LdN376 Cannabis-Legalisierung in Kraft, Wahlen in der Türkei (Interview Beate Apelt, Friedrich Naumann Stiftung), Strukturen der Desinformation (Interview Christian Stöcker, Professor für Digitale Kommunikation), Voice of Europe, RKI-Protokolle, Feedback zu Voigt-Interview - podcast episode cover

LdN376 Cannabis-Legalisierung in Kraft, Wahlen in der Türkei (Interview Beate Apelt, Friedrich Naumann Stiftung), Strukturen der Desinformation (Interview Christian Stöcker, Professor für Digitale Kommunikation), Voice of Europe, RKI-Protokolle, Feedback zu Voigt-Interview

Apr 04, 20242 hr 44 minEp. 376
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LdN376 Cannabis-Legalisierung in Kraft, Wahlen in der Türkei (Interview Beate Apelt, Friedrich Naumann Stiftung), Strukturen der Desinformation (Interview Christian Stöcker, Professor für Digitale Kommunikation), Voice of Europe, RKI-Protokolle, Feedback zu Voigt-Interview

Transcript

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Herzlich willkommen zur Lage der Nation, Ausgabe Nummer 376 vom 4. April 2024 und in dieser Woche wieder an den Mikrofonen, Ulf Buermeyer, das bin ich, Jurist aus Berlin und:

Philip BansePhilip Banse

Philip Banse sitzt Ulf gegenüber im Berliner Lagezentrum. Ich bin Journalist. Ganz herzlich willkommen auch von mir. Bevor es losgeht, noch zweieinhalb kurze Hausmitteilung. Die erste betrifft einen Dank. Und zwar danken wir den mehr als 2500 Followerinnen und Followern auf unserem Telegram Kanal.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wir haben uns total gefreut, dass dieser Kanal so durch die Decke gegangen ist am Anfang. Zum Vergleich, die Tagesschau, die Tagesschau hat auch nur 8000 Followers auf Telegram. Das stehen wir mit unseren zweieinhalbtausend Followers echt ziemlich gut da. Das hat richtig, richtig Spaß gemacht, das zu beobachten und auch so die Interaktion. Wir haben ja so zwei, drei Sachen gepostet in den letzten Wochen und da gab es ganz viele Herzen und Daumen hoch und so, das hat richtig Spaß gemacht.

Vielen Dank! Vielen Dank für euer Engagement. Wenn ihr diesen Kanal abonnieren wollt, dann könnt ihr das tun unter lage.link/telegram. Mit einem M.

Philip BansePhilip Banse

Der Sinn und Zweck ist in erster Linie, ihr kriegt halt als allererste mit, wenn eine neue Folge raus ist. Und netter Nebeneffekt man kann die super teilen, deswegen machen wir das auch, damit ihr gleich sozusagen ein Sharable Item in einer App habt, wo man das super an Freunde und Verwandte auch weiterleiten kann.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, also der Auslöser war zum Beispiel, dass mir ein Freund erzählt hat, der hat so ein Häuschen in Brandenburg in so einem kleinen Dorf und da gibt es ein Dorfchat und da könnt ihr euch vorstellen, was da so abgeht im Dorfchat. Und er sagte, wenn ich da jetzt einfach mal die Lage reinteilen könnte, den Leuten im Dorfchat, dann muss ich denen das nicht erklären. Ich teil denen die Lage und sage, Leute, hört da mal rein. Es gibt da noch ein bisschen eine andere Perspektive auf die Welt.

Das ist unser Gedanke. Mit diesem Telegram Kanal wollen wir rein in die Chatgruppen, wo es vielleicht nicht mehr immer so 150 prozentig demokratisch zur Sache geht.

Philip BansePhilip Banse

Natürlich, das hatten wir ja schon mal angedeutet, wollen wir das Ganze auch auf WhatsApp machen, weil ich glaube, das ist schon noch die weiter verbreitetere App. Das ist nur bei WhatsApp, deswegen haben wir das nicht gleich gemacht, technisch nicht ganz so einfach wie bei Telegram. Man braucht bei WhatsApp eine Businessregistrierung, die haben wir natürlich beantragt, aber bisher nichts gehört. Deswegen WhatsApp if you are listening.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, vielleicht hört uns ja auch jemand, der bei WhatsApp am richtigen Knopf sitzt.

Philip BansePhilip Banse

Also, schickt eine Mail an team@lagedernation.org oder guckt mal in euer System: Businessregistrierung. Da sind wir da drin und warten auf eine Antwort und würden uns freuen, wenn auch wir da irgendwie Zugang bekämen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das wäre doch schön. Ja, vielleicht hat uns ja die KI gekillt oder so. Wer weiß.

Philip BansePhilip Banse

Dann könnten wir diesen selben Service auch auf WhatsApp anbieten. Aber rein ins Programm würd ich sagen. Wir haben einiges vorbereitet.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

In der heutigen Lage gibt es einen Blog zum Thema Cannabis ist tatsächlich teillegalisiert in Stichworten. Was bedeutet das denn jetzt ganz konkret?

Philip BansePhilip Banse

Außerdem die RKI Files und warum die Probleme nicht da liegen, wo viele denken.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wahlen in der Türkei schauen wir uns an. Da gab es überraschende Ergebnisse. Die Erdoğan Partei hat die Wahlen tatsächlich verloren und wir fragen uns mit einer Expertin, ob die türkische Demokratie noch zu retten ist.

Philip BansePhilip Banse

Außerdem natürlich unser Interview mit Mario Vogt, euer Feedback, unsere Nachlese.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und schließlich schauen wir genauer hin, wie funktioniert eigentlich Desinformation in freien Gesellschaften? Auch dazu ein Interview mit einem Experten. Und wir schauen natürlich auf den Skandal rund um die russische Manipulationsplattform Voice of Europe.

Philip BansePhilip Banse

Unser erstes Thema heute ist die Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland. Hatten wir natürlich ausführlich hier schon mal besprochen, was da genau geregelt wird. Damals war das aber noch nicht beschlossen. Noch nicht law of the Land. Nun ist es Law of the Land und deswegen haben wir gedacht, müssen wir das hier noch einmal kurz aufnehmen und das allen auch wirklich sagen, die es vielleicht noch nicht mitbekommen haben.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Weil es nämlich da auch immer wieder Verwirrung gibt. Sogar Polizeigewerkschafter haben da dem ZDF Käse erzählt die Tage. Deswegen haben wir uns gedacht, ein kleines Update, einfach noch mal den Fakten quasi ein bisschen Oberwasser zu geben. Wie sagt, Philip hat es gesagt, kein Vermittlungsausschuss ist in Kraft getreten. Und das bedeutet in Kurzform, man kann 25 Gramm in der Tasche haben, als Privatperson auf der Straße.

Man kann 50 Gramm zu Hause lagern und daheim auf dem Balkon dürfen auch bis zu drei Pflanzen blühen und gedeihen. Und dann wird es ab dem 1. Juli allerdings erst auch die Growclubs geben, die Social Cannabis, ne, Cannabis Social Clubs. Gehen wir jetzt nicht nochmal im Detail drauf ein, hatten wir ein ausführliches Interview. Aber natürlich passt diese Legalisierung jetzt auch nicht allen ins Programm.

Philip BansePhilip Banse

Nein, Bayern vor allen Dingen will das hart kontrollieren, wobei niemand so richtig genau weiß, wie das gehen soll. Man könnte natürlich auch einfach mal durchatmen. Aber durchatmen ist bei der CSU nicht so einfach. Wir haben das ja auch schon mal skizziert, wie sie das hart auslegen können, indem sie zum Beispiel diese Cannabis Social Clubs nicht genehmigen, wo das irgendwie möglich ist, sie nicht zu genehmigen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Zum Beispiel gab es jetzt schon die ersten Schlagzeilen. Ich glaube, in Augsburg war es, da wollte sich ein Cannabis Social Club gründen. Daraufhin hat die Kommune einfach ein paar Häuser weiter einen Spielplatz eingerichtet und damit liegt dieser Growclub jetzt in so einer Verbotszone.

Philip BansePhilip Banse

Ja, aber das sind zum Beispiel so die interessanten sozialen Wechselwirkungen von neuen Regelungen, dass da einfach auf einmal Dynamiken zutage treten, von denen niemand vorher vorhersehen konnte oder es vorhergesehen hat, dass das passiert. Wenn das natürlich die Nebenwirkung sein sollte, dass jetzt alle Städte Kindergärten eröffnen und Spielplätze einrichten und Schulen eröffnen, links und rechts, um die Kiffer aus der Stadt zu drängen.

Dann ist die Bilanz nicht nur negativ, möchte ich mal sagen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Abgesehen davon, dass das natürlich um so ein Cannabis Social Club zu vertreiben, totaler Quatsch ist, weil um diesen Club ja selbst ein Kiffverbot gilt. Das heißt, der Club selber hat diese Konsumverbotszone genauso wie ein Spielplatz. Da war die Kommune, die das eingerichtet hat, offensichtlich schlecht informiert.

Aber Philip, die Verwirrung um diese Abstandsregeln, die hat eben nicht nur diese Kommune so ein bisschen in die Irre geleitet, sondern da gibt es ja auch eine ganze Menge Menschen in diesem Land, die sich jetzt gerade fragen, was bedeuten denn diese Abstandsflächen rund um Spielplätze, Kitas und Schulen und eben um Cannabis Social Clubs genau? Da gibt es ja so Karten, die zeigen ganze Innenstädte in Rot, beispielsweise die Bubatz Karte. Ist das wirklich hilfreich?

Philip BansePhilip Banse

Ja, das weiß ich nicht so genau. Also viele Karten scheinen mir da einfach ein Kreis zu ziehen mit dem Radius von 100 Metern um eben Schulen, Kitas, Spielplätze und solche Sachen. Aber das ist nicht das, was das Gesetz will. Auch einige Polizisten tappen da übrigens im Dunkeln.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Alexander Poitz ist laut ZDF Polizeibeamter aus Brandenburg und außerdem stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, kurz GdP. Und er sagte im Interview mit ZDF heute Zitat: "mindestens 100 Meter und außer Sichtweite für den Konsum und 200 Meter für Anbauvereinigung". Das ist aber, wenn man in das Gesetz schaut, aus zwei Gründen nicht richtig.

Also zum einen gelten für Anbauvereinigungen dieselben Regeln, also 100 Meter grundsätzlich wie für die anderen Orte, also Spielplätze, Kitas, Schulen. Da gibt es keine Differenzierung mehr. Vor allem aber sind die 100 Meter nicht und außer Sichtweite. Wie im Gespräch mit uns Janosch Dahmen, erklärte. Er ist gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen im Deutschen Bundestag.

Janosch Dahmen

Viele dieser Karten, die zurzeit im Internet kursieren, korrelieren ehrlicherweise nicht wirklich mit dem Gesetzestext und dem, was da drin geregelt wurde. Und zwar ist es dort so niedergeschrieben, dass Sichtweite das Kriterium ist, nach dem entschieden werden soll, wie weit Abstand gehalten werden muss. Wenn also eine Polizistin oder ein Polizist jemanden kontrolliert, dann schauen sie, wie weit ist die Kita oder die Schule weg? Kann ich die sehen oder nicht?

Und wenn die nicht zu sehen ist, dann darf da geraucht werden, wenn ich sie sehen kann, entsprechend nicht. Zusätzlich schreibt das Gesetz fest, dass maximal 100 Meter eingehalten werden, also eine Obergrenze. Wer weiter als 100 Meter entfernt ist, der darf dann da auf jeden Fall

rauchen. Insofern ist es tatsächlich so, dass die Karten nicht so richtig den Ist Zustand beschreiben, weil sie in der Regel einen Radius von 100 Metern um die Einrichtung legen und damit die Städte viel mehr rot färben, als sie sich tatsächlich in der Praxis darstellen dürften.

Philip BansePhilip Banse

100 Meter ist die maximale Entfernung. So weit-

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wo das verboten ist.

Philip BansePhilip Banse

Wo das verboten ist. Wenn die Schule aber nicht in Sichtweite ist und man ist um die Ecke und Luftlinie 50 Meter, kann man trotzdem kiffen, wenn die Kita oder die Schule nicht in Sichtweite ist.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wenn zum Beispiel eine Häuserecke dazwischen liegt oder so, wenn eine Häuserzeile dazwischen liegt, irgendwas, wenn auch nur eine Hecke dazwischen ist, dann ist die Schule eben nicht mehr zu sehen. Das ist die entscheidende Frage. Und insofern ja, wie gesagt. Das hat-

Philip BansePhilip Banse

Hochkompliziert ist es nicht.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Eigentlich ist es nicht so kompliziert. Es hat sich offensichtlich noch nicht mal zur Polizei in Brandenburg so richtig rumgesprochen. Der Test ist immer: da, wo ihr steht guckt, seht ihr die Kita? Seht ihr die Schule? Seht ihr den Spielplatz? Oder seid ihr 100 Meter entfernt? Eins von beiden reicht, damit es safe ist.

Philip BansePhilip Banse

Und ich würde mal sagen, das ist mal ein Gesetz, was eine Veränderung mit sich bringt. Das hat die Ampel durchgesetzt. Da kann man jetzt drüber streiten oder nicht. Man kann das gut finden oder nicht, aber das ist ein Gesetz, an dem man die Ampel messen kann, für die man sie wählen kann oder abwählen kann. Aber sie haben ein Projekt umgesetzt, was sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben, und das haben sie jetzt zu weiten Teilen umgesetzt.

Und das ist in meinen Augen eine gute Liberalisierung unserer Gesellschaft. Sie hätte noch weitergehen können in meinen Augen. Aber das ist, finde ich, ein wichtiger Schritt nach vorne. Daran kann man die Politik messen und das, finde ich, ist an sich erst mal schon ein großes Verdienst.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Würde ich genauso sehen. Ich würde nur sagen, wir brauchen natürlich auch noch die Abgabe an Gelegenheitskonsumierende. Also was natürlich ein Problem ist, ist das nach wie vor zwei Themengebiete für den Schwarzmarkt offen sind. Das eine sind Menschen unter 18, die werden nach wie vor leider zum Dealer geschickt und zum anderen Menschen, die eben weder Pflanzen zu Hause haben noch in einem Cannabis Social Club sind. Die haben nach wie vor keine legale Erwerbsmöglichkeit.

Aber, und das muss man ja immer dazu sagen, da soll es ja ein zweites Gesetz geben, das eben auch quasi Coffeeshops in Deutschland ermöglicht. Und da muss man sagen, damit der Schwarzmarkt wirklich, wirklich ein Ende findet, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass dieser zweite Schritt jetzt nicht versandet. Jetzt droht ja schon wieder so ein bisschen der nächste Bundestagswahlkampf. In anderthalb Jahren wird gewählt.

Geht schon so langsam los, bei anderen Themen sieht man schon, wie es da auch in der Ampel starke Absetzbewegungen gibt. Also da würde ich jetzt wirklich sagen, liebe Ampel, jetzt nicht auf halber Strecke stehen bleiben.

Philip BansePhilip Banse

Aber unterm Strich glaube ich, ist es ein gutes Projekt und das wird ja auch wissenschaftlich evaluiert. Und da werden wir sicherlich auch dranbleiben.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Zu unserem nächsten Thema. Wir schauen in die Türkei, denn da haben in dieser Woche Wahlen stattgefunden. Die Türkei ist ja ein sehr bedeutendes und zugleich auch ein stückweit schillerndes Land. Sie ist auf der einen Seite NATO Mitglied, hat auf der anderen Seite aber auch immer noch gute Beziehungen nach Moskau, hat eine vermittelnde Rolle im Ukrainekrieg gespielt, kontrolliert aus geografischen Gründen den Zugang zum Schwarzen Meer, einfach weil der durch eine türkische Meerenge führt.

Und zugleich aber will die Türkei in die EU. Das wiederum ist alles andere als ein Selbstläufer, denn sie wird seit 20 Jahren regiert von Recep Tayyip Erdoğan. Einem, das kann man so sagen, einem Autokraten.

Philip BansePhilip Banse

Ja, das haben wir ja auch schon öfter thematisiert. Journalisten, Journalistinnen werden in der Türkei eingesperrt. Richter, Richterinnen, die Erdoğan unlieb sind, wurden entlassen und progressive Menschen vor allen Dingen fürchten und wirklich um die Reste der Demokratie in der Türkei. Erdoğan ist Mitgründer der AKP, einer islamisch konservativen Partei und er wurde eben letztes Jahr als Präsident wiedergewählt. Nun fanden in der Türkei aber Kommunalwahlen statt.

Da wurden also Bürgermeister, Bürgermeisterinnen und Stadtparlamente neu gewählt. Und da ist was passiert, womit eigentlich kaum jemand gerechnet hatte.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Genau, die AKP, also die Erdoğan Partei, wurde nämlich erstmals seit ihrer Gründung 2002 nur zweitstärkste Kraft bei diesen Kommunalwahlen, gewann also nur 24 der 81 Bürgermeister:innenämter in der Türkei und kam landesweit auch nur auf 35,5 % der Stimmen. Wahlsieger hingegen ist die oppositionelle CHP, eine Mitte Linkspartei.

Philip BansePhilip Banse

Richtig, die erhielten so plus minus 37 % der Stimmen, haben landesweit 35 Bürgermeisterposten erobert. Vor allen Dingen, das ist das Wichtige, haben sie ihre Posten in Istanbul und Ankara verteidigen können. Und dort werden eben traditionell neue, auch nationale Führungsfiguren für die Türkei geboren. Wie wir das jetzt alles zu deuten haben, das wollen wir mal besprechen mit einer Expertin vor Ort, nämlich Beate Apelt.

Sie ist Leiterin des Projekts, wie das so heißt bei der FDP nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in der Türkei. Also sie ist sozusagen Büroleiterin der Naumann Stiftung in der Türkei. Herzlich willkommen in der Lage der Nation. Frau Apelt.

Beate Apelt

Hallo, herzlichen Dank für die Einladung.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, Frau Apelt, wir haben ja gerade schon zwei Stichworte genannt, welche Parteien es so gibt in der Türkei. Was sind denn aus Ihrer Sicht die wesentlichen Parteien, die wesentlichen politischen Kräfte in der Türkei und wofür stehen die?

Beate Apelt

Na, die wichtigsten haben sie schon genannt. Das ist natürlich die AKP, die hier seit 2002 die größte Partei, jetzt eben nicht mehr die größte Partei offensichtlich, ist. Und die wichtigste Oppositionspartei ist die Republikanische Volkspartei, die von Atatürk gegründet wurde, die CHP, die auch am stärksten ist und jetzt der große Gewinner ist. Aber es gibt natürlich kleinere Parteien. Also zum einen möchte ich da die DEM nennen. Das ist eine prokurdische, ziemlich links ausgerichtete Partei.

Viele werden sie kennen unter dem Namen HDP. Firmiert jetzt aber unter dem Namen DEM. Die hat jetzt nicht gut abgeschnitten, hat 5,7 % nur erlangt, aber vertritt eben ein bestimmtes Segment vor allem der kurdischen Bevölkerung. Wichtig bei dieser Wahl war jetzt auch eine Partei, die relativ neu ist, glaube 2018 gegründet, aber bisher relativ unbedeutend war. Die neue Wohlfahrtspartei.

Die ist ganz islamistisch ausgerichtet, also ziemlich radikal, hat auch sehr einseitige Agenda in der Hinsicht und die hat jetzt über 6 % erlangt. Das war eine der vielen Überraschungen dieser Wahl.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wir haben es am Anfang skizziert, bevor wir jetzt sozusagen en detail noch mal in die Ergebnisse und die Analyse der Wahl eintreten, dass in der Türkei ja Journalisten, Journalistinnen verfolgt, eingesperrt werden. Richter, Richterinnen wurden abgesetzt und sobald man auch nur einen Hauch Verständnis für die Belange der Kurden und Kurdinnen äußert, läuft man Gefahr, in den Knast zu wandern. Vielleicht bevor wir über die Wahl konkret reden.

In welchem politischen Klima hat das alles stattgefunden? Was ist das politische Klima der Demokratie in der Türkei unter Erdoğan?

Beate Apelt

Also die Türkei ist kein freies Land mehr. Das ist ganz klar. Viele demokratische Spielregeln sind quasi ausgehebelt. Der Präsident hat sich Zugriff verschafft auf eigentlich alle Teile des Staates, also insbesondere der Justiz. Er hat durch seine Verfassungsreform im Jahr 2017 vom Volk abstimmen lassen, dass die Türkei kein parlamentarisches System mehr hat, sondern ein präsidentielles

System. Also es ist ganz, ganz viel Macht in seiner Hand und das einzige, was quasi wirklich noch einigermaßen gut funktioniert als demokratisches Element, sind die Wahlen. Also Wahlen bedeuten hier wirklich was, die Leute gehen hin. Die Wahlbeteiligung ist erstaunlich hoch und es gibt natürlich hier und da Unregelmäßigkeiten. Aber Wahlfälschungen in großen Stil, wie wir das in Russland oder Belarus sehen, gibt es hier nicht.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wir haben ja oben das Ergebnis grob skizziert. Es waren natürlich auf den ersten Blick nur Kommunalwahlen, auf der anderen Seite aber angesichts des mangelnden demokratischen Klimas in der Türkei, angesichts der mangelnden demokratischen Freiheiten für viele doch überraschend, dass eine Oppositionspartei, also eine Partei, die eben nicht mit Erdoğan verbrüdert ist, überhaupt so viele Stimmen bekommen kann. Was waren denn aus Ihrer Sicht die wichtigsten Ergebnisse?

Beate Apelt

Also erst mal möchte ich sagen, auch hier waren alle überrascht. Auch die hiesigen seriösen Umfrageinstitute haben das nicht vorhergesehen, sondern es gab die Erwartung, dass eher einige der bisher oppositionsregierten Städte an die AKP übergehen würden. Also um Ankara und Izmir hat man sich da nicht so viel Sorgen gemacht, aber einige andere schon.

Und auch in Istanbul sah es nach einem sehr knappen Kopf an Kopf Rennen aus zwischen Ekrem İmamoğlu, dem amtierenden Bürgermeister, und seinem AKP Herausforderer Murat Kurum. Was wir dann jetzt aber gesehen haben, ist, dass die CHP quasi überall dazugewonnen hat, dass sie viele Städte neu gewonnen hat, große und auch kleine

Städte. Und zwar nicht nur in ihren angestammten Hochburgen, also die allergrößten Metropolen und die Ägäis, sondern wirklich auch nach Anatolien rein und auch in kleinere Städte rein, wo wirklich die Leute konservativ sind. Also das war sehr überraschend. Und eine andere Sache habe ich vorhin schon angesprochen, dass diese neue Wohlfahrtspartei, diese islamistische Partei, erstaunliche 6,1 % bekommen hat.

Ich glaube, was wir hier sehen, ist eine Protestwahl der Leute, die eigentlich AKP Anhänger sind und die da eine Alternative gesucht haben. Und ja, wir werden sicher über die Gründe auch noch sprechen.

Philip BansePhilip Banse

Genau, vielleicht kann man da mal, vielleicht kann man da mal einhaken. Was sind denn jetzt so die inhaltlichen Gründe, die die Leute haben, die Opposition wählen lassen? Das sind ja Kommunalwahlen, da geht es ja auch um städtische Belange wahrscheinlich, lokale Belange. Was waren die Gründe?

Beate Apelt

Also die ganzen Zahlen der einzelnen Distrikte sind noch nicht so richtig analytisch aufgearbeitet, das ich jetzt richtig valide was dazu sagen kann. Aber es gibt natürlich Vermutungen, woran es gelegen hat. Also erst mal muss man wissen, es ist nicht so, dass jetzt massenweise Wähler von der AKP zur CHP rübergegangen sind.

Die Türkei ist ein unglaublich polarisiertes Land und dass man dieses Lager wechselt vom konservativ religiösen ins säkulare Lager irgendwie wechselt, das ist gar nicht so wahrscheinlich. Man sieht eher, dass viele, viele AKP Wähler einfach zu Hause geblieben sind. Die Wahlbeteiligung war nur 78 %, die war letztes Jahr 84 %, bei den letzten Lokalwahlen sogar 88 %. Oder sich eben für eine Alternative im eigenen Lager, im konservativen und religiösen Lager entschieden haben.

Und die Inhalte, die mögen teilweise eine Rolle gespielt haben in den Städten, aber ganz viel ist das hier, glaube ich, auch ein Abstrafen der Regierungspolitik im wirtschaftlichen Bereich gewesen. Den Türkinnen und Türken geht es nicht gut. Wir haben hier eine riesen Inflationskrise seit zwei Jahren und jetzt ist gerade die Inflation wieder etwas angestiegen auf fast 70 %. Das sind aber nur die offiziellen Zahlen.

Unabhängige Institute sprechen von dreistelligen Zahlen und den Leuten geht es wirklich nicht gut, speziell den Rentnern. Die Renten sind inzwischen weit unter dem Mindestlohn, sie sind unter der Armutsgrenze. Und die Leute haben schon erwartet, dass Erdoğan noch mal ein Wahlgeschenk austeilt und die Renten erhöht. Das ist nicht passiert.

Er hat ja seit letztem Jahr einen ziemlich vernünftigen Finanz- und Wirtschaftsminister eingesetzt, der versucht, das Land wirtschaftlich wieder aufs richtige Gleis zu setzen, sage ich mal, und es geht nicht gut zusammen mit dem Austeilen von großen Geldgeschenken, die nicht finanziert sind. Von daher denke ich, die Wahl ist gar nicht so einen Zuspruch zur CHP gewesen, sondern eher ein Protest gegen die AKP.

Philip BansePhilip Banse

Das führt zur Frage, wie es mit Erdoğan weitergeht. Der hat sich ja im Wahlkampf sehr präsent gezeigt, hat jetzt aber die Niederlage für viele überraschend, doch eindeutig und ohne großes Winden eingeräumt und war ungewohnt selbstkritisch. So habe ich das zumindest empfunden. Und Anfang März hatte ich gelesen, Anfang März soll er gesagt haben, dass diese Kommunalwahlen für ihn das Finale sein würden.

Jetzt sind ja Präsidentschaftswahlen gerade letztes Jahr gewesen, die nächsten sind 2028, also tritt er da nicht mehr an? War es das jetzt für Erdoğan?

Beate Apelt

Das kann ich zum heutigen Zeitpunkt nicht vorhersagen. Also die türkische Verfassung sagt, er darf nicht noch mal antreten. Bei den nächsten Wahlen 2028 müsste er ein Nachfolger aufbauen. Aber wenn er antreten wollte, hätte er die Mittel, denke ich, das möglich zu machen. Also sowas ist hier auch schon in der Diskussion, nicht von seiner Seite. Aber es gibt andere, die da Stichwortgeber sind, man könnte die Verfassung ändern, so er noch ein weiteres Mal antreten

kann. Man könnte vorgezogene Neuwahlen ausrufen, auch dann könnte er noch mal antreten. Also das würde ich nicht völlig ausschließen. Das hängt vielleicht auch von seiner Kraft ab, ob er sich eine weitere Legislaturperiode zutraut, Regierungsperiode. Also das schließt man hier nicht aus.

Aber auf der anderen Seite sehen wir natürlich jetzt eine neue Figur, die Potenzial hat für eine Präsidentschaftskandidatur, nämlich Ekrem İmamoğlu hier in Istanbul, von dem man vorher schon gesagt hat, wenn er die Wahl jetzt verliert, wird er weg vom Fenster sein. Aber wenn er sie gewinnt, dann wird er der nächste Präsidentschaftskandidat der CHP.

Philip BansePhilip Banse

Ja, denn der hat ja jetzt den dritten Sieg gegen die AKP eingefahren als Bürgermeister von Istanbul, also einer der ganz großen türkischen Metropolen. Und zugleich gilt er jedenfalls Beobachtern in Deutschland häufig als Hoffnungsträger der progressiven Kräfte in der Türkei.

Auf der anderen Seite läuft gegen ihn ein Gerichtsverfahren, wo natürlich jetzt viele sagen, na, das sei im Wesentlichen politisch motiviert, das sei ein Versuch, ihn auszuschalten, weil da möglicherweise nämlich eine Haftstrafe und auch ein Betätigungsverbot bei rauskommen könnten.

Und wenn man sich das mal so überlegt, der vielleicht aussichtsreichste Oppositionskandidat wird vor Gericht gezerrt, kann man sich ja schon die Frage stellen, hat die Demokratie in der Türkei überhaupt noch eine Chance, wenn gleich versucht wird, die Menschen auszuschalten? So in Putin's Style?

Beate Apelt

Na ja, da ist er kein Einzelfall. Es gibt ja auch etliche andere, besonders unter den kurdischen Politikerinnen und Politikern, die mit Verfahren, also von politischer Aktivität ferngehalten werden. İmamoğlu hat sogar drei Verfahren in irgendeiner Form laufen. In einem ist er bereits verurteilt zu zwei Jahren, sieben Monaten und ein paar Tagen Gefängnis. Die wird er nicht absitzen müssen. Das Urteil ist jetzt noch in zwei höheren Instanzen.

Wenn das irgendwann endgültig in Kraft tritt, wird er tatsächlich ein Politikverbot bekommen. Die Gefängnisstrafe sehe ich nicht kommen. Aber es gibt zwei weitere, auch politisch motivierte Untersuchungen gegen ihn. Das heißt, dieses Mittel oder diese Karte, die man dann ziehen kann, wenn es kritisch wird, die wird schon vorbereitet. Allerdings ist in der Türkei immer auch mit Überraschungen zu rechnen. Und das muss nicht heißen, dass man ihn auf Dauer von der Politik fernhalten kann.

Auch Erdoğan ist damals nach seiner Bürgermeisterzeit in Istanbul in einem politischen Verfahren ins Gefängnis gesteckt worden und danach umso stärker in die Politik zurückgekehrt und dann Ministerpräsident geworden.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Nun hat sich ja die Ampelkoalition eine menschenrechtsgeleitete Außenpolitik auf die Fahnen geschrieben. Gerade die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat dem sogar noch das Attribut feministisch hinzugefügt. Also eine feministische Außenpolitik soll es sein. Da stellt sich natürlich die Frage, wenn man sich diese Situation in der Türkei anschaut, was würden Sie denn denken, wie sollte sich die Außenpolitik gegenüber Erdoğan zurzeit positionieren?

Beate Apelt

Das ist eine knifflige Frage, weil man kann natürlich ganz auf die, auf die Werte, auf die Menschenrechte setzen und dann muss man im Prinzip Sanktionen verhängen. Aber das ist nicht so einfach. Wir sind mit der Türkei in vielfältiger Weise ganz eng verbunden. Es gibt unglaublich enge, wichtige Wirtschaftsbeziehungen, die für beide Länder sehr gewichtig sind. Die Türkei ist ein wichtiges NATO Mitglied mit der zweitgrößten Armee in der NATO.

Aber nichtsdestotrotz liegt sie zwischen der EU und dem unruhigen Nahen und Mittleren Osten. Also das ist kein Partner, den man einfach abschreiben kann, sondern man muss sich da engagieren und irgendwie pragmatisch Politik machen. Aber was natürlich in der Außenpolitik gut wäre, wenn man sozusagen die Hebel, die man hat, auch einsetzt, um etwas hier für die Verbesserung der Menschenrechtssituation zu erreichen, auch für einzelne Leute, die im Gefängnis sitzen.

Und so was funktioniert am besten meiner Ansicht nach hinter verschlossenen Türen auch vielleicht, dass man wirtschaftliche Entscheidungen mal mit solchen Dingen verknüpft, aber bitte nicht auf Twitter oder sehr öffentlich, weil das ist etwas, was also gegenteilig ausschlägt eher wenn dann der Präsident hier sein Gesicht verliert.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Letzte Frage vielleicht auch noch daran anknüpfend. Es gibt ja immer noch die Idee bei vielen, dass die Türkei der EU beitreten sollte. Was ist da der Stand? Die Perspektive?

Beate Apelt

Also offiziell ist die Türkei immer noch Beitrittskandidat. Es gibt da zwei Schulen, sozusagen. Die einen sagen ja, man sollte jetzt sich mal ehrlich machen und es jetzt mal beenden, weil das hat realistisch keine Aussicht auf Erfolg. Und die anderen sagen, es ist aber gut, wenn wir diese Instrumente noch haben, also wenn die Türkei institutionell noch eingebunden ist. Es gibt auf dieser Ebene des EU Beitritts Zusammenarbeit.

Es gibt auch Gelder aus der EU für bestimmte Infrastrukturmodernisierung in der Türkei usw. Die Türkei akzeptiert dadurch auch EU Unterstützung für zivilgesellschaftliche Organisationen und es wäre zum Nachteil der Türkei es aufzugeben. Wichtig finde ich ehrlich gesagt auch, über die Hälfte der Menschen in der Türkei würden gerne Mitglied in der EU werden und würden sich entsetzlich hängen gelassen fühlen, wenn man diese Tür wirklich zuschlägt.

Aber realistisch ist das natürlich in den nächsten Jahren überhaupt nicht.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, ganz herzlichen Dank. Das war im Gespräch mit der Lage Nation Beate Apel. Sie leitet das Projekt, also das Büro der FDP nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in der Türkei. Ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.

Beate Apelt

Auf Wiedersehen!

Philip BansePhilip Banse

Wir haben ne kleine Korrektur anzubringen. Und zwar hatten wir im Zusammenhang mit dem neuen Organspenderegister, das es jetzt online gibt, gesagt, ja, da muss man sich mit dem Personalausweis und der eID Funktion einwählen. Das stimmt auch, aber in dem Zusammenhang hatten wir gesagt, dass das für unter 16-jährige de facto noch nicht funktioniert, weil die angeblich keinen Personalausweis haben.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das stimmt halt nicht. Das war so, als Philip und ich unseren ersten Perso beantragt haben damals. Irgendwie, da war das die ganz große Neuigkeit. Ich bin jetzt 16, ich kriege jetzt einen Perso. Das ist heute anders. Heute können Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit schon ab der Geburt einen Personalausweis beantragen. Findet sich auf den Seiten des Innenministeriums.

Für Kinder unter 16 Jahren muss die Beantragung dann allerdings durch die Sorgeberechtigten erfolgen und das Kind muss bei der Beantragung persönlich anwesend sein. Also auf Deutsch, man muss mit dem Baby zum Amt, aber dann kann man auch einen Personalausweis für Menschen unter 16 beantragen.

Philip BansePhilip Banse

Und das ist halt umso ärgerlicher dieser Fehler, weil ich das natürlich vor sechs Wochen durchexerziert habe mit meinem Sohn. Wir waren dann schön beim Bürgeramt, haben Reisepass und Personalausweis beantragt und dann ist das so geil in Berlin, was sie wollen Reisepass und Perso? Das ist doch Quatsch.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Tja, ich weiß schon.

Philip BansePhilip Banse

Aber nein, das machen wir nicht. Wir hätten aber gerne. Aber ist teuer. Ich sage ja, aber manchmal vergisst man das eine. Und ich hätt einfach gern beide. Ja, das ist doch Quatsch. Und? Ja, aber ich hätte gern beides. Ich hätte gerne einen Reisepass. Und ich hätte gern Perso. Können wir das bitte so machen? So. Ja. Also, ich hätte es wissen sollen. Ich und meine Frau, wir haben einen kleinen Familienausflug gemacht, weil es in Berlin natürlich auch

immer so geil ist. Du kriegst natürlich keinen Termin.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

War das nicht diese Reise nach Spandau?

Philip BansePhilip Banse

War die Reise nach Spandau. Da hast du die 115 angerufen, weil du natürlich kein Termin klicken konntest und 115 sagt ja, ja, wir haben ja ein Termin übermorgen 7:35 oder irgend so eine Zeit war das. Wir sind um 5:30 aufgestanden, haben diese Weltreise nach Spandau raus gemacht mit dem Lütten natürlich. In dem Perso steht jetzt eine Größe drin. Der ist heute schon nicht mehr so groß.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wie? Da stehen irgendwie 60 Zentimeter?

Philip BansePhilip Banse

66 Zentimeter steht dann da drin. Da ist dann halt ein Foto. An dem Tag schon habe ich den auf dem Foto schon nicht mehr wiedererkannt. Anyway. Aber Kinder nach der Geburt. Er hat jetzt beides. Kinder ab der Geburt, Perso und Reisepass.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Zu unserem nächsten Thema. Man denkt ja immer in der Demokratie, da gibt es so einen öffentlichen Raum, so ein Diskursraum und da herrscht ein fairer Kampf um die besten Ideen. Da wird mit vollem Einsatz um die Wahrheit gerungen. Es wird sich ein faires Gefecht um die besten Ideen geliefert. Der Marktplatz der Ideen. Das Town Hall Meeting. Da geht es um die Wahrheit, denkt man immer so, ist so eine Art demokratisches Ideal. Aber Philip, wenn man ganz ehrlich

ist, muss man sagen. Das stimmt halt nicht.

Philip BansePhilip Banse

Das stimmt nicht. Die öffentliche Debatte wird von sehr vielen Interessen beeinflusst. Das ist nicht immer illegitim. Es gibt auch Lobbygruppen, die natürlich Interessen formulieren, was völlig legitim ist.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Weil das dann transparent ist.

Philip BansePhilip Banse

Das ist ein wichtiger Faktor. Es soll natürlich transparent sein und nachvollziehbar sein, wie solche Interessen finanziert werden, wie sie vorgetragen werden. Also das ist natürlich auch Teil einer freiheitlichen Gesellschaft, dass eben wirklich auch alle Teile der Gesellschaft an dieser Debatte mitwirken können.

Es hat aber in letzter Zeit vermehrt Einflüsse auf diese Debatte in Deutschland und der Welt gegeben, die a) nicht transparent sind und b) antiwissenschaftlich und antidemokratisch sind.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Weil ein demokratischer Diskurs eben darauf angewiesen ist, dass die Menschen, die da mitdiskutieren, jedenfalls im Grundsatz bei der Wahrheit bleiben und nicht mit Fake News um sich werfen. Und selbst Spitzenpolitiker:innen sind nicht völlig frei davon. Sie unterliegen dem Einfluss von Desinformation. Ein Beispiel dafür war unser Interview in der vergangenen Woche mit Mario Voigt, dem CDU Spitzenkandidaten zur Landtagswahl 2024 in Thüringen. So sagte uns Mario Voigt im Interview.

Mario Voigt

Herr Habeck feiert sich gerade dafür, dass er 30 % Förderung für quasi das Gebäudeenergiegesetz offengelegt hat. Nur in meinem Thüringer ländlichen Raum, wenn die das machen müssen, dann kostet die die Investition 100.000 € mit Wärmepumpe.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das stimmt ja nicht.

Mario Voigt

Doch, natürlich.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ich war gerade, dieses das stimmt einfach nicht.

Mario Voigt

Nein. Die Wärmepumpe alleine kostet nur 15.000 €. Aber es geht ja darum, Sie müssen Ihre komplette Heizung...

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ne, das stimmt nicht.

Philip BansePhilip Banse

Was Voigt da sagt, ist ja nicht völliger Quatsch. Natürlich gibt es alte Häuser, die man besser sanieren sollte und dann kostet das auch schnell 100.000 €. Aber wenn die Leute keine Wärmepumpe wollen in diesen Häusern, dann kaufen sie sich halt keine. Niemand zwingt sie dazu, ihre Heizung auszutauschen. Sie können weiter mit Gas heizen, auf die nächsten Jahre und Habecks Förderprogramme ignorieren. Das ist die erste Irreführung.

Niemand muss seine Heizung tauschen, auch wenn das durch solche Äußerung insinuiert wird. Nebenbei wäre es aber trotzdem natürlich ganz cool, solche Häuser zu sanieren, weil auch wenn sie mit Gas heizen, wird das nämlich demnächst richtig teuer, weil Gas richtig teuer wird und jede eingesparte Kilowattstunde bares Geld spart. Aber das nur nebenbei.

Die zweite Irreführung ist, Erzählung wie diese: "Habecks Wärmepumpe kostet euch schnell 100.000 €", die führen viele in die Irre und die verschleiern, dass Wärmepumpen in sehr sehr sehr vielen, auch alten Gebäuden, alten Häusern ohne Probleme betrieben werden können, günstiger sind und nebenbei natürlich noch besser fürs Klima. Das haben diverse Studien ergeben und das ist schlicht Stand der Wissenschaft.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Aber trotzdem führen wir eine Nebelkerzendebatte nach der nächsten. Weitere Beispiele neben der Wärmepumpe: heizen mit Wasserstoff. Auch nicht realistisch. EFuels für Autos, allenfalls für Oldtimer irgendwie relevant. Trotzdem wird darüber diskutiert. Und da haben wir uns einfach gefragt, warum führen wir diese wissenschaftlich kaum nachvollziehbaren Quatschdebatten? Warum glauben so viele Menschen an Ideen, die naturwissenschaftlich betrachtet ganz wenig Sinn machen?

Philip BansePhilip Banse

Ja, nicht nur, aber eben vor allen Dingen auch in dieser Klimafrage. Und dazu hat ein Buch geschrieben Professor Dr. Christian Stöcker. Das Buch heißt "Männer, die die Welt verbrennen". Christian Stöcker hat Psychologie studiert, promoviert in kognitiver Psychologie, war dann viele Jahre Journalist, unter anderem eben ab 2005 rund elf Jahre beim Spiegel im Ressort Netzwelt, das er fünf Jahre lang geleitet hat, von 2011 bis 2016.

Heute ist er Professor für digitale Kommunikation an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Er kennt also die Perspektive aus der Medien-, aus der Journalistensicht und eben auch aus der wissenschaftlichen Sicht. Wie gesagt, hat jetzt ein Buch geschrieben "Männer, die die Welt verbrennen". Ganz herzlich willkommen in der Lage, Professor Christian Stöcker.

Christian Stöcker

Vielen Dank für die Einladung.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, Herr Stöcker, warum wird denn in Deutschland überhaupt noch kontrovers darüber diskutiert, ob eine Wärmepumpe Sinn macht?

Christian Stöcker

Ja, das ist eine Frage, bei der, wenn man sie ehrlich beantwortet, man immer in der Gefahr ist, dass man gleich das Gefühl vermittelt, das Reich der Verschwörungstheorie zu betreten. Also so bitter muss man es leider sagen. Es wurde insbesondere im letzten Jahr in Deutschland unfassbar viel Desinformation über Wärmepumpen verbreitet.

Es gibt klare Belege aus Großbritannien beispielsweise für also auch konzertierte, von gut finanzierten PR Agenturen gesteuerte Kampagnen, um entsprechende Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Wärmepumpen zu säen. In Deutschland haben wir sowas so klar belegt nicht.

Aber wir haben jede Menge von völlig absurden und grotesken Aussagen von Politikern, eigentlich ausschließlich männlichen, fast ausschließlich bis auf Sahra Wagenknecht, zum Thema Wärmepumpen in Talkshows und an anderen Stellen, wo man sehr deutlich sieht, dass da einfach absichtlich Falschinformation gestreut wurde und gleichzeitig unheimlich viel Blödsinn erzählt wurde, auch über alternative Möglichkeiten. So was wie Wasserstoffheizungen.

Wir werden in Deutschland niemals irgendwo ernsthaft mit Wasserstoff heizen. Aber Jens Spahn beispielsweise saß letztes Jahr in einer Talkshow und hat behauptet, mit der Photovoltaik auf dem Dach machen wir Wasserstoff im Keller und den verbrennen wir dann in der Gasheizung. Das wird definitiv nicht passieren. Zum Glück, wäre nämlich auch sehr

gefährlich. Aber es wurde wirklich konzertiert, unter anderem von Politikern bestimmter Parteien, aber auch von bestimmten Zeitungen aus dem Springer Verlag insbesondere, diese Technologie absichtlich und mit viel Falschinformation schlechtgeredet, das muss man leider sagen.

Philip BansePhilip Banse

Das gilt ja nicht nur für die Wärmepumpen. Da gibt es ja auch viele andere Sachen eFuels für Autos und solche Sachen. Auch der öffentliche Personennahverkehr, da gibt es ja ganz viele Debatten, die wissenschaftlich kaum zu halten sind. Die Frage ist, woher kommt das? Informieren sich die Leute nicht, wissen sie es nicht besser?

Christian Stöcker

Also wenn man sich jetzt mal nur die Politik anschaut, ist es eine Mischung. Also es gibt Leute, die sind da zweifellos im Auftrag irgendwelcher bestimmten Branchen unterwegs. Also Beispiel die deutsche Gasbranche, die ziemlich groß ist und verzweigt und komplex, weil sie besteht zum Teil aus regionalen Energieversorgern usw, Stadtwerke, denen Gasnetze gehören und so. Die verfügen über gewaltige Assets.

Also das deutsche Gasnetz ist sicher mehrere 100 Milliarden Euro wert und diese gewaltigen Assets werden sich in den nächsten 20 Jahren zwangsläufig in sogenannte stranded Assets verwandeln, also in Investitionsgüter, die nichts mehr wert sind, weil man nicht mehr mit Gas heizt, weil wir das einfach nicht mehr machen können. Weil es gibt eine Klimakrise und wir müssen aufhören, CO2 zu produzieren.

Das heißt, da gibt es eine große, verzweigte, komplexe Branche mit einer komplexen, verzweigten Lobby. Also beim Gas zum Beispiel gibt es da eine Lobbyorganisation namens Zukunft Gas, der bis wenige Wochen vor Beginn des Angriffs auf die Ukraine auch noch Gazprom angehört hat, also der russische Gaskonzern, der in Deutschland kräftig Lobbyarbeit gemacht hat für, Zukunft Gas sagt ja eigentlich alles. Also das Gas hat eben keine

Zukunft. Aber es gibt Leute, die da sehr intensiv dran arbeiten, dafür zu sorgen, dass es so ist. Vor dem Hintergrund ist übrigens auch diese Wärmepumpedebatte zu sehen. Also in dem Moment, in dem ich eben dafür sorge, dass sich jetzt jemand noch eine Gasheizung einbaut, was leider letztes Jahr sehr erfolgreich funktioniert hat, erzeuge ich eben einen Absatzmarkt, der erst mal viele Jahre weiterbestehen wird. Und nur darum geht es.

Also erst mal, es gibt viele Marktbeteiligte, die ein großes Interesse daran haben, weiter ihre Produkte zu verkaufen und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Es gibt Politikerinnen und Politiker, die denen gerne einen Gefallen tun, aus welchen Gründen auch immer. Ich will da jetzt nicht in Spekulationen eintreten.

Es gibt Medienhäuser wie Springer, die zu im Fall von Springer 35 % KKR gehören, einem der größten Private Equity Investoren in fossile Brennstoffe des Planeten, Zusätzlich ein kanadischer Pensionsfonds ist da auch noch mit drin bei Springer, der auch hohe Anteile an fossilen Brennstoffen hält. Und Mathias Döpfner selbst, der mal in seinen bekannten SMS an Julian Reichelt geschrieben hat, ich bin sehr für den Klimawandel.

Warmzeiten waren immer Zeiten, in denen die Menschheit besonders erfolgreich war. Also es gibt Medienhäuser, Politiker, aber vor allem im Hintergrund eben Lobbyorganisationen und Interessen, die ganz intensiv daran arbeiten, diese bizarre Parallelrealität, in der fossile Brennstoffe besser sind als Wärmepumpen zu erzeugen.

Philip BansePhilip Banse

Eine Nachfrage noch zu dieser Springer KKR Geschichte. Springer, größter Verlag in Europa, KKR, haben sie geschildert. 35 % Anteil, große, viele Investments in fossile Energien. Da würde Springer jetzt entgegnen, na, das mag ja sein, aber die haben ja keinen Einfluss auf unsere Redaktion.

Christian Stöcker

Na ja, also wie das Verhältnis von Verlag und Redaktion in Medienhäusern normalerweise sein sollte in Deutschland, ist ja gekennzeichnet durch den Begriff Brandmauer. Den gibt es nicht nur in Bezug auf die AfD, sondern auch in Bezug auf die Brandmauer zwischen Verlag und Redaktion. Und wie das bei Springer praktisch gehandhabt wird, wissen wir spätestens seit diesen SMS von Mathias Döpfner. Please stärke die FDP.

Also in dem Moment, in dem der Chef des Verlags und der Verlagsgruppe dem Chefredakteur der Flaggschiff Zeitung explizite inhaltliche Ansagen macht, und zwar sehr konkrete tagespolitische Ansagen, würde ich sagen, kann man ja schon davon ausgehen, dass Einflussnahme stattfindet auf eine ganz andere Art und Weise, als man sich das in einem regulären journalistischen Betrieb eigentlich wünschen würde.

Nachweisen, dass KKR irgendwelche konkreten Ansagen bei Springer macht, kann man natürlich nicht, aber man kann schon sagen, dass Springer eine Hauspolitik hat. Also der Herausgeber der Welt, Stefan Aust, der ehemalige Spiegel Chefredakteur, der schon seit über 20 Jahren in Deutschland gegen Windkraft agitiert, das ist jemand, der letztes Jahr noch gesagt hat, er zweifelt, ob der Mensch für die Klimakrise verantwortlich ist.

Der bekannteste deutsche Klimaskeptikerjournalist Deutschlands wurde von Springer angeheuert, nachdem sonst niemand mehr mit ihm zusammenarbeiten wollte. Also Springer kultiviert aktiv dieses einerseits klimaskeptische und andererseits transformationsskeptische Narrativ sowohl personell als auch inhaltlich. Und ich meine, die Gesamtkombination ist schon relativ

klar. Es gibt da offensichtlich ein Klima in diesem Haus, pun not intended, das dafür sorgt, dass man auf diese Art und Weise über diese Themen berichtet.

Philip BansePhilip Banse

Nun gut, das ist jetzt Springer. Ich meine, die haben in Deutschland eine große Medienmacht, aber die sind ja jetzt auch nicht das einzige Medienhaus. Und man würde ja eigentlich denken, dass Journalistinnen und Journalisten bemüht sein müssten, die Menschen halbwegs wissenschaftlich präzise zu informieren.

Warum finden sich in der deutschen Medienlandschaft auch jenseits von Springer so viele falsche oder jedenfalls irreführende Informationen zum Thema Wärmepumpen zum Beispiel oder auch zu anderen klimarelevanten technischen Fragen?

Christian Stöcker

Also das sind 2 bis 3 Themen. Also einmal ist es so, dass glaube ich der deutsche Journalismus insgesamt das Thema Klimakrise lange Zeit nicht vollständig verschlafen, aber doch völlig falsch eingeschätzt hat. Also es gibt da diesen berühmten Satz von Thomas Bellut, ehemals Intendant des ZDF, der sagt, das Klima ist ein Thema und danach kommt das nächste Thema. Das ist falsch.

Also nach dem Klima, wenn das Thema Klima nicht ordentlich behandelt wird, kommt gar kein Thema mehr, sondern der Zusammenbruch der menschlichen Zivilisation. Und sicher, also da gibt es sozusagen institutionelle Trägheit. Es gibt Leute, die jetzt wirklich ungern sich eingestehen wollen, dass sie 20 Jahre lang in die falsche Richtung geguckt haben. Das sind alles Dinge, die dabei eine Rolle spielen. Es gibt strukturelle

Probleme. Also es gibt eben in den öffentlich rechtlichen keine zentrale Klimaredaktion oder so was. Also die wirkmächtigste Klimaberichterstattung im öffentlich Rechtlichen, um jetzt mal nur in diese Richtung zu gucken Fernsehen, machen die Leute, die den Wetterbericht machen, also Leute wie Sven Plöger und Karsten Schwanke und Özden Terli usw. Die sprechen im Wetterbericht über die Klimakrise und das ist sehr

ehrenhaft. Aber das ist wirklich eigentlich der falsche Ort, sondern es ist eben ein Querschnittsthema. Also es gibt institutionelle Schwierigkeiten, glaube ich, und Trägheit und auch kognitive Dissonanz, die man überwinden muss, weil man eben die ganze Zeit zu wenig über etwas gesprochen hat, über das man hätte mehr sprechen müssen.

Das andere ist aber ich glaube, wir sind als Gesellschaften auch immer noch nicht richtig auf Ballhöhe, was das Ausmaß und die Verteilung und die Vernetzung von fossiler Desinformation über die letzten 40 Jahre angeht. Also in den USA gibt es immer noch eine sehr große Zahl von Leuten, die nicht glauben, dass es eine menschengemachte Klimakrise gibt. In den meisten Ländern der Welt ist das mittlerweile anders.

In den USA ist es noch sehr ausgeprägt, weil die USA auch das Mutterland der organisierten Klimawandelleugnung sind. Da gibt es also Milliardäre und Konzerne wie Exxon, die wirklich hunderte von Millionen Dollar mindestens investiert haben, um um da Desinformation zu verbreiten. Mittlerweile ist diese Struktur immer noch da. Also die besteht aus Think Tanks und Stiftungen und irgendwelchen vermeintlichen Expertinnen und Experten und Lobbyismusorganisationen ohne Ende.

In den USA bezahlte sogenannte Grassrootorganisationen, die in Wirklichkeit der verlängerter Arm von Charles Koch sind, dem größten privaten Ölmilliardär des Landes usw. All diese Strukturen sind noch da. Die meisten davon machen jetzt keine Klimawandelleugnung mehr. Aber sie machen jetzt halt was anderes, nämlich sie verbreiten Desinformation im Kontext der notwendigen Gegenmaßnahmen und sie diskreditieren einzelne Formen von Energieerzeugung.

Also zum Beispiel gibt es in Deutschland, glaube ich, wahnsinnig viele Leute, die nicht glauben, dass Elektroautos besser fürs Klima sind als Verbrenner. Es ist aber glasklar, dass das so ist. Es ist ein großer Erfolg, von dieser weitverzweigten Lobbystruktur dafür gesorgt zu haben, dass an ganz vielen Stellen Zweifel besteht über die Richtigkeit der notwendigen Maßnahmen.

Philip BansePhilip Banse

Diese Strukturen reichen ja rein bis in den Deutschen Bundestag. Es gibt ja immer wieder einzelne Figuren, die gab es in der Großen Koalition schon im Bundeswirtschaftsministerium, und die gibt es aber auch jetzt noch im Bundestag, in den Regierungsfraktionen. Einzelne Figuren, die dieses Gedankengut und diese Industrieinteressen und diese Zweifel an den Gegenmaßnahmen in die parlamentarische Debatte reintragen. Wer ist das in Deutschland?

Christian Stöcker

Also derjenige, der das Wärmepumpengesetz, das Gebäudeenergiegesetz im Prinzip mehr oder weniger im Alleingang entkernt hat, ist Frank Schäffler von der FDP. Also die Geschichte geht so. Ein Referentenentwurf wird durchgestochen an die Bildzeitung von wem auch immer, mit einem bestimmten Spin, der nichts mit dem zu tun hat, was in dem Gesetzentwurf tatsächlich drinsteht. Da stand nicht drin, wir kommen und reißen dir die Heizung aus dem Keller. Aber das war die Geschichte, die erzählt wurde.

Dann einigt sich die Koalition auf eine veränderte Version dieses Gesetzes, die schon deutlich abgeschwächt ist. Koalitionsausschuss einigt sich. Lindner sagt, wir haben jetzt eine nicht planwirtschaftliche Lösung gefunden. Dann gibt es eine FDP Parteitag, und dort versammelt Frank Schäffler 30 Rebellen um sich und stürzt auch diese neue Version des

Gesetzes. Und es wird am Ende eine noch weiter entkernte Version verabschiedet, über die sich dann in Deutschland eine einzige Gruppe richtig freut, nämlich die Gaslobby. Und zwar öffentlich. Und zu Frank Schäffler muss man jetzt wissen. Frank Schäffler ist ein hardcore Libertärer, auch wenn er selber das immer wieder bestreitet, der ein privates Institut namens Prometheus Institut betreibt, das wiederum zum Atlasnetzwerk

gehört. Und das Atlasnetzwerk ist ein seit den Achtzigern bestehendes Netzwerk von libertären Thinktanks weltweit, gegründet in Großbritannien. In Australien, haben die Atlas Mitglieder jetzt mitgewirkt dabei, das The Voice Referendum zu drehen, in dem den Aborigines mehr Mitspracherecht eingeräumt werden sollte bei Entscheidungen, die sie betreffen, weil es ja auch um Öl und Gas und vor allem Kohle geht in Australien. Also das Atlasnetzwerk ist ein Teil dieser Einflussstruktur, würde ich

sagen. In dem steckt sehr viel Geld von Charles Koch drin und auch sehr viel Geld von Exxon und anderen, mit der versucht wird, weltweit bestimmte Narrative in den Markt zu drängen. Ein konkretes Beispiel ist, Frank Schäffler ist einer von denen, die immer die Protestierenden der letzten Generation als Terroristen bezeichnet hat. Obwohl also sich irgendwo festzukleben wirklich kein Terrorismus ist.

Und dieses Narrativ Klimaprotest ist Terrorismus, das betreiben Angehörige des Atlas Netzwerks schon seit den späten 70er Jahren. Das ging los in Südamerika. Man findet es in verschiedenen Weltregionen. Also diese, diese Geschichte, die da erzählt wird, ist eine Geschichte, die sozusagen in diesen Strukturen entwickelt worden ist und schon sehr lange erzählt

wird. Und dazu muss man sagen, Frank Schäffler hat letzten Sommer noch der Zeit gesagt in einem Gespräch, er zweifelt nicht daran, dass sich das Klima ändert. Aber welchen Anteil der Mensch daran hat, das ist noch mal eine andere

Frage. Es gibt eine starke Verknüpfung zwischen so libertären Ideen und Klimawandelleugnung, weil in dem Moment, in dem ich sage, der Markt regelt alles, muss ich immer noch sagen, aber wenn der Markt es nicht regelt, weil es nämlich negative Externalitäten gibt, also schwere Schäden, die angerichtet werden durch ein Geschäftsmodell, dann muss das irgendwie durch Regulation, Regulierung ausgeglichen werden. Das ist aber beim Klimawandel natürlich nicht passiert und beim CO2.

Also muss man behaupten, CO2 richtet gar keinen Schaden an und Frank Schäffler, ein sehr einflussreicher Politiker innerhalb der FDP, tut das immer noch. Das sind die Leute, die in Deutschland Energiepolitik maßgeblich mit beeinflussen leider.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wenn man jetzt auf diese Strukturen der Desinformation schaut, die Sie ja am Beispiel dieser Klimadebatten analysiert haben. Menschen mit viel Geld, Menschen, die viel Geld verdienen mit dem Verbrennen von fossilen Energieträgern, die finanzieren Institute. Das setzt sich dann wiederum fort in der Politik und in bestimmten Medienhäusern.

Wenn man also sich diese Strukturen der Desinformation anschaut, sehen Sie ähnlich geplanten, Unsinn möchte ich das mal nennen, also bezahlten Quatsch in den Köpfen. Sehen Sie das auch in anderen Diskursen in Deutschland?

Christian Stöcker

Ja, in jedem Fall. Also das ist ja das, was ich tatsächlich an der HAW Hamburg in mehreren Forschungsprojekten tatsächlich mache. Da gucken wir uns Desinformation im Allgemeinen, digitale Desinformation an und der wichtigste Akteur aus deutscher Sicht im Augenblick ist zweifellos Russland. Da gibt es jede Menge Fälle, auch diverse, sehr aktuelle und durchaus bedrückende Fälle, also sowohl was Zahlungen an die AfD angeht, als auch andere.

Und da muss man wiederum sagen, da gibt es natürlich eine starke Verknüpfung, denn Russland ist ein Land, das maßgeblich von Öl und Gas abhängt oder fast ausschließlich von Öl und Gas abhängt. Also der Reichtum von Wladimir Putin und seinem inneren Kreis aus kleptokratischen Ex KGB Leuten, die sind alle Milliardäre, weil sie sich rechtzeitig Zugriff auf diese fossilen Assets des Landes gesichert haben.

Und mit diesen Assets wird nicht nur Klimadesinformation finanziert, aber auch, sondern natürlich auch so was wie eine kräftige Förderung des Themas Coronaskepsis oder Impfgegnerschaft. Natürlich werden von Russland aus Rechtsradikale und zum Teil auch linksradikale, aber primär rechtsradikale Parteien in ganz Europa nachweislich

gefördert. Lustigerweise, Matteo Salvini von der Lega in Italien, der Rechtsaußen, da gibt es nachweislich eine, da gibt es eine Aufzeichnung von einem Gespräch, wo er als Gesandter eines russischen Oligarchen sich mit mehreren Legavertretern trifft und von der neuen rechten Allianz in Europa schwärmt? Und da wird ein Deal eingefädelt, in dem an Matteo Salvinis Lega 50 Millionen Euro fließen sollen, und zwar über einen getürkten Öldeal.

Also das wurde, Russland macht ganz viele von diesen Geschäften irgendwie auch über Öl. Da fließt alles zusammen und ich glaube, im Endeffekt ist es so, wenn Sie sich einen beliebigen Querdenker suchen und den fragen, wie es denn mit der Klimakrise ist, werden Sie wahrscheinlich erstaunliche und weniger erstaunliche Antworten hören. Weil dieses Desinformationskonglomerat, das da entstanden ist und von Russland kräftig gefördert worden ist, enthält immer auch Klimaskepsis.

Denn es geht ja darum, da das eigene Geschäftsmodell zu sichern. Aber gleichzeitig geht es auch darum, westliche Staaten und Europa so weit wie möglich zu destabilisieren. Und da ist im Zweifelsfall jedes Narrativ recht. Im Moment ist das Narrativ, Deutschland steht am Abgrund und wir haben bald Blackout usw. Eben das sind so Dinge, die den Leuten Angst machen.

Die werden von Russland nach Kräften gefördert und die werden natürlich auch von so Parteien wie der AfD, die Russland sehr nahestehen, munter gepusht.

Philip BansePhilip Banse

Vielen Dank! Das war im Gespräch mit der Lage. Christian Stöcker ist Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg und hat jetzt ein Buch geschrieben. Das nennt sich "Männer, die die Welt verbrennen". Ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit.

Christian Stöcker

Danke Ihnen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, ich habe es ja gerade gehört. Das ist ja bei Professor Stöcker schon angeklungen. Auch Russland versucht, den öffentlichen Diskurs in Deutschland massiv zu beeinflussen. Versucht zu beeinflussen, wie reden wir wann über was? Was sind eigentlich die Themen, die in Deutschland auf Interesse stoßen? Vor allem bezieht sich diese Desinformation hier auf Themen wie Klimawandel, Corona.

Muss man davon ausgehen, dass also ganz viel Coronaimpfskepsis zum Beispiel von Russland beeinflusst war, weil je mehr Menschen in Deutschland krank werden, umso besser für Russland. Aber natürlich geht es Russland auch darum, die Meinung in Deutschland zum Ukrainekrieg, zum Überfall Russlands auf die Ukraine und zu unserer Demokratie allgemein zu beeinflussen.

Philip BansePhilip Banse

Und besonders brisant ist das natürlich jetzt alles, weil im Juni das Europäische Parlament neu gewählt wird und eben europaweit Kräfte auf dem Vormarsch sind, die Russland durchaus freundlich und Sympathie geschwängert gegenüberstehen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und das ist auch wiederum kein Zufall, denn die haben da einfach ihre ganz eigenen Interessen.

Philip BansePhilip Banse

Das jüngste Beispiel für diese Versuche, hier für Unruhe zu sorgen und Fake News zu verbreiten, war, muss man sagen, das in Anführungsstrichen Nachrichtenportal Voice of Europe, also die Domain voiceofeurope.com ist offline, da ist nichts zu finden. Bei Twitter sind sie noch da, mit 180 über 180.000 Followern.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also X jetzt inzwischen.

Philip BansePhilip Banse

X, genau. Also auf den ersten Blick war Voice of Europe ein populistisches, rechts tendenziöses Medienmagazin vielleicht kann man sagen. Da sind also diverse Artikel erschienen in 16 Sprachen, Sitz war in Prag und da dominierten schon so polarisierende Themen, möchte ich es mal nennen Migration, Bauernproteste, solche Sachen. Es gab auch sehr viele Interviews mit vor allen Dingen rechtsextremen und rechtspopulistischen Politikern, also AfD Leute zum Beispiel wie Maximilian Krah.

Erster Platz auf der Liste für die Europawahl der AfD. Wurde da, glaube ich, zweimal interviewt. Aber dann gab es eben auch so merkwürdige Übersetzungsfehler. Also Jan Böhmermann wurde als Moderatorin bezeichnet, glaube ich, und so. Also es gab so ein paar Sachen, wo man beim Lesen so dachte, so-

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das ist jetzt kein deutscher Muttersprachler gewesen.

Philip BansePhilip Banse

Wie ist das jetzt so? Und dann fanden sich, sagt der Spiegel, im Quellcode auch noch kyrillische Buchstaben.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ups.

Philip BansePhilip Banse

Und es stellte sich dann jetzt halt raus, Voice of Europe ist ein russisches Propaganda- und Korruptionsunternehmen. Die tschechische Regierung sagt, diese Seite wurde finanziert von Putins Freund Wiktor Medwedtschuk. Und zwar wurde das verdeckt finanziert und deswegen ist diese Seite auch jetzt von der tschechischen Regierung auf eine Sanktionsliste gesetzt worden. Deswegen ist das Ding jetzt auch wahrscheinlich offline. Wer ist Viktor Medwedtschuk?

Er ist ein prorussischer Oligarch ukrainischer Herkunft. Der gilt als enger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Und auch Maximilian Krah, also der AfD Politiker Nummer eins auf der Liste für die Europawahl, hat enge Verbindung zu Medwedtschuk gehalten, schreibt der Spiegel. Krah hat auch oft Russland besucht, hat sich auch mit Medwedtschuk fotografieren lassen. Krah selber will kein Geld bekommen haben.

Also der hat Interviews, zwei Interviews für die Seite gegeben, will aber selber kein Geld von Medwedtschuk bekommen haben, sagt er. Auch keine geldwerten Gegenleistungen will er angenommen haben, schreibt der Spiegel.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Aber die tschechische Regierung hat weiter herausgefunden, dass diese Seite Voice of Europe eben nicht nur Propagandatexte in 16 Sprachen veröffentlicht hat, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen, nein. Über diese Seite soll auch Geld geflossen sein an zahlreiche Abgeordnete in der Europäischen Union, damit sie eben Russlands Lied singen. Unter anderem nennt die tschechische Tageszeitung Deník N da Abgeordnete aus sechs Ländern, unter anderem auch aus Deutschland.

Und zwar sind das Abgeordnete der AfD.

Philip BansePhilip Banse

Richtig. Der Spiegel schreibt, das Geld an diese Abgeordneten aus diesen sechs Ländern soll entweder bei persönlichen Treffen in Prag bar übergeben worden sein oder eben per Kryptowährung/Bitcoin transferiert worden sein. Insgesamt, schreibt der Spiegel, seien da mehrere 100.000 € überwiesen worden, zumindest stünde das in Rede.

Also, ein russischer Oligarch, Putinfreund finanziert, so ein in Anführungsstrichen Medienunternehmen, das erst mal rechtsextreme Artikel und Informationen in Anführungsstrichen verbreitet. Und soll darüber auch Abgeordnete aus sechs Ländern Geld übermittelt haben, damit die Russlands Lied singen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also vielleicht noch mal um, damit man sich so ein bisschen vorstellen kann, wofür die stehen. Also wie gesagt, die Website ist ja inzwischen offline. Sie haben aber sich auf X, also dieser inzwischen ja auch immer skurrileren Seite von Elon Mask dazu geäußert. Und sie reden da im Grunde genauso wie Donald Trump. Da werden sie also, ist jetzt ein englischer Text. Ich übersetze das mal so auszugsweise.

Sie werden angeblich genauso wie europäische Bauern oder politisch aufsteigende Antiglobalisierungsparteien unfair ohne Unterlass verleumdet als Putinisten. Und zwar von wem verleumdet? Von den zunehmend unpopulären globalen Eliten. Außerdem werden sie diskreditiert von den Lakaien der lügenden Mainstreampresse und von Soros finanzierten NGOs.

Philip BansePhilip Banse

Das schreiben sie quasi als Reaktion.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Genau. Das ist also ein Twitter Post hier vom 1. April. Habe ich gerade mal so auszugsweise zitiert. Ich glaube, das muss man jetzt nicht als Aprilscherz sehen, sondern das ist die mehr oder weniger offizielle Position von Voice of Europe zu dieser Berichterstattung und zu der Sperrung. Und da finde ich, ist doch unüberhörbar, dass da da ganz typischen Talking Points aus Moskau kommen. Soros finanzierte NGOs, Globalisten also als Codewort für Antisemitismus usw usw.

Philip BansePhilip Banse

Da ist natürlich die Frage, wer hat denn dieses Geld bekommen? Das muss man sagen, ist bisher weitgehend unklar, zumindest was die Namen angeht. Abgeordnete aus sechs Ländern, das wird sicherlich noch rauszufinden sein. Ein Name, der ist aber gefallen mit recht konkreten Beschuldigungen. Und der ist Petr Bystron. Das ist ein Mensch, der sitzt für die AfD im Bundestag und ist eben hinter Maximilian Krah die Nummer zwei auf der Liste der AfD für die Europawahl.

Und diese Zeitung, von dir auch schon angesprochen, Deník N, die berichtet nun, dass der tschechische Geheimdienst ein Audiomitschnitt besitzt, die eine Bestechung des AfD Politikers Petr Bystron durch prorussische Akteure beweisen soll. Er soll also ein Audio geben, wo er bestochen wird.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Nun muss man natürlich sehen, der tschechische Geheimdienst will das Audio jedenfalls bisher nicht veröffentlichen. Deswegen ist das so ein ganz kleines bisschen wackelig. Die AfD Bundesspitze fordert natürlich jetzt Aufklärung von ihrem Abgeordneten Bystron, was ist da dran? Der Abgeordnete selber spricht von unbewiesenen Anschuldigungen und Behauptungen, er habe sich nichts vorzuwerfen.

Und den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte er Zitat "Ich habe kein Geld angenommen, um prorussische Positionen zu vertreten". Kann man natürlich nur sagen, geiles Dementi. Also wer die Lage schon länger hört, der erkennt auch hier wieder ein sogenanntes überspezifisches Dementi. Es geht ja nicht nur darum, dass er kein Geld angenommen haben soll, genau um etwas ganz Bestimmtes zu tun oder nicht zu tun, sondern er sollte natürlich überhaupt gar kein Geld von russischen Mittelsmännern

annehmen. Nach dem Abgeordnetengesetz ist das nämlich nur in ganz engen Grenzen zulässig, überhaupt Geld anzunehmen. Wahrscheinlich hätte er es mindestens melden müssen an die Präsidentschaft des Deutschen Bundestages, wenn es nicht ganz illegal war, dieses Geld anzunehmen. Er dementiert ja auch nicht, Geld angenommen zu haben. Er dementiert ja nur, Geld angenommen zu haben, um prorussische Positionen zu vertreten.

Philip BansePhilip Banse

Das ist das Wesen dieses überspezifischen Dementis. Das klingt erst mal wie, der Typ hat nie Geld angenommen. Was er aber sagt, ist, ich habe kein Geld angenommen, um prorussische Positionen zu vertreten. Das lässt zumindest offen, dass er Geld angenommen hat für irgendwas anderes.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Der Witz ist natürlich bei solcher Form der politischen Korruption, dass man auch gar nicht explizit damit eine Erwartung verbinden muss. Wenn ich irgendwie 100.000 € aus Moskau bekomme, dann weiß ich schon ganz von alleine, das kriege ich natürlich nicht einfach, weil Putin so ein netter Mensch ist, sondern das kriege ich natürlich genau deswegen, weil von mir bestimmte Dinge erwartet werden. Das ist ja gerade das Wesen von Korruption.

Philip BansePhilip Banse

Richtig. Voice of Europe wurde jetzt enttarnt, würde ich mal sagen, führend vom tschechischen Geheimdienst, aber eben in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Geheimdiensten. Und ich fand einen Begriff ganz interessant, den Transparency International, also diese NGO, ins Feld geführt hat, die sich halt für mehr Transparenz einsetzt.

Die nennt so was strategische Korruption und Transparency schreibt, dass sie darunter verstehen den Einsatz korrumpierender Mittel durch einen Staat, um direkt oder indirekt die politische Willensbildung in einem anderen Staat zum eigenen Vorteil zu beeinflussen.

Und sie beschreiben das eben als eine sehr langfristige strategische Einflussnahme, die eben Teil dieser hybriden Kriegsführung ist, die halt von Krieg, heißen Krieg mit Waffen reicht über Cyberattacken, Hacks im Bundestag bis zu, wir bestechen jetzt mal eure Abgeordneten, damit die eben unser Lied singen und im Zweifel dann auch in unserem Sinne abstimmen. Und Transparency fordert jetzt eben, im Kampf gegen strategische Korruption sehen wir dringenden strukturellen Handlungsbedarf.

Zu diesem Zweck fordern wir die Einsetzung einer Enquetekommission des Bundestages, die den illegitimen Einfluss von autokratischen Staaten aufarbeitet. Wir müssen die Schlupflöcher identifizieren, die von autokratischen Staaten ausgenutzt werden, um zügig Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Denn die aktuellen Vorwürfe reihen sich in eine lange Liste strategischer Korruption ein, die von der Aserbaidschan Affäre bis Katar geht.

Das heißt, Aserbaidschan, das ist auch mehrfach bewiesen und nachgewiesen, hat Abgeordnete, deutsche Abgeordnete, Abgeordneter im Europaparlament bezahlt, um eben im Sinne Aserbaidschans abzustimmen und sich zu äußern. Ähnlich war das mit Katar im Europäischen Parlament. Da ist jetzt die Frage, was sind die Schlupflöcher? Was soll man machen? Wie ist das einzuräumen?

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und das ist, das ist eben die zentrale Frage, deswegen auch die Forderung nach einer Enquetekommission, einfach weil das ein weites Feld ist. Aber jedenfalls macht das immer wieder deutlich, ist es einfach wahnsinnig wichtig, dass man bei allen Menschen, die politisch Verantwortung tragen, wirklich weiß, von wem nehmen die Geld an und wofür? Deswegen sind zum Beispiel auch so Drehtürgeschäfte höchst problematisch.

Wenn Menschen kurz nach dem Ausscheiden aus einem wichtigen Amt mit einem Mal bei irgendwelchen Unternehmen tätig werden oder sich selbstständig machen mit einer Beratungsbude, wie das jetzt Andreas Scheuer zum Beispiel gemacht hat, der ehemalige Bundesverkehrsminister. Das ist einfach ein Riesenproblem, wenn man nicht so richtig weiß, wessen Lied singen die Leute

einfach. Und ich finde das auch so spannend, wenn man das noch mal zusammennimmt mit dem Interview mit Professor Stöcker, das wir eben geführt haben. Es ist eben nicht ganz unwahrscheinlich, dass ausländische Staaten ebenso wie bestimmte ausländische Unternehmer oder Unternehmen ganz gezielt versuchen, die politische Landschaft auch in Deutschland oder in der Europäischen Union zu beeinflussen und das unter anderem auch tun, indem sie letztlich Fake News

verbreiten. Das sind im Grunde so zwei verschiedene Strategien, die man anwenden kann, um die öffentliche Meinung zu manipulieren. Das eine ist, man kauft sich Abgeordnete, das andere ist, man träufelt den Leuten irgendeinen Quatsch in die Gehirne. Und wie gesagt, ich finde, das schließt auch den Bogen zu unserem Interview mit Mario Voigt in der vergangenen Woche. Das wollen wir gleich noch ausführlich aufarbeiten.

Aber da war ja auch einfach, das haben wir auch an Reaktionen aus dem Publikum gemerkt, da waren ja auch ganz viele steile Thesen drin, um es mal sehr vorsichtig zu bezeichnen. Und wo kommen die her? Na ja, die haben die, das denken eben bestimmte Leute. Und wo kommt das her? Na ja, das haben sie eben unter anderem daher, dass es russisch gesteuerte Propaganda natürlich auch in Deutschland gibt.

Philip BansePhilip Banse

Ein weiteres Thema. Damit kommen wir zum nächsten Thema. Ein weiteres Thema, was auch in diesen Komplex gehört, aber auf eine ganz andere Art und ganz überraschende Art, finde ich auch, ist diese Debatte um die sogenannten RKI Protokolle. Also worum geht es?

Es gibt ja gerade eine aktuelle Debatte darüber oder Diskussion, soll diese Coronazeit und der Umgang der Politik und der Wissenschaft und vor allen Dingen des RKIs, also des Robert Koch Instituts, mit dieser Pandemie, das Wirken in dieser Pandemie soll das irgendwie noch mal aufgearbeitet werden? Und in diese Debatte rein fiel jetzt die Veröffentlichung der Protokolle des Krisenstabs des Robert Koch Instituts aus der Anfangszeit der Coronapandemie.

Nicht komplett. Ich glaube, die Protokolle Ende April 21, aber ist so die Anfangszeit. Diese Protokolle, die sind jetzt zum Teil geschwärzt, erheblich geschwärzt, veröffentlicht worden. Krisenstab des RKI war einfach das zentrale Gremium zur wissenschaftlichen Beratung der Politik in dieser Pandemiezeit.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und zwar wurden diese Protokolle offengelegt auf Grundlage einer Anfrage nach dem sogenannten Informationsfreiheitsgesetz. Die hat allerdings das Robert Koch Institut nicht freiwillig rausgerückt, sondern hat sich da verklagen lassen. Schon problematisch, sagen wir mal, und zwar von dem Onlinemedium Multipolar. Der Spiegel schreibt dazu, das sei Zitat, das Medium eines rechten Verschwörungstheoretikers. Wie auch immer, jedenfalls liegen jetzt also diese Protokolle öffentlich vor.

Und man muss ganz ehrlich sagen, Phillip, inhaltlich enthalten sie eigentlich wenig Neues, was diese große Aufregung rechtfertigen würde.

Philip BansePhilip Banse

Ja, also ich würde sagen-

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Es gibt ein paar Fehler.

Philip BansePhilip Banse

Gibt so ein paar Sachen, die man inhaltlich schon, die schon, sagen wir mal, interessant sind. Also da ist zum einen natürlich der Umgang des RKI und des Krisenstabs mit dieser Frage, sollen die Leute Masken tragen? Sollen wir den Leuten das Tragen von Masken empfehlen und wenn ja, von welchen? Da muss man einfach sagen, da hat das RKI, das haben wir damals in der Lage auch gesagt, mindestens missverständlich kommuniziert.

Da war die Kommunikation auch geleitet von der politisch verschuldeten Knappheit von Masken.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also da findet sich in den Protokollen nämlich die Formulierung, spätestens wenn Masken wieder besser verfügbar sind, sollte das Tragen stärker propagiert werden. Und da muss man sagen, das war ein ganz großer Fehler des Robert Koch Instituts. Denn, dass Masken wissenschaftlich sinnvoll sind, dass sie also die Übertragung des Coronavirus jedenfalls erschweren, das war längst wissenschaftlich klar. Das Robert Koch Institut hat das aber nicht so deutlich gesagt.

Und zwar, weil sie eben gesagt haben, na ja, Masken sind knapp und.-

Philip BansePhilip Banse

Die brauchen wir für Ärzte, Pfleger usw.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Die brauchen wir für irgendwas anderes. Genau. Und da muss man einfach sagen, das ist falsch. Das haben wir übrigens auch damals schon in der Lage kritisiert. Das ist deswegen keine Neuigkeit. Die Politik, ja, die Politik, keine Ahnung, die Bund Länder Konferenz oder das Bundeskabinett, die können und müssen abwägen. Die müssen verschiedene Aspekte einbeziehen, eben nicht nur die wissenschaftliche Evidenz.

Aber die Wissenschaft, und das ist die Rolle des Robert Koch Instituts, die Wissenschaft darf aber nicht verschiedene pragmatische Erwägungen anstellen, sondern sie muss rein wissenschaftlich informieren. Es wäre also Rolle des Robert Koch Instituts gewesen zu sagen, Masken schützen. Punkt. Je besser die Maske, desto besser. Und das hätten sie auch ohne Punkt und Komma und ohne aber so kommunizieren müssen.

Und dann wäre es eine politische Entscheidung gewesen, zu sagen, wir priorisieren aber die Verteilung der Masken folgendermaßen. Aber den Leuten zu sagen, hm, Wirksamkeit von Masken wissen wir auch nicht. Das war eine ziemlich bescheuerte Idee, die übrigens bis heute noch nachwirkt. Denn bis heute ist es ja so, dass in Deutschland das Maske tragen extrem, sagen wir mal, politisiert

ist. Und es gibt eben Maskenskeptiker:innen und es gibt Leute, die engagiert Maske tragen und so und da hat das RKI uns allen, wenn man ehrlich ist, ein Ei ins Nest gelegt. Aber wie gesagt, keine News. Das wussten wir damals schon.

Philip BansePhilip Banse

Richtig, genau das wurde jetzt noch mal beschädigt. Ist noch mal ganz interessant. So würde ich es mal nennen. Aber jetzt kein neuer Skandal. Was es aber vor allen Dingen nicht gibt in diesen Protokollen, sind Belege für einen politischen Einfluss auf die Hochstufung des Risikos durch die Pandemie durch das Virus, die dann zum ersten Lockdown geführt

hat. Das ist ja so der Spin und und die Geschichte, die Multipolar quasi in diesem Artikel erzählt hat, aus diesen Protokollen würde hervorgehen, dass diese Einstufung des Risikos hochgesetzt wurde, woraufhin dann die Politik den Lockdown verengt hat. Und zwar diese Hochstufung sei passiert durch Einfluss der Politik.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und da muss man sagen, das haben die einfach erfunden. In den Protokollen, in den Protokollen steht halt drin, das sollte verkündet werden, erst nachdem eine Person, wer war geschwärzt, diese Information, diese Hochstufung freigibt.

Philip BansePhilip Banse

Dieses Signal gibt.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und das hat Multipolarität einfach frei erfunden, das sei eine politische Person von außen gewesen. Das Robert Koch Institut sagt aber, das stimmt überhaupt nicht. Das war eine Person aus der RKI Leitung, mit der das erst noch quasi abgestimmt werden musste, die das, die grünes Licht geben musste, aber gerade keine politische Entscheidung.

Philip BansePhilip Banse

Und hinterher kam auch noch in so erklärenden, in so einem erklärenden PDF des RKI raus, dass an dieser Sitzung, in der diese Hochstufung stattfand, gar kein Politiker teilgenommen hat. Da saßen also nur Wissenschaftler, Wissenschaftlerinnen aus diesem RKI Umfeld drin.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also die zentrale Botschaft dieses Multipolar Textes war eine freie Erfindung. Die haben halt einfach diese geschwärzte Stelle zum Anlass genommen für die Erfindung, das war wohl politische Einflussnahme, während es in Wirklichkeit ein völlig normaler Vorgang war, dass man nämlich erst im RKI, das noch mit bestimmten Menschen abstimmen muss.

Philip BansePhilip Banse

Was die Protokolle viel mehr zeigen, finde ich, ich habe sie jetzt nicht alle gelesen, aber Leute, die sie gelesen haben und so ein kursorisches Überfliegen dieser Protokolle, das führt zu der Erkenntnis, dass es zwischen diesen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen und zwischen diesen Leuten vom RKI lebhafte Diskussionen gegeben hat. Da kam wirklich alles auf den Tisch, da wurden Unsicherheiten formuliert, das ging hin und her und ja, es gab Fehleinschätzungen,

natürlich. Aber eben auch, weil sich das Wissen einfach jeden Tag geändert hat. Die mussten halt unter sehr hohem Druck mit sehr hohen Ungewissheiten hantieren. Und natürlich kam es dabei auch zu Fehleinschätzungen. Aber was aus diesen Protokollen nicht hervorgeht, ist, dass das RKI auf Druck der Politik irgendwelche Dinge gesagt hat oder nicht gesagt hat.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und deswegen muss man einfach sagen, wenn man das, wenn man das mal ein bisschen nüchtern liest und ohne eine bestimmte Brille, dann muss man, glaube ich, sagen, es gibt hier einfach keinen Skandal. Wie gesagt, es gibt diese, diese ungeschickte Kommunikation bei den Masken. Haben wir damals schon in der Lage kritisiert, ist also keine Neuigkeit. Und ansonsten muss man sagen, ist das ein komplett erfundener Skandal aus der rechten Ecke bzw. von Fans von Verschwörungsmythen.

Aber muss man glaube ich sagen, das hat in den Medien doch überraschend viel Widerhall gefunden dafür, dass das eigentlich keine Nachrichten sind. Da hätte man sich wirklich gewünscht, dass das so ein bisschen entspannter aufgearbeitet worden wäre oder wenn überhaupt berichtet worden wäre mit einer mit einer klaren Einordnung, Phillip, aber-

Philip BansePhilip Banse

Das ist aber auch schon passiert. Also ich finde Zeit und Spiegel und so, die haben dann schon lange Artikel darüber geschrieben, was steht in diesen RKI Files eigentlich drin? Süddeutsche auch.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das ist natürlich gut, aber ich habe zum Beispiel auch von, auch eine ostdeutsche Regionalzeitung gelesen, die hat da schlicht und ergreifend eins zu eins abgebildet, was Multipolar so alles ins Netz gestellt hat.

Philip BansePhilip Banse

Das ist sicherlich richtig. Aber, und da kommen wir so ein bisschen zu unserem Kritikpunkt, das liegt natürlich auch daran, wie das RKI und das Bundesgesundheitsministerium mit dieser Veröffentlichung der Protokolle umgegangen ist. Und da finde ich-

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Da kann man eine Menge lernen noch.

Philip BansePhilip Banse

Das ist jetzt kein Skandal, aber das ist doch wirklich kritikwürdig.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und da können, glaube ich, auch Ministerien und Behörden einfach eine Menge lernen und deswegen haben wir uns gedacht, machen wir das noch mal ein bisschen größer auf. Ich finde ehrlich gesagt, die ungeschickte Behandlung dieses Themas geht schon mit dem ersten Antrag aus dem Mai 2021 los, sagt jedenfalls Multipolar. Da wollen sie nämlich den ersten Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz gestellt

haben. Und da denke ich, hätte das RKI schon wissen können, wahrscheinlich müssen wir die Protokolle rausgeben, jedenfalls mit Namen geschwärzt. Um Persönlichkeitsrechte zu schützen, kann man Mitarbeitendennamen zwar schwärzen, aber im Grundsatz muss man die Sachen rausgeben. Wahrscheinlich hätten sie sogar gut daran getan, noch nicht mal sich da verklagen zu lassen.

Meine Herren, rückt doch diese Protokolle raus, denn Geheimniskrämerei an dieser Stelle führt doch nur wieder zu irgendwelchen Verschwörungsmythen.

Philip BansePhilip Banse

Zumal nichts Brisantes drinsteht!

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ne, man hätte sie einfach rausgeben können.

Philip BansePhilip Banse

Stattdessen lassen sie sich halt von Multipolar verklagen. Das ist halt der übliche Weg. Wir geben es nicht raus. Multipolar sagt, aber ihr müsst. Dann gibt es halt ein Verfahren bla bla bla.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Machen wir auch. Haben wir auch gerade eine Klage vor dem Verwaltungsgericht laufen, wo es auch um Unterlagen gibt, die eine Behörde einfach nicht rausrückt.

Philip BansePhilip Banse

Das ist leider Standard bei diesen IFG Anfragen, also Anfragen nach Informationsfreiheitsgesetz. Multipolar sagt, erste Anfrage Mai 2021. Im April 2023-

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Zwei Jahre später.

Philip BansePhilip Banse

Rückt das RKI also diese Dokumente raus.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Nach einer gerichtlichen Entscheidung.

Philip BansePhilip Banse

Nach einer gerichtliche Entscheidung, stark geschwärzt. Dazu 1000 Seiten, 1000 Seiten, Erläuterungen zu diesen Schwärzungen. Also wird immer begründet, warum ist das geschwärzt, warum ist das geschwärzt, warum ist das geschwärzt? Gegen diese Schwärzungen hat Multipolar auch geklagt. Der nächste Gerichtstermin dazu soll im Mai diesen Jahres sein. Also, Multipolar bekommt die Dokumente. Die geschwärzten im April 2023.

Ein Jahr später, ein Jahr später, am 18.03.2024, erscheint dann der Artikel, der erste Artikel in Multipolar mit dieser These "Politik gibt Signal an RKI, um dann politisch den Lockdown zu ermöglichen", haben wir gesagt, ist Quatsch. Das ist am 18.03 These des ersten Artikels in Multipolar.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Elf Monate nachdem das RKI die Dokumente an Multipolar übergeben hat.

Philip BansePhilip Banse

Also fast ein Jahr und zwei Tage später, also am 20.03, zwei Tage nach diesem ersten Artikel stellt Multipolar dann diese ganzen Dokumente ins Netz. Bei aller Kritik an Multipolar, das machen auch nicht alle Medien, die ein IFG Verfahren gewinnen und in den Besitz von brisanten Dokumenten kommen. Das passiert also am 20.03. Sieben Tage später, sieben Tage nach der ersten Veröffentlichung, gibt es dann beim RKI eine dünne Stellungnahme, so nach dem Motto, ja, müssen wir ja machen.

Die Schwärzung, das schauen wir uns irgendwie noch mal an. Und sie sagen halt auch, dieser Mitarbeiter, der da angeblich das Signal gegeben hat zur Hochstufung des Risikos, das war jemand vom RKI.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und eben nicht die Politik.

Philip BansePhilip Banse

Nicht die Politik. So, das ist das was das, was mehr oder weniger da drinsteht und sagt in so einer zweiten Stellungnahme jaja, die Schwärzung, das schauen wir uns noch mal an. Also du hast es gesagt. Zwischen Übergabe der Dokumente an Multipolar und der Publikation verging ein Jahr. Dann braucht das RKI noch mal fast eine Woche, um darauf zu reagieren. Und da muss man sagen, das-

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das kann nicht sein.

Philip BansePhilip Banse

Das kann einfach nicht sein. In dieser ganzen Zeit nach der Veröffentlichung ging natürlich alles mögliche steil. Du hast es eben schon gesagt. Multipolar hat eine These. Andere Zeitungen übernehmen das, ohne zu recherchieren, ohne in diese Dokumente zu gucken. Auf Social Media geht es natürlich ab ohne Ende. Da werden Sätze aus dem Zusammenhang gerissen. Da gibt es natürlich den Satz, wo drin steht, möglicherweise sind die Schäden des Lockdowns größer als die der Pandemie.

Was die Leute aber nicht schreiben, ist, da ging es um Afrika. Weißte, da wurde darüber diskutiert, welche Folgen haben die, hat der Lockdown in Afrika? Völlig anderer Kontext, völlig andere Daten, völlig andere Gesellschaften. Wurde aus dem Zusammenhang gerissen und so getan, als hätte das RKI darüber diskutiert, ob der Lockdown hier einen größeren Schaden anrichtet als die Pandemie. Und da muss man sagen, das hätten das RKI und auch das Bundesgesundheitsministerium völlig anders machen müssen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das muss man sagen. Sie hätten schlicht und ergreifend die Dokumente selber ins Netz stellen müssen. Wenn sie es, wenn sie die schon rausrücken, hätten sie sie am selben Tag selber ins Netz stellen müssen, mit vielleicht noch ein paar erläuternden Hinweisen. Dann wäre jedenfalls diese Story schon mal kaputt gewesen. Und zumindest hätten sie wissen müssen, was Leute aus der verschwörungsideologischen Ecke und bestimmte Medien aus diesen Protokollen machen werden.

Sie hätten also Erklärungen liefern müssen. Sie hätten es einordnen müssen. Und sie hätten natürlich auch einfach wach sein müssen. Wann erscheint da was und hätten dann darauf reagieren müssen. Also ich muss ganz ehrlich sagen, dieser ganze Skandal, der ja auch schon wieder den Ruf des RKI, sagen wir mal jedenfalls, zu beschmutzen droht, dieser ganze Skandal, der hätte überhaupt nicht sein müssen.

Philip BansePhilip Banse

Ja, und der Gesundheitsjournalist Martin Rücker wies im Übermedien Podcast auch darauf hin, so viel Vorlauf, das wünschen sich die allermeisten. Ein Jahr vorher zu wissen, da wird irgendwas kommen, das wünschen sich die allermeisten. Und deswegen beurteilt er diese Kommunikationspolitik des RKI und des Bundesgesundheitsministeriums auch sehr kritisch. Wie gesagt O-Ton aus dem Übermedien Podcast "Holger ruft an", und das klingt so:

Martin Rücker

Das ist auch das, was mich wirklich extrem ratlos zurücklässt. Hier gab es wirklich ein kommunikatives Totalversagen, nicht nur beim RKI, sondern ich würde auch sagen beim Bundesgesundheitsministerium. Man musste ja unabhängig vom Antragsteller davon ausgehen, wenn diese Dokumente öffentlich werden, wird es Menschen geben, die sie für ihre Deutungen nutzen. Egal wer das ist, die die gibt es auf jeden Fall.

Und deshalb ist es doch wichtig, dass man Erklärungen dazu gibt, dass man Kontext dazu liefert. Und das ist versäumt worden. Das hätte das Robert Koch Institut selbst aktiv machen können. Die hätten einfach auf ihrer Website diese Dokumente einstellen können, den Kontext dazu liefern. Das wäre, glaube ich, eine sehr gute Sache gewesen.

Also wenn man wirklich auf dieses Narrativ noch einzahlen möchte, dass hier das RKI oder das Ministerium die Politik etwas verheimlichen möchte, dann macht man es genau so. Also es war wirklich ein PR GAU, der eine demokratiepolitische Auswirkung hat, einen großen Schaden aus meiner Sicht angerichtet hat und eine Chance vor allem vertan hat, Vertrauen wieder zurückzugewinnen.

Philip BansePhilip Banse

Und ich finde, so wird auch ein Schuh draus zu dem Thema, was wir oben besprochen haben Ja, es gibt diverse Akteure, sei es getrieben von kommerziellen Interessen, Fossilindustrie, es gibt politische Akteure, sei es Russland, die unsere Kommunikation in eine bestimmte Richtung lenken wollen, die halt die Debatte vergiften mit Falschnachrichten und Interessen gesteuerten Informationen. Aber es gibt eben auch die andere Seite.

Die demokratische, die institutionelle, die politische Seite, die für so was sich besser aufstellen muss. Wenn du weißt, dass du in so einem Ökosystem nun mal lebst, dann musst du dich als Ministerium und als Behörde anders aufstellen. Dann kannst du nicht einfach so viel schwärzen. Du kannst nicht so lange warten, bis du da irgendwas als Reaktion dünn ins Netz stellst, sondern du musst aktiv

vorgehen. Natürlich wird das trotzdem nicht alle davon abhalten, irgendwie ein Bullshit aus diesen Dokumenten zu ziehen, aber du wirst ein Teil davon verhindern. Und bei einem gutwilligen Teil, der einfach nur keine Zeit hat, sich zu informieren, vielleicht dafür sorgen, dass diese ganzen Falschmeldungen nicht so tief einsickern.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Was du jedenfalls verhindern kannst durch eine solche Einordnung, ist, dass seriöse Medien die Falschmeldungen wiederholen. Denn wenn auf, denn natürlich wird jeder seriöse Journalist sofort gucken okay, was sagt das RKI dazu, was sagt das BMG dazu? Und wenn dann da eine plausible Einordnung steht, dann weiß man, okay, hat halt wieder so ein rechtes Verschwörungsblättchen irgendwas ins Netz gestellt. Ist kein Thema, müssen wir nicht drüber reden. Und wenn überhaupt, kann man es debunken.

Kann man, wenn man, wenn überhaupt kann man gleich quasi in der Überschrift richtigstellen, kein Skandal beim RKI und muss nicht ergebnisoffen am Ende das diskutieren.

Philip BansePhilip Banse

Ja, und stell dir mal vor, du wärst noch aktiver. Du hättest einfach von vornherein gesagt, hier übrigens Pressemitteilung, wir stellen-

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wir stellen jetzt in Netz.

Philip BansePhilip Banse

2021, wir haben hier die Dokumente, die Protokolle aufbereitet. Wir stellen das hier ins Netz. Kann jeder durchsuchen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Transparenz.

Philip BansePhilip Banse

Ein paar Sachen haben wir geschwärzt. Hier sind die Erläuterungen dazu.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Riesen PR Erfolg.

Philip BansePhilip Banse

Die Story wär ne ganz andere Nummer gewesen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Wär ein riesen PR Erfolg des RKI und so muss man sagen, schwimmen sie jetzt einfach der Welle hinterher.

Philip BansePhilip Banse

Total. Und die Frage ist natürlich trotzdem, soll diese Zeit aufgearbeitet werden? Sollen wir da noch mal reingehen und gucken, was ist da passiert? Wer hat da was gemacht? Wo wurden Fehler gemacht? Was hätte man besser machen können? Und ich würde sagen ja, das sollten wir tun. Die Frage ist, in welcher Form?

Aber das war so ein historisches Ereignis mit so viel Verwerfung und so einer speziellen Situation, in der sich auch Politik, Behörden, Medien, Wissenschaft wiedergefunden hat, dass wir, glaube ich, das machen sollten, um rauszufinden, was ist gut gelaufen? Wo sind Fehler passiert? Um wirklich sicher zu gehen und die bestmöglichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir diese Fehler beim nächsten Mal zumindest so nicht wiederholen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, aber ich finde, das eine ganz entscheidende ist, welche Überschrift man einer solchen Aufarbeitung gibt. Denn man darf ja nicht übersehen, dass die ganze Skepsis an den Coronamaßnahmen maßgeblich getrieben war natürlich von dem russischen Versuch der Delegitimation demokratisch gewählter Regierung. Also die Coronaskepsis war ja jedenfalls von positiven Ausnahmen abgesehen, jetzt nicht irgendwie so eine ruhige, abwägende Kritik. Ist das wirklich noch

verhältnismäßig? Sondern da war ja die Rede von Coronadiktatur.

Und ich glaube, deswegen ist es ganz wichtig, dass man jetzt bei der Aufarbeitung eben nicht diesen Leuten in die Falle tappt, die die Aufarbeitung ja nur deswegen fordern, weil sie das Narrativ weiterhin am Leben erhalten wollen, es sei alles ein riesengroßer demokratiefeindlicher Skandal gewesen, sondern wenn man das aufarbeitet, dann nicht wegen eines angeblichen Versagens, denn es gibt keinen Skandal bei den Coronamaßnahmen im Großen und Ganzen, sondern ich glaube eher,

wir brauchen tatsächlich eine Aufarbeitung nach dem Motto Lessons learned. Damit wir die nächste Pandemie hoffentlich noch besser managen können. Aber im Großen und Ganzen, gerade auch im internationalen Vergleich, ist Deutschland sehr gut durch die Pandemie gekommen. Von Detailproblemen sagen wir mal abgesehen. Deswegen, finde ich, die Überschrift dieser Aufarbeitung sollte eben tatsächlich eher nicht lauten Aufarbeitung. Denn aufarbeiten kann man nur Skandale oder Katastrophen.

Sondern man sollte, sondern sollte eher quasi überlegen, was können wir lernen aus der Pandemie?

Philip BansePhilip Banse

Richtig. Und da ist natürlich die Frage, viele rufen natürlich jetzt nach einer Enquetekommission des Bundestags. Also das ist also eine Kommission, die in diesem Parteienspektrum angesiedelt ist. Da ist natürlich die Gefahr relativ groß, dass das passiert, was du eben skizziert hast. Martin Rücker, finde ich, hat in dem Podcast einen Vorschlag gemacht, über den man zumindest mal nachdenken kann. Kann man diese Aufarbeitung nicht in einen Bürgerrat übertragen?

Also das plant glaube ich die Bundesregierung eh so einen zweiten Bürgerrat einzurichten. Also das ist dann so, dass halt Bürger Bürgerinnen in diesen Rat gelost werden. Dann können die halt Wissenschaftler Wissenschaftlerinnen vorladen und die Erfahrungen, die wir da bisher mit gemacht haben, die hat eigentlich gezeigt, dass da auch sehr kontroverse Themen wie zum Beispiel Klimawandel, Klimaschutz doch erstaunlich ruhig und sachlich aufgearbeitet werden können.

Und da finde ich die Idee gut, diese Aufarbeitung doch in so einen Bürgerrat zu legen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Viele von euch haben in der vergangenen Woche unser Interview mit Mario Vogt gehört, dem Fraktionsvorsitzenden und Spitzenkandidaten der CDU in Thüringen. Da wird ja im September diesen Jahres ein neuer Landtag gewählt und die AfD könnte dort die stärkste Kraft werden. Deswegen fragen sich viele Menschen. Ist Thüringen quasi das Bundesland, das als erstes kippen könnte? Deswegen unser Interview mit Mario Vogt. Und ich muss sagen, Philip, das war schon echt eine harte Erfahrung.

Auch journalistisch, glaube ich, hat uns das ganz gut ans Limit gebracht.

Philip BansePhilip Banse

Ja, also das fand ich interessant. Ich fand es gut, dass wir es gemacht haben. Ich fand es wertvoll. Ich habe was gelernt. Wir haben was gelernt. Ich glaube, die Leute haben was gelernt. Aber natürlich gab es Kritik. Und deswegen vielleicht vorweg noch mal so ein bisschen auch ein Einblick, wie wir da so

rangehen. Also natürlich haben wir die Fragen vorher nicht geschickt, sondern wir haben gesagt, wir würden gerne mit Ihnen ein Interview machen, weil da sind ja so Wahlen und uns interessiert der Umgang mit der AfD und da stehen sie ja ganz vorne. Das war so ein bisschen das, was wir gesagt haben. Und dann hat sich halt Voigt da hingesetzt und wir haben los gemacht und wir haben auch nichts rausgeschnitten, sondern wir haben irgendwie kosmetische Schnitte

gemacht. Aber im Prinzip war das so abgelaufen, wie ihr das dann gehört habt.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das machen wir immer so.

Philip BansePhilip Banse

Das machen wir immer. Ich sage es nur jetzt noch mal und dann ist natürlich aber jetzt auch, habe ich hinterher beim Schneiden auch gedacht, hätte man da und da reingehen müssen, hätten wir da und da noch mal nachfragen sollen. Und da gibt es halt immer bei so Interviews diese Abwägung. Gehst du wirklich bei jeder Kleinigkeit, die dir irgendwie komisch vorkommt, rein und fragst nach, dann kann man das natürlich machen.

Der Preis, den man dafür zahlt, ist unter Umständen ein sehr abgehacktes und ruppiges Interview, das dann potenziell auch eben sehr monothematisch wird, weil man sehr viel Zeit auf ein Thema im Zweifel verwendet.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das war ja jetzt schon so, haben es einige Leute so wahrgenommen. Ich denke auch, also dieses Interview war deswegen so schwierig, weil unser Interviewpartner einfach wahnsinnig viele Unwahrheiten eingeführt hat oder Halbwahrheiten. Das ist man so von demokratischen Parteien in dem Maß nicht gewöhnt. War jedenfalls für uns, wenn man ehrlich ist, glaube ich auch jetzt das Extremste. Natürlich haben wir auch schon Menschen interviewt, die Dinge sehr anders sehen als wir.

Naja, man denke an unser Interview mit dem Bundesfinanzminister. Aber der Bundesfinanzminister hat sich schon ganz anders, finde ich, sagen wir mal jedenfalls noch auf faktischem Terrain bewegt, als das jetzt der Fall war. Insofern war das für uns eine große Herausforderung, was lässt man laufen, was stellt man klar? Wo geht man rein? Und wir hatten so das Gefühl, wir haben das bei den ganz zentralen Falschinformationen gemacht. Aber man kann das irgendwie auch

nicht immer. Aber wir haben natürlich auch das Feedback aus unserem Publikum gehört und gelesen. Also es gibt schon einige Leute, die finden, es ist viel zu viel an Desinformation stehen geblieben. Andere Leute fanden, er hatte nicht genügend Raum. Wobei das jetzt wenige Stimmen waren, aber es gab einzelne Stimmen, die fanden, wir hätten ihm mehr Raum lassen müssen, hätten ihn quasi reden lassen müssen. Wobei ich da finde, irgendwo ist auch mal eine Grenze.

Also das muss ja auch irgendwie noch der Wahrheit verhaftet bleiben.

Philip BansePhilip Banse

Ja, genau. Auf der anderen Seite will man natürlich schon erfahren wie tickt er, was denkt er, was sagt er, wenn man ihn mal reden lässt? Was sind so seine Inhalte? Das sind halt einfach Optimierungsfragen. Was will man erfahren? Und natürlich gibt es, finde ich, immer Kritik. Aber ich muss sagen, ich bin so im Großen und Ganzen, finde ich, haben wir es okay gemacht.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Die Reaktionen waren ja auch weit überwiegend sehr positiv.

Philip BansePhilip Banse

Ich würde sagen, es war jetzt keine eins, aber eine zwei würde ich uns für die Interviewführung irgendwie intern schon geben.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also ich finde, ich finde ehrlich gesagt, wir hätten uns vor allem ein bisschen mehr Zeit noch lassen können. Wir hatten eine Stunde vereinbart, aber es stellte sich hinterher raus, wir hätten mehr Zeit. Wir hatten, das war, das war, das, wir hatten, wir hatten eigentlich mehr Zeit und wir sollten vielleicht in Zukunft sagen, wir fragen eher 90 Minuten an.

Na, also insbesondere wenn man das Gefühl hat, das könnten viele Themen werden oder es könnte sehr kontrovers werden, dann ist man bei einer Stunde im Zweifel nicht bereit, genug reinzugehen. Das wäre so meine Selbstkritik.

Philip BansePhilip Banse

Ich ärgere mich auch deswegen ein bisschen, weil da warst du nicht im Raum, aber der Mitarbeiter. Ich habe ihn dann so gefragt, wie lange haben wir denn? Und er so, ich sage, eine Stunde haben wir eingeplant. Also er hat so ein bisschen signalisiert, na, wenn es jetzt 01:15:00 wird, ist auch okay. Und deswegen habe ich mich so ein bisschen geärgert, dass ich nicht einfach gesagt hab, komm, wir machen es jetzt so lange, bis die irgendwann mal auf die uhr gucken und sagen,

müssen weg. Gut, aber das vielleicht so ein bisschen zum Hintergrund. Also bevor wir jetzt auf die Sachen eingehen, wo wir hätten reingehen müssen, gibt es ein Thema, wo ich gerne reingegangen wäre, was mir einfach inhaltlich aufgefallen ist und es ist auch schon bei den anderen Interviews mit Unionsleuten mir aufgefallen, aber hier ganz besonders. Man kann sagen, ja, die Ampel hat viele Sachen schlecht kommuniziert. Ja, die Leute sind frustriert.

Aber was ich mich immer frage und was ich auch hier vermisst habe, ist diese Sache, ja, da sind Leute unzufrieden und da laufen Sachen auch nicht optimal. Aber wir als Deutschland und auch nicht zuletzt unter der Großen Koalition der CDU haben uns zu bestimmten Sachen völkerrechtlich verbindlich verpflichtet. Das Bundesverfassungsgericht hat bestimmte Sachen wie zum Beispiel ernsthaften Klimaschutz verbindlich vorgegeben.

Und wenn euch diese Maßnahmen, die die Ampel da jetzt macht, um an dieses Ziel zu kommen, denn nicht passen und die Leute genervt sind, dann reicht es nicht zu sagen, die Leute sind genervt und wir sind dagegen, weil die Leute sind genervt, sondern dann erwarte ich andere Gegenmaßnahmen. Ich erwarte ein durchdachtes Rezept. Ja, wenn wir das so nicht machen wollen wie die Ampel, dann machen wir es so, wie wir es wollen. Und das ist nicht da.

Dieses Konzept und dieser Wille, den Wandel zu moderieren und den Leuten zu erklären. Die Union und speziell Voigt bleibt dabei stehen, die Leute sind genervt, die wollen das angeblich alles nicht. Okay, und dann? Wir müssen aber trotzdem, unsere Gesellschaft wandelt sich und wir haben bestimmte Ziele.

Wie kommen wir denn da hin, wenn wir nur den Leuten aufs Maul gucken, die sagen, Wärmepumpe ist doof, ich will mein Auto behalten und ich will auch irgendwie so heizen mit Gas, dann kommen wir da einfach nicht hin. Und die Union oder Voigt in dem Speziellen hat keine Antwort darauf, wie wir diesen Wandel hinkriegen, außer ja, es bleibt alles so wie es ist.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Aber Philip, das ist doch die Definition von Populismus. Man nimmt quasi die angebliche Bevölkerungsmeinung als absoluten Maßstab seiner Politik und sagt halt einfach, ja, die Leute wollen das nicht, also geht das nicht. Das ist doch die Definition von Populismus. Man redet den Leuten nach dem Mund und lässt den Karren weiter schön in den Dreck rollen.

Philip BansePhilip Banse

So wie das ja 16 Jahre unter Merkel passiert ist.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also das wär mir jetzt aber zum Beispiel zu hart. Also 16 Jahre Merkel waren jetzt nicht nur eine Vollkatastrophe. Sie hat immerhin die Abschaffung der Atomkraft eingetütet. Sie hat die Aussetzung der Wehrpflicht.

Philip BansePhilip Banse

Aber bei vielen Sachen ist nichts passiert.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Es ist bei vielen Sachen nicht genug passiert. Die Bundeswehr ist ja auch unter Merkel vor die Wand gefahren. In Deutschland sind die Brücken und vor allem die Bahnlinien verrottet. Die Schulen sind verrottet, Digitalisierung ist verschlafen worden und der Klimaschutz wurde aktiv ausgebremst. Also 16 Jahre Merkel waren jetzt ja wahrlich keine Erfolgsgeschichte auf ganzer Linie und viele Probleme, vor denen unser Land heute steht, sind einfach Probleme aus der Merkelzeit.

Die in der Merkelzeit geschaffen worden sind oder jedenfalls nicht gelöst worden sind. Das betrifft nicht CDU, CSU alleine, die waren ja schließlich immer in Koalitionen verantwortlich. Aber es ist eben vieles an Aufgaben liegengeblieben oder auch vieles an Problemen überhaupt erst verursacht worden. Tja, und da muss ich ganz ehrlich sagen, bin ich auch von Mario Voigt sehr enttäuscht. Ich meine, er bezeichnet sich ja selber als Wissenschaftler, er ist Politikwissenschaftler,

Hochschullehrer. Wieso er einfach überhaupt gar keine Lösungen präsentiert, sondern wirklich nur auf die Ampel schimpft. Also das muss ich ganz ehrlich sagen, wäre mir persönlich zu wenig. Aber es ist natürlich vor allem ein ganz schlechtes Signal. Die AfD hat sowieso keine Lösung. Und die CDU in Thüringen jedenfalls sagt, die Lösung jedenfalls dann nicht, wenn die Leute das nicht wollen. Und was dabei auch völlig aus dem Blick gerät, sind zum einen

die Sachzwänge. Das hatten wir schon und zum anderen, dass natürlich auch die Bevölkerungsmeinung durchaus politisch gestaltbar ist. Das ist ja so ein Thema, das wir in der Lage ständig haben. Und ich habe das Gefühl, das wird immer, immer größer dieses Problem. Weil Olaf Scholz zum Beispiel ja genau dasselbe Problem hat. Olaf Scholz und Mario Voigt ich weiß nicht, wie viel Gemeinsamkeiten die haben. Aber eine haben sie ganz

sicher. Beide trauen sich nicht, richtige Politik zu vertreten, von der sie heute noch nicht sagen können, dafür gibt es eine Mehrheit in der Bevölkerung. Beide weigern sich konsequent zu sagen, das halte ich jetzt für richtig und dafür gehe ich auf die Marktplätze, und da werbe ich für eine Mehrheit.

Philip BansePhilip Banse

Ich hatte immer so das Gefühl, was Voigt will, ist die Weiterführung dieses Modus aus der aus der GroKo. Ja, die Leute wollen was nicht, Da soll sich nicht zu viel ändern. Wir wollen die Leute nicht verstören. Gleichzeitig gibt es aber Verpflichtungen, dass sich etwas ändern muss.

Und ich habe bei Voigt, speziell jetzt bei dieser Frage Klimawandel/CO2 Reduktion nichts gehört, wie man das unter einen Hut bringt, wie man mit den Leuten redet und so mit ihnen redet, dass wir eine Politik machen können, die uns diesen Zielen näher bringt, weil diese Argumentation, ja CO2 Preis, das ist halt nur die halbe Wahrheit. Wenn die Leute dann doppelt so viel für ihr Benzin und fürs Heizen zahlen sollen, stellt sich Voigt nicht hin und sagt, das muss jetzt aber sein.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und das große Problem ist ja eben, dass die Menschen sogar besser dastünden, wenn man ihnen nicht die ganze Zeit erzählen würde, Wärmepumpen sind zu teuer.

Philip BansePhilip Banse

Also das war so das eine. Das ist dieser Umgang mit Wandel bei der CDU. Der überzeugt mich einfach überhaupt nicht. Das Zweite war, was angesprochen wurde, war das Gendern, also dieses in Thüringen ja angestrebte, von der Union angestrebte Genderverbot in Schulen und Behörden. Was jetzt ja in Bayern seit dem 1. April übrigens ja Gesetz ist.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Bin ja sehr gespannt, wie das in der Praxis funktioniert.

Philip BansePhilip Banse

Aber das ist auch wieder so ein Ding, wo man sagt ja, Sprache ändert sich halt und wir brauchen einen Umgang damit. Und sicherlich diese ganzen Genderformulierungen und Formen, die wir da haben. Ich finde keine davon wirklich toll und schön, deswegen haben wir da in der Lage ja auch so einen total entspannten Ansatz. Manchmal wird gegendert mit diesem Binnen-Plopp quasi, manchmal sagen wir einfach beide

Formen. Manchmal benutzen wir das sogenannte generische Femininum, also sagen eine weibliche Form, auch wenn alle gemeint sind. Wir sind da ja schon extrem undogmatisch beim Gendern. Aber ich finde es schon wichtig, dass man grundsätzlich eine Sprache verwendet, die alle Menschen irgendwie in den Blick nimmt, die in unserer Gesellschaft leben.

Und dass jetzt die CDU, die ja immer sagt so also, oder die CSU im Falle von Bayern, die haben ja gesagt, also keine Verbotspartei, dass die jetzt ausgerechnet das Gendern verbietet, dass ja niemand jemals vorgeschrieben hat. Es ist ja nicht verpflichtend. Die können ja reden, wie sie wollen. Das muss ja keine Schule, keine Behörde muss ja so machen. Aber wenn sie es denn machen wollen, dann können sie es doch.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also das finde ich ehrlich gesagt ziemlich ein Bruch, auch so in der ideologischen Ausrichtung zu sagen, wir wollen eigentlich keine Verbote, wir wollen wollen die Menschen überzeugen und mitnehmen und dann aber zu sagen aber beim Gendern, da müssen wir dringend verbieten. Aber ich denke, das ist auch in dem Gespräch schon rausgekommen. Das war wahrscheinlich so die Stelle, wo auch Voigt argumentativ am schwächsten war.

Philip BansePhilip Banse

Vielleicht. Dann war natürlich das große Thema Migration. Dabei muss man sagen, da haben wir, glaube ich, wirklich viel zu viel Raum gelassen, auch für Desinformation. Also beispielsweise kam da von Mario Voigt ja der Vorwurf, die Linken wollten Zitat Grenzen öffnen und da muss man, glaube ich, fairerweise sagen, und da bin ich mir nicht sicher. Ich habe da widersprochen, aber ich weiß nicht, ob- Ja, doch.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also ich habe so ein bisschen, Ich habe, glaube ich jedenfalls habe ich das nicht, glaube ich, nicht begründen können, warum ich das für ein Zerrbild halte. Ich habe ja nur gesagt, ich bin sehr skeptisch, wenn es darum geht, ob man national wirklich was an Migration ändern kann. Wir hatten das Thema in der Lage auch schon öfter und da sagt er mir dann, die Linken wollten Grenzen öffnen und das ist deswegen ein Zerrbild, weil es darum gar

nicht geht. Also offene Grenzen sind ja derzeit schon der Status quo. Wir haben ja keinen Zaun rund um Deutschland. Ja, es gibt hier und da teilweise Kontrollen, aber die sind nicht nur rechtlich heikel, sondern auch faktisch weitgehend unwirksam. Sagen ja sogar die Polizeigewerkschaften. Wenn wir jetzt hier Grenzkontrollen durchführen, macht das viele Überstunden und die Leute fahren 500 Meter weiter über die Grenze. Also die Tatsache ist doch, wer will, kommt irgendwann auch rein.

Deswegen wäre die Frage ja, gibt es überhaupt sinnvolle nationale Maßnahmen oder wäre nicht die sinnvollste Maßnahme ein besserer Umgang mit den Menschen, die schon da sind, statt weiter zu versuchen Migration zu verhindern und da hatte ich so das Gefühl, da kam man mit Herrn Voigt nicht in eine ernsthafte Diskussion, weil er da, wie soll ich sagen, so ganz klar sagte, nein, wir müssen Migration steuern, egal ob das geht oder nicht, wir müssen das tun.

Da führte er dann ja auch sehr schnell quasi Fragen der nationalen Souveränität an und dann kann man sogar mit dem Grundgesetz usw. usw. Hätte man überall reingehen müssen, haben mir viele Leute geschrieben. War rechtlich Quatsch, aber mich hat vor allem nicht überzeugt, dass da politisch kein Argument kam. Also wenn das denn wirklich so ist, wie wer sagt, dass man Migration national steuern muss, dann möchte ich natürlich auch wissen, wie denn? Also Grenzkontrollen an den

Außengrenzen? Zäune bauen? Was soll man da machen? Ich glaube, diese Souveränität ist eine Nebelkerze.

Philip BansePhilip Banse

Ja, und das zweite, was ich aber wiederum ganz interessant fand, was damit natürlich aber auch kollidiert, ist, dass er sagt alle, die arbeiten wollen, sind willkommen. Das ging auch so durch. Und da muss man sagen, die Union hat Jahre jahrzehntelang mit dem Slogan Wirtschaftsflüchtlinge! Für Panik gesorgt. Leute, Flüchtlinge, maybe, also Leute, die Hunger leiden.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Sogenannte wirklich Flüchtlinge.

Philip BansePhilip Banse

Bürgerkrieg und so, ja okay, da meinetwegen irgendwie werden da schon, aber auf gar keinen Fall sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge, also Leute, die hier nur herkommen, um zu arbeiten. Das war ganz lange Mantra der Union. Und wenn jetzt so jemand sagt wie Voigt na ja, alle sind willkommen, die hier arbeiten wollen, da finde ich es erst mal schon interessant. Die nächste Frage ist natürlich, was folgt daraus? Denken sie das konsequent durch?

Machen sie auch wirklich alles, damit das leicht funktioniert? Ja, also man muss ja sehen. Man kann vielleicht nicht unbedingt erwarten, dass sie sagen, alle dürfen einreisen, die arbeiten wollen. Man würde aber doch zumindest erwarten das die, die schon da sind und heute ja tatsächlich teilweise alimentiert werden müssen mit Sozialleistungen, dass wenigstens die dann alle

arbeiten dürfen. Das haben wir ihn ja auch ausdrücklich gefragt und da sagt dann aber wieder nein, arbeiten sollen nur diejenigen dürfen, die auch eine positive Bleibeperspektive haben. Und da muss man ganz ehrlich sagen, das ist aus meiner Sicht nicht logisch. Zum einen passt das nicht zu dem, die sind willkommen. Und zum anderen fragt man sich natürlich, wieso sollen denn nur die arbeiten dürfen, die auch bleiben können, wahrscheinlich bleiben

können? Eigentlich wäre es doch total sinnvoll, um die öffentlichen Kassen zu entlasten. Aber nein, es geht natürlich an dieser Stelle im Kern darum, Integration zu verhindern. Das ist dieses alte Andreas Scheuer Diktum Nur der Fußball spielende, ministrierende Senegalese, den kriegt man nie mehr abgeschoben. So sinngemäß lautet das Argument. Und das merkt man dann bei ihm auch, wenn man ihn hart fragt, dürfen denn erstmal, haben wir ja mehrfach, sollen einfach alle arbeiten dürfen, die da sind?

Nein, das ginge auch nicht, nur bei Bleibeperspektive. Genau. Weil sie dann nämlich wahrscheinlich eine Bleibeperspektive hätten. Weil sie dann erst einmal arbeiten dürfen und so.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja, muss man natürlich fair sein. Rechtlich ist es natürlich weiterhin schwierig. Der sogenannte Spurwechsel, also dass Menschen, die zunächst mal als Geflüchtete gekommen sind, sich dann aber gut integriert haben, dass die dann quasi nicht mehr qua Fluchtgrund, sondern qua Integration bleiben dürfen, das ist ja in Deutschland nach wie vor extrem schwierig. So einfach ist das ja gar nicht.

Aber das ist anscheinend die Sorge der Union oder im konkreten Fall die Sorge von Herrn Voigt, wenn ich die arbeiten lasse und die sich top integrieren, dann gibt es hinterher am Ende eine Demo, wenn ich die abschieben will.

Philip BansePhilip Banse

Der letzte Punkt, wo wir hätten reingehen müssen-

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Das war, das ist, glaube ich, der journalistische Fehler. Der schwerste Fehler.

Philip BansePhilip Banse

Das würde ich auch sagen. Das ist ein richtiger Fehler. Und ich ärgere mich über den echt achtmal, weil ich mir natürlich vorher Interviews durchgelesen habe von Mario Voigt.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und es gibt ein Thema, das kommt immer.

Philip BansePhilip Banse

Also nahezu immer. Aber es zieht sich durch. Und das ist diese Frage, ja, warum wollen Sie denn nicht mit den Linken? Ja, mein Opa wurde aus der DDR vertrieben, rausgeworfen.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Umgesiedelt.

Philip BansePhilip Banse

Umgesiedelt.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ich weiß nicht, ob er aus der DDR ausgewiesen wurde. Aber jedenfalls wurde er aus dem DDR Grenzgebiet zwangsweise umgesiedelt.

Philip BansePhilip Banse

Das ist ein Argument, was er immer bringt, wenn es darum geht, warum wollen Sie denn nicht mit dem linken? Und wenn du das liest, denkst du sofort natürlich, Alter, willst du Bodo Ramelow, den Ministerpräsidenten von Thüringen, den du eben in dem Interview, sagen wir mal, ich will nicht sagen gelobt, ja, aber doch als jemand gesagt, na gut, die Regierung, ich bin jetzt nicht mit allem einverstanden, ich würde ein bisschen mit ihm über die Inhalte reden.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Aber er ist kein Stalinist.

Philip BansePhilip Banse

Aber willst du denn wirklich mit den DDR Stalinisten aus den 50er Jahren vergleichen?

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Ja. Ganz ehrlich und da muss man auch sagen, da ist er auch einfach so ein Tick unehrlich. Also Mario Voigt schreibt auf seiner Homepage nämlich, sein Großvater sei wegen seines christlichen Glaubens umgesiedelt worden. Das können wir nicht prüfen. Wir kennen den Großvater ja gar nicht. Aber laut Munzingers Archiv so ein biographisches Portal und auch laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war der Großvater von Herrn Voigt DNVP

Mitglied. Deutschnationale Volkspartei. Wie der Name schon sagt, es war eine nationalistische Partei der Weimarer Republik, die dem Kaiser nachtrauerte. Und die Programmatik enthielt interessante Elemente, nämlich Nationalismus, Nationalliberalismus, Antisemitismus, kaiserlich monarchistischen Konservatismus und völkische Elemente, also ganz viel sympathische Dinge. Und diese DNVP hatte ein zumindest schwieriges Verhältnis zur Demokratie.

Das zeigte sich zum einen daran, dass sie eine Zusammenarbeit mit der SPD verweigerte, sodass es dann irgendwann in den dreißiger Jahren keine demokratische Mehrheit mehr gab. Und vor allem bildete die die DNVP im Januar 1933 genau die Koalition, die Adolf Hitler zur Macht verhalf, nämlich die Adolf Hitler dann zum Reichskanzler machte. Also in dieser DNVP war Opa Voigt nach Munzinger und FAZ Mitglied.

Das entschuldigt natürlich keine Vertreibung, keine Zwangsumsiedlung, dass das jetzt niemand in den falschen Hals kriegt. Es bleibt Unrecht. Es macht aber irgendwo verständlich, warum die Sowjets ihn für politisch unzuverlässig hielten, weil jedenfalls seine Partei, er konkret wissen wir nicht, aber aber jedenfalls seine Partei eine Partei der Steigbügelhalter der NSDAP war.

Philip BansePhilip Banse

Ja, das ist so der eine Aspekt, Aber den Aspekt, den ich halt noch viel unredlicher und merkwürdiger halte, ist wirklich diese Nummer, ich will nicht mit den Linken 2024 in Thüringen koalieren oder zusammenarbeiten oder in irgendeiner Form.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Weil die Sowjets und die SED irgendwie meinen Opa vertrieben.

Philip BansePhilip Banse

So, also das ist so eine Nummer. Da habe ich gedacht, also da haben wir ähnlich tief geschlafen wie damals bei Strack. Zimmermann als sie irgendwie die Sinnlosigkeit von Verboten damit belegen wollte, dass es ja ein Rauchverbot gibt.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Also das Gegenteil wäre richtig.

Philip BansePhilip Banse

Das Gegenteil wäre richtig gewesen. Also das Rauchverbot zeigt, dass bestimmte Verbote gesellschaftlich total viel Sinn machen. Da haben wir nicht eingehakt, da haben wir geschlafen. Und hier zu sagen, ich mache nicht mit den Linken, weil mein Opa von Stalinisten aus der DDR geworfen oder aus dem vom Staat Gebiet umgesiedelt wurde, gewaltsam.

Das ist kein überzeugendes Argument und finde ich rückt auch die Linken, was man auch immer von Ihnen jetzt halten mag in Thüringen wirklich in ein ungerechtfertigtes Licht.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Selbst Mario Voigt hat ja, wie gesagt, die Politik inhaltlich kritisiert, aber jedenfalls keine grundsätzliche Kritik geübt daran, dass die Linke in Thüringen natürlich eine demokratische Partei ist. Was ich aber ganz spannend finde, ist eigentlich so eine gewisse historische Perspektive.

Die DNVP hat eben, das habe ich eben schon kurz angedeutet, hat quasi die SPD boykottiert in den dreißiger Jahren und damit letzten Endes genau die demokratische Krise herbeigeführt, die dann dazu führte, dass Hitler Reichskanzler wurde.

Und wenn jetzt tatsächlich Mario Voigt nach den Landtagswahlen in Thüringen, wenn, gesetzt den Fall, wenn er dann tatsächlich nicht mit der Linkspartei zusammenarbeiten sollte, sondern mit der eher mit der AfD in irgendeiner Art und Weise, ob nun durch Tolerieren oder wie auch immer zusammenarbeiten sollte, sodass am Ende Höcke oder Voigt mit mit AfD Stimmen Ministerpräsident wird. Das wäre im Grunde genau derselbe Fehler, den die Partei seines Großvaters in den Dreißigern

gemacht hat. Und ich finde das deswegen so spannend, weil eben die FAZ berichtet, dass er der Meinung ist, dass er von seinem Großvater politisch geprägt worden sei. Ob das alles so stimmt? Man sagt in so einem Interview vielleicht vieles, aber ich finde diese historische Perspektive wichtig. Und man kann wirklich nur hoffen, dass Mario Voigt sich das zu Herzen nimmt und sagt, verdammte Tat! Diesen Fehler, den die DNVP in den Dreißigern gemacht

hat. Bloß nicht mit den Linken, lieber mit den Nazis. Diesen Fehler wird er hoffentlich, man kann es wirklich nur hoffen, auf Knien sich wünschen, wird er hoffentlich im September nicht wieder machen.

Philip BansePhilip Banse

Und damit ist die Lage für diese Woche abschließend und ausführlich, wie ihr das nicht anders kennt, analysiert und beurteilt. Wir danken euch für euer Interesse und wünschen euch noch eine schöne Restwoche, ein schönes Wochenende und wenn ihr mögt, hören wir uns nächste Woche wieder.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Und folgt unserem Telegram Kanal, wenn ihr Lust habt.

Philip BansePhilip Banse

Lage.Link/Telegram mit einem M.

Ulf BuermeyerUlf Buermeyer

Schönes Wochenende!

Philip BansePhilip Banse

Bis dahin. Tschüss.

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