht den Arbeitgeber nun wirklich gar nichts an, dass man ungewollt schwanger ist. Aber ich finde, es muss dann möglich sein, da eben unbürokratisch quasi freizubekommen auf der Arbeit. Und natürlich müsste es mehr Geld geben für Ärztinnen und Ärzte, die
Abbrüche vornehmen. Denn die Zahl derjenigen, die dazu bereit sind, die das anbieten, geht ja immer weiter zurück. Ja, eine Hürde, dieses berühmte sogenannte Werbeverbot 219 a StGB hat die Ampel schon abgeschafft. Aber es muss da einfach mehr Anreize geben. Denn eins ist doch mal klar, wenn man sagt, Schwangerschaftsabbruch ist zwar rechtswidrig, aber im Grundsatz eben doch straffrei möglich, dann muss man auch sich ehrlich machen und tatsächlich diese Möglichkeit
schaffen. Und zwar für alle Menschen, nicht nur in Berlin.
Für alle Menschen, nicht nur in Berlin und nicht noch so, ja, es gibt keine Strafe im Sinne des Strafgesetzbuches. Aber so ein paar drücken wir euch schon rein.
Zahlt man halt mal schön und so und nimm mal schön Urlaub.
Die Ampel hat sich diese Woche auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes geeinigt, also letztlich in der Frage, wie sehr muss die Ampel eigentlich sich anstrengen, noch für den Klimaschutz auch kommende Regierung, aber in erster Linie auch die Ampel selbst. Und das ist wirklich eine interessante Geschichte. Einerseits natürlich inhaltlich, weil es da wirklich um substanziellen Klimaschutz geht, aber eben andererseits auch, weil es zeigt, wie Politik gemacht
wird. Und um das ein bisschen aufzudröseln, nehmen wir uns ein bisschen Zeit und zäumen das Pferd von hinten auf. Schön der Reihe nach.
Es gibt ja diesen schönen alten Spruch. Sowohl beim Gesetze machen als auch beim Würstchen machen, sollte man lieber nicht zu genau zuschauen. Und so ein bisschen so ist das auch hierbei. Ja, also letzte Woche gab es großen Wirbel in Deutschland, vor allem in der Bildzeitung um angeblich drohende Fahrverbote für Autos am Wochenende. Verkehrsminister Volker Wissing nämlich hatte einen Brief geschrieben an seine Minister, Kolleginnen und Kollegen.
Genau genommen geschrieben hatte er, dass Maßnahmen drohen. Ja, Fahrverbote waren da nur eine denkbare Maßnahme, wenn er tatsächlich die Vorgaben des zurzeit noch geltenden Klimaschutzgesetzes erfüllen muss. So, das war das, was er geschrieben hat. Natürlich wurde der Brief geleakt und daraufhin brach bei der Bildzeitung Panik
aus. Die BILD ließ diese Differenzierung Maßnahmen, vielleicht Fahrverbote so, natürlich weg, wie es die Bildzeitung halt so macht und machte daraus ganz plakativ "Wissing droht mit Fahrverboten".
Ja, Wissing hat aber auch nicht viel unternommen, um diesen Eindruck zu verwischen. Also er hat dann hinterher auch noch von rabiaten Maßnahmen gesprochen, die getroffen werden müssen. Also das war schon auch ganz in seinem Sinne. Aber alle haben sich dann natürlich gefragt, warum bitte um alles in der Welt droht der Verkehrsminister mit Fahrverboten? Warum setzt er die ganze Republik in Panik? Und der Hintergrund, du hast es angedeutet, ist eben das noch geltende Klimaschutzgesetz.
Bzw. Wissings verzerrte, muss man sagen, Darstellung dessen. Das wurde ja noch von der großen Koalition verabschiedet, nachdem es 2021 eine ziemliche Klatsche gab vom Bundesverfassungsgericht. Das alte Klimaschutzgesetz war demnach verfassungswidrig, weil es eben zu wenig Klimaschutz brachte. Deswegen musste das erneuert werden, musste da eine Novelle her.
Das hat die GroKo dann noch kurz vor Toresschluss gemacht. Im Sommer 2021 wurde das noch schnell vor der Bundestagswahl durchs Parlament gebracht. Und das brachte da tatsächlich einen ganz interessanten Mechanismus.
Richtig, Im Anhang zwei ist nämlich jetzt genau aufgeschlüsselt, wie viel CO2 darf eigentlich jeder Sektor des deutschen Wirtschaftslebens eigentlich ausstoßen? So und so viel Tonnen darf Industrie, Energiewirtschaft, Landwirtschaft, Gebäude, Verkehr, Abfallwirtschaft und Sonstiges in diesem Jahr ausstoßen.
Und weil es natürlich für diese Sektoren jeweils im Kern ein Ministerium, eine Ministerin, einen Minister gibt, führte das dann zu einer relativ klaren politischen Verantwortung. Also man hatte Emissionsmengen pro Sektor, da gab es politische Verantwortung, und wenn es in einem Sektor nicht funktioniert mit dem Klimaschutz, dann war auch immer relativ klar, Welche Ministerin, welcher Minister hat den Hut auf?
Wenn diese Sektoren ihren CO2 Ausstoß in einem Jahr übertreffen, dann wird das kurz überprüft vom Expertenrat für Klimafragen. Und wenn dem dann so ist tatsächlich, dann muss das zuständige Ministerium, der Minister, die Ministerin innerhalb weniger Monate einen Maßnahmenkatalog vorlegen, der sicherstellt, dass halt dieser Sektor, diese überschüssigen CO2 Tonnen, die jetzt ausgestoßen wurden, in den nächsten Jahren wieder einspart. Das ist der Mechanismus.
So, und so kam es dann auch dieses Jahr wieder quasi zum Showdown. Das Umweltbundesamt nannte vor einigen Wochen schon den Ausstoß pro Sektor im Jahr 2023. Ergebnis, die meisten Sektoren sind auf Kurs, die Emissionen sinken mehr oder weniger, außer Gebäude und vor allem Verkehr. Das sind die beiden Sektoren, wo die Einsparziele bei weitem nicht erreicht worden sind.
Und das wurde jetzt noch mal überprüft, wie beschrieben vom Expertenrat für Klimafragen. Die haben sich das noch mal angeguckt und die haben gesagt, ja, die Zahlen sind so weit okay, es gibt hier und da ein bisschen Ermessensspielraum, aber im Kern ist das so. Die meisten Sektoren sind auf Kurs, außer Gebäude und vor allem Verkehr.
Tja, nun müsste Volker Wissing, der Bundesverkehrsminister, nach dem heute geltenden Klimaschutzgesetz noch im Juli Maßnahmen vorlegen. Und zwar, wie will er die zu viel emittierten Millionen Tonnen CO2 einsparen? Und zwar, und das ist ganz wichtig, er muss das nicht unbedingt in den nächsten Wochen oder Monaten, auch nicht im nächsten Jahr, wie Wissing in seinem Brief unterstellt hat, sondern in den nächsten Jahren.
Er muss zwar schnell reagieren, aber diese Reaktion muss jetzt nicht noch in diesem Jahr zwingend quasi das komplette zu viel emittierte CO2 einsparen, sondern er muss halt einfach nur einen Pfad skizzieren, wie das wieder eingesammelt werden soll.
Es gibt da ein bisschen Interpretationsspielraum, aber die Experten sind sich alle einig, das muss nicht im nächsten Jahr passieren, dafür hast du ein paar Jahre Zeit. Wissing aber sagt, er muss das im nächsten Jahr machen. Deswegen ginge das nur mit Fahrverboten. Daher kommen diese Fahrverbote. Das ist natürlich Unsinn, sagen viele Experten, auch der Chef des Umweltbundesamtes.
Er sagt, zum einen gibt es gar keine Rechtsgrundlage für Fahrverbote. Und zum anderen müssen diese 22 Millionen Tonnen, um die der Verkehr in diesem Jahr sein Emissionsbudget überschritten hat, nicht zwingend im nächsten Jahr eingespart werden. Außerdem, sagt er, gibt es viel bessere Sparmaßnahmen als ausgerechnet Fahrverbote. Sinnvoll wären, nach einer ganz ausführlichen Studie des Umweltbundesamtes vor allem drei Maßnahmenpakete. Ein Tempolimit auf Autobahnen und
auf Landstraßen. Muss nicht 100 sein, kann auch 130 und 80 sein. Aber der Effekt ist substanziell. Mehr Elektromobilität und natürlich klimaschädliche Subventionen abbauen wie etwa Dienstwagenprivileg und solche Sachen. Genau. Haben wir alles in der Lage schon oft erklärt. Das Umweltbundesamt behauptet das jetzt auch nicht einfach so, sondern die haben das ganz konkret durchgerechnet, haben einen konkreten Plan vorgelegt.
Den haben wir natürlich in den Shownotes verlinkt, wie auch der Verkehrssektor endlich auf den Klimaschutzpfad kommen könnte. Dieses Konzept besteht insbesondere aus acht Bausteinen und die drei Bausteine, die am meisten bringen, sind eben Tempolimit, mehr Elektromobilität, weil Elektroautos jedenfalls beim Fahren erst mal CO2 neutral sind, wenn sie mit grünem Strom "getankt" werden, und die klimaschädlichen Emissionen.
Das sind die drei großen Klopper, also Elektrifizierung, sagt das UBA, bringt 37 Millionen Tonnen CO2 Äquivalente bis 2030. Tempolimit, die schlagen vor 120, 80 und 30 innerorts bringt 38 Millionen Tonnen CO2 Äquivalente und der Abbau klimaschädlicher Subventionen immerhin 28 Millionen. Also das sind so drei ganz wichtige Bausteine, sagt das UBA. Das Problem ist bloß:
Volker Wissing will das nicht. Er will das einfach, und zwar auch schon seit Jahren nicht. Und deswegen passiert im Verkehr einfach zu wenig. Es gibt ein bisschen Ladesäulensubvention. Ja, da passiert ein bisschen was. Auch bei der Bahn wird natürlich investiert, aber zu wenig, wie wir wissen. Auch das Deutschlandticket ist mit angeschoben worden.
Aber da hat der Expertenrat für Klimafragen jetzt auch bei der Pressekonferenz diese Woche gesagt, den Klimaeffekt des Deutschlandtickets können wir noch nicht abschätzen. Fakt ist, das Ziel, was im Klimaschutzgesetz für den Verkehr vorgegeben ist, ist nicht in Sicht.
Und zwar, weil die Leute halt einfach viel zu viel mit Verbrennern fahren. Das ist der eine zentrale Grund. Warum sie das tun, was man dagegen machen könnte, haben wir gesagt. Aber der zentrale Grund ist, es fahren einfach viel zu viele Leute viel zu viele Kilometer mit Verbrennern.
Und es wird zu viel Güter auf der Straße transportiert.
Das sind auch Verbrenner.
Richtig. Also UBA sagt, Umweltbundesamt sagt, der Verkehrssektor ist die Megabaustelle, wo derzeit Deutschland den Weg zur Klimaneutralität verstellt. So will ich es mal formulieren. Und deswegen gucken nun also alle Wissing an und sagen, Und? Tu was! Du bist verantwortlich.
Und zwar nicht zuletzt auch die Gerichte tun das. Die Deutsche Umwelthilfe hat den Bund schon vor einiger Zeit verklagt, weil er eben seine Pflichten aus dem Klimaschutzgesetz nicht erfüllt. Und der Bund hat dieses Verfahren schon zweimal krachend verloren, nämlich vor dem Verwaltungsgericht Berlin und dem Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg.
Das ist, wenn man ehrlich ist, auch überhaupt nicht überraschend, weil einfach völlig klar ist, dass der Verkehrssektor hier seine Vorgaben nicht erfüllt.
Ja, und vor allen Dingen, dass Wissing keine Maßnahmenpläne vorlegt. Er ist ja verpflichtet, aufgrund der Überschreitung diese Pläne vorzulegen. Er argumentiert, er hat die vorgelegt. Aber der Expertenrat für Klimafragen hat gesagt, ehrlich gesagt, das sind zwar irgendwie Pläne, aber wir können die gar nicht prüfen, weil da gar nicht richtig Maßnahmen drinstehen.
Also de facto hat er sich geweigert, in den letzten Jahren seiner gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen, diese Pläne vorzulegen, wie er in seinem Sektor von diesen Emissionen runterkommt.
Der Bund allerdings hat diese zwei Niederlagen nicht auf sich sitzen lassen, ist in Revision gegangen. Jetzt liegt der Fall also beim Bundesverwaltungsgericht, und auch deswegen ist da so ein bisschen Druck auf dem Kessel. Denn der Bund wird dieses Verfahren in Leipzig nach menschlichem Ermessen verlieren, jedenfalls nach dem heutigen Klimaschutzgesetz. Denn der Verstoß gegen das Klimaschutzgesetz ist glasklar, mega peinlich für Volker Wissing.
Die Gerichte könnten ihn schlimmstenfalls inhaftieren, um ihn zu zwingen endlich das Klimaschutzgesetz. Ja, ich meine, Verwaltungszwang.
Spart auch CO2. Fährt ja nicht mehr in einem Auto.
Weißte Bescheid, fliegt auch nicht mehr nach Rheinland Pfalz und so. Also jedenfalls eilt das natürlich deswegen, weil eine solche Niederlage um jeden Preis vermieden werden soll, schon aus Gesichtswahrungsgründen. Die Frage ist halt Phillip, Warum will denn Volker Wissing ums Verrecken im Verkehrsbereich keine Maßnahmen treffen, die wirklich CO2 einsparen würden?
Wir würden ihn das natürlich gerne fragen. Hatten auch schon mal Interview angefragt, keine Antwort bekommen. Vielleicht ergibt sich das ja noch mal, deswegen können wir das jetzt nur vermuten. Ich vermute, es hängt damit zusammen, weil einfach ein Gutteil seiner Wähler das nicht wollen. Ein Gutteil derjenigen, die halt diese 4 % für die FDP noch ausmachen, die haben einfach keinen Bock drauf.
Das heißt also Klimaschutz hin oder her, Klimaschutzgesetz hin oder her, alles scheißegal. Unsere paar Prozent fossilen Betonköpfe, die uns noch wählen, die wollen das nicht. Also deswegen mache ich das nicht.
Deswegen mache ich das nicht.
Mutmaßlich!
Mutmaßlich.
Ausdrücklich auch noch mal die Einladung an Volker Wissing. Sie bekommen von uns 60 bis 75 Minuten Interview. Wenn Sie da Zeit und Lust haben, uns das mal zu erklären. Wir sind innerhalb von ein paar Tagen bei Ihnen im Haus.
Deswegen, also wegen der Abneigung Wissings und der FDP insgesamt gegen dieses Klimaschutzgesetz hat die FDP ein neues Klimaschutzgesetz gefordert, schon lange. Der Plan war immer schon, ja, ja, wir wollen jetzt nicht jedes Jahr zurück gucken, was hat denn jeder Sektor so ausgestoßen bzw wo hat er zu viel ausgestoßen und dann irgendwelche verpflichtenden Maßnahmenpläne einfordern, sondern wir wollen einfach lieber Prognosen machen, schauen, ob wir da ungefähr unser Ziel 2030 erreichen.
Und erst wenn das zwei Jahre hintereinander nicht funktioniert und die Prognose zwei Jahre hintereinander ergibt, na, das Ziel 2030, das werden wir nicht erreichen. Erst dann soll die Bundesregierung und dann irgendwie auch die Ministerien überlegen, wie sie denn wieder auf den Pfad zurückkommen.
Ja, es würde in der Praxis natürlich bedeuten, dann könnte im Verkehrssektor erst mal weiterhin so gut wie nix passieren. Insbesondere Minister Wissing wäre aus der Schussbahn. Fragt sich natürlich, diese Koalition besteht ja jetzt nicht nur aus der FDP, sondern auch aus der SPD. Also Olaf Scholz, der immerhin sich hat wählen lassen als Klimakanzler 2021 und natürlich vor allem die Grünen, für die ja effektiver Klimaschutz jedenfalls offiziell quasi zur DNA gehört.
Dann fragt man sich, wieso machen die so was mit?
Es gab einen Koalitionsausschuss, das war so die erste Stufe.
Und zwar schon im Sommer letzten Jahres.
Richtig, Schon schon wirklich lange her, fast ein Jahr her. Und damals ging es halt noch um das, ihr erinnert euch vielleicht, Heizungsgesetz. Und das hat die FDP dann nur passieren lassen unter anderem deshalb, weil die Grünen gesagt haben, na gut, dann reden wir halt mit euch auch über eine Reform des Klimaschutzgesetzes, da hatten die Grünen eigentlich überhaupt kein Bock drauf. Aber weil sie das Heizungsgesetz durchbekommen wollten, haben sie sich darauf eingelassen.
Das war also der Deal. Das sogenannte Gebäudeenergiegesetz gegen ein Abschwächen des Klimaschutzgesetzes.
So kam es dann auch, also ein aufgeweichtes Klimaschutzgesetz, das ging dann auch durchs Kabinett. Das heißt, die Grünen haben da ihr Wort gehalten, dem zugestimmt. Aber nun lag es halt neun Monate lang im Bundestag und es ging einfach nicht voran. Und die Frage ist, warum hat es so lange gedauert? Na ja, es gab eine politische Kopplung. Die FDP wollte diese Novelle des Klimaschutzesgesetzes mit den bekannten Kalkül, Wissing aus der Schussbahn zu nehmen. Die Grünen wollten es aber auf
keinen Fall. Oder im Parlament gab es erhebliche Widerstände. Die Grünen wollten aber gerne ein Solarpaket durchbringen, wo es dann irgendwie Subvention für deutsche Solarhersteller gibt, wo es weniger Bürokratie gibt, um Solarpaneele aufzubauen. So, und dann hat die FDP gesagt, also wenn das jetzt hier so lange dauert, mit dieser Reform des Klimaschutzgesetzes, dann lassen wir euer Solarpaket auch verrecken auf der offenen Wildbahn und nungab es halt diese Kopplung.
Und nun gab es halt in beiden Punkten eine Einigung. Die Grünen haben der Novelle zugestimmt und die FDP hat dem Solarpaket zugestimmt. Und deswegen haben wir jetzt bei beiden Punkten eine Einigung.
Und diese Woche nun kommen wir zum aktuellen Drama rund um die Fahrverbote zurück. Diese Woche nun also drohte der Bericht der Expertenkommission, wo absehbar drinstehen würde, der Verkehr stößt zu viel aus, Wissing muss im Juli den Plan vorlegen.
So ist es auch passiert.
So ist es auch passiert. Deswegen letzte Woche also Volker Wissings Drohung mit Maßnahmen, zum Beispiel Fahrverboten. Er wollte ganz offenbar Druck machen und zugleich Stimmung machen gegen die Sektorziele. Und man muss sagen, die Koalition lieferte. Am Dienstag gab es eine Einigung beim Klimaschutzgesetz und beim Solarpaket.
Wir haben nun bei Luisa Neubauer mal angerufen, wie man weiß, eine der führenden Figuren von Fridays for Future in Deutschland auch eine der Beschwerdeführerin bei dem Verfahren, das dann 2021 zum Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts führte. Und Luisa Neubauer kann diese Einigung in der Koalition nicht fassen.
Was ich persönlich, was ich politisch, was ich aber auch ethisch verantwortungslos und inakzeptabel finde, ist das, was wir zuletzt erlebt haben, nämlich ein Verkehrsminister, der zweieinhalb Jahre lang keinen einzigen seriösen Vorschlag gemacht hat, wie wirklich mittelfristig Klimaziele im Verkehrssektor eingehalten werden können und dann durch die Lande zieht und so ein populistisches Szenario aufbauen möchte mit irgendwelchen Fahrverboten, für die es überhaupt keine Gesetzesgrundlage
gibt. Und dass man jetzt allen Ernstes da steht, auch als Bundesregierung, und sagt, super, wir haben diese Fahrverbote verhindert, indem wir kurzerhand ein Gesetz demontiert haben. Was für eine politische Kultur soll denn das spiegeln? Was für Zeichen sendet das dann in die Welt?
Also worum geht es? Eine genaue Einigung, ehrlich gesagt, liegt uns jetzt, wo wir aufnehmen, noch nicht vor. Der Gesetzestext ist noch nicht final und wie immer wird da der Teufel im Detail stecken. Also da muss man wirklich ganz genau reingucken, was da alles genau geändert wird. Aber es gibt Papiere, Hintergrundpapiere der Ampel.
Also die Fraktionen werden quasi von ihren Klimaleuten intern gebrieft. Das müsst ihr euch so vorstellen, da können ja nicht immer hunderte von Abgeordneten so eine Einigung irgendwie mit beraten, sondern da hat dann jede Fraktion ein paar Menschen, die stellvertretend für die Fraktion solche Verhandlungen
führen. Und die schreiben dann so Hintergrundpapiere für den Rest ihrer Fraktion, um ihren Leuten zu erläutern, jetzt mal kurz gesagt, was drinsteht, aber auch immer so ein bisschen, warum das alles super ist.
Richtig. Und die haben wir natürlich gelesen und darauf basiert das jetzt, was wir schreiben. Und danach sieht dieses neue Klimaschutzgesetz vor, dass jede Regierung einen Klimaschutzplan aufstellen muss, der bis 2040 festlegt, wie wollen wir denn diese Ziele erreichen, die wir uns gesteckt haben?
Und das ist neu. Das ist ein Fortschritt.
Das ist ein Fortschritt. Bisher galt das immer nur bis 2030, jetzt muss es bis 2040 sein. Außerdem steht in diesen Papieren, dass kein Gramm mehr CO2 ausgestoßen werden soll als heute schon zulässig nach Klimaschutzgesetz. Also da sollen jetzt nicht irgendwie die Ziele verwässert werden, aber es wird halt verwischt, wer dafür verantwortlich ist, diese Ziele zu erreichen.
Und es wird auch dadurch, dass diese Verantwortung verwischt wird und die Verantwortung für Maßnahmen in jedem Sektor verwischt wird, wird natürlich auch das Risiko erhöht, dass die Ziele hinterher nicht erreicht werden und man dann nur noch Krokodilstränen weinen kann.
Ja, es werden zwar in der Theorie und pro forma noch die Sektorziele gemessen, für jeden Sektor einzeln, aber entscheidend ist nur, was pusten alle zusammen in die Luft? Und wie das oben schon beschrieben wurde, es werden Prognosen erstellt und erst wenn diese Prognosen zwei Jahre hintereinander ergeben, wir erreichen unsere Ziele für 2030 und 2040 nicht, dann muss sich das Kabinett hinsetzen und Maßnahmen entwickeln.
Und dann, so sagt die Ampel, werden natürlich auch die Ministerien besonders angeguckt, deren Sektoren für diese Überschreitung wahrscheinlich der Ziele verantwortlich ist.
Aber verbindlich ist das nicht.
Verbindlich ist das halt nicht.
Sie werden halt besonders streng angeguckt, ist allenfalls so was wie, na, da kann dann eine Koalition sagen, die schlimmsten Sünder müssen jetzt mehr tun, aber sie kann es auch lassen.
Diese verbindlichen, verpflichtenden gesetzlichen Sofortmaßnahmen, die wird man eben nicht mehr erstellen müssen und schon gar nicht umgehend erstellen müssen. Deswegen sagt auch Luisa Neubauer:
Blick auf den Rest der Legislaturperiode, gibt es durch dieses Gesetz praktisch keinen Druck mehr zu handeln. Eine Überprüfung wird nicht kommen. Sofortprogramme braucht es nicht. Das ist im Zweifel ein richtig guter Tag für alle Leute, die ja kein Interesse haben an richtig effektiven Klimaschutz.
Und das Bizarre an dieser Novelle ist, dass ihr Kern, also das, was der FDP so wichtig ist, die sektorübergreifende Verrechnung von Einsparungen und Emissionen, im Grundsatz heute sogar schon gehen.
Die erreichen jetzt mit dieser Novelle, das wirklich nur in der Summe geguckt wird, was stoßen die Sektoren aus und was die zusammen ausstoßen, das muss irgendwie reichen, um diese Ziele zu erreichen. Das ist ein großes Motiv für die FDP, dieses Gesetz zu novellieren. Der Punkt ist, das geht mit dem geltenden Gesetz heute schon. Das hat die Ko-Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen diese Woche auch noch mal gesagt in ihrer Pressekonferenz.
Brigitte Knopf, die sagt, man kann auch nach dem heute noch geltenden Klimaschutzgesetz schon Einsparungen zwischen den Sektoren verschieben. Und zwar geht es da um Paragraph acht des Klimaschutzgesetzes.
Absatz zwei lautet, die Bundesregierung berät über die zu ergreifenden Maßnahmen im betroffenen Sektor oder in anderen Sektoren oder über sektorübergreifende Maßnahmen und beschließt diese schnellstmöglich.
Warum will denn die FDP diese Novelle? Es geht vor allen Dingen darum, die Verantwortung zu verwischen.
Heute gilt, zu viel CO2 Emissionen in einem Sektor, dann muss der zuständige Minister einen Plan machen. Dann kann das Kabinett hinterher nach diesem Verfahren des acht Absatz zwei Klimaschutzgesetz ausgleichen. Die Novelle wird dazu führen, zu viel CO2, dann ist niemand mehr zunächst mal verantwortlich, wird gar nicht mehr geschaut, welcher Sektor das war, und dann kann das Kabinett ausgleichen. Und vielleicht muss dann auch Volker Wissing einen Beitrag leisten, vielleicht auch nicht.
Und Brigitte Knopf, die Ko-Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen, hat das auf der PK auch noch mal ausdrücklich gesagt und bringt den Effekt der Novelle so auf den Punkt:
Ich glaube, der große Unterschied zu dem, was jetzt in der Novelle geplant ist, dass diese spezifische Verantwortung eines Ministeriums erst mal wegfällt.
Darum geht es. Sektoren können auch heute schon ausgeglichen werden. Wenn Verkehr zu viel ausstößt, kann man gucken, spart ein anderer nicht mehr ein? Das würde dem Gesetz Genüge tun. Aber Wissing will vor allen Dingen raus aus der Verantwortung.
Volker Wissing selbst argumentiert demgegenüber, das Umweltbundesamt hat aber doch neulich diese aktuelle Projektion vorgestellt. Klammer auf, hatten wir auch in der Lage, Klammer zu. Und danach erreicht Deutschland doch mit den aktuellen Maßnahmen schon seine Klimaziele für 2030, obwohl im Sektor Verkehr nach dem Klimaschutzgesetz zu viel CO2 ausgestoßen wird. Deswegen müssen wir doch gar nichts machen, ist doch alles in Butter und deswegen müsse das KSG reformiert werden.
Diese Sektorziele, die sind natürlich nicht erreichbar im Verkehr, wenn man nicht ganz rabiate Maßnahmen ergreift. Und diese Maßnahmen sind überflüssig, weil wir ja die Klimaschutzziele erreichen.
Was Volker Wissing allerdings verschweigt, ist, die Klimaschutzziele sind natürlich nur Zwischenziele auf dem Weg zu Netto Null. Wir müssen ja nicht nur quasi das Niveau erreichen, das für 2030 vorgeschrieben ist. Danach geht es ja weiter mit den Einsparungen, oder müsste es weitergehen, bis wir irgendwann bei Netto null sind. Und ja, für 2030 sind wir laut neuester UBA Prognose auf dem richtigen Weg.
Aber eben nur, weil andere Sektoren so gut liefern und die fehlenden Einsparungen im Verkehr wettmachen. Aber die Frage ist doch, was ist denn dann nach 2030? Dann wird Stand heute, weil ja überhaupt nicht eingespart wird, im Verkehr immer noch massiv emittiert. Da müssen wir dann ran. Aber damit das dann klappt, damit wir die Klimaziele auch über 2030 hinaus einhalten, müssen wir natürlich heute die Weichen richtig stellen.
Sonst kaufen die Leute einfach noch weiter Verbrenner, die dann auf Jahrzehnte noch rumfahren und CO2 ausstoßen. Und ich glaube, genau hier liegt auch die Kritik und der Makel dieser geplanten Novelle. Sie senkt einfach die Anreize, vorausschauend Klimaschutz zu betreiben.
Und zwar in allen Sektoren. Auch im Verkehr muss man ja zumindest mal anfangen.
Und genau hier liegt der Punkt. Ja, das UBA sagt nämlich in seiner Projektion, wir sind so weit auf gutem Weg. Mit den Maßnahmen können wir 2030 das Ziel erreichen. Und durch die Novelle heißt das oder wird das heißen wenn die so kommt, niemand muss nachsteuern, auch nicht im Verkehr, denn es gibt ja diese Prognose wir erreichen das Ziel. Deswegen wird niemand nach dieser Novelle nachsteuern müssen. Die Prognose des UBA ist aber durchsetzt und basiert auf Annahmen und Unsicherheiten.
Die geht davon aus, dass das Wirtschaftswachstum nicht so dolle ist. Die geht davon aus, dass die Maßnahmen toll wirken, das Gebäude Energiegesetz toll wirkt. Die gehen davon aus, dass das Wetter so warm bleibt, wie es jetzt ist. Das kann alles so sein. Aber wenn diese Prognose nicht eintritt, dann werden die Emissionen höher ausfallen als in dieser Prognose und wir werden das Ziel nicht erreichen.
Außerdem muss man doch ganz ehrlich sagen Philip, man kann doch gar nicht genug sparen. Also mal ganz ehrlich, wenn bestimmte Sektoren mehr sparen als nötig, perfekt, aber das sollte dann doch nicht bedeuten, dass andere dann weniger oder wie im Verkehrsbereich gar nicht sparen.
Deswegen müssten jetzt eigentlich langfristige Maßnahmen eingeleitet werden. Also deswegen müsste das jetzt passieren und das passiert nicht mit dieser Novelle. Anders wäre das halt im Klimaschutzgesetz. Nach dem heutigen. Dann würde das übertroffen das Sektorziel. Und dann müssten jetzt Maßnahmen eingeläutet werden, um dann die Ziele zu erreichen. Und dann wäre man auch dafür gewappnet, wenn das schlechter läuft als in der Prognose angegeben.
Ja, also da muss man schon sagen, aus meiner Sicht ist das ziemlich bitter. Es gibt da objektive naturwissenschaftliche Zwänge, nämlich so viel CO2 einzusparen wie irgendwie geht. Das Klimaschutzgesetz bedeutet ja nicht bitte nicht mehr einsparen, sondern es ist ja eigentlich nur eine Minimalanforderung, um irgendwie das 1,5 Grad Ziel einzuhalten und das ist ja schon heute kaum noch zu schaffen.
Also insofern muss man sagen, ist das aus meiner Sicht schon sehr bitter, dass quasi der Verkehrsminister einer derzeitigen 4 % Partei, um diese 4 % der Bevölkerung nicht zu verstören oder zu verunsichern, sagt, wir lassen es einfach sein. Wir stellen ein paar Ladesäulen auf und ansonsten war es das.
Richtig. Und Wissing verschweigt ja noch eine andere Sache. Ja, das UBA prognostiziert in Deutschland die deutschen Ziele, die deutschen Klimaziele könnten wir aller Wahrscheinlichkeit nach einhalten. Das UBA sagt aber auch, wenn diese Prognose stimmt, werden wir einen weiteren Grenzwert überschreiten, den Wissing verschweigt. Und das sind die Grenzwerte der EU Klimaschutzverordnung. Die wird auch nach dieser UBA Prognose der Verkehr überschreiten.
Und dann wird Deutschland sehr, sehr, sehr viele Milliarden Euro ausgeben müssen für Strafzahlungen oder um sich Zertifikate für diese überschüssigen, ausgestoßenen Tonnen CO2 woanders in Europa zu kaufen. Da werden Milliarden draufgehen, wenn sich beim Verkehr nichts ändert.
Nun muss man natürlich sagen, jetzt kommt die FDP in diesem Blog einfach nicht so wahnsinnig gut weg. Und ich finde, man sollte noch einmal ausdrücklich sagen, was das zentrale Argument ist, das immer aus FDP Kreisen kommt, habe ich auch auf Twitter jetzt mehrfach wieder gelesen. Da kommt dann, liebe Leute, jetzt mach doch nicht so eine riesen Welle. Mag ja sein, dass Volker Wissing wenig einspart in seinem Bereich, aber dem Klima ist es doch egal, wo das CO2 eingespart wird.
Sparen wir es doch am besten da ein, wo es am wenigsten kostet. Wo es am einfachsten geht. Ist doch wunderbar. Wir sind doch auf Kurs. Warum arbeitet ihr euch so an Volker Wissing ab?
Also ich würde sagen, da gibt es zwei Entgegnungen. Einmal eine nationale Entgegnung, dass man sagt, ja, momentan sind wir gut auf Kurs. Das lag im letzten Jahr zu großen Teilen am Wetter und an der Konjunktur. Und es ist nicht garantiert, dass es bei allen anderen Sektoren immer so weitergeht, wie es jetzt weitergeht. Und es ist nicht garantiert, dass diese Projektion, die das UBA aufgestellt hat, Wirklichkeit
wird. Und wir müssen darauf gefasst sein, dass die Wirtschaft wieder anspringt, dass die Industrie mehr Strom verbraucht, dass wir mehr Emissionen ausstoßen. Und dann kommt es einfach auf jede Tonne an, die in jedem Sektor eingespart wird, damit wir das nationale Ziel am Ende auch wirklich erreichen. Das ist das eine und das andere Argument ist das europäische
Ziel. Es gibt die EU Klimaschutzverordnung, die hat für alle Sektoren, die nicht durch den Emissionshandel in Europa abgedeckt sind, in erster Linie Landwirtschaft, Gebäude und Verkehr, eigene Sektorgrenzwerte beschlossen, die gelten. Und nach der Projektion des UBA wird Deutschland im Verkehr diese Grenzwerte reißen. Das ist einerseits schlecht, weil wir Geld werden zahlen müssen. Okay, geschenkt.
Aber der Mechanismus kann sein, wenn Deutschland im Verkehr da mehr ausstößt und auch vielen anderen Ländern das sehr schwer fällt, da einzusparen. Dass wir dann tatsächlich das EU Klimaziel reißen und dass wir mehr ausstoßen, als die EU sich vorgenommen hat. Und das, weil die eben noch nicht dem Emissionshandel unterliegen und die Emissionen gedeckelt sind, dass wir in diesen Sektoren Verkehr und Gebäude einfach mehr CO2 ausstoßen, als wir das
wollten. Und deswegen ist es wichtig, überall zu sparen.
Und der dritte Punkt aus meiner Sicht sind eben diese langfristigen Pfadabhängigkeiten im Verkehrsbereich. Also selbst wenn wir heute möglicherweise das noch irgendwie verrechnen können, müssen halt heute im Verkehr Weichen gestellt werden, damit wir ab 2030 wirklich überhaupt die Einsparziele
einhalten können. Und das ist aus meiner Sicht der einzige kleine Vorteil dieser Novelle, dass jetzt quasi der Projektionszeitraum über das Jahr 2030 hinaus verlängert wird, was ja nach bisheriger Politik der Ampelkoalition passiert ist. Wir sparen quasi überall ein, außer im Verkehrsbereich. Das heißt, bis 2030 werden alle Sektoren hoffentlich hoffentlich massiv sparen. Nur der Verkehr halt nicht.
Und Gebäude vielleicht, ist auch schwierig.
Das ist das, was passieren wird. Und dann wird da dieser eine riesengroße Klotz noch im Weg liegen zur Klimaneutralität, nämlich der Verkehrssektor. Und dann stellt sich die Frage, was machen wir denn jetzt? Und das Problem ist, dann wird es nämlich nicht möglich sein, über Nacht diese ganzen Verbrenner von der Straße zu
holen. Denn das wird dann nämlich im Zweifel wirklich die Menschen zu sehr belasten, wenn man ihnen von heute auf morgen oder innerhalb von ein, zwei Jahren sagt, jetzt muss dein Auto von der Straße. Und das ist aus meiner Sicht das ganz zentrale Problem, was die FDP übersieht.
Man ist jetzt quasi zu faul, oder man kann es auch ein bisschen zuspitzen, man ist jetzt zu populistisch, den Menschen klare Anreize zu geben, zu sagen, weg mit den Verbrennern und natürlich auch generell weniger Individualmobilität und weniger Subvention im weitesten Sinne für individuelle Mobilität, vor allem für Verbrenner und Diesel und so. Man ist dazu zu faul, zu populistisch und das führt einfach mittel- bis langfristig zu deutlichen Überschreitungen der Budgets.
Die Frage ist jetzt so ein bisschen, wenn denn die Kritik an diesem Gesetz so groß ist, wird dagegen geklagt werden? Kann dagegen geklagt werden?
Ja, ich denke, man kann dagegen sogar sehr gut klagen. Die Große Koalition hat ja dieses Klimaschutzgesetz, wie gesagt, damals geschaffen in Reaktion auf eine Verfassungsbeschwerde unter anderem von Fridays for Future Aktivist:innen. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich diesen Menschen Recht gegeben und gesagt, das Klimaschutzgesetz quasi vor der Novelle durch die GroKo, reicht
nicht. Und die Grundhaltung des Bundesverfassungsgerichts ist immer, wir geben nur sehr ungern konkrete politische Maßnahmen vor, aber es braucht konkrete Maßnahmen, und wir prüfen dann, ob das reicht, was ihr macht. Und das war eben bei dem Klimaschutzgesetz vor der Novelle durch die GroKo nicht der Fall. Jetzt hat das die GroKo eben gemacht mit diesem Anhang, mit den konkreten Sektorzielen.
So, dann kommt jetzt die Ampel und, sagen wir mal ganz pauschal, wir haben es ja im Detail erläutert, spült das Klimaschutzgesetz weich, macht insbesondere die Sektorziele schwächer und die Verpflichtungen zum Nachsteuern werden auch viel
weicher. Und da könnte das Bundesverfassungsgericht bei einer Verfassungsbeschwerde wunderbar sagen, wir wollen euch ja weiterhin keine Maßnahmen vorschreiben, aber ein Klimaschutzgesetz, das so halbwegs wirksame Maßnahmen tatsächlich enthält, Stand 2021, das weiter aufzuweichen, das geht nicht. Und das Bundesverfassungsgericht könnte einfach nur die Novelle der Ampel kassieren.
Ohne weitere Maßnahmen vorzugeben.
Genau. Dann bliebe das Klimaschutzgesetz genauso in Kraft, wie es die GroKo beschlossen hat. So wie es heute gilt, inklusive sektorspezifischer Ziele und inklusive Notprogramm. Das wäre für das Bundesverfassungsgericht quasi viel einfacher. Sie müssten nicht selber Maßnahmen erfinden wie die Sofortprogramme, sondern sie könnten einfach nur sagen, die Abschaffung der Sofortprogramme ist verfassungswidrig.
Aufweichen geht nicht.
Aufweichen geht nicht. So quasi so ein bisschen wie so eine Art Einbahnstraße. Mehr Klimaschutz, immer gerne. Aber Rückschritte, das machen wir nicht mit.
Da drängen sich natürlich in erster Linie jene Leute auf, die gegen das alte erste Klimaschutzgesetz geklagt haben, damit die GroKo das dann nachschärfen musste. Da war natürlich in erster Linie Rechtsanwalt Remo Klinger zu nennen, der damals auch vor dem Verfassungsgericht mit dabei war. Auch Roda Verheyen, die Klimaklagen links und rechts dauernd führt, ist da mit zu nennen. Luisa Neubauer und Fridays for Future. So, die hatten ja damals auch geklagt.
Gut möglich, denke ich mal, dass sie dann auch wieder gegen so eine Novelle ins Feld ziehen und vors Gericht ziehen.
Haben wir natürlich gefragt, ob sie dagegen klagen wollen. Da kam dann kein Kommentar. Kann man nix zu sagen. Aber mal ganz ehrlich, wäre ja fast ein Witz, wenn sie diesen Elfmeter, den ihnen die Ampel da vorlegt, nicht verwandeln würden.
Die Frage ist wieso Elfmeter?
Tja, also ganz sicher ist nix in Karlsruhe. Aber wenn die Ampel ausgerechnet das Gesetz kalt stellt und entschärft, mit dem die GroKo das Klimaurteil vom Bundesverfassungsgericht umgesetzt hat, das kann doch Karlsruhe kaum auf sich sitzen lassen. Zumal das UBA ja auch vorrechnet, also ganz extrem viel von diesen zu viel Emissionen werden aus dem Verkehrsbereich kommen. Und das wird auf einmal abgeschafft. Also wie gesagt, man soll sagen, was in Karlsruhe
passiert. Aber ich halte die Wahrscheinlichkeit für recht hoch, dass diese KSG Novelle der Ampel in Karlsruhe platzen wird und dass dann Karlsruhe zum Beispiel auch eine einstweilige Anordnung erlassen wird, die sogar noch vor einer endgültigen Entscheidung erst mal diese Novelle quasi auf Eis legt. Das hätte nämlich dann den schönen Effekt, dass Volker Wissings Sofortprogramm wieder fällig wäre. Dann müsste er nämlich Gas geben.
Wir haben noch ein Update zu unserem Thema über das Waldgesetz und die Waldwege, die vielleicht aus Karten verschwinden.
Wir wollten euch zunächst mal noch zwei Apps empfehlen, mit denen man selber an der OpenStreetMap mitwirken kann. Für iOS gibt es da eine schöne App namens Go Map!! Und für Android gibt es StreetComplete. Findet ihr jeweils in den App Stores eures Vertrauens. Wir packen euch auch noch mal die Links in die Shownotes. Wenn man die OpenStreetMap nur anzeigen will, gibt es ja eben die App, die ich da gebaut habe.
Die nennt sich MapAlarm. Findet ihr unter Lage.link/karten. Lage.link/karten. Und da gab es auch jede Menge nettes Feedback, glaube ich.
Das war total nett. Also es ist wirklich immer wieder schön, denn wenn man dann so sieht irgendwie, Lage-Hörerinnen und Hörer probieren die App mal aus und sehen da irgendwelche Dinge. Ja geil, wusste ich gar nicht, dass es die OpenStreetMap gibt. Und dann gibt es ja auch noch andere Karten, OpenTopoMap, wo man dann so wie in der topografischen Karte die Höhenlinien sieht und so, also wenn der Bock habt, könnt ja mal reingucken.
Ja und dann hat sich noch Heiko gemeldet. Hörer von der deutschen Initiative Mountainbike.
Genau. Der bezieht sich so ein bisschen auf unseren Lösungsvorschlag.
Also wir hatten ja gesagt, es braucht keine Regeln, um Wege in einer Karte zu verstecken. Es reicht, wenn man die Wege markiert, auf denen man zum Beispiel nicht mit dem Mountainbike fahren darf. Und dazu schreibt Heiko:.
Bei der Frage der digitalen Markierung der Wege mit Radfahrverboten möchte ich aber anmerken, dass ein willkürliches Tagging durch den Waldbesitzer nicht akzeptabel ist. Hier besteht die Gefahr, dass sehr viele Wege mit Radfahrverboten belegt werden, ohne dass es dafür eine Rechtsgrundlage oder eine Begründung gibt.
Ja gut, da würde ich natürlich sagen, natürlich dürfen weder Waldbesitzer noch Kommunen sich über die tatsächliche Rechtslage mal hinwegsetzen oder sie zumindest falsch darstellen. Sie müssen natürlich ihre Einträge entsprechend der geltenden Rechtslage machen und die ergibt sich normalerweise aus dem Landeswaldgesetz oder dem Landesnaturschutzgesetz.
Unser Punkt war ja nur, es ist auf jeden Fall besser, die jeweils geltenden Nutzungsregeln in die Karte einzutragen, als ganze Wege löschen zu lassen oder noch schlimmer die Mapper zu zwingen, erst mal vorher zwei Stellen zu fragen, nur weil man am Ende einen solchen Weg auch verbotswidrig mit dem Mountainbike nutzen könnte. Also ich sag mal so ein Lügengebot für Karten, das passt einfach nicht
in die Zeit. Stattdessen sollte man einen Weg nutzen, den diese OpenStreetMap Software selber vorsieht, nämlich Tags mit bestimmten Regeln.
Unser letztes Thema ja ist nochmal so eins, man könnte sagen eine gute Nachricht. Also, die Welt ist nämlich, auch wenn ihr das nicht bemerkt haben dürftet, dieser Tage einem wirklich sehr gefährlichen IT Angriff entkommen. Und zwar extrem knapp. Und das hat schon was von einer Räuberpistole. Es hat auch, da gibt es viel zu lernen und man kann daraus viel ableiten über das, was wir in Zukunft vielleicht tun und besser
machen sollten. Und deswegen dröseln wir das hier mal in gewohnter Lagemanier auf.
Ja, dieser IT Angriff, der hätte nämlich viel mehr betroffen als nur ein bisschen IT.
Also das wäre jetzt nicht nur irgendwie so ein Problem für Nerds gewesen, sondern ganz im Gegenteil dieser IT Angriff hätte dazu führen können, dass Schulen, Behörden, Krankenhäuser, Stromnetze, Wasserversorgung, Zahlungssysteme alles Mögliche wäre dem Zugriff dieser virtuellen Angreifer ausgesetzt gewesen und sie hätten potenziell sich da quasi eine Hintertür eingebaut, mit der sie dann beispielsweise in einem Konfliktfall mal eben die Stromversorgung in Deutschland hätten abschalten können.
Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern dieser Angriff hätte diese Systeme weltweit verletzbar gemacht und die Angreifer hätten große Chancen gehabt, einen großen Schalter in der Hand gehabt, um Erpressungen durchzuführen, Spionage zu machen und schlichtweg für Chaos zu sorgen. Und zwar, wie gesagt, weltweit.
Das ist eine von sehr langer Hand geplante und wenn es nicht so ernst wäre, wirklich eine Räuberpistole. Eine krasse Geschichte, sodass wir davon ausgehen müssen, das wird potenziell auch wieder versucht werden. Und das bedeutet, wir müssen uns jetzt die Frage stellen, welche Probleme gibt es hier, welche Sicherheitslücken gibt es hier und wie können wir uns da anders aufstellen?
Also im Zentrum dieses Angriffs, das ist auch irgendwie ganz lustig, stand ein wirklich kleines Stück Software, von dem ich noch nie gehört hatte. Viele andere wahrscheinlich auch nicht. Nennt sich xz utils, also xz utils, wie immer man das auch aussprechen möchte. Ein kleines Programm zum Komprimieren von Dateien. Letztlich so was wie ihr vielleicht kennt Win Zip oder irgendwie so kleine Dateien, die halt auf PCs, Apple Rechnern wie auch immer gibt, um eben Dateien kleiner zu
machen. Und diese Software, konkret xz utils ist Open Source Software, das heißt der Programmcode, aus dem dann Kompilierer die Nullen und Einsen machen, die dann der Computer ausführt, dieser Programmcode, der ist für alle im Internet klar einsehbar und lesbar. Das ist das Prinzip von Open Source.
Und das Schöne an Open Source ist, im Prinzip kann jeder mitschreiben. Also beispielsweise, wenn ich jetzt einen Fehler gefunden hätte in einer solchen Software oder wenn ich vielleicht auch ein neues Feature hinzufügen will, dann kann ich das machen. Dann lade ich mir halt diesen Quelltext runter, bearbeite den und dann lade ich ihn wieder hoch.
Aber damit wird dieser Quelltext nicht automatisch Teil des Programms, das alle nutzen, sondern das ist dann zunächst mal nur ein sogenannter Pull Request, also quasi so eine Art Vorschlag. Hallo, ich habe hier diese Software verbessert, erweitert. Möchtet ihr das denn nicht übernehmen, damit alle das nutzen? Und dazu muss ich meinen Vorschlag derjenigen Person vorschlagen, die das Programm verantworten, die so ein bisschen die Regie
führen. Häufig sind es die Menschen, die das Programm oder das Projekt ursprünglich mal gestartet haben.
Und diese Person heißt Maintainer. Also dieser Maintainer, Mann, Frau wie auch immer, muss also den Code von Ulf übernehmen und im Zweifel auch mal durchschauen. Dann eben freischalten und in die Software einbauen, die dann halt jeder und jede sich runterladen kann. Es also so eine Art Software Manager, also Art Gärtner.
Das ist so ein bisschen schwer zu vermitteln, weil es eben keine Behörde ist, wo man sich anstellen lässt und dann eine Karriere macht als Maintainer, sondern es ist eben ein recht freies Ökosystem. Wenn jemand anfängt, eine Software zu bauen und die wird größer und größer und größer, na dann wird halt die Personen Maintainer und bekommt halt eine große Verantwortung. Aber das ist ein ziemlich informeller Vorgang.
Ja, man kann sich das technisch so vorstellen, dass die meiste Software inzwischen in sogenannten Git-Repositories verwaltet wird. Das sind halt einfach große Codespeicher. Sieht so ein bisschen aus wie so eine, so eine Cloud für Dateien und da liegen eben die Quelltextdateien drin. Und zunächst mal hat erstmal nur die Person Schreibzugriff auf dieses Repository, die das Programm ursprünglich mal erfunden hat, die das Repository eingerichtet hat.
Und die Frage ist halt, welchen weiteren Menschen gibt dieser Mensch dann Schreibzugriff und dann ist man de facto eben Maintainer von dieser Software.
Auf diese Art wird aber verhindert, dass einfach, obwohl das OpenSource ist, obwohl da jeder mitlesen und im Prinzip auch mitschreiben kann, dummes Zeug in diese Programme reingespielt kommt. Da kann halt jeder Vorschläge
machen. Aber es muss halt dieser Maintainer einmal abnicken und sagen, ja, das habe ich mir angeguckt, das ist gut, das ist jetzt Teil dieses Programms und so wird halt hoffentlich bösartiger Code, schlimmer Code, fehlerhafter Code verhindert und das funktioniert im Prinzip auch gut.
Es sei denn, es sei denn, dieser Maintainer wird so ein bisschen von einem Kriminellen beiseite gedrängt, Ein Krimineller drängt sich mit in diese Position, bekommt ebenfalls solche Rechte, ohne dass es jemand wirklich merkt.
Und dieser Kriminelle, der sich den Maintainer Status, den Gärtnerstatus erschlichen hat, der kann dann eben typischerweise gut getarnten Code in dieses Open Source Projekt einschleusen, mit dem er oder seine Hintermänner die Server dieser Welt übernehmen könnten. Und genau so ist es bei diesen xz utils gelaufen. Also das ist natürlich nicht ganz einfach aufzuklären. Die Menschen, die das tun, versuchen natürlich ihre Spuren
zu verwischen. Auf der anderen Seite haben hunderte, wenn nicht tausende Menschen auf der Welt versucht, dem nachzuspüren. Und Stand heute stellt sich der Krimi folgendermaßen dar.
Dieser User, der sich in dieses Projekt eingeschlichen hat und so Maintainer Status bekommen hat, der heißt Jia Tan und der ist einer jahrelangen Strategie gefolgt, um die Macht über dieses kleine Stück Software zu übernehmen. Der hat also den bisherigen regulären Maintainer mit Codevorschlägen überhäuft. Mach doch mal dies, mach da mal jenes, bau doch mal das ein. Der war dann völlig überlastet.
Dann haben andere User wahrscheinlich Proxy Account, also Sockenpuppen, Sockenpuppen, Strohaccounts gefragt. Auch mal hier. Da gibt es noch Vorschläge. Mach doch mal, mach doch mal, warum geht denn hier nichts voran? Dann hat irgendwann der legitime Maintainer entnervt aufgegeben und hat gesagt, ach komm, ich schaff das ja alles nicht mehr, Lass doch Jia Tan mal ran. Der soll jetzt auch Maintainer werden, der soll mir helfen, der soll mal machen. Und dann hat dieser User diese Macht bekommen.
Und dann hatte der quasi die Schlüssel zum Schloss. Wer ist jetzt Jia Tan? Völlig unklar. Also der Name klingt ja erst mal asiatisch. Das dürfte aber wohl eine falsche Fährte sein. Da haben im Internet auch Leute, die eben gut Chinesisch können, sich das mal angeguckt und gesagt, das ist eigentlich gar kein chinesischer Name. Und so ist alles wahrscheinlich Fake. Ist wohl eine falsche Fährte.
Die Indizien deuten, ihr könnt es euch vorstellen, nach Russland, denn die meisten Edits, also die meisten Änderungen an den Programmdateien, die passen zu Bürozeiten in der Zeitzone von Moskau. Außerdem gab es interessanterweise keine Commits an russischen Feiertagen. Da hat er also dann im Zweifel nicht gearbeitet. Dafür gab es aber Edits an chinesischen Feiertagen, was ein Mensch, der tatsächlich Chinese ist, typischerweise nicht
tun würde. Da muss man sagen, das ist jetzt keine exakte Wissenschaft. Natürlich könnte auch ein chinesischer Hacker genau die falschen Fährten nach Russland gelegt haben. Sicher ist das alles nicht. Aber das sind die Indizien, die wir haben. Jedenfalls konnte dieser Jia Tan dann am Ende entscheiden, welcher Code in diese xz utils eingebaut wird.
Und er nutzte diese Macht, um eine Hintertür einzubauen, die es ihm erlaubte, einen Server, der im Netz hängt, am Internet hängt, der im Internet öffentlich erreichbar ist, komplett zu übernehmen.
Und zwar wirklich komplett. Und das ist ja immer so, also für die, die es jetzt noch nicht so oft haben. Man loggt sich auf Rechnern, auf Servern mit einem Programm ein namens SSH und auf dem Server läuft dann das Gegenstück. Das nennt sich SSH daemon und normalerweise braucht man, das verwundert nicht weiter, das richtige Passwort oder eben einen Geheimschlüssel, um sich auf Servern einwählen und sie zu administrieren, abzuschalten, anzuschalten, umzuprogrammieren. Wie auch immer.
Durch diesen Hack aber hätte sich Jia Tan eigentlich auf jedem Server einloggen können, den man mit SSH erreichen kann. Und das dürften de facto 99 % der Server auf dieser Welt sein. Und das führt auch zu der Antwort, warum er diesen ganzen Aufwand betrieben hat, um die Macht über ein so kleines, vermeintlich unwichtiges Stück Software zu übernehmen wie dieses xz utils.
Das ist ein mini Tool zum Komprimieren von Dateien. Klingt erst mal nicht wichtig, aber das ist halt ein Stück Software, das von diesem sogenannten SSH deamon, also von dem SSH Server, eingebunden wird. Das heißt mit anderen Worten, wenn man diese xz utils verseucht hat, dann kann man damit mittelbar auch genau das Stückchen Software infizieren, das prüft, ob ein Login auf einem Server im Internet berechtigt ist oder nicht.
Das heißt also, dieses kleine Stück Software läuft so gut wie auf jedem Linux Rechner auf dieser Welt. Jetzt habt ihr vielleicht keine Linux Rechner auf eurem Schreibtisch, aber Linuxrechner sind das Rückgrat für Software in Behörden, Krankenhäuser, Webserver, Rechenzentrum, Stromversorgung, Banken, Zahlungsverkehr. Überall läuft Linux.
Überall hätte er sich potenziell einwählen können, überall hätte er potenziell die Macht übernehmen können, wenn es ihm denn gelungen wäre, dieses kleine Stück Software so zu verseuchen, wie er das in ganz, ganz, ganz, ganz kleinem Umfang geschafft hat.
Und jetzt haben wir immer im Irrealis, im Konjunktiv gesprochen, denn Gott sei Dank ist diese Manipulation von Jia Tan gerade noch mal rechtzeitig aufgefallen. Und diesmal ist der Held, der die IT Welt vor dem Chaos gerettet hat und damit vermutlich die Welt überhaupt, zumindest erstmal ein Deutscher.
Andreas Freund heißt der. Der arbeitet als Coder bei Microsoft. Und als er das entdeckte, war diese manipulierte Version von xz utils noch nicht weitverbreitet. Die lief erst mal nur auf so Testversionen. Aber Freund hatte sich auf seinem Server eben schon eine dieser frühen Softwarevarianten installiert. Und da fielen ihm einfach Merkwürdigkeiten auf.
Da hat er seinen Rechner bedient und dann war die Prozessorlast ein bisschen hoch beim Login und dem ist er dann irgendwie immer weiter nachgegangen und dachte, so irgendwas kann doch hier nicht stimmen usw. Und mit viel Geschick und auch wie er sagt, mit viel Glück ist er dann auf Umwegen auf dieses kleine Stück Software auf seinem Computer gestoßen und alarmierte eben sehr schnell die Community.
Und die hat dann verhindert, dass dieses kleine Stück Software quasi aus diesem Testmodus rauskam und auf mehr oder weniger alle Linuxrechner der Welt verbreitet wurde.
Es ist also gerade noch mal gut gegangen, Aber man muss sehr deutlich sagen, das könnte wieder passieren. Die Präsidentin des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, kurz BSI Claudia Plattner, äußerte sich gegenüber der Funke Mediengruppe und sie warnt vor Cyberangriffen auf Schulen, Kindergärten und Landratsämter. Und sie sagt:.
Genau diese Ziele, etwa Schulen oder Verwaltungen in Kommunen, sind attraktiv für Cyberkriminelle. Wer Landratsämter oder Kindertagesstätten lahmlegt, feiert einen Propagandaerfolg gegen Deutschland.
Dazu muss man natürlich immer den Hintergrund wissen. Wir sind de facto natürlich längst in einem hybriden Krieg mit Russland. Das muss man sehen. Also Russland ist heute schon massiv dabei, die Demokratie in Deutschland zu unterminieren. Aber jedenfalls Frau Plattner ist ganz offensichtlich der Meinung, dass es auch attraktiv ist, einfach Deutschlands Schulen und Kindergärten lahmzulegen.
Und wir haben das jetzt hier mal so ein bisschen ausgebreitet, weil man doch aus diesem Angriff einiges lernen kann. Es ist zwar gerade noch mal gut gegangen und natürlich ist es jetzt auch keine News, dass sich Leute in Software hacken und in Systeme hacken. Aber die Art, wie das hier gemacht wurde, so extrem professionell, offensichtlich über Jahre geplant, die hat doch schon einen neuen Charakter.
Und das sind eben ganz spezifische Angriffe auf Open Source Projekte. In der Tendenz galten Open Source Projekte häufig als besonders sicher, weil ja im Prinzip jeder sich den Code anschauen kann. Aber das gilt natürlich nur, solange sich wirklich genügend Leute den Code auch tatsächlich anschauen und solange zum Beispiel die Maintainer wirklich zuverlässig sind. Und da zeigt eben dieser Fall eben auch, dass es da häufig an Ressourcen mangelt.
Man sieht sehr deutlich, das Open Source Ökosystem braucht einfach Hilfe.
Das Prinzip ist gut, alle können lesen, alle können checken. Aber was, wenn es keiner macht? Oder zu wenig machen? Wenn ein Projekt irgendwie zu klein ist oder so? Oder sich der Mensch, der das betreibt, überlastet fühlt? Also letztlich ist es schon manchmal so, dass Rettung und Fehlerfinden häufig eben auch vom Zufall abhängen. Und das sollte natürlich nicht so bleiben, weil eben so große Teile unseres Lebens, unserer Wirtschaft von dieser Software abhängen.
Und natürlich ist das Problem auch schon ein bisschen länger bekannt und glücklicherweise hat sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz da mal was Interessantes einfallen lassen, um sich dieses Problems anzunehmen.
Nämlich den sogenannten Sovereign Tech Fund. Und was es damit auf sich hat, das wollen wir jetzt im Interview besprechen mit Fiona Krakenbürger. Ja, Fiona Krakenbürger ist Mitgründerin des Sovereign Tech Funds. Das ist so ein Projekt, ein staatlich finanziertes Projekt der Bundesagentur für Sprunginnovationen, kurz
Sprint. Und der Sovereign Tech Fund ist so ein Projekt innerhalb dieses Agentur Kosmos, das sich aber gerade auf dem Weg der Ausgründung befindet, also auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Die Mission bleibt aber die nachhaltige Stärkung der eben von uns schon beschriebenen Open Source Software Systeme. Ganz herzlich willkommen erst mal in der Lage, Fiona Krakenbürger.
Vielen Dank für die Einladung.
Warum braucht denn Open Source Software staatliche Hilfe?
Ja, ist eine gute Frage. Ich glaube Open Source, das Ökosystem braucht Hilfe aus, oder Unterstützung aus verschiedenen Richtungen. Wir sind der Meinung, auch staatliche Unterstützung. Wir investieren ja in Open Source Infrastruktur im öffentlichen Interesse mit öffentlichen Mitteln von BMWK, weil wir finden, dass digitale Infrastruktur genauso betrachtet werden sollte wie physische Infrastruktur.
Es ist im öffentlichen Interesse, dass diese instand gehalten wird, gebaut wird und abgesichert wird.
Und warum brauchen Open Source Projekte denn überhaupt Hilfe? Denn ursprünglich war ja mal die Idee, dass einfach interessierte Menschen, Nerds und Nerdettes aus dem Internet sich einfach zusammenschließen und irgendwas coden. Warum klappt das nicht in jedem Fall so richtig optimal?
Ich glaube vor 20, 30 Jahren hätte das auch noch gut funktioniert. Aber wir leben in einer zunehmend digitalisierten Welt und Gesellschaft und der Druck auf Software und gerade diese Infrastruktursoftware wächst jeden Tag. Solche Projekte wie xz utils sind wahnsinnig kritisch. Die sind in etlichen verschiedenen Softwarekomponenten, anderen Softwarekomponenten verbaut und essenziell für jede Art von Softwareentwicklung.
Und es ist auch so, dass gar nicht so wenige Entwickler und Entwicklerinnen tatsächlich solche Projekte als Hobby anfangen und etwas entwickeln, was sie selber vielleicht brauchen, das veröffentlichen. Dann gibt es aber so viele weitere Softwareanwendungen, die darauf aufbauen, die das nutzen und davon abhängig sind, dass der Druck einfach enorm wächst. Und das ist eine strukturelle Herausforderung, wie sich auch bei xz util sich gezeigt hat und die aber tatsächlich auch keine Seltenheit ist.
Es ist eher eine strukturelle Herausforderung, die wir schon lange sehen und auch zugrunde liegt bei verschiedenen Sicherheitsvorfällen, die wir in den letzten Jahren gesehen haben.
Jetzt sind Sie elf, zwölf, demnächst vielleicht 14 Leute. Wie sorgen Sie dafür, dass Open Source Software sicherer wird?
Unsere Mission ist ja, wie schon angesprochen, die nachhaltige Stärkung des Open Source Ökosystems. Das machen wir, indem wir gezielt in kritische Open Source Software Komponenten investieren, also genau in diese digitale Infrastruktur, die wir überall brauchen, egal ob kommerziell oder für andere digitale Services, Verwaltung usw.
Wir alle brauchen das und wir identifizieren diese Technologien, die können sich auch bei uns bewerben und treten dann in Kontakt mit den sogenannten Maintainern, also den Leuten, die daran arbeiten oder identifizieren geeignete Partner, die daran arbeiten können und vergeben Aufträge, damit diese Projekte auch tatsächlich abgesichert werden.
Da fließt dann staatliches Geld von ihnen gesteuert da rein. Was passiert mit dem Geld?
Exakt. Was ich hervorheben möchte, ist, dass wir eben nicht nur in neue Projekte investieren, sondern dass wir tatsächlich gezielt die Absicherung und Instandhaltung von diesen Projekten unterstützen und fördern.
Wir identifizieren erst mal eine Technologie, reden dann mit den Leuten und oft gibt es dann schon eine Warteschlange von Dingen, die eigentlich dringend gemacht werden müssten, um dieses Projekt abzusichern, die aber von niemandem finanziert werden, beispielsweise durch 120 Bugs gehen, die mal gemeldet wurden und mal durchgucken, was ist das überhaupt? Ist das wichtig oder nicht?
Oder ein vernünftiges Sicherheitsteam aufbauen oder, was wir auch gerne erwähnen, manchmal ist die notwendige Arbeit tatsächlich auch Code zu löschen und nicht zu schreiben, um die Codebase besser wartbar zu machen und damit im Endeffekt auch ein Projekt abzusichern. Und das unterscheidet sich eben davon, immer in neue Features zu investieren, wofür es meistens eigentlich das Geld gibt, wenn überhaupt.
Jetzt würde mich interessieren, wie man sich das ganz konkret vorstellen muss. Sie haben ja schon eine Reihe von Software Projekten gefördert. Was passiert dann? Also finanzieren Sie dann eine Stelle für eine Programmiererin oder wie ist das ganz konkret? Wie läuft das ab?
Das ist eine gute Frage. Also das Modell, das wir gewählt haben oder das wir derzeit nutzen, ist, dass wir tatsächlich Aufträge vergeben. Also das sind Dienstleistungsaufträge, um Arbeit an diesen Projekten zu finanzieren. Und wir setzen uns mit den Maintainern zusammen und sagen, aus der öffentlichen Interesseperspektive, wären diese und jene Arbeiten wichtig. Das ist dann zum Beispiel diese Absicherung.
Manchmal ist das auch eine Neuentwicklung von Dingen oder ein Update, Anpassung an neue Entwicklungsumgebungen. Das ist sehr unterschiedlich.
Von welchen Summen reden wir da? Was investieren Sie im Jahr?
Wir haben ein Gesamtbudget von dieses Jahr 17.500.000. Letztes Jahr hatten wir 11,5 Millionen, dieses Jahr sind es 17.000.000. Davon investieren wir 80 %.
Was ist das Neue? Ist es ein neues Konzept, dieser Sovereign Tech Fund oder gibt es das schon irgendwo?
Ein vergleichbares Konzept gibt es tatsächlich nicht. Es gibt andere Akteure, es gibt andere Organisationen, die schon ähnliche Sachen machen. Die kommen dann eher aus dem kommerziellen Bereich oder auch von staatlichen Stellen. Aber ein wirklich öffentlich finanziertes Programm, das spezifisch die Arbeit an Open Source Infrastruktur und die Absicherung finanziert, gibt es noch nicht. Wir wünschen uns aber, dass es davon wesentlich mehr gibt, weil es braucht mehr und der Bedarf ist riesengroß.
Jetzt vielleicht mal so ein paar Stichworte für die Menschen, die uns zuhören und so ein bisschen aus der nerdigen Ecke kommen. Haben Sie so ein paar Stichworte, welche Projekte bisher gefördert wurden vom SovereignTech Fund?
Gerne! Ein Klassiker, den ich gerne erwähne, ist cURL. Das ist ein Projekt, das, um das vereinfacht dazustellen, gebraucht wird, um Daten von A nach B zu transportieren. Während wir hier sprechen, nutzen wir wahrscheinlich Devices, in denen das schon hundertfach verbaut ist. Es ist eine ganz, ganz kritische Komponente, die in allen möglichen Softwareanwendungen und Devices usw verwendet wird, in allen möglichen Autos. Mit denen haben wir beispielsweise zusammengearbeitet.
Dann das PyPI, ist der Python Packaging Index, den unterstützen wir. Genau, um ein paar Beispiele zu nennen.
Vielleicht abschließend, was haben wir denn bisher gelernt aus Ihrem Projekt, was wir in die Zukunft blickend besser machen müssen? Wie können wir die Sicherheit da verbessern, außer natürlich mehr Geld reinzustecken?
Ja, also ich mein Geld ist natürlich nicht die Lösung. Es ist aber ein Teil der Lösung und ich würde sagen, wir brauchen weiterhin mehr Unterstützung. Aber dafür braucht es auch erst mal Verantwortung, die übernommen werden muss und ein Bewusstsein dafür, dass Open Source eben überall ist, dass wir auch gar nicht die Wahl haben, ob wir Open Source nutzen oder nicht. Wir brauchen es für die Art und Weise, wie wir leben, wie wir unsere Welt gestalten und für eine digitale Gesellschaft.
Und dafür muss Verantwortung übernommen werden, sowohl von staatlichen Akteuren als auch von privaten Akteuren. Da muss meiner Meinung nach weiterhin ein Umdenken stattfinden. Eigentlich die zugrunde liegenden strukturellen Herausforderungen kennen wir. Ich finde, wir brauchen mehr Akteure im Feld, die unterschiedliche Unterstützungsformate auch anbieten können. Der Bedarf ist riesengroß. Der Bedarf ist auch sehr unterschiedlich.
Ja, einige brauchen finanzielle Unterstützung, andere brauchen vielleicht Unterstützung anderer Art und davon ist der Sovereign Tech Fund ein Teil der Lösung. Aber aus unserer Sicht braucht es noch mehr Unterstützungsformate.
Wunderbar. Ganz herzlichen Dank! Das war Fiona Krakenbürger, Mitgründerin des Sovereign Tech Fund. Vielen Dank für dieses Gespräch.
Dankeschön.
Bei dieser Gelegenheit vielleicht noch der Hinweis: Der Sovereign Tech Fund sucht eine administrative Geschäftsführung. Also die haben einen Job zu vergeben. Wenn das was für euch sein sollte, schaut es euch an! Unter sovereigntechfund.de. Seite haben wir auch noch mal in den Shownotes.
Und damit ist die Lage der Nation umfassend in dieser Woche ja ganz besonders umfassend und abschließend erörtert. Wir freuen uns, wenn es euch gefallen hat. Falls dem so sein sollte, schreibt gerne einen freundlichen Satz in den App Store eures Vertrauens. Da hatten wir jetzt gerade mal wieder zu tun mit bösen Kommentaren aus der rechten Ecke. In diesem Sinne einen schönen Abschluss der Woche. Ein schönes Wochenende. Bis bald.
Bis dahin, bis nächste Woche. Tschüss.