
Herzlich willkommen zur Lage der Nation. Ausgabe Nummer 371 vom 29. Februar 2024. Und wie fast immer begrüßen euch in dieser Woche an den Mikrofonen. Ulf Buermeyer, das bin ich, Jurist aus Berlin.

Und Philip Banse sitzt Ulf im Lagezentrum gegenüber. Ich bin Journalist, Ganz herzlich willkommen. Wie gewohnt kurz vorweg eine Hausmitteilung. Wir hatten ja bei Insta darum gebeten, ein paar schöne Posts mit unserem Buch Baustellen der Nation zu machen und hatten da versprochen, dass der oder die Gewinner dann zur lit.Cologne nach Köln kommen können und ein Bier backstage bei unserer Lesung mit uns
trinken können. Also die Verlosung hat stattgefunden, da hat es viele Einsendungen und Vorschläge und schöne Post gegeben. Die Gewinner sind benachrichtigt und wir sehen uns dann nächste Woche bei der lit.Cologne bei unserer Lesung.

Ja, ganz herzlichen Dank für diese schönen Beiträge, für die schönen Videos und Fotos mit unserem Lage Buch. Und weiterhin könnt ihr das natürlich auch klicken, ganz ohne Insta, wenn euch das Buch interessiert unter lage.Link/Buch.

Diese Woche jährt sich der russische Überfall auf die Ukraine zum Zweiten Mal. Zwei Jahre müssen wir jetzt diesen Krieg schon beobachten. Eigentlich hat er ja 2014 angefangen mit der Annexion der Krim und diese Full Scale Invasion in die gesamte Ukraine, die ist jetzt zwei Jahre alt und die Bilanz ist verheerend.

Ja, wir haben mindestens 10.000 tote ukrainische Zivilisten zu beklagen. Das muss man sich überlegen. Russische Terrorangriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung haben über 10.000 Menschenleben gefordert. Sechseinhalb Millionen Menschen aus der Ukraine haben sich auf den Weg gemacht, haben das Land verlassen, sind als Flüchtlinge vor allem in Westeuropa unterwegs, davon ja über 1 Million Menschen auch in Deutschland.
Hinzu kommt noch mal fast 4 Millionen, 3,7 Millionen nach Schätzungen der Vereinten Nationen sogenannte Binnenflüchtlinge, also Menschen vor allem aus östlichen Regionen der Ukraine, die jetzt in der Westukraine so in der Gegend rund um Lwiw Zuflucht gefunden haben, aber eben weit von ihren Häusern weg sind, weit von ihren Lieben weg sind. Und wie viele Menschenleben dieser Krieg gefordert hat, Philip unter den Soldatinnen und Soldaten, das kann man gar nicht so richtig
sagen. Da gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Die Schätzungen gehen jedenfalls bis in die Hunderttausenden.

Wolodimir Selenskyj, der ukrainische Präsident, hat jetzt ja gesagt, 31.000 Ukrainer, Ukrainerinnen seien in der ukrainischen Armee gefallen, erschossen worden, gestorben. Ich würde mal sagen, viele halten diese Zahl für extrem niedrig und gehen davon aus, dass es wesentlich mehr sind.

Und das muss man ja auch noch mal sagen. Auf russischer Seite dürfte der Blutzoll noch weitaus höher sein, einfach weil Wladimir Putin und seine Generäle einfach so ein etwas zynisches Verhältnis offensichtlich zum menschlichen Leben haben. Die Schätzungen sind auch da sehr breit gestreut, aber sie liegen irgendwo zwischen 150 und 300.000 Toten.

Als ein Grund, als ein Grund für den Überfall hat Putin ja immer auch genannt: Die NATO breitet sich aus. Das müsse er verhindern, das sei eine Gefahr für Russland. Erreicht hat er nach zwei Jahren Krieg das genaue Gegenteil. Seit dieser Woche ist nämlich nach Finnland auch Schweden Mitglied der NATO. Da stand noch das Votum des ungarischen Parlaments aus. Das ist jetzt eingegangen. Ungarn hat dem schwedischen NATO Beitritt zugestimmt.
Also sind jetzt zwei Staaten in der NATO, die in Form von Finnland knapp 1300 Kilometer Grenze mit Russland haben, aber die selbst im Kalten Krieg neutral geblieben sind. Nun sind sie in der NATO.

Auf der anderen Seite muss man sehen militärisch läufts für Russland deutlich besser als diplomatisch. Die militärische Lage der Ukraine ist nach zwei Jahren prekär, anders kann man es nicht formulieren. Ja, es hat noch keinen kompletten Zusammenbruch der ukrainischen Abwehrfront gegeben. Aber die Armee ist in der Defensive, ganz klar das Heft des Handelns auf russischer Seite.
Und sicher auch deshalb hat wohl Wolodimir Selenskyj, der ukrainische Präsident, in dieser Woche sogar Friedenskonferenzen ins Spiel gebracht. Aber Philip, wie wahrscheinlich ist denn eigentlich ein Frieden? Kann man überhaupt sinnvoll mit Wladimir Putin, mit dem russischen Diktator verhandeln? Dazu haben wir uns zum Interview verabredet mit Prof. Dr. Jan C. Behrends.

Genau. Der hat die Professur für Diktatur und Demokratie Deutschland und Osteuropa von 1914 bis zur Gegenwart an der Europauniversität Viadrina in Frankfurt Oder inne. Er forscht zudem auch am Leibniz Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam. Jan C. Behrends ist außerdem Cohost des Podcasts Ostausschuss. Wir haben dieses Interview am Dienstag aufgezeichnet. Ganz herzlich willkommen in der Lage der Nation Jan C. Behrends.
Hallo!

Wie schätzen Sie die militärische Lage ein? Kann die Ukraine das noch gewinnen?
Das ist schwierig, nicht? Wir befinden uns mitten in einem längeren Abnutzungskrieg jetzt. Kollege von mir hat neulich gesagt: Wenn das der Erste Weltkrieg wäre, dann wären wir so ungefähr Januar 1916 und ich glaube, da wussten die meisten Leute auch nicht, wer diesen Krieg gewinnt. Das haben wir ein Stück weit auch mit in der Hand. Wenn man die Ukraine so wenig unterstützt, wie das der Westen jetzt getan hat im letzten Jahr, dann sehen wir, dass die Lage der Ukraine sich rapide verschlechtert.
Denn wenn man die letzten zwei Jahre mal sozusagen seit der voll umfänglichen Invasion anschaut, dann ist klar: Zuerst hat die Ukraine mobilisiert. Deswegen konnte sie durchhalten im ersten Kriegsjahr. Dann hat seit September 2022 Russland mobilisiert. Und der Westen hat halt nie mobilisiert. Wir haben weder die Munitionsproduktion hochgefahren noch wirklich der Ukraine das zur Verfügung gestellt, was sie bräuchte, um ihr eigenes Territorium besser zu verteidigen und auch wieder zu
befreien. Und das ist einfach der Preis, den jetzt wieder die Ukraine dafür zahlt, für dieses Zögern.

Aber nur der Vollständigkeit halber muss man sagen: Mittlerweile wurde die Munitionsproduktion ja schon hochgefahren.
Nach zwei Jahren.

Was heißt denn Gewinnen in der Ukraine?
Das ist eine gute Frage. Also man kann dann sozusagen einerseits dieses Maximalziel verfolgen, was sicherlich aus ukrainischer Sicht immer noch legitim ist und das heißt die Grenzen von 1991. Man kann aber auch sagen, es geht letztendlich darum, nicht nur den Krieg zu gewinnen, sondern vor allen Dingen den Frieden zu gewinnen, wann auch immer der kommen wird. Und ich glaube, da wäre der eigentliche Sieg für die Ukraine, dass sie ein westliches Land wird, dass sie sozusagen die EU, NATO
aufgenommen wird. Das muss das vorrangige Kriegsziel sein. Aber letztendlich ist das natürlich etwas, was die Ukraine entscheiden sollte und wo mir das nicht zusteht, da Ratschläge zu geben.

Auch wenn es natürlich letztlich eine Entscheidung der Ukraine ist, welchen Teil des ihr völkerrechtlich zustehenden Gebiets sie möglicherweise im Zuge einer Friedensregelung an Russland abtritt, hat ja aber doch auch die westliche Seite, also haben die die Staaten Westeuropas oder vielleicht auch die USA ja durchaus Einfluss darauf, weil sie einfach letztlich darüber entscheiden, inwieweit sie die Ukraine unterstützen.
Was würden sie denken, wären hinnehmbare Konzessionen, wenn im Gegenzug Russland einer weiteren Westintegration der Ukraine zustimmt?
Ja, ich sehe im Moment überhaupt nicht, dass Russland einer solchen Westintegration der Ukraine zustimmt, nicht? Für Putin ist das ja der Casus Belli und ich glaube auch nicht ehrlich gesagt, dass Russland unter Putin in Friedensverhandlungen einsteigen
wird. Das hat weniger was mit dem Westen zu tun, sondern das hat was damit zu tun, wenn man sich die innere Ordnung Russlands anschaut und wie sozusagen dieser Umbau des Regimes in Russland auch in den letzten zwei Jahren vorangeschritten ist, eigentlich zu einer persönlichen Diktatur Putins mit teilweise totalitären Zügen, was die Repressionen angeht gegen die eigene Bevölkerung.
Und ich glaube, so jemanden wie Putin, der weiß ziemlich genau, dass er sich auch in seinem inneren Kreis in der russischen Elite keine Schwäche zeigen darf. Denn wenn er Schwäche zeigt, dann besteht die Gefahr, dass er gestürzt wird. Und ich glaube, Verhandlungen mit der Ukraine oder Verhandlungen mit dem Westen würden zurzeit als so ein Zeichen der Schwäche gedeutet. Und deswegen bin ich sehr, sehr skeptisch, dass Putin überhaupt in solche Verhandlungen einsteigt.
Wir haben das jetzt ja gerüchteweise gehört bei den Gefangenenaustausch. Stichwort ist Nawalny, dass Putin da wohl zuerst verhandelt hat, aber das hat sich ja anscheinend auch zerschlagen. Deswegen glaube ich, so schwer das fällt, es wird noch eine Weile die Entscheidung zunächst mal auf dem Schlachtfeld gesucht werden und deswegen bleibt die Situation auch in gewisser Weise kontingent.

Was ist denn vor diesem Hintergrund, dass Putin, wie Sie sagen, eigentlich gar kein Interesse hat oder Ihnen das zu gefährlich ist, Friedensverhandlungen anzustreben? Von diesen Berichten zu halten, dass Selenskyj sich Friedenskonferenzen durchaus relativ konkret sogar vorstellen könnte?
Na ja, ich glaube, strategisch wäre das für die Ukraine ja auch nicht geschickt, jetzt zu sagen, wir verweigern uns allen Formen von Verhandlungen. Wenn man sich diese zehn Punkte von Selenskyj mal anschaut, die er zur Grundlage eines möglichen Friedens macht, dann ist das ja aber immer noch eigentlich die Maximalforderung der Ukraine, über die er da verhandeln möchte, nicht? Und das sind ja eigentlich Forderungen, die sozusagen für Putin so auch nicht annehmbar sind.
Das heißt, beide Seiten sind ja noch so weit voneinander entfernt, dass ich einfach hier nicht sehen kann, was eine pragmatische Grundlage für Verhandlungen sein könnte. Es gibt ja Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. Das darf man nicht vergessen. Aber da geht es dann um ganz konkrete Dinge, da geht es um ganz pragmatische gegenseitige Verabredungen wie eben beispielsweise Gefangenenaustausch. Da funktioniert das ja auch mehr oder weniger.
Aber bei so einer großen Friedensregelung ist man doch sehr, sehr weit voneinander entfernt nach meiner Einschätzung.

Ja, Sie haben ja gerade schon angedeutet, dass Wladimir Putin da auch innenpolitisch weitgehend die Hände gebunden sind, weil Konzessionen gegenüber der Ukraine als Zeichen der Schwäche gedeutet werden könnten. Sehen Sie denn überhaupt in Russland innenpolitisch eine denkbare Entwicklung, die Putin dazu veranlassen könnte, tatsächlich in ernsthafte Friedensverhandlungen einzusteigen? Oder muss er dazu quasi den Krieg militärisch verlieren, damit er damit diese Bereitschaft entsteht?
Also ich würde so weit gehen und sagen, dass solange Wladimir Putin an der Macht ist, wir keinen dauerhaften, belastbaren Frieden in Europa haben werden. Ich glaube, das sollte man sich eingestehen. Und ich glaube, das ist sozusagen das Signal für politische Veränderungen in Russland auch von einer Niederlage in der Ukraine ausgehen könnten. Das ist als Historiker finde ich, auch ein plausibles historisches
Argument. Denn wir sehen, wenn Russland militärisch Probleme hatte wie 1905 gegen Japan oder 1917 im Ersten Weltkrieg oder auch 1989 beim Rückzug aus Afghanistan, dann geraten da immer die Dinge auch politisch ins Rutschen. Und ich würde nicht ausschließen, oder ich halte es sogar für sehr plausibel, dass das bei Problemen der Ukraine so ähnlich wäre.
Und solche autoritären Regime wie die von Putin, die sind immer so lange stabil, bis sozusagen dieser Breaking Point kommt und wir wissen nicht, wann das kommt. Das kann sozusagen morgen sein, das kann aber auch erst in drei Jahren sein. Das ist das Bittere. Aber letztendlich glaube ich, dass das Regime nicht stabil ist und dass auch Putin und seine Entourage das wissen. Auch der Mord an Nawalny, denke ich, hat das wieder gezeigt.
Das ist ja eigentlich auch ein Zeichen der Schwäche, dass man sozusagen noch nicht mal einen Oppositionsführer dulden kann, der schon am Polarkreis für 19 Jahre weggeschlossen ist, sondern dass selbst das zu viel ist, sozusagen. Und wenn man sich so lange so sicher im Sattel fühlen würde, dann hätte man auch diese Repression nicht nötig gegen die eigene Bevölkerung. Ich glaube, da ist schon vieles sehr, sehr angespannt, auch in
Russland. Ich glaube, die sind auch ein bisschen an der Grenze ihrer Ressourcen. Und jetzt ist eben auch die Frage, wie man im Krieg, wer hat den größeren Durchhaltewillen und wer ist bereit, mehr Opfer zu akzeptieren letztendlich.

Gleichwohl gibt es ja die kritischen Stimmen auch in Westeuropa, die vorwerfen, Moskau sei provoziert worden, Russland habe sich in die Ecke gedrängt gesehen von einer allzu expansiven NATO. Was halten Sie von dieser Kritik?
Davon halte ich wenig. Denn es ist ja nicht so, dass die NATO expandiert ist. Das ist schon eigentlich ein falscher Narrativ zu sagen immer diese NATO Osterweiterung. Sondern es ist ja so, dass Länder in Osteuropa, die auch souverän sind und legitime Sicherheitsinteressen haben, um Aufnahme in die NATO gebeten haben und die es ihnen dann gewährt worden.
Und weder von diesen Ländern, die ja teilweise gar keine richtigen Armeen haben, wie Estland, Litauen oder Lettland und noch von der Ukraine, die noch nicht mal in der NATO war, ging ja jemals eine Gefahr aus für Russland. Das ist ja völlig absurd zu behaupten, dass eins von diesen Ländern hätte in Russland einmarschieren können. Dazu war erstens der Wille, der politische gar nicht da und aber auch gar nicht die Mittel. Insofern ist das eben eine russische Erzählung, die man so bringen
kann. Ich glaube, die strategischen Probleme, wenn man da mal drüber nachdenkt von Russland sind vielleicht eher eine über tausende von Kilometern lange Grenze mit China, wo auf der einen Seite ein paar Millionen Russen leben und auf der anderen Seite 1 Milliarde Chinesen als das Baltikum oder die Ukraine. Hier geht es um russische Expansion und nicht um NATO Expansion.

Also um das noch einmal auf den Punkt zu bringen: Sie würden sagen, Sie sehen momentan nur eine Perspektive auch zu einer innenpolitischen Veränderung in Russland. Und das ist die militärische Niederlage in der Ukraine?
Putin hat sich für den Weg entschieden und dieser Weg ist der Weg in die Resowjetisierung, in die Diktatur, in die Eskalation. Und ich glaube nicht, dass er da noch wieder von runterkommt. Das würde seine komplette Glaubwürdigkeit ja auch einbüßen, wenn er jetzt sozusagen plötzlich verkünden würde: Jetzt kommt die Perestroika Putins oder jetzt kommen die Friedensverhandlungen.
Ich glaube tatsächlich, dass er zu oft in die falsche Richtung abgebogen ist und jetzt mit einer gewissen Konsequenz diesen Weg tatsächlich zu Ende gehen muss. Und dabei muss man ja auch wissen, dieser Kampf, der in der Ukraine ausgetragen wird, ist auch ein Kampf um die Macht von Wladimir Putin, um den Machterhalt von Wladimir Putin. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen.
Ich glaube, dass in gewisser Weise, wenn man die russische Politik betrachtet und der Fall Nawalny hat das ja wieder gezeigt, dass es auch ein Kampf um das Überleben von Putin ganz persönlich ist.

Sie haben eben gesagt Fall Nawalny, Mord an Nawalny. Wissen wir, dass er ermordet wurde?
Na ja, wir wissen jedenfalls, dass er ohne Begründung, sozusagen, die stichhaltig ist, für 19 Jahre in dieses Lager geschickt wurde. Dass er da immer wieder in diesen sogenannten Isolator gesteckt wurde am Polarkreis, also eine ungeheizte kleine Betonzelle, der natürlich schon der Gesundheit sehr stark zusetzt. Und wir wissen auch, dass die sterblichen Überreste von Alexei Nawalny ja auch nicht an die Mutter dann ausgehändigt werden sollten.
Also das ist schon eine Geschichte, wo man sagen muss, wenn man das Regime Putin kennt, wenn man sieht, was das mit Anna Politkowskaja gemacht hat, mit Boris Nemzow und anderen, dann scheint mir das schon gerechtfertigt, da von Mord zu sprechen.

Also Anna Politkowskaja war eine Journalistin, die 2006 erschossen wurde. Und Boris Nemzow war 2015 der bekannteste Oppositionspolitiker in Russland, der 2015 nicht weit vom Kreml erschossen wurde.

Ja, noch mal zurück zum Ausgangspunkt unseres Interviews. Stichwort Unterstützung für die Ukraine. Sie haben eben sehr deutlich gemacht, dass Sie jedenfalls zurzeit keine andere Alternative zu einer dauerhaften Friedensregelung sehen als ein Regime Change in Russland. Und dafür wiederum sehen Sie vor allem den Weg einer militärischen Niederlage Russlands in der Ukraine. Nun stellt sich natürlich die Frage: Wie soll die zustande kommen, die militärische Niederlage?
Sie haben eben schon angedeutet, Sie halten die militärische Unterstützung der Ukraine für viel zu gering. Wie kann man denn das ändern? Wie soll denn eine Bereitschaft in der Europäischen Union zum Beispiel entstehen, die Ukraine tatsächlich so engagiert zu unterstützen, dass die russische Front irgendwann zusammenbricht? Sie haben eben den Vergleich gezogen wir sind im Januar 1916. Wie schaffen wir quasi für Russland einen Juli 1918 oder September 1918?
Ja, da kommen ja immer mehrere Faktoren zusammen, wenn diese Front zusammenbrechen sollte oder das Regime zusammenbrechen sollte. Letztendlich handelt es sich dann ja auch immer um innenpolitische Probleme, die auch wirtschaftlich sind, nicht? Also wenn man sich den 1. Weltkrieg oder so in Russland anschaut oder die Perestroika unter Gorbatschow, dann sind das ja nicht allein militärische Entscheidungen, sondern das ist eine größere soziale, kulturelle, politische Legitimitätskrise des Regimes.
Und ich glaube eigentlich, dass wir in dieser Krise auch schon ein Stück weit natürlich drin sind. Das habe ich ja vorhin auch betont, dass das nach meiner Ansicht ein Grund für die verschärften Repressionen in Russland ist und dass man natürlich da jetzt noch ein Stück weit durchhalten muss gewisser Weise und sehen, wie diese Krise sich halt verschärft, da ich glaube, dass sozusagen dieser Krieg bei großen Teilen der russischen Elite nicht besonders beliebt ist, nicht?
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein russischer Oligarch und jetzt sind Sie schon seit zehn Jahren, der Krieg läuft ja eigentlich auch schon länger. Und die Sanktionen sind sie raus aus Ihrem Apartment in Miami Beach und ihre Kinder können nicht mehr in Oxford studieren, wie sich das eigentlich vorgestellt haben. Und ihre Jacht ist auch weg. Da gibt es ja auch innere Spannungen in diesem Regime. Das darf man sich ja nicht als sozusagen eine Einheit hinter Putin vorstellen.
Das ist ja sozusagen ein Bild, was Wladimir Putin generieren will, was aber nicht der Realität entspricht. Und ich glaube, diese inneren Spannungen zu verschärfen und auch militärisch Russland unter Druck zu setzen, ist im Moment der stärkste Weg, den wir, den wir haben. Und wenn wir das nicht von unserem eigenen Geld bezahlen wollen, dann können wir auch die 300 Milliarden nehmen, die wir im ersten Kriegsjahr an russischen Assets im Westen eingefroren haben.
Da muss man dann eben mal ein bisschen an out of the box denken und schauen, was möglich ist. Ja, und man muss das natürlich auch gegenüber der Bevölkerung ehrlich
machen. Wenn in der deutschen Politik gesagt wird, dass uns das alles nichts kosten wird und dass man sozusagen den Sozialstaat trotzdem weiter ausbauen kann und an allen anderen Projekten festhalten kann und gleichzeitig aber auch die Bundeswehr auf Vordermann bringen kann und die Ukraine unterstützen, dann wird das natürlich nicht funktionieren. Und ich glaube, da braucht die Politik auch noch gerade ein bisschen Zeit, um diese Ehrlichkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern zu erlangen.

Vielen Dank! Das war im Interview mit der Lage Professor Jan C. Behrends von der Europauniversität Viadrina in Frankfurt Oder und Cohost des Podcast Ostausschuss. Ganz herzlichen Dank für die Zeit und die Informationen.
Gerne.

Ja, und nach diesem Interview, das wir wie gesagt am Dienstag geführt haben, hat sich die militärische Lage der Ukraine nochmals deutlich verschärft. So deutlich muss man es, glaube ich, sagen. Denn jetzt haben auch noch russische Separatisten im sogenannten Transnistrien Russland um Hilfe gebeten. Da werden natürlich ganz schlechte Erinnerungen wach. Worum geht es bei Transnistrien?

Transnistrien ist eine abtrünnige Region, würde ich es mal nennen von Moldawien. Und hat eben, das macht die Lage so brisant, eine lange Grenze mit der Ukraine, also die Ostgrenze von Transnistrien, grenzt an die Westgrenze der Ukraine in der Nähe von Odesa am Schwarzen Meer. Und dieses Transnistrien wird eben beherrscht von russischen Separatisten. Und die haben nun ein sogenanntes Hilfegesuch an Russland ausgesendet. Und das hat eben eine lange Tradition mit diesen Hilfegesuchen.
Das kennen wir aus vielen Jahrzehnten, wo russische Separatisten, von Moskau gesteuerte Leute in nicht zu Russland gehörenden Regionen das russische Mutterschiff um Hilfe bittet. Und das hat dann Moskau viele Male schon als Anlass genommen, um dann in diese Gebiete einzumarschieren. Das war zuletzt eben der Fall in der Ostukraine, im Donbass, wo auch damals russische Separatisten Moskau um Hilfe gerufen haben.
Und dann konnte Moskau sagen: Hey, unsere russischen Brüder und Schwestern rufen uns um Hilfe, da können wir nicht Nein sagen und haben das eben als einen Anlass genutzt, um da einzumarschieren. So, ja, nun gibt es dieses Hilfegesuch.

Das heißt also, die große Sorge ist jetzt, dass dieses Hilfegesuch natürlich nicht zufällig kommt, dass das insbesondere mit Moskau abgestimmt gewesen sein dürfte, weil das eben letztlich Marionetten von Moskau sind, die da in Transnistrien am Ruder sind. Und ja, da kann man sicherlich die Frage stellen: Warum will Wladimir Putin eine Eskalation in Transnistrien? Droht da möglicherweise eine weitere Militärintervention Russlands auf der Westflanke der Ukraine?

Um sie da eine Zange zu nehmen.

Das würde also auf der einen Seite, muss man sagen, wäre das für Russland jetzt auch nicht ganz einfach, weil man da die das militärische Material im Wesentlichen einfliegen müsste. Es gibt einfach keine Landverbindung direkt von Russland nach Transnistrien, aber auf der anderen Seite könnte man die Ukraine dazu zwingen, einfach Truppen an die West, dann neue Westfront zu verlegen. Insofern hat das einfach in Kyiv und auch in Westeuropa zu einiger Nervosität geführt.

Die Ukraine braucht also mehr Hilfe denn je. Und dann könnte man jetzt denken, das versteht sich von selbst, dass da auch der Letzte und die Letzte alles geben, um die Ukraine zu unterstützen. Leider geben die wichtigsten Unterstützer der Ukraine gerade kein besonders gutes, einheitliches Bild ab.

In den Vereinigten Staaten, das hatten wir in der Lage schon mehrfach kurz erwähnt, hängen zurzeit 60 Milliarden Dollar an weiterer Unterstützung für die Ukraine im Kongress fest. Vor allem ehrlich gesagt aus innenpolitischen Gründen. Die Republikaner blockieren das. Die genauen Hintergründe hatten wir ja schon besprochen. Geht also nur zum Teil um wirklich das Verhältnis zur Ukraine und zu
Russland. Zum guten Teil geht es auch darum, dass Donald Trump das gerade nicht für opportun hält in seinem beginnenden Präsidentschaftswahlkampf irgendeine Einigung zwischen den beiden großen Parteien in den USA herbeizuführen. Aber das führt im Ergebnis dazu, dass völlig unklar ist, ob die USA tatsächlich weiter nennenswert Militärhilfe an die Ukraine senden
können. Und auch in Europa ist in den letzten Tagen die Uneinigkeit so deutlich geworden wie vielleicht noch nie während dieses Konflikts.

Olaf Scholz begründet ausführlich für ihn relativ ausführlich, warum er weiterhin keine Taurus Marschflugkörper in die Ukraine schicken will. Und Emmanuel Macron stellt in den Raum, ob in einer bestimmten Situation nicht auch Bodentruppen europäischer Provenienz gegen Russland ins Feld geführt werden müssten. Und deswegen sind sich nun auch noch Deutschland und Frankreich in die Haare gekommen. Aber der Reihe nach.

Also die Ukraine wünscht sich die deutsche Langstreckenwaffe Taurus. Das ist, muss man sich vorstellen, eine mächtige Rakete mit einer langen Reichweite, mehrere 100 Kilometer Reichweite. Sie kann also, wenn sie von ukrainischem Staatsgebiet aus abfeuert, russisches Staatsgebiet erreichen, und zwar insbesondere die Kertsch Brücke. Das ist also die Brückenverbindung zwischen Russland und der zurzeit russisch besetzten Krim. Manche Leute sagen, sie könne sogar bis nach Moskau fliegen.
Auf jeden Fall kann sie viele Ziele auf russischem Staatsgebiet erreichen. Dazu muss man sagen: Völkerrechtlich ist die Ukraine natürlich berechtigt, auch Ziele in Russland anzugreifen. Sie befindet sich ja in einem Abwehrkampf gegen eine russische Invasion und da ist man jetzt völkerrechtlich durchaus nicht darauf beschränkt, nur die unmittelbar auf dem eigenen Staatsgebiet angreifenden Truppen
anzugreifen. Man darf natürlich auch zur Verteidigung, keine Ahnung Heerlager in Rostow oder sonst wo angreifen. Aber aus deutscher Sicht wäre das ein großes Problem, wenn die Ukraine sich eben auch auf Angriffe in Russland im russischen Hinterland verlegen würde. Was ist das Besondere Philip an dieser Rakete Taurus? Da wird immer die autonome Steuerung genannt.

Ja, das heißt, die Rakete findet ihren Weg ohne Unterstützung von vor allen Dingen GPS, sondern die Rakete muss vorher relativ aufwendig gefüttert werden mit Zielkoordinaten. Also wohin soll sie fliegen? Und dann eben auch mit der Flugroute. Wo soll's da lang gehen? Und diese Flugroute findet sie eben mithilfe schon von Sensoren, aber eben ohne externe Hilfe, ohne externe Hilfe, vor allen Dingen durch GPS.
Die ist da also mehr oder weniger autonom unterwegs und das macht sie halt dann auch schwer zu verteidigen. Da ist dann auch die Frage, fliegt sie nun also nach Russland oder nicht? Das legen also Leute fest, die die Route und das Ziel einprogrammieren. Und da muss man sagen, es ist keine Wunderwaffe. Es gibt in diesem Krieg überhaupt keine Wunderwaffe. Aber es gibt eben auch wenig Zweifel darüber, dass sie natürlich der Ukraine helfen würde.
Franzosen und Briten, die haben schon ähnliche Raketen Marschflugkörper geliefert, die dem Taurus, wie gesagt ähnlich sind. Der Taurus unterscheidet sich von diesen Raketen im Kern dadurch, dass er weiter fliegt und glaube ich auch noch ein bisschen autonomer fliegen kann. Aber deswegen der Taurus für die Ukraine eine große Hilfe.

Also viele sagen, der fehlt einfach im Arsenal der Ukrainer, wie das immer so ist. Auf jeden Fall konzentrieren sich gerade viele Hoffnungen auf dieses Waffensystem und daher wollen eigentlich auch die allermeisten Menschen in der Ampel den Taurus liefern. Also die Opposition sowieso.
Die CDU hat sich da ganz klar positioniert, pro Taurus Lieferung, aber eindeutig pro in der Ampel sind zum Beispiel Annalena Baerbock, die Bundesaußenministerin von den Grünen, aber auch FDP Vorsitzender Christian Lindner, der Bundesfinanzminister schon lange dafür. Außerdem Marie Agnes Strack-Zimmermann, noch Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und zurzeit FDP Spitzenkandidatin für die Europawahl.
Spannend. Wie sieht es bei den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aus, die ja eine lange, wie soll ich sagen lange Versuch einer Freundschaft mit Putin verbindet? Diese Freundschaft ist natürlich eingetrübt, aber man bekommt immer wieder das Gefühl, dass sich die SPD von ihm nicht so richtig lösen könne. Besonders spannend natürlich neben dem Bundeskanzler die Position des Bundesverteidigungsministers. Wie steht's denn bei Boris Pistorius?

Also Boris Pistorius ist, wie er sagt, genervt von dieser ganzen Taurus Debatte. Aber er drückt sich, würde ich sagen, um eine klare Aussage. Man kann ihm, glaube ich, unterstellen, dass er im Kern schon dafür ist, denn sonst könnte er ganz klar sagen Nein, ich bin dagegen, Taurus zu liefern. Denn sein Chef und Parteivorsitzender Olaf Scholz sagt ganz eindeutig: Ich werde Taurus nicht an die Ukraine liefern. Und lange war nicht so ganz klar warum eigentlich nicht?
Und da sind wir diese Woche ein bisschen schlauer, weil der Bundeskanzler bei einer Konferenz der Deutschen Presseagentur aufgetreten ist, vor Chefredakteuren aus Deutschland. Und da hat er eben ein paar Gründe geliefert, warum er Taurus nicht liefern will.

Also seine Bedenken sind, dass die Lieferung von Taurus zu einer Eskalation führen könnte und schlimmstenfalls auch zu einem Krieg Russland gegen die NATO. Seine rote Linie ist immer, Deutschland dürfe nicht Kriegspartei werden und deswegen dürften deutsche Soldaten nicht in der Ukraine eingesetzt werden. Aber genau das, so Scholz, sei nötig, um den Taurus eben mit diesen Zielkoordinaten und den Strecken, die dort fliegen soll, zu programmieren. Das ist seine Sorge.

Das ist extrem umstritten, ob das wirklich notwendig wäre. Wenn man Taurus liefert, dann auch Soldaten hinzuschicken in die Ukraine, die das programmieren. Gibt Argumente, die sagen, man kann die Ukraine auch hier schulen, dann machen sie es alleine. Aber das ist Scholz Argument. Herr Scholz sagt was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung von Seiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht
werden. Das weiß auch jeder, der sich mit diesem System auseinandersetzt. Also er sagt, kann in Deutschland nicht gemacht werden. Das heißt, man müsste Leute in die Ukraine schicken.

Das sagt er eigentlich.

Na also. Während sich also gerade in Deutschland alle aufregen wollen, was Scholz nun oder wie Scholz diese nicht Lieferung begründet, trat dann Emmanuel Macron ans Mikro im Elysee Palast in Paris. Da hatte er relativ spontan zu einer Ukrainekonferenz eingeladen, um eben Einigkeit zu demonstrieren, um die Hilfe zu koordinieren für die Ukraine. Und er trat dann eben spät abends, als keiner mehr mit irgendwas richtig Substanziellem rechnete, ans Mikrofon.
Er wollte eigentlich nur zusammenfassen, was er mit den 21 Staats- und Regierungschefs so besprochen hatte. Und eigentlich war diese Konferenz auch dazu gedacht, um Einigkeit zu demonstrieren. Aber das ging nur so lange, bis Macron abends ans Mikrofon trat und folgendes sagte.

Ja, über alles wurde gesprochen, sehr frei und direkt. Es gibt heute keinen Konsens darüber, offiziell Bodentruppen zu schicken. Doch für die Zukunft darf man nichts ausschließen. Wir werden alles tun, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann.

Ja, das wurde allgemein so gedeutet. Macron schließt den Einsatz französischer, europäischer, amerikanischer Bodentruppen, westlicher Bodentruppen in dem Krieg in der Ukraine nicht aus.

Wobei man natürlich fairerweise sagen muss, welche Bodentruppen er damit wirklich meint, ist ein bisschen unklar. Möglicherweise meint er da auch nur Unterstützungskräfte. Also das muss jetzt nicht zwingend bedeuten, dass keine Ahnung ganze Panzerkolonnen aus Frankreich in die Ukraine verlegt werden. Also das muss es nicht zwingend heißen, aber jedenfalls rhetorisch ist Bodentruppen natürlich noch mal ein bisschen was anderes als Taurus Lieferung. Philip, warum macht Macron das?

Ja, das ist weiß man nicht genau. Es gibt ein Rätseln darüber. Einige sagen, vielleicht ist es Taktik, vielleicht ist es die Taktik, dass die Russen nicht wissen sollen, zu was die NATO, zu was Frankreich alles in der Lage und entschlossen ist. Na, ist ja jetzt auch keine unbekannte Taktik, nennt sich strategische Ambiguität. Also Unschärfe, einfach. Die sollen einfach uns nicht ausrechnen können.

Dass die Idee. Also eigentlich könnte das ja sogar ein smarter Move sein, einfach mal zu sagen Wladimir Putin, listen up! Also möglicherweise wären wir sogar bereit, Bodentruppen zu schicken. Das Problem mit diesem Smart Move ist er hätte ihn vorher abstimmen müssen. Denn so wie er das jetzt gemacht hat, unabgesprochen mal eben ins Mikro, so haben ihm gleich praktisch alle aus der NATO widersprochen. Denn das widerspricht allem, was EU und USA bisher immer gesagt
haben. USA, UK, Scholz sagen immer keine Bodentruppen. Nun schließt Macron das nicht mehr aus. Dementsprechend hat er da also eine ganze Menge an Widerspruch geerntet. Und das große Problem ist: Damit hat er eigentlich keine richtige Ambiguität gesät. Und vor allem hat er endgültig mal dokumentiert, dass man sich in der NATO nicht so richtig einig ist.

Richtig. Und Scholz finde ich hätte schweigen können. Das, was er eigentlich oft macht. Er hätte einfach sagen können Leute, das ist total unrealistisch, ich äußere mich nicht weiter dazu.

Also ganz ehrlich, meine Scholz sitzt so viel aus. Das war aus meiner Sicht eine großartige Gelegenheit, einfach mal zu schweigen. Allerdings muss man sehen, hat natürlich Emmanuel Macron auch so eine kleine Blutgrätsche hinterhergeschoben und die hören wir uns jetzt mal an!
So viele Leute, die heute "Nie Nie!" sagen sind einfach dieselben, die vor zwei Jahren "Nie Nie!" zu Panzern gesagt haben, "Nie Nie!" Zu Jets, "Nie Nie!" zu Langstreckenraketen, "Nie Nie!" dies und jenes und jeder sieht daran, dass viele, die heute um diesen Tisch saßen, also auf der Pariser Konferenz vor zwei Jahren sagten: Wir schlagen Schlafsäcke und Helme vor.

Und es gab nicht so viele, die vorgeschlagen haben und sich damit gebrüstet haben, dass sie nun 5000 Helme in die Ukraine liefern. Das war Christine Lambrecht, damals noch deutsche Verteidigungsministerin. Und deswegen kann man diesen O-Ton nicht anders verstehen als einen langen französischen Stinkefinger in Richtung Deutschland und in Richtung Olaf Scholz.

Vorbei die Fischbrötchen, vorbei der Schampus. Jetzt teilt auch Olaf Scholz mal aus. Gestern Abend sagte er nämlich in seinem Video Podcast Format Kanzler Kompakt.

Erstens sagt er: Wir liefern sehr viele Waffen und wir haben sehr viel dafür getan, dass auch jetzt die anderen europäischen Staaten mehr Waffen liefern. Aber, sagte Scholz, es gibt da auch noch einen zweiten Punkt, den ich hier mal loswerden wollen würde.
Die NATO ist und wird keine Kriegspartei. Dabei bleibt es. Wir wollen nicht, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine zu einem Krieg zwischen Russland und der NATO wird. Darüber sind wir uns mit allen unseren Verbündeten einig. Das bedeutet auch keine deutsche Kriegsbeteiligung. Um es klipp und klar zu sagen: Als deutscher Bundeskanzler werde ich keine Soldaten unserer Bundeswehr in die Ukraine entsenden. Das gilt. Darauf können sich unsere Soldatinnen und Soldaten verlassen.
Und darauf können Sie sich verlassen.

Ja, das ist erst mal jetzt eine klare Aussage, gerade für Olaf Scholz eine bemerkenswert deutliche Aussage. Auf der anderen Seite stellt sich natürlich die spannende Frage: Hat er damit wirklich die Sicherheit Deutschlands gesichert? Hilft es wirklich der Sicherheit Deutschlands, wenn beispielsweise kein Taurus geliefert wird, wenn keine deutschen Soldaten in der Ukraine Taurus Raketen programmieren? Das klingt jetzt erst mal beruhigend und ich glaube, so war es auch gemeint.
Aber Philip, ist das denn jetzt tatsächlich eine plausible Position?

Das wollen wir besprechen mit Norbert Röttgen. Er ist in der CDU in der Opposition einer der profiliertesten Außenpolitiker. Ganz herzlich willkommen in der Lage der Nation Norbert Röttgen.
Ganz herzlichen Dank für die Einladung.

Herr Röttgen! Die Frage am heutigen Tag muss sein Ist es richtig, in der Ukraine den Einsatz westlicher Bodentruppen auszuschließen?
Es ist richtig, war richtig, bleibt richtig, den Einsatz von westlichen Kampftruppen in der Ukraine auszuschließen.

Gilt das auch für zum Beispiel die Bedienungsmannschaft des Taurus? Denn das wäre ja aus Sicht des Bundeskanzlers jedenfalls das zentrale Problem, was dem Einsatz von Taurus in der Ukraine entgegenstehen könnte.
Der Ausschluss bezieht sich auf den Ausschluss von Kampftruppen, weil es ja darum geht, absolut sicherzustellen, dass kein NATO Mitgliedstaat Kriegspartei wird. Das wäre dann der Fall, wenn westliche Truppen in der Ukraine gegen Russland kämpfen. Aber die reine Anwesenheit von Soldaten, die etwa beraten oder andere Dienstleistungen machen, also nicht im Kampfeinsatz sind, das ist legal. Das hat nichts mit Kriegseinsatz zu tun. Und das wäre auch falsch auszuschließen und auch völlig
absurd. Russland hat massiv Truppen auf ukrainischem Territorium, greift dieses Land an und westliche Soldaten, die nicht am Kampf sich beteiligen, sondern sonst unterstützen, dürfen natürlich da sein. Selbstverständlich.

Zu Ende gedacht würde das heißen, wenn die russischen Truppen vorrücken, die Front zusammenbricht, Russland die Ukraine besetzt und quasi die Ukraine kurz vor der Kapitulation steht, dass dann Russland gewinnt und wir Russland gewinnen lassen, weil der Westen keine Bodentruppen schickt?
Nein, das heißt es nicht, weil es ja die andere praktische Option gibt, von der wir auch ja Gebrauch machen, aber unzulänglich. Und diese praktische Option ist, dass wir die Ukraine unterstützen, dass wir sie ausrüsten mit all dem, was wir haben und was sie braucht, damit sie sich verteidigen kann. Das ist ja das, was stattfindet. Und Ihr Szenario, Ihr Gedankenspiel drückt das ja auch aus, dass die Ukraine auch für uns kämpft. Und darum ist es auch unser Interesse, dass wir sie ausrüsten.
Das ist die Antwort auf Ihre hypothetische Konstellation.

Aber was muss denn der Westen aus Ihrer Sicht konkret zusätzlich tun? Denn momentan jedenfalls hat Russland in der Ukraine ganz klar die militärische Initiative zurückgewonnen.
Ja, das ist richtig. Und dass das geschehen ist im Rahmen eines fürchterlichen Stellungskrieges, der dort stattfindet, mit hohen Verlusten auf beiden Seiten, höhere auf russischer Seite. Aber es sterben eben jeden Tag sehr viele Menschen, egal welcher Nation. Diese Situation ist eingetreten.
Nicht weil die Ukrainer nicht tapfer, die Ukrainer nicht tapfer genug sind, nicht genug kämpfen, sondern weil völlig absehbar der Westen, auch Deutschland, die Ukraine unzulänglich unterstützt hat, vor allen Dingen auch mit Munition. Nicht nur ich sage seit letztem Jahr, dass wir Munition produzieren müssen. Im Krieg wird Munition verbraucht, das weiß jeder.
Und wenn man nicht neue produziert, ausreichend, dann fehlt die Munition und das, was jeder wusste, was man sich ausrechnen konnte, was passieren würde, ist jetzt der Fall. Eine erhebliche Munitionsüberlegenheit der Russen. Es gibt auch eine Überlegenheit in der Anzahl von Waffen. Und dann fehlen der Ukraine nach wie vor zwei strategische Komponenten weitgehend. Das sind Kampfflugzeuge, die man braucht, damit man nicht den Luftangriffen so stark ausgesetzt ist durch die russische Seite.
Und es gibt bislang zu wenige. Großbritannien und Frankreich liefern sie Langstrecken Marschflugkörper oder Raketen, die Munitionsdepots und Logistik Russlands auf ukrainischem Territorium zerstören, bevor sie in der Ukraine Zivilisten töten. Das sind die Komponenten, die fehlen, weil der Westen sie nicht liefert.

Und der Westen liefert auch deshalb nicht, weil unter anderem 60 Milliarden an den Republikanern oder am Widerstand der Republikaner in den USA festhängen. Jetzt könnte das ja erst der Anfang sein, wenn im November Trump die Wahl gewinnt. Gibt es einen Plan von Europa, was dann zu tun ist?
Also der Westen liefert auch deshalb nicht, weil Trump schon seinen Schatten voraus wirft. Aber der Westen besteht ja nicht nur aus den USA, sondern auch aus den europäischen Staaten. Und es sind die europäischen Staaten unter Einfluss von Deutschland, die zu wenig geliefert haben.
Und Sie haben völlig recht mit Ihrer Frage: Was ist denn, wenn es dabei bleibt, dass die USA nicht liefern, wenn Trump gewählt wird und dann sofort als erste Amtshandlung jegliche Ukrainehilfe unterstützt, wovon man mit Sicherheit ausgehen muss? Was ist denn dann die Situation für Europa? Und die Konsequenz kann doch nur sein, dann müssen wir unser Europa alleine verteidigen durch die Unterstützung der Ukraine. Dann müssen die Europäer den Ausfall der USA kompensieren.
Der Bundeskanzler hat vor wenigen Wochen in Washington das Gegenteil gesagt. Er hat gesagt: Die USA sind unverzichtbar, und wenn die ausfallen, dann ist die Ukraine verloren. Dann geben wir Europa auf, und das ist unmöglich.

Ja, deswegen noch mal zugespitzt die Frage: Ist Europa Stand heute denn überhaupt vorbereitet, sich selbst zu verteidigen, sei es in der Ukraine oder schlimmstenfalls auch gegen eine weitere russische Aggression, zum Beispiel gegen das Baltikum oder gegen Polen?
Wir haben selbstverständlich die Fähigkeiten dazu, aber es fehlt der politische Wille. Allein Deutschland hat ja eine doppelt so große Wirtschaftsleistung wie Russland das hat. Alle europäischen Staaten zusammen das sieben oder acht fache. Wir haben entwickelte Industrien.
Natürlich können wir das, aber es fehlt der politische Wille und noch keine Regierung in Europa, auch die deutsche nicht, hat sich damit beschäftigt und bereitet sich vor auf die Möglichkeit der Wiederwahl von Donald Trump und was es für uns bedeutet. Wir müssen dann sehr schnell die ausgebliebene und ausbleibende militärische Unterstützung durch europäische Produktion und Vorräte ersetzen. Und das geht nicht von heute auf morgen.

In Europa ist es ja so, dass Emmanuel Macron, der französische Präsident, die Debatte zur europäischen Verteidigung gerade vorantreibt. Vor zwei Wochen brachte er europäische Atomwaffen ins Spiel, diese Woche eben diese No Matter What Unterstützung für die Ukraine, im Zweifel auch mit Bodentruppen. Deutschland steht bei der Frage eher so am Spielfeldrand oder grätscht
dazwischen. Sollte Scholz sich da mehr um diese Achse Berlin-Paris kümmern und diese Debatte um europäische Atomwaffen aufgreifen?
Also Sie bringen etwas ein bisschen durcheinander, wenn ich das so sagen darf. Die Debatte um europäische Atomwaffen, das war die Meisterleistung der SPD Spitzenkandidatin Barley, die vorgeschlagen hat, dass die EU, man fragt sich eigentlich wer, die Kommission, der Rat oder sonst wer, die keine einzige, kein einziges Gewehr haben. Aber die sollen jetzt Atomwaffen beschaffen.

Aber die Franzosen haben das auch ins Spiel gebracht. Ob sie nicht ihre...
Die Franzosen haben ja eigene. Die Frankreich hat eigene Atomwaffen.

Wo sie überlegt haben, die für Europa zur Verfügung zu stellen, sage ich mal.
Aber nicht für Europa, sondern sie haben Deutschland das mal angeboten. Das ist völlig richtig. Meine Überzeugung ist: Dieser Krieg ist ein konventioneller Krieg. Und die Verteidigung, die die Ukraine zu leisten hat, ist eine Verteidigung mit konventionellen Waffen. Und das muss jetzt geschehen, unabhängig von der Frage, was man von europäischen Atomwaffen hält. Sie kommen vielleicht, wenn sie überhaupt kommen, in 15 Jahren. Wir haben einen existierenden nuklearen Schutz in Europa.
Das ist die Verklammerung mit den USA. Etwas Besseres gibt es für uns nicht. Jedenfalls gibt es in den nächsten zehn Jahren sowieso nichts anderes. Das ist also für die gegenwärtige Lage, für den Krieg, der gerade stattfindet, eine absolute Scheindebatte ohne irgendeine reale Bedeutung, die nur davon ablenkt, dass das getan wird, was jetzt getan werden muss. Schlichte konventionelle Munition, Artilleriemunition und Waffen, damit die Ukraine sich verteidigen kann.
Irgendwelche Luftschlösser, die helfen der Ukraine nicht.

Nun ist es aber ja trotzdem so, dass Emmanuel Macron momentan in der europäischen Verteidigungsdebatte die Akzente setzt. Olaf Scholz tritt allenfalls engagiert auf die Bremse. Muss er sich dann nicht mehr um die Koordination zwischen Berlin und Paris bemühen? Denn in der Geschichte der EU war es ja eigentlich immer so: Wenn es zwischen Berlin und Paris knirscht, dann geht es in der EU generell nicht voran.
Das ist etwas sehr diplomatisch ausgedrückt, um die Koordination kümmern. Die Realität, die gerade in diesen Tagen sichtbar geworden ist, ist, dass das Verhältnis zwischen dem deutschen Kanzler und dem französischen Präsidenten völlig zerrüttet ist. Es gibt ja keinerlei Berührung mehr zu dem, was beide sagen und vorschlagen. Der Kanzler war ja geradezu konfrontativ gegenüber dem französischen Präsidenten, auch gegenüber den Briten mit seinen Aussagen zu dem Marschflugkörper.
Und Macron hat unnötigerweise von Bodentruppen in der Ukraine gesprochen, nachdem der Bundeskanzler tatsächlich und rechtlich total falsch diesen Fall als Kriegsfall beschrieben hat. Dieser Krieg ist fürchterlich, bedroht die Ukraine, aber er berührt und bedroht auch unsere eigenen deutschen, französischen, europäischen Interessen. Ein derartig zerrüttetes Verhältnis zwischen den beiden Führern dieser beiden unserer beiden Länder haben, ist eine Katastrophe für sich.

Putin hat ja diese Woche in seiner Rede zur Lage der Nation dem Westen noch mal gedroht: Alles, was der Westen derzeit sich einfallen lasse, schaffe die reale Gefahr, so Putin, eines Konflikts mit dem Einsatz von Atomwaffen. Wie ernst nehmen Sie diese Drohung?
Es ist zunächst zu beobachten, dass Putin das tut, womit absolut zu rechnen war. Er nimmt die Angstmacherei, die der deutsche Bundeskanzler betreibt, aktiv auf. Und er nimmt das unnötige Thema, das Verunsicherungsthema, das der französische Staatspräsident in die Diskussion geworfen hat, Bodentruppen ebenfalls auf.
Aber die größte Einladung für Putin ist natürlich, wenn der Bundeskanzler selber Angst schürt, weil er innenpolitisch in der Defensive in der Sackgasse ist, dann nimmt Putin das nur als das wahr, was es ist. Schwäche und Schwäche nutzt Putin immer taktisch aus. Und durch Schwäche fühlt sich Putin eingeladen. Putin hat keine und glücklicherweise Gott sei Dank keine praktische Option, hier nuklear den Krieg zu eskalieren, das weiß
er. Er würde China als seinen lebenswichtigen Verbündeten verlieren. Er weiß, dass es eine massive konventionelle, abschreckende Reaktion der USA geben würde. Darum ist das für ihn keine praktische Option. Aber der Bundeskanzler lädt ihn geradezu ein, diese Drohperspektive, dieses Angstnarrativ wiederzubeleben.

Das heißt mit anderen Worten: Sie glauben, dass man jedenfalls stand heute auf die Einhaltung von Artikel fünf des NATO Vertrages, also die Einhaltung der Beistandspflicht, insbesondere durch die Vereinigten Staaten, vertrauen kann?
Durch alle. Ja, diese Beistandspflicht gilt. Und alle amtierenden Staats- und Regierungschefs haben sie auch verstanden, dass sie vor allen Dingen natürlich eine Beistandspflicht für das kleinste Land und nicht zuletzt durch das größte Land ist. Das ist ja die Abschreckung, die jahrzehntelang von diesem Artikel fünf ausgegangen ist. Und sie lebt davon, dass alle sie glaubwürdig vertreten. Und das ist der Fall. Es ist der Fall, solange Joe Biden im Amt ist.

Vielen Dank. Norbert Röttgen war das Außenpolitiker der CDU und CDU/CSU Fraktion im Bundestag. Herr Röttgen, vielen Dank für Ihre Zeit.
Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.

Zu unserem nächsten Thema. Das politische Klima in Deutschland hat sich in den vergangenen Wochen massiv zugespitzt. Im Zentrum der Proteste die Grüne Partei. Ein kurzer Überblick über die dramatischen Zuspitzungen der letzten Tage. Da wäre zum einen der politische Aschermittwoch, der 14. Februar. Da wollten die Grünen eigentlich in Biberach eine Parteiveranstaltung abhalten. Das hatten wir schon in der Lage. Wütende Menschen erzwangen damals eine Absage der grünen
Veranstaltung. Erst hieß es, das seien protestierende Bauern gewesen. Inzwischen wissen wir, da waren auch eine ganze Menge Querdenker und Rechtsextreme dabei. Ebenfalls am Aschermittwoch ein wütender Mob in Schorndorf.

Richtig, verfolgt die Vorsitzende der Grünen, die Covorsitzende Ricarda Lang. Polizei und Leibwächter konnten mit Mühe körperliche Attacken gerade noch verhindern. Und dann letzte Woche, 21. Februar. Rund 300 Menschen protestieren gegen eine Veranstaltung der Grünen in Hirscheid im Landkreis Bamberg mit 60 Traktoren vor Ort. Trillerpfeifen und Hupen, anwesende Parteimitglieder hatten "extreme Angst". Die Veranstaltung musste aufgrund von Sicherheitsbedenken ebenfalls abgesagt werden.

Und dann war da noch Magdeburg. An diesem Samstag gab es dort eine Blockadeaktionen, etwa 90 Traktoren. Andere Fahrzeuge hatten eine Hauptverkehrsstraße blockiert, haben Feuer angezündet und das Fahrzeug von Ricarda Lang, der grünen Covorsitzenden, behindert. Und wir haben es gesagt: Im Mittelpunkt der Proteste steht stets grüne Politik, vor allem auch grüne Politiker:innen ganz persönlich. Und darüber können wir nun sprechen mit der Covorsitzenden der Grünen.
Ganz herzlich willkommen in der Lage der Nation, Ricarda Lang.
Hallo, Guten Tag.

Frau Lang, Sie stammen aus Nürtingen in Baden-Württemberg, sind 30 Jahre alt, Covorsitzende der Grünen, mit Omid Nouripour zusammen und waren zuvor Vorsitzende der Grünen Jugend. Jetzt also diese, ich will es mal noch nennen Bauernproteste oder mit wem haben wir es da eigentlich zu tun bei diesen Aktionen in Deutschland?
Ich glaube, das ist sehr gemischt. Das lässt sich gar nicht ganz homogen sagen. An vielen Stellen, das haben wir sowohl in Biberach als auch in Schorndorf erlebt, gibt es auf der einen Seite tatsächlich Bauern, die protestieren, die da für ihre Interessen auf die Straße gehen, mal in einem relativ rauen Ton, wo aber ein Dialog möglich ist. In Biberach war es ja zum Beispiel so, dass eine angemeldete Demonstration, wo auch davor Cem Özdemir gesagt hat, Ich komme dort
hin. Ich stelle mich auch eure Kritik. Das hat er gemacht. Er ist hingegangen, ist in die Debatte gegangen. Ähnlich war es jetzt am Wochenende in Magdeburg. Ich habe mich dort mit der kleinen Delegation der Bauern getroffen, deren Forderungen angenommen.
Wir hatten eigentlich sogar ausgemacht, dass wir noch mal einen weiteren Termin machen, um genauer darüber zu reden, weil man ja nun wirklich konkret Forderungen gar nicht zum Demonstrationsgeschehen in zehn Minuten mal wirklich tiefgehend sprechen kann. Und gleichzeitig mischen sich unter Rechtsextreme Querdenkermenschen, wo ich mal sagen würde, denen sind die Interessen der Bauern komplett
egal. Die instrumentalisieren das, weil sie ein Momentum der Staatsverachtung erkennen, also wo es schon gar nicht mehr dagegengeht, eine einzelne Partei, eine einzelne politische Entscheidung, sondern eigentlich gegen die legitimierte staatliche demokratische Politik zu demonstrieren. Und ich glaube, das ist genau die Frage, vor der jetzt auch die Bauernproteste und natürlich auch die Bauernverbände stehen, die sich teilweise sehr klar distanziert haben.
Da eine Grenze einzuziehen und zu sagen, wir wollen nicht instrumentalisiert werden von Menschen, denen es eigentlich nicht um Landwirtschaft geht, sondern dem es um Demokratieverachtung geht.

Machen Sie das denn ausreichend? Also ist die Abgrenzung ausreichend oder was müsste mehr passieren?
Das hat es in den letzten Wochen sehr zugenommen. Also ich glaube, am Anfang hat man tatsächlich selbst vielleicht auch den Fehler gemacht, die Leute sehr auf den Baum hochzujagen. Wir hatten ja die Entscheidungen im Dezember zu der Haushaltsskonsolidierung nach dem Urteil aus Karlsruhe und im ersten Entwurf, der da von der Bundesregierung beschlossen wurde. Und ich war da involviert.
Also ich will mich da gar nicht rausnehmen, war es tatsächlich so, dass die Bauern sehr, sehr stark belastet wurden, weil gleichzeitig zwei verschiedene Subventionierung bzw Steuerleistung abgeschafft werden sollten, bei der KFZ Steuer und beim Agrardiesel. Das wurde dann wiederum verändert und in dieser Zeit ist aber schon Stimmung entstanden, die sich wahnsinnig aufgeheizt hat, wo es glaube ich am Anfang zu wenig Distanzierung auch gab, zu wenig eine klare Linie gezogen wurden.
Gewalt geht unter keinen Umständen. Angriffe auf Politikerinnen, Einschüchterung, jegliche Form von auch Nötigung, wie es ja bei Robert Habeck auf der Fähre auch erlebt haben, zum Beispiel der bayerische Präsident des Bauernverbandes hat da sehr, sehr beschwichtigend darauf reagiert. Man muss ja Verständnis haben. Und wir erleben natürlich auch immer wieder über Politiker wie zuletzt Markus Söder, die das verharmlosen. Die Verbände sind aber in den letzten Wochen sehr viel klarer
geworden. Auch noch mal nach Biberach.

Sie haben es angedeutet: Es geht manchen Menschen gar nicht unbedingt um politische Inhalte, sondern darum, die Demokratie als solche zu destabilisieren, zu delegitimieren. Aber es gibt ja eben doch auch deutliche Kritik an Inhalten grüner Politik. Was glauben Sie denn, woran liegt es, dass manche Menschen es so auf Sie persönlich und auf grüne Politik abgesehen haben?
Hm, ich glaube, da muss man sehen auf der einen Seite genau trifft es gerade in besonderem Maße die Grünen. Ich erkläre mir das immer anhand von drei Punkten. Das erste ist, wir haben in den letzten Jahren ausgegriffen. Also das, was jetzt teilweise gesagt wird, weil die Grünen so in der Nische sind, weil sie so am Rand stehen, das teile ich gar nicht, sondern ich glaube eher, dass es auch mit einher geht, weil wir an Relevanz zugenommen haben, weil wir ein Zentrum gerückt sind.
Jetzt mal ganz einfach gesprochen: Wenn wir bei 7 % stehen würden, würde das gerade nicht in dieser Form passieren. Das Zweite ist, dass wir die Partei sind, die natürlich sehr die Menschen darauf stößt, zu sagen, wenn wir das erhalten wollen, was uns was bedeutet Wohlstand, Sicherheit, Lebensgrundlage, auf der man noch leben kann, dann müssen wir auch Dinge angehen, dann müssen wir Prozesse verändern.
Also diese Frage, wie man auch Veränderungsfrust sehr einfach gerade auf die Grünen projizieren kann. Und das Dritte ist, dass natürlich aus diesem Gemisch eine große Verantwortung einhergeht und wir da auch Fehler gemacht haben, Menschen überfordert haben, vielleicht auch mal ein bisschen belehrend aufgetreten sind. Ich will mal sagen, das Wichtigste ist, gerade in so einer Situation den Menschen immer zugewandt zu sein, die Alltagssituation zu
verstehen. Und das ist, glaube ich, so ein Konglomerat an Dingen, die zusammenkommt. Und dann wird das natürlich auch ganz gerne instrumentalisiert von auch anderen Parteien, die glaube ich denken, so Nullsummenspiel mäßig immer, ich gewinn hier grad ein bisschen was, wenn es denen ein bisschen schlechter geht. Das ist für mich jetzt was, wo ich mich politisch drüber profilieren
kann. Und das ist aber wirklich gefährlich, weil am Ende trifft es jetzt gerade uns Grüne sozusagen an allererster Stelle. Aber das, was ihr gerade gesagt habt, das, was ja in Frage gestellt wird, ist eigentlich, wie wir in der Demokratie Konflikte lösen, dass wir das nicht mit Gewalt tun, dass wir friedlich in der Lage sind, Lösungen zu finden. Also die Lösungsfähigkeit der Demokratie, wird aus meiner Sicht als Ganzes in Frage gestellt.
Und das ist am Ende für jeden Demokraten diesem Land gefährlich.

Sie haben das eben schon angedeutet, dass Sie da auch ein bisschen Verantwortung bei sich selber sehen. Also Sie haben gesagt sinngemäß: Manchmal gucken wir ein bisschen von oben herab, manchmal kommunizieren wir schlecht. Was sind denn jetzt Ihre Lehren daraus? Also, wenn Sie Ihre Fehler schon benennen, was wollen Sie anders machen?
Ich glaube, das erste wäre für mich, dass wir manchmal, das erlebe ich bei mir selbst total jetzt gerade im letzten Jahr gemerkt mir zum Beispiel das Gebäudeenergiegesetz gesprochen haben, da wenn man in so eine Verteidigungsposition geht, ein bisschen ins Technokratische abrutscht.
Aber wir müssen natürlich mehr Veränderungsprozesse, das sind nicht einfach nur technologische Umstellungen, sondern die betreffen Leute ganz arg in ihrem ja, in ihrer Heimat, in ihrem Zuhause und damit auch in Fragen, wo es um Emotionen geht, wo es um Anerkennung geht, wo es um Wertschätzung geht. Das heißt, ich glaube, diesen Blick für die sehr konkreten Alltagssorgen der Menschen, das noch auszubauen.
Das Zweite ist, und das ist für mich auch ein sehr großes Herzensanliegen, die soziale Frage ins Zentrum zu nehmen. Ich weiß nicht, ob jemand von Ihnen das Buch Triggerpunkte gelesen hat von Steffen Mau und ich finde der hat einen interessanten...

Hatten wir gerade Interview ausführlich.
Ah ok gut, super. Diese interessante These, dass viele Fragen von eigentlich Ungerechtigkeiten, Ungleichheiten sich heute über die Klimafrage ausdrücken. Ich habe sie bezeichnet als Klassenfrage im Werden und das heißt die Fragen der sozialen Anerkennung, sozialen Gerechtigkeit an den Anfang zu stellen, nicht nur im Ausgleich vom Weg zum Ausgangspunkt zu machen.
Und das dritte, und das ist wahrscheinlich fast mit das Wichtigste gerade nicht verhärten, sich nicht abwenden, nicht aufhören, an diese Orte zu gehen. Ich werde jetzt viel gefragt: Na, gehen die Grünen jetzt weniger in den Osten, weniger Veranstaltung im ländlichen Raum. Das wäre das Dümmste, was wir machen könnten, aus meiner Sicht, das aller Dümmste von jetzt erst recht dorthin zu gehen.

Ja, Stichwort soziale Frage. Frau Lang, das ist ja tatsächlich eine ganz zentrale Frage, auch bei der CO2 neutralen Umgestaltung unserer Gesellschaft. Wir müssen eben alle Menschen mitnehmen, auch die, die nicht so viel Geld verdienen. Und da ist das zentrale Instrument ja auch aus Sicht der grünen Programmatik das Klimageld. Gleichwohl wird es sehr wahrscheinlich in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommen. Haben Sie sich da vielleicht doch so ein bisschen verzockt?
Haben Sie einfach zu viel politisches Kapital investiert in das Gebäudeenergiegesetz und zu wenig politisches Kapital darin, dass tatsächlich das Klimageld zum sozialen Ausgleich kommt? Hätte man nicht einfach mit CO2 Abgaben alleine die Menschen sanfter dazu bringen können, ihre Heizung umzustellen?
Ich will nicht sagen, dass es allein dadurch funktioniert zu sagen, wir machen CO2 Preis, dann machen wir das Klimageld und damit funktioniert
das alles alleine. Ich finde das Klimageld extrem wichtig und vielleicht auch noch ein bisschen was, wie es da weitergeht in der politischen Debatte, weil es natürlich einmal ein einfach funktionierender Mechanismus des sozialen Ausgleichs ist, wenn man sagt, dass der CO2 Preis wird an alle Menschen zurückgezahlt, aber wir würden es uns zu einfach machen, wenn wir sagen Soziale Fragen, Klimaschutz lässt sich allein darüber lösen. Nehmen wir das Thema Heizung.
Das Klimageld wird an alle pro Kopf wiederum ausgezahlt. An alle dasselbe, was dort ein sehr sinnvoller Mechanismus ist. Die Frage, ob ich mir aber eine neue Heizung einbauen kann, hängt sehr stark davon ab: Welche Bedingungen habe ich eigentlich in meinem Haus? Wie viel bringe ich da vielleicht auch an Eigenkapital mit? Da konkrete Unterstützung zu machen, finde ich absolut richtig und absolut notwendig.
Wir haben jetzt gerade gestern unsere Fraktionsklausur abgeschlossen in Leipzig und haben da noch mal sehr klar gesagt: Wir wollen, dass das Klimageld ausgezahlt wird. Und wir wollen auch, dass das so schnell wie möglich passiert. Also am besten noch in dieser Legislatur. Das sind ja zwei Fragen, die jetzt gleichzeitig noch ein bisschen offen sind. Das eine ist der Auszahlmechanismus. Wann ist der eigentlich fertig? Also wann sind wir staatlich in der Lage, das dann auch zu tun?
Ich muss ehrlicherweise sagen, als ich in die Regierung gekommen bin und mit unserer Partei wieder reinkommen bin und erst mal gemerkt hab, wie wenig wir auch in Krisensituationen in der Lage waren, an die Bürgerinnen einfach Geld auszuzahlen, kann man sich eigentlich kaum vorstellen. Wenn wir das mal hinbekommen, wäre es auch ein großer Schritt für die Modernisierung unseres Staates. Und die andere ist dann das Geld da und da gibt es schon noch Möglichkeiten, auch im Haushalt.
Wenn ich einen Abbau, klimaschädlicher Subventionen zum Beispiel denke. Also wir haben es nicht aufgegeben.

Also es hat ja jetzt diese Woche auch Bauernproteste in Brüssel gegeben, mit brennenden Reifen, fast 1000 Traktoren in Brüssel, die da Gebäude blockiert haben. Und die Süddeutsche Zeitung sagt, das war ein Angriff auf EU Gebäude, der gerade noch verhindert werden konnte. Und wir haben uns bei der Vorbereitung gefragt, was haben diese europaweiten Bauernproteste und die dann auch in Brüssel stattfinden, mit denen in Deutschland zu tun?
Da gibt es schon eine enge Vernetzung. Also einmal erleben wir gerade diese Debatte tatsächlich in sehr vielen europäischen Ländern parallel. Ich habe zum Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz mit vielen Politikerinnen und Politikern aus anderen Ländern ausgetauscht und war fast selbst überrascht, wie oft kam: Ja, ja, genau das hatten wir letztes Jahr auch. Das haben wir auch
erlebt. Ich glaube, das ist einmal, weil dahinter natürlich oft auch eine Frage von Aushandlungsprozessen zwischen Stadt und Land steht, die sich ja in verschiedenen modernen Gesellschaften stellen, wo, glaube ich, ein sehr wichtiger Ansatz ist nicht diese Spaltung beizugeben, ein Gefühl zu erzeugen Stadt versus Land, sondern wir werden politische Lösungen brauchen, die nicht gleich aussehen, die aber unterschiedlich funktionieren, aber mit gleichen Zielen agieren.
Und das Thema der gleichwertige Lebensverhältnisse bleibt dann natürlich eigentlich die Richtschnur, die Leitlinie. Dann gibt es natürlich auch enge Vernetzung und man lernt voneinander. Ich glaube, das ist auch klar. Das kennen wir auch von anderen sozialen Bewegungen, von anderen Interessensgruppen. Und dann dürfen wir aber auch nicht ganz unterschätzen und ich sag das jetzt nicht in Form jeder, der demonstriert, ist da irgendwie von Putin gekauft, weit davon entfernt.
Wie gesagt, viele gehen einfach aus legitimen Interessen auf die Straße. Aber dass es auch über Desinformation, Einflussnahme vom Ausland gibt es auch Hinweise darauf, dass das bei Biberach stattgefunden hat, auch angeführt wird von außen und da auch ganz bewusst zur Destabilisierung der Demokratie beigetragen werden soll.

Vielleicht als letzten Aspekt noch zu diesen Blockaden. Wir haben das am Anfang geschildert Bauern, andere Verschwörungsleute blockieren, verhindern Parteiveranstaltungen der Grünen. Sie werden körperlich bedrängt. Ich bin in den 80er, 90er ja aufgewachsen, großgeworden und erinnere mich an sehr, sehr viele Blockaden, wo alternative Linke, auch Grüne alles blockiert haben, was nach AKW roch, nach Aufrüstung roch. Worin unterscheiden sich die Blockaden damals von denen heute?
Das ist eine sehr spannende Frage, weil ich will auch sagen, natürlich kann eine Blockade auch ein Formen des legitimen Protestes sein und wir müssen halt auch vorsichtig sein, jetzt nicht jede Form von Demonstration und auch jede Form von Blockade irgendwie komplett zu dramatisieren. Und ich sag auch immer, wenn ich jetzt gefragt worden wurde, Na Frau Lang, da werden Sie ausgebuht, das ist doch unerhörlich, würd ich sagen: Na ja, das muss man dann auch ertragen können. Das ist nicht schön.
Aber dass es Protest gibt, dass Protest mal rau im Ton ist, das ist keine Frage. Was mir Sorgen macht, und das habe ich jetzt auch in den letzten Wochen da zunehmend erlebt, wenn es gewaltvoll wird. Also wenn ich zum Beispiel mir Biberach anschaue, da wurden Einsatzautos beschädigt und Scheiben eingeschlagen, da wurden Polizistinnen und Polizisten tätlich angegriffen, da waren ganz normale Bürgerinnen und Bürger, die sich einfach so eine Veranstaltung anschauen wollten.
Die konnten sich nicht mehr sicher fühlen. Und ich glaube, das ist sozusagen für mich der qualitative Unterschied, wo es wirklich zu Gewalt kommt, wo die Sicherheit von Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht mehr gewährleistet werden kann. Und da schaue ich gar nicht so sehr nur auf jetzt Politiker, die das wie ich als als Hauptamt sozusagen machen. In Magdeburg bin ich dann geschützt, sitzt im Auto, muss warten.
Aber das sind Ehrenamtliche drumherum, das sind Kommunalpolitiker, die nicht das gleiche Maß an Schutz haben, die nicht auf das BKA zurückgreifen können, die nicht die gleichen Möglichkeiten haben, auch so ein Fall öffentlich zu machen, dabei Solidarität ein zu bekommen und die aber Angst haben. Das haben Sie in Hirscheit auch beschrieben, die im Zweifelsfall sich zurückziehen, das erleben auch andere Kommunalpolitiker, die das
mitbekommen. Wir sehen ja, dass die Angrifffe massiv zugenommen haben, parteiübergreifend, auf alle demokratischen Parteien und die hören im Zweifelsfall auf. Und dann geht uns da wirklich ein Rückgrat von der Demokratie
verloren. Und das finde ich sozusagen das, was die Besonderheit jetzt gerade ausmacht und warum das auch so klar zu verurteilen ist, weil es wirklich sozusagen ein Klima der Angst geschaffen wird, weil gewaltvoll vorgegangen wird, weil die Sicherheit von Menschen nicht mehr gewährleistet werden kann. Und da ist ganz klar eine Grenze überschritten.

Ja, zu einem anderen Thema, zur Außenpolitik Deutschlands. Eine der Konstanten in der grünen Politik über Jahrzehnte war ein engagierter Pazifismus. Denken wir an Joschka Fischer, der als Außenminister einem Bundeswehreinsatz zugestimmt hat und dafür härtester Kritik gerade auch aus der eigenen Partei ausgesetzt war. Jetzt indes stehen die Grünen wahrscheinlich so in der deutschen politischen Landschaft besonders engagiert an der Seite der Ukraine, während der Bundeskanzler
zögert. Das hatten wir auch in dieser Sendung schon ganz ausführlich. Deswegen an Sie ganz konkret die Frage: Soll Deutschland diesen Marschflugkörper Taurus liefern, an die Ukraine ja oder nein?
Wir haben in den letzten Wochen sehr klaren Beschluss im Bundestag gefasst, wo wir gesagt haben, es sollen auch mehr Waffensysteme an die Ukraine gehen. Und ich glaube, wir Grüne haben einen Hehl daraus gemacht, dass wir uns da auch der Taurus dazugehört und dass wir es sinnvoll fänden, das zu liefern. Wir müssen jetzt weiter nach vorne schauen, in der Bundesregierung auch die Gespräche führen, was ist möglich, wo kommen wir zusammen?
Wie kann man die sozusagen Mittelstrecken- und Langstreckenfähigkeiten der Ukraine da ausbauen? Aber wie gesagt, für uns war immer klar, dass auch der Taurus eine sinnvolle Lieferung wäre.

Ich würde einfach noch mal ein bisschen nachhaken: Was macht denn jetzt eigentlich inhaltlich den großen Unterschied? Was ist quasi der Grund, warum im Falle des russischen Überfalls auf die Ukraine die Grünen von ihren langgehegten Positionen so weit abgerückt sind?
Ich worde sehr viel gefragt: Wie kann es sein, dass man als Parteivorsitzende der Grünen sieht da so stark einsetzt für eine Unterstützung der Ukraine und auch als Vorsitzende von einer Friedenspartei. Und ich denke da oft, wir haben in unserem Grundsatzprogramm, das wir vor ein paar Jahren beschlossen haben, so den ersten Satz drin, der für mich da Leitlinie war und das ist im Zentrum der Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit.
Für mich war das sehr klar, sehr schnell, auch wenn es keine einfache Frage ist. Aber so ein Satz kann man nicht da reinschreiben, den kann man nicht ernst meinen und dann wegschauen.
Wenn die Würde von Menschen massenweise angegriffen wird in der Ukraine, wenn deren Freiheit dem Erdboden gleich gemacht werden soll und wenn es auch diese Menschen sind in der Ukraine, die ja nicht nur ihre Freiheit verteidigen, sondern auch unsere Freiheit gegen Wladimir Putin, der aber auch die internationale Friedensordnung verteidigen, denn das müssen wir sehen. Ich glaube, das ist mir auch sehr wichtig bei der Debatte, die wir gerade um den Taurus erleben.
Viele Menschen haben vollkommen nachvollziehbar große Sorgen um das Thema Sicherheit und Frieden. Die sind in einem friedlichen Europa aufgewachsen, wie ich es bin. Ein riesen Privileg und sehen das und haben Angst, dass das verloren gehen könnte. Ich glaube, verantwortungsvolle Politik sollte in dieser Situation das ernst nehmen. Wir brauchen diese Empathie. Gleichzeitig diese Ängste nicht schüren, nur weil wir haben zum Beispiel die ganz große gleich in allen demokratischen Nationen
hier in Deutschland. Niemand sagt Bodentruppen, niemand sagt, wir sollen einmarschieren. Es ist einfach hier in Deutschland keine Debatte zum Glück. Und gleichzeitig aber auch zu verstehen, dass wenn Wladimir Putin der Ukraine gewinnen sollte, dann lernt er und dann lernen auch andere Diktatoren auf dieser Welt, dass es für sie möglich ist, Grenzen zu verschieben und dass sie damit durchkommen.
Und das wäre ein Punkt, wo man nicht ausschließen kann, dass Wladimir Putin danach das nächste Land in den Blick nimmt. Das heißt eine größere Gefahr für die Sicherheit und auch für den Frieden in Europa. Und deshalb mache ich das aus Überzeugung als Vorsitzende einer Friedenspartei. Den Frieden in europa zu schützen, heißt für mich gerade, die Ukraine zu unterstützen.

Fabian Hoffmann ist Forscher am Oslo Nuclear Projekt. Der sagt in einem Podcast, den wir auch verlinkt haben: Die Grünen sind in Deutschland eigentlich die einzige Partei, die die Zeitenwende wirklich vollzogen hat, also von einer pazifistischen Partei hin zu einer Partei, die Militäreinsätze wie in der Ukraine unterstützt. Jetzt ist es so, dass in der Regierung es ja so aussieht, das Annalena Baerbock, Außenministerin von den Grünen, diese Taurus Lieferung befürwortet.
Christian Lindner, Finanzminister von der FDP, fordert die Taurus-Lieferung. Und jetzt ist die Frage: Warum verbünden Sie sich als Grüne nicht mit der FDP und machen Druck auf Scholz, damit Taurus geliefert wird?
Ich glaube, in den letzten Monaten wurde an ganz vielen Stellen der Druck gemacht. Das kann ich versprechen. Das ist nicht immer das Klügste, das alles auf offener Bühne zu tun, weil das vielleicht manchmal der eigenen, sozusagen der eigenen Profilierung dient, aber am Ende nicht dem Ergebnis. Und natürlich müssen wir eine gemeinsame Linie innerhalb der Regierung finden.
Das ist eine, das kann man nicht am Kanzleramt vorbei machen, das kann man nicht an einer Partei vorbei machen, sondern am Ende brauchen wir eine gemeinsame Linie. Wir haben uns im Bundestag immer wieder dafür eingesetzt, dass dabei klar ist, dass wir heute schon viel für die Ukraine tun. Das sollte auch niemand kleinreden. Das wird auch anerkannt in der Ukraine, sowohl militärisch als auch humanitär.
Aber dass wir auch noch mehr tun müssen, dass wir damit, wie gesagt, auch unsere eigene Sicherheit, auch den Frieden in Europa schützen. Das braucht aber wie gesagt auch eine gemeinsame Linie innerhalb der Regierung. Eigentlich auch und ich glaube, das war wirklich etwas, was in dieser Woche nicht gut gelaufen ist innerhalb von Europa.
Denn das ist ja klar wenn Deutschland und Frankreich auseinandergehen, dann ist das eigentlich ein Zeichen der Schwäche von Europa, das wir uns gar nicht leisten können diese Situation. Das heißt für uns die Zielrichtung, mehr Unterstützung für die Ukraine ist klar. Aber auch wir müssen das innerhalb der Regierung und auch innerhalb von Europa auf einen gemeinsamen Kurs bringen.

Ja, Sie haben gerade schon das Stichwort Europa genannt. Also Olaf Scholz hat wohl ohne Not sehr scharf reagiert auf einen Vorstoß von Emmanuel Macron, der ohnehin keine unmittelbaren Aussichten auf Realisierung hatte. Olaf Scholz verhält sich im Fall Taurus in einer Weise, wo doch sehr viele Menschen große Fragezeichen haben.
Und zugleich muss man sagen, wenn man ihre Argumentation zu Ende denkt, dass also nur eine wirksame militärische Unterstützung der Ukraine nur eine Niederlage Russlands Sicherheit in Europa schaffen kann, gefährdet dann nicht Olaf Scholz die Sicherheit Deutschlands durch seinen Schlingerkurs?
Wie ich gerade schon gesagt habe Deutschland hat ja ganz viel getan innerhalb der letzten Monate. Das ist nicht, das wir gerade nicht militärisch unterstützen würden, sondern...

Ja, aber es reicht doch nicht.

Sie sagen selber es reicht nicht.

Es reicht noch nicht mal.
Genau. Es muss noch mehr kommen. Aber wie gesagt, ich glaube das ist nicht das wir jetzt gerade da als Deutschland diejenigen sind, die ehrlich gesagt bremsen innerhalb von Europa. Das muss man auch sehen.

Natürlich! Der Bundeskanzler bremst bei Taurus, das muss man doch deutlich sagen. Der Bundeskanzler bremst bei Taurus. Der Bundeskanzler zieht rote Linien gegenüber dem französischen Präsidenten. Klar, Frankreich engagiert sich weniger als Deutschland. Aber dann zeigt Macron mal Bereitschaft, und dann drückt Olaf Scholz mit beiden Füßen auf die Bremse. Müssen Sie da als Grüne nicht sich schärfer positionieren?
Also ich kann nur für uns sagen: Wir haben uns sehr klar positioniert. Wir finden es richtig, Taurus zu liefern. Wir arbeiten da auch weiter dran und wir müssen mehr für die Ukraine machen. Wir werden dafür auch innerhalb der Regierung weiterhin streiten. Ich werde jetzt nicht hier Noten an den Kanzler vergeben.
Man muss aber auch sagen und das meinte ich gerade mit Europa: Ich glaube, diesen Vorstoß, wie ihn Emmanuel Macron gemacht hat, in der Situation, wo Frankreich eigentlich relativ wenig Waffen liefert, dann über Bodentruppen zu reden, das war auch nicht sinnvoll, weil das natürlich diese Angst, die ich vorher beschrieben habe, dass im Zweifelsfall die NATO reingezogen werden könnte, total gefüttert hat, obwohl das überhaupt keine Debatte gerade ist. Also das wird nicht passieren.
Das ist vollkommen klar, dass dann auf der anderen Seite die Sozialdemokratie in Deutschland diesen Ball aufgenommen hat und ich finde ein bisschen so impliziert hat, als wäre das gerade die Debatte oder sogar teilweise noch so getan hat, als ob diejenigen, die Taurus liefern würden, damit eine deutsche Kriegsbeteiligung in Kauf nehmen würden. Das kann ich auch nicht verstehen, da ja Ängste, die Menschen real haben, auch noch schürt, obwohl das wie gesagt nicht der Fall ist.
Wer sich für Taurus ausspricht, so wie ich es tue auch für den ist komplett klar, es wird keine Kriegsbeteiligung von deutscher Seite aus geben.
Und hier würde ich mir wünschen, dass wir mehr und das auch mehr gemeinsam als Regierung und ohne Schlingern und ohne Verzagen eine Klarheit haben in unserer Position gegenüber Putin, mehr Empathie für die Sorgen der Menschen und diese Ängste aber nehmen und Sicherheit ausstrahlen, das hilft am Ende uns hier in Deutschland und es würde auch der Ukraine helfen.

Also nur noch mal, um das fürs Protokoll klar zu kriegen. Selbst wenn die russischen Truppen jetzt die komplette Ukraine besetzen und die Ukraine kurz davor ist zu kapitulieren, sagen sie, deutsche Soldaten werden da nicht eingreifen.
Das sagt nicht nur ich, sondern das ist, glaube ich, eigentlich der Konsens, den wir hier komplett haben in Deutschland. Ich habe noch keinen Politiker von einer demokratischen Partei gehört, der gesagt hat, in dem Fall sollten wir mit Truppen rein.

Ja, ganz herzlichen Dank. Das war im Gespräch mit der Nation Ricarda Lang. Sie ist Covorsitzende der Grünen gemeinsam mit Omid Nouripour. Vielen Dank, dass Sie Zeit hatten für dieses Gespräch.
Sehr, sehr gerne. Schönen Tag noch.

In Deutschland wird ja jetzt einiges rund ums Kiffen, um Cannabis legal. Das ist kurz nach unserer letzten Sendung am Freitag letzter Woche im Bundestag beschlossen worden. Im Kern ein über die Bundesrepublik doch wirklich, würde ich schon sagen historisches Projekt, was da die Ampel losgetreten hat. Die Frage ist jetzt ja, der Bundestag hat zugestimmt, aber wann genau wird es denn nun alles legal oder zumindest teilweise legal?

Die gute Nachricht erst mal: Das Cannabisgesetz ist kein Zustimmungsgesetz. Es braucht also keine Mehrheit im Bundesrat, sonst sähe es ganz übel aus, weil die Union das Gesetz ja ablehnt. Aber auch bei den anderen Gesetzen, den sogenannten Einspruchsgesetzen, kann der Bundesrat immerhin die Dinge noch ein bisschen ausbremsen. Konkret bedeutet das: In seiner Sitzung vom 22.3. könnte der Bundesrat Einspruch erheben. Dann würde das Gesetz zunächst mal in eine Warteschleife
geschickt. Und ein solcher Einspruch scheint sich zurzeit abzuzeichnen, und zwar sogar parteiübergreifend. Auch SPD regierte Bundesländer finden, das Gesetz komme zu schnell, wenn es so wie es jetzt drinsteht, wie es vom Bundestag beschlossen wurde, zum 1. April bereits in Kraft treten würde. Warum?
Das Gesetz enthält bestimmte Amnestieregelungen, also quasi Strafbefreiung für Menschen, die bisher verurteilt worden sind, weil sie mit Cannabis bestimmte Dinge getan haben, die zurzeit noch illegal sind. Die Justiz soll diese Fälle quasi durchschauen, soll dafür sorgen, dass die Menschen dann nach Inkrafttreten des Cannabisgesetzes nicht mehr weiter bestraft werden. Und da sagen die Länder nun Sorry, also das schaffen unsere Justizbehörden nicht.
Es soll um eine fünfstellige Zahl von alten Fällen gehen. Die könne die Justiz so schnell nicht prüfen. Deswegen müsse das ganze Cannabisgesetz ein bisschen verzögert werden.

Ja, das heißt also, was droht uns da? Also 22. März ist Bundesratssitzung. Da wird das nach allem, was wir wissen, in den Vermittlungsausschuss gehen. Da kann die Ampel sich natürlich auch durchsetzen.

Richtig. Aber das führt zu einer gewissen Verzögerung. Und sehr wahrscheinlich wird es dann eine Einigung geben in dem Sinne, dass man das Inkrafttreten, jedenfalls diese Amnestie Regelungen auf den 1.10. vertagt. Die Länder sagen, ein halbes Jahr brauchen wir, um die alten Akten zu wälzen.

Also es steht nicht zur Debatte, ob das jetzt kommt oder nicht, sondern es steht zur Debatte, wann es kommt, ob zum 1.4., teilweise zum 1.7. wie jetzt geplant oder eben zum 1.10. Bevor wir auf die Details eingehen, was dann ja in diesem Jahr nach allem, was wir jetzt wissen, doch ja passieren wird. Warum das Chaos?

Ehrlich gesagt haben die Länder schon seit längerem darauf hingewiesen, dass dieses wieder durchschauen alter Fälle einfach personalintensiv ist. Da gibt es kein IT System selbstverständlich in Deutschland dafür. Da muss man jeweils von Hand die Akten durchschauen. Und da ist das Bundesgesundheitsministerium offenbar stur geblieben. Wir haben sie jetzt nicht mal damit konfrontiert, warum sie das gemacht
haben. Aber es scheint so zu sein, dass da Karl Lauterbach und seine Leute die Warnungen der Länder nicht so richtig hören wollen. Man hätte ja auch einfach ins Gesetz schreiben können, dass nur diese Amnestie Regeln verzögert werden. Dann hätte der Rest jetzt schon mal in Kraft treten können. Also sieht so ein bisschen so aus wie Kopf durch die Wand. Aber ja, irgendwie muss man sehen. Philip: Das Entscheidende ist ja, das Gesetz wird wohl nach menschlichem Ermessen kommen.
Fragt sich ein bisschen wann, aber irgendwann Lauf des Jahres 2024.

Wird es, wird es kommen. Und es bleibt eine komplexe Regelung, einfach jetzt nur zu sagen legalize it und der Handel ist legal und es gibt Jobs und so, dazu hatte die Ampel nicht die Kraft. Und nun wird es also eine, wie ich finde, doch immer noch recht weitreichende Teillegalisierung von Cannabis geben. Stand heute ist es so, dass am 1. April, wahrscheinlich dann am 1.10. de facto aus dem Betäubungsmittelgesetz das Wort Cannabis von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen
wird. Es ist dann also keine verbotene Substanz mehr und der Eigenanbau und der Besitz bestimmter Mengen, recht umfangreicher Mengen dieser Droge Cannabis werden dann für Volljährige erlaubt sein. Das ist so im Kern das, was dann passieren wird.

Und dann zweite wichtige Regelung: Es werden Clubs zum gemeinsamen Anbau möglich sein. Zurzeit ist der Zeitplan 1. Juli. Was das dann bedeutet, ist noch nicht so richtig klar, aber das ist quasi der zweite wichtige Punkt. Aber ich glaube, Philip, es lohnt sich, ein bisschen ins Detail zu gehen. Du hast schon gesagt, Besitz wird erlaubt. Konkret bedeutet das Menschen über 18 Jahren dürfen dann 25 Gramm mit sich herumtragen zum Eigenkonsum.
Und da steht auf der Website des Gesundheitsministeriums, das seien zwei gehäufte Esslöffel.

Das kommt, glaube ich, von der WiWo, von der Wirtschaftwoche.

Ah, okay.

Aber ja, irgendwie so zwei gehäufte Esslöffel kann man sich vorstellen, darf jeder jede 18 plus dann mit sich herumtragen für den Eigenkonsum. In der privaten Wohnung darf man sogar ein bisschen mehr besitzen, nämlich 50 Gramm. Was dann nach dieser Metapher vier gehäufte Esslöffel wären, getrocknete Pflanzen, die darf man legal besitzen. Außerdem darf man zu Hause drei Pflanzen haben für den Eigenverbrauch. Das ist so das, was man mit sich herumtragen darf.
25 auf der Straße und 50 zu Hause und drei Pflanzen.

So, das ist die Regelung für Menschen 18 plus, also für Erwachsene. Das Bundesgesundheitsministerium weist darauf hin, dass Jugendlichen unter 18 Jahren hingegen sowohl der Besitz als auch der Konsum von Cannabis untersagt bleibt. Allerdings soll da nicht mehr das Strafrecht greifen. Wenn sie erwischt werden, soll es keine strafrechtlichen Sanktionen mehr geben. Stattdessen sollen sie dann an Interventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen.

Das ist sozusagen der Besitz. Der andere, die andere Frage ist der Konsum. Und da schreibt das Bundesministerium der Gesundheit ab Inkrafttreten ab dem 1. April.

Na ja, mal schauen.

Wahrscheinlich 1.10. können Erwachsene in Deutschland legal einen Joint rauchen. Tja, das ist die Frage. Und das ist das eine. Dann ist die Frage: Wo dürfen Sie das? Dürfen Sie das überall? Nein, im Prinzip schon. Aber es gibt Ausnahmen. Sie dürfen die nicht rauchen, in Sichtweite von Kitas, Schulen und anderen Jugendeinrichtungen.

Da haben wir uns gefragt: Was heißt Sichtweite? Das hat das Gesetz jetzt immerhin so ein bisschen geklärt. Nach Paragraf fünf des Cannabisgesetzes ist ein Abstand von mehr als 100 Metern auf jeden Fall außer Sichtweite. Das heißt nicht, dass unter 100 Meter ein Problem sind. Also wenn man tatsächlich zum Beispiel um eine Hausecke geht, kann man wohl nicht mehr von in Sichtweite reden.
Auf der anderen Seite sagen wir so: Das hätte man vielleicht auch ein bisschen klarer formulieren können, aber immerhin, das ist die Regel. Sichtweite und mehr als 100 Meter sind auf jeden Fall safe.

Und für Fußgängerzonen gibt es auch noch Einschränkungen. Also im Prinzip darf man das. Aber es gibt so ein paar Einschränkungen, wo man in Zukunft einen Joint rauchen darf.

Aber zum Beispiel Raucherkneipen sind nicht explizit ausgenommen, soweit ich das sehe. Das heißt also, in Raucherkneipen müsste es in Zukunft erlaubt sein.

Dass man kifft. Außerdem, du hast es eben gesagt, Ulf, gibt es halt diese Institution, der Anbauvereine. Also das soll dann ab 1.07. stand jetzt wahrscheinlich 1.10. de facto so sein, dass Anbauvereine an den Start gehen können, die gemeinschaftlich und nicht gewerblich, also ohne Gewinnerzielungsabsicht Cannabis anbauen und zwar nur für ihre Mitglieder. Und an diese Mitglieder dürfen sie pro Monat nur 50 Gramm abgeben und pro Tag glaube ich nicht mehr als 25
Gramm. Dazu gibt es dann halt zahlreiche Vorschriften, wie diese Gewächshäuser aufgestellt sein müssen. Die müssen bewacht sein, man darf nicht reingucken und und und und und. Die Verpackung von dem Zeug, was da abgegeben wird, ist definiert. Und diese Vereine müssen Jugendschutzkonzepte erarbeiten. Und da ist auch noch nicht so ganz klar, wie das konkret aussehen soll. Aber da gibt es einen Sack voll Vorschriften, den diese Anbauvereine werden erfüllen müssen.

Was es allerdings weiterhin nicht geben soll, ist ein Verkauf von Cannabis, so wie man das zum Beispiel aus den Niederlanden kennt. Sogenannte Coffeeshops wird es in Deutschland im Prinzip nicht geben, aber immerhin enthält das Gesetz eine quasi Experimentierklausel. Es soll nämlich Modellregionen geben.

Ja, genau. Bisher ist nicht ganz klar, welche Städte in Deutschland können sich als Cannabis Modellregion bewerben? Dort können dann auch kommerzielle Lieferketten ausprobiert werden, also von der Produktion über den Vertrieb bis zum Verkauf in den Fachgeschäften. Da muss man mal abwarten, wie das dann konkret aussieht und welches Ausmaß das auch haben würde.

Und dann muss man sich natürlich vor Augen führen, das ist ein Stück weit inkonsequent. Also die zentrale Motivation hinter dieser Teillegalisierung von Cannabis war ja, dass die bisherige Kriminalisierung nicht funktioniert hat. Also dass es bisher verboten war, hat ja nicht dazu geführt, dass kein Mensch kifft, sondern es hat dazu geführt, dass die Menschen zum Dealer gehen müssen, sich in irgendwelchen Parks hinterm Busch ihr Zeug kaufen müssen.
Das soll nun eigentlich ja gerade abgeschafft werden. Es soll quasi Cannabis reingeholt werden ins Licht. Cannabiskonsum soll nicht mehr stigmatisiert werden und zugleich sollen Jugendliche aufgeklärt werden. Wenn man dann natürlich aber sagt, es gibt gar nicht die Möglichkeit, so ohne Weiteres Cannabis zu kaufen, dann ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass es weiterhin einen Schwarzmarkt geben wird. So kritisiert jedenfalls Melanie Amann.
Sie ist stellvertretende Chefredakteurin des Spiegels bei Markus Lanz.
Sie lassen die Leute nur anbauen. Also das heißt, sie dürfen es nicht kaufen. Ein legales Produkt sozusagen, darf nicht gekauft werden. Es wird aber trotzdem natürlich dazu kommen, dass die Leute keine Lust haben, das Zeug zu Hause anzubauen, sondern sie wollen es kaufen. Das heißt, sie werden nach wie vor illegale Strukturen haben, wo diese Substanz verkauft wird. Ich halte es für völlig weltfremd zu sagen, dass dadurch der Handel verschwindet.

Ich glaube, das würde Karl Lauterbach auch abstreiten, dass der Handel komplett verschwindet. Aber ich finde, man hat einen Punkt. Ja, Erwachsene können sich in Zukunft wesentlich leichter und auch legal versorgen. Sie können zu Hause anbauen. Sie können Mitglied in so einem Anbauverein werden und für kleine Münze regelmäßig Cannabis kaufen.

Ja. Aber das Problem ist, sie können eben nicht spontan was kaufen. Und da muss ich ganz ehrlich sagen, ich finde Melanie Amann hat einfach einen Punkt. Es gibt diesen Anwendungsfall. Du bist eigentlich kein Kiffer, aber meine Güte, jetzt ist irgendwie Sommer und du liegst im Park und du sagst dir: Boah ey jetzt mal so ein Tütchen. Was machst du in dem Fall? Das ist quasi ein Gesetz für harte Konsumenten. Die also quasi deren, deren ganzes Denken darum kreist wann ist die nächste Tüte fällig?
Während du aber die Gelegenheitsleute, die nur zweimal im Jahr kiffen wollen und die fallen im Grunde durchs Raster, ebenso natürlich Minderjährige. Also das ist genau natürlich der Punkt. Für Minderjährige bleibt ja der Erwerb, Besitz, Anbau von Cannabis weiterhin verboten. Auch die Weitergabe an Kinder und Jugendliche wird bestraft.

Richtig. Also auch Eltern oder auch ältere Brüder, die zu Hause in einer gemeinsamen Wohnung wohnen und sagen Hier, du bist 15, aber bevor du jetzt in Görli läufst, hier ist meine Tüte.

Ist verboten! Und ich meine, das muss man schon sehen. Also insofern, das ist, glaube ich, dass das Problem der Inkonsequenz des Gesetzes an der Stelle man hat sich eben nicht zu einer kompletten Legalisierung durchringen können, sondern hat so eine Teilalisierung gemacht mit nur Modellregionen ausprobieren, Coffeeshops und mit weiterhin Illegalisierung im Bereich Jugendliche.
Das nennt sich Jugendschutz, aber es führt eben dazu, dass tatsächlich ein Bereich bleibt, wo es dann doch wohl ein Schwarzmarkt geben dürfte. Mit anderen Worten die Erwachsenen können sich größtenteils woanders versorgen, die Teenager werden zum Dealer geschickt.

Ja, da ist die Antwort von Lauterbach halt Aufklärung. Wir werden und wollen und müssen an den Schulen aufklären. Das können wir jetzt vielleicht auch leichter machen, weil es endlich legal ist, weil es besser ist, darüber zu reden. Aber das war seine Antwort. Dass gesagt wird, das gibt Gehirnschäden. Wenn du unter 21 bist, dann kann das zu nachhaltigen Schäden an deinem Gehirn führen. Don't do it. Der zentrale Kritikpunkt ist denn auch neben Schwarzmarkt vor allen Dingen der Jugendschutz.
Und da ist die Kritik an dem Gesetz, Jugendliche würden eben nicht ausreichend geschützt. Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, der kritisiert, die Teillegalisierung vermittle, wie er sagt, ein falsches Signal der Harmlosigkeit des Cannabiskonsums. Und ähnlich formuliert das auch Melanie Amann, stellvertretende Chefin des Spiegels bei Markus Lanz.
Was ich nicht verstehe an ihrer Reform ist: Sie senden dann an Leute das Signal, es ist legal. Und zugleich es soll trotzdem gerade bei Jugendlichen ja genau die Message ankommen Ist es unerwünscht und es ist für euch gefährlich. Und diesen gleich limitieren Sie. Das ist der eine Widerspruch.

Ja, es ist ein Widerspruch, aber es ist kein Cannabis spezifischer Widerspruch. Es ist einfach Freiheit. Das nennt man Freiheit. Es ist etwas legal, aber schädlich. Das ist etwas, mit dem wir uns in einer freiheitlichen Gesellschaft an jeder Ecke auseinandersetzen. Und ein Deal, den wir jeden Tag machen: Alkohol, Rauchen, Autofahren und, und, und. Rauchen. Alkohol. Offensichtlich schädlich. Du würdest nie einem Jugendlichen sagen: Rauch doch mal, hau dir doch mal mit Alkohol die Birne weg.
Trotzdem ist es legal.

Und das ist eben gerade der Gedanke in einer freiheitlichen Gesellschaft, dass man Verbote auf das Minimum reduzieren sollte. Ein zweiter wichtiger Punkt, denke ich neben diesem grundsätzlichen Liberalismus ist das ja, das Verbieten auch nicht funktioniert hat. Wenn man jetzt einfach nur vom Ergebnis her denkt, wie senkt man effektiv den Cannabisverbrauch, insbesondere unter Jugendlichen? Dann muss man sagen das Verbot funktioniert nicht. Wir haben heute einen blühenden Schwarzmarkt.
Jeder, wirklich jeder, kann persönlich problemlos sich eindecken bis ins letzte kleine Dorf.

Und der Konsum gerade unter Jugendlichen wächst seit Jahren.

So und dieses und deswegen muss man sagen, das Verbot hat zum einen problematische Begleiterscheinungen. Ja, wir belasten die Justiz ohne Ende mit diesen Verfahren. Vor allem aber bringt es überhaupt gar nichts, weil das Verbot natürlich dazu führt, dass es extrem, wie soll ich sagen, so stigmatisiert ist.
Man redet nicht so richtig drüber und so und ich denke, das grundsätzliche Legalisieren von Cannabis, flankiert mit Aufklärungs- und Begleitmaßnahmen, könnte im Zweifel deutlich mehr bringen für den Jugendschutz als das bisherige völlig unwirksame Verbot.

Insofern finde ich halt den Weg, den Lauterbach und die Ampel da eingeschlagen hat, an sich schon richtig und ich finde, es hilft immer auch diese Cannabis Kritik an der Regelung zum Alkohol zu messen. Also da heißt es jetzt ja, Leute können mit 25 Gramm in der Öffentlichkeit rumlaufen, das sind irgendwie 75 Joints. Wie kann das denn sein? Völlig legal. 75 Joints?
Man kann es nur sagen: Ja, Dieselbe Person, die 25 Gramm Cannabis 75 Joints mit sich herumträgt, die kann auch in den nächsten Supermarkt gehen, sich eine Kiste Wodka mit zehn Flaschen kaufen und sich da 400 Shots draus machen. Geht auch. Würdest du auch niemandem empfehlen, der 18 ist.

Ist auch eine tödliche Dosis.

Hau dir das doch mal rein und trotzdem ist es legal.

Das muss ich auch ganz ehrlich sagen. Ich würde mir da, das ist, das haben wir ja auch schon gesagt, als wir über den Gesetzentwurf vor ein paar Wochen mal berichtet haben. Ich würde mir da einfach so ein bisschen mehr Pragmatismus wünschen, sich einfach die ehrliche Frage zu stellen: Was bringt was? Und Verbote haben gerade im Bereich Cannabis bislang gar nicht funktioniert.
Was man an diesem Gesetz aus meiner Sicht am ehesten noch kritisieren kann, ist, dass es so ja auch Melanie Amanns Kritik eben es nicht schaffen wird, den Schwarzmarkt komplett abzuschaffen. Es gibt das Marktsegment Gelegenheitskonsumenten im Erwachsenenalter. Es gibt leider das Marktsegment Jugendliche, die schicken wir ja bewusst weiter zum Dealer, weil wir ihnen, weil wir sie schützen wollen. Das ist ganz interessant. Im Bereich Erwachsene hat das Gesetz gelernt.
Aus dem völligen Fehlschlagen der Kriminalisierung von Cannabis im Bereich Jugendliche hat das Gesetz das noch nicht gelernt. Meine Prognose ist: Das wird einfach auf Dauer weiter aufgeweicht. Das wird jetzt, das ist jetzt erst mal ein Kompromiss. Das ist wie immer ganz schwer, den durch das Gesetzgebungsverfahren zu bekommen. Aber ich würde mal wetten, in paar Jahren haben wir überall Coffeeshops.
In den paar Jahren haben wir Cannabis offiziell ab 16 aber weiterhin Präventionsmaßnahmen und dann ist nämlich der Schwarzmarkt wirklich weg.

Ja, und das ist ja auch die gute Nachricht. Da die jetzt so ein bisschen auch hochgespielt wurde, ist das Prävention vor allem an Schulen wirken kann. Also da wird zitiert der Psychologe Reiner Hanewinkel, der ist Leiter des Instituts für Therapie und Gesundheitsforschung. Und der hat ein Projekt angestoßen, das ab Frühjahr '24 in allen Bundesländern ab der achten Klasse zum Einsatz kommen soll.
Das nennt sich Der grüne Koffer und der Professor Hanewinkel hat das mit anderen Forschern, weiß ich nicht, ob das angestoßen hat, aber er hat es zumindest untersucht. Und in einer Studie kommen sie eben zu dem Schluss, dass dieses Methodenset von diesem grünen Koffer und der Cannabis Prävention nach durchschnittlich drei Schulstunden schon Wirkung
zeigt. Die Teenager, sagt, die Studie, die an diesem Projekt teilnehmen, wussten danach besser als andere Gleichaltrige über die Wirkung und Risiken von Cannabis Bescheid. Und teils fingen sie sogar erst später oder gar nicht mit dem Cannabiskonsum an, das heißt, das, was ich eben gesagt habe, das sagen ja auch zum Teil einige Schulen und Lehrer.
Jetzt, wo das zumindest teilweise legal ist, kann man halt auch mal richtig ernsthaft darüber reden und das vielleicht auch zum Curriculum in der Schule machen. Und diese Forschung legt zumindest nahe, dass das auch ein Effekt bei Jugendlichen hat.

Trotzdem gibt es eben die Kritik auch, dass die Legalisierung schon zu weit gehe. Beispielsweise hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder von der CSU bereits angekündigt, Zitat Wir werden dieses Gesetz extremst restriktiv anwenden. Und ehrlich gesagt, Philip, glaube ich, wo der Hebel ist, um quasi das Gesetz möglichst leerlaufen zu lassen im Freistaat Bayern, ist eigentlich ziemlich klar.

Das setzt an bei den Anbauverein würde ich mal vermuten. Ein Verein, den kannste auch in Bayern weiterhin schnell gründen. Aber damit ein Verein ein Anbauverein wird, muss er halt noch extra als solcher zugelassen werden. Und da listet das Gesetz doch eine ganze Reihe von Gründen auf, die eine Behörde heranziehen kann, um zu sagen Ja, du hast zwar die Zulassung als Anbauverein beantragt, aber die verweigern wir dir.

Eine lange Latte, eine halbe Seite PDF. Die vielen, vielen Gründe, aus denen das verweigert werden kann. Und da kann man sich schon vorstellen, wie man das zum Beispiel machen könnte. Da könnte Bayern sich zum Beispiel entscheiden, diese Genehmigung ausschließlich vom Ministerium erteilen zu lassen, nach sehr strenger Prüfung. Also das kann man alles administrativ ins Leere laufen lassen. Die Frage ist so ein bisschen Warum denn eigentlich? Warum muss man da unbedingt so hart bleiben? Aber gut.
Kritik kommt aber nicht nur aus der CSU oder von der CDU, sondern auch aus Teilen der SPD. Beispielsweise äußert sich Sebastian Fiedler, langjähriger Kriminalbeamter, auch beim Bund der Kriminalbeamten früher aktiv, zu diesem Gesetz, eher nicht so freundlich.

Ja, genau das ist das Beispiel, was wir oben schon behandelt haben. Er sagt, ein Dealer darf jetzt halt mit 25 Gramm legal rumlaufen. Wenn er erwischt wird, sagt er Ich verkauft das nicht, ich habe es nur für den Eigenbedarf. Deswegen kann man ihn nicht belangen. Das sind 75 Joints. Damit, sagt Fiedler, kann man immer noch gut rum dealen, haben wir oben gesagt. Ja, aber heute ist es eben illegal. Es funktioniert nicht, der Konsum wächst und es bleibt einfach dabei.
Jede Art von Weitergabe, erst recht an Minderjährige, aber nicht nur an Minderjährige, sondern auch an Erwachsene, die bleibt eben illegal.

Und das da wird man halt einfach jetzt mal beobachten, wie das funktioniert. Also ich mutmaße tatsächlich, dass da auf Dauer die Polizei sagen wird: Liebe Leute, was soll denn das? Das ist so viel Arbeit weiterhin, können wir das nicht bitte konsequent liberalisieren? Insofern wundert mich so ein bisschen, dass Fiedler da nicht eher die Inkonsequenz des Gesetzes kritisiert.
Denn ganz ehrlich: Zweifel an der Sinnhaftigkeit der bisherigen Strafbarkeit kamen ja nicht zuletzt auch aus Kreisen der Polizei.

Ja, wir haben auch telefoniert mit Steffen Geyer, der als Vorsitzender des Dachverbands deutscher Cannabis Social Clubs, also letztlich dieser Anbauvereine. Ein jahrelanger Aktivist eigentlich in dieser Szene.

Wichtig zu wissen: Es gibt mehrere Dachverbände, da kommen wir gleich dazu.

Und er sagt Na also, ich kann das jetzt im Einzelnen schon kritisieren, dieses Gesetz. Aber im Kern, sagt er, geht das schon in die richtige Richtung. Die Bestrafung von Cannabisbesitz, die hat nicht funktioniert. Der Konsum wächst. Und er sagt, es werden durch diese Legalisierung wahrscheinlich 180.000 Strafverfahren jedes Jahr wegfallen. Und er sagt, das ist einfach ein Fortschritt.

Und ich würde den 180.000 Verfahren, die ja jeweils einzeln eingestellt werden müssen, denn es sind ja also auch wenn es nicht mehr bestraft wird, werden immer erst mal Verfahren eingeleitet und dann wieder wieder eingestellt. Also totaler Quatsch. Auf der anderen Seite warnt aber Geyer davor, das Gesetz jetzt auch nicht zu überschätzen. Aus seiner Perspektive kann sich die Situation für Konsumierende in bestimmten Kontexten sogar verschlechtern.
Beispielsweise, sagt er, darf man ja bisher durchaus konsumieren, nur nicht besitzen. In Zukunft indes wird auch das Konsumieren in vielen Situationen verboten, beispielsweise auf der Weihnachtsfeier der Kita. Da sagt er: Ich habe schon öfter Alkohol in Kitas getragen für die Weihnachtsfeier. Mit einem brennenden Joint darf ich das nicht.

Ja, und dann sagt er auch, dann weißt er auf was hin, finde ich, was auch nicht so richtig klar geworden ist, mir jedenfalls bisher, dass dieses Gesetz doch zu einer enormen Datensammlung führen könnte bei diesen Anbauvereinen. Denn die Menschen dürfen nur in einem Verein Mitglied sein, weil natürlich die monatliche Abgabe auf 50 Gramm beschränkt ist. Und wenn ich jetzt ein zehn Vereinsmitglied bin und ein halbes Kilo daraus trage, dann ist das nicht im Sinne des Erfinders und des Gesetzgebers.

Und damit man das wirklich durchsetzen kann, sollen diese Anbauvereine gezwungen werden, extrem viele Daten zu sammeln über die Mitgliedschaften, aber auch über den Konsum. Wenn ich eben nur 50 Gramm pro Nase rausgeben darf im Monat, dann muss ich natürlich wissen, was hat dieser Mensch schon so alles bekommen. Da wird es also jetzt umfangreiche Datensammlung geben und die Sorge von Herrn Geyer ist, dass die Vereine diese Daten dann an alle möglichen Behörden herausgeben
müssen. Und da wirft er aus meiner Sicht zu Recht die Frage auf: Was ist denn mit Führerscheinbehörden? Wird die Führerscheinbehörde zumal in Bayern, möglicherweise aus der Tatsache der Mitgliedschaft im Anbauverein oder aus der Tatsache, dass sich da im Monat 50 Gramm raustrage, möglicherweise den Schluss ziehen, dass ich unzuverlässig bin im Hinblick auf meinen Führerschein.
Müssen sich jetzt also alle Menschen, die dann tatsächlich im CSC, in so einem Cannabis Social Club Mitglied sind, Sorgen um ihre Führerscheine machen? Muss ich ganz ehrlich sagen, da sehe ich jetzt jedenfalls in dem Gesetz keine Grundlage, um ihn zu beruhigen. Das hängt wahrscheinlich total von der Verwaltungspraxis ab. Man kann sich vorstellen, dass die Führerscheinstellen dann auch nach ein paar Jahren irgendwie mal sage ich jetzt mal durchatmen und sagen da gehen wir jetzt nicht mehr
hinterher. Aber es ist jedenfalls nicht auszuschließen.

Zumal jetzt ja auch über den Grenzwert neu debattiert wird. Der ist momentan für THC im Blut im Auto, im Straßenverkehr extrem niedrig und strikt. Und da gibt es jetzt, glaube ich, ein Gremium, was in den nächsten Wochen Monaten darüber beraten wird: Sollen wir den anpassen und wie hoch wird er denn dann sein? Wie viel THC darf man im Blut haben, wenn man am Straßenverkehr teilnimmt? Also bottom line: Bis hierhin würde ich sagen, der Konsum wird erleichtert.
Der Anbau wird für private Zwecke auch erleichtert, aber es wird keinen legalen kommerziellen Handel in Deutschland geben. Und das rückt halt diese Anbauvereine in Zukunft schon sehr in den Fokus. Die spielen eine zentrale Rolle in dieser deutschen Teillegalisierung. Und dann ist uns aufgefallen, es gibt ja in Deutschland jetzt schon einige 100 Anbauvereine, die sind natürlich noch nicht registriert, aber die Vereine als solche, als Vereine, die gibt es schon.
Und da haben wir uns gefragt Ja, aber wie stellen diese Vereine sich das denn in der Praxis vor? Wie soll das aussehen, so ein Anbauverein? Und darüber haben wir mit einem Experten gesprochen.

Nämlich mit Nils Harbers. Er ist Vorstand von Mariana Cannabis. Das ist ein anderer Dachverband von Cannabis Social Clubs in Deutschland. Ganz herzlich willkommen zur Lage der Nation. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen, um mit uns zu sprechen. Vielleicht wollen Sie sich zunächst einmal kurz vorstellen.
Ja, vielen Dank für das Interesse. Vielen Dank, dass ich da sein darf. Mein Name ist Nils und ich studiere Forstwirtschaft. Ich bin 28 Jahre alt. Ich komme eigentlich aus einem ganz anderen Bereich. Ich habe erst eine Kochausbildung gemacht und bin dann über Umwege in die Forstwirtschaft gekommen. Und jetzt beschäftige ich mich eben mit den Cannabis Social Clubs.

Das heißt, eigentlich beschäftigen Sie sich mit großen Pflanzen im Wald und jetzt eben quasi so hobbymäßig noch mit kleinen Pflanzen, nämlich Cannabispflanzen.
Ja, wobei man im Wald sich auch sehr viel mit kleinen Pflanzen befasst. Botanik ist im Wald auch wichtig. Da gibt es sogenannte Zeigerpflanzen, an denen man dann herleiten kann, wie beispielsweise der Kalkgehalt im Boden ist.

Ah ok.

Wunderbar, aber das müssen wir, glaube ich, für ein anderes Interview uns aufheben. Bleiben wir mal ganz kurz bei den Anbauvereinen. Also da ist jetzt ja viel die Rede davon, dass die Anbauvereine in der deutschen Gesetzeslage eine zentrale Rolle einnehmen, um nicht kommerziell gemeinschaftlich Cannabis anzubauen. Sie sind ja jetzt Chef von so einem Anbauverein. Beschreiben Sie doch mal, wie das konkret gerade aussieht.
Jetzt gerade wird das alles für uns ein bisschen klarer. Am Anfang stand immer noch alles auf der Kippe. Viele Leute haben gesagt Das wird nichts, das ist mir zu ungewiss. Ich will noch nicht Mitglied werden, weil ich Angst davor habe, dass die Daten dann an die Polizei rausgehen. Aber jetzt, am 23.2. wurde das ja im Bundestag beschlossen. Seitdem haben wir sehr viele neue Mitglieder bekommen. Und jetzt wird alles konkreter.
Jetzt arbeiten wir das gerade aus, sprechen uns auch mit anderen Verbänden ab, mit anderen Clubs ab. Wir haben seit kurzem einem Rechtsbeistand. Das Problem, oder die große Schwierigkeit besteht darin, dass vieles trotzdem noch ungewiss ist. Beispielsweise die Behörden wissen auch noch gar nicht, was sie erwartet, was sie machen dürfen, was sie machen müssen. Und dasselbe mit dem Präventionskonzept.
Die Cannabis Social Clubs, die müssen ja ein Konzept entwickeln zum Jugendschutz und zur Suchtprävention. Und da nehmen wir schon teilweise auch sehr aktiv Kontakt auf mit den jeweiligen Behörden oder mit den jeweiligen Institutionen, die dafür verantwortlich sind, mit Suchtberatungen beispielsweise. Aber auch die sind komplett überfordert. Von daher ist das für alle irgendwie neu und wir müssen gucken, wer gibt so ein bisschen die Richtung vor.
Das ist das ganz Coole an unserem Verband, dass wir jetzt viele Mitglieder sind, viele Clubs und da vielleicht auch irgendwo verschiedene Konzepte ausprobieren können und gucken, was einfach am besten funktioniert.

Aber das verstehe ich, dass es so ein paar Sachen noch ungeklärt sind und ein paar Sachen unsicher sind. Aber wenn Sie den Club so machen könnten, wie sie das jetzt wollten, wie würde das aussehen? Also wie viel Mitglieder, wer, wo würde das angebaut werden usw. Wie würden Sie sich das vorstellen?
Okay, also im Idealfall, es gibt einige, die sagen, wir möchten nur 100 Mitglieder haben, damit es persönlicher ist. Wir möchten das wirklich komplett ausreizen. Wir möchten die 500 Mitglieder voll bekommen und der Anbau soll im Idealfall über zwei Modelle laufen. Einerseits soll es einen sehr professionellen Anbau geben, der von dem Verband beispielsweise gemanagt wird, an dem dann bestimmte Mitglieder auch beteiligt sind. Die werden dann freiberuflich eingestellt.
Also das ist sozusagen der Hauptbedarf für die Mitglieder. So zu 95 % soll professionell erfolgen. Aber gleichzeitig möchten wir den Mitgliedern natürlich auch die Möglichkeit geben, selber Pflanzen anzubauen, selber damit zu experimentieren. Also soll es gleichzeitig eine kleine Fläche geben, ein kleines Gewächshaus, zu welchem die Mitglieder jederzeit Zugang haben.
Das Problem ist in dem großen Gewächshaus ist das nicht irgendwie realisierbar, dass da 500 Mitglieder ein und ausgehen wie sie wollen, weil man dann bestimmte Qualitätsstandards natürlich auch nicht einhalten kann.

Jetzt ist ja vorgeschrieben, dass sie an Mitglieder nur bestimmte Mengen ausgeben werden dürfen. Also pro Tag sind es glaube ich 25 Gramm und pro Monat nicht mehr als 50 Gramm. Wie wollen Sie das kontrollieren, ob Peter jetzt schon 50 Gramm im Monat bekommen hat oder nicht?
Genau, das ist eine sehr gute Frage. Da gibt es mittlerweile schon einige Softwareanbieter und wir denken, dass da in Zukunft noch wesentlich mehr auf den Markt kommen wird. Jetzt gibt es auch schon eine sehr große Firma aus den USA. Metrik heißen die und die schauen, wie sie das jetzt auf den deutschen Markt anwenden können. Wir gucken selber auch, ob wir da eigene Lösungen entwickeln.
Aber wir denken, dass da eine Software, eine gewisse Art der Digitalisierung und Automatisierung sehr wichtig sein wird, vor allem auch für die Behörden. Dass man dann so eine Art Schnittstelle da einbauen kann, dass die bestimmte Dinge überprüfen können.

Also das heißt, man wird dann möglicherweise so eine Art Mitgliedsausweis bekommen von einem Club und auf diesem Ausweis wird dann festgehalten, wie viel Cannabis man in einem bestimmten Monat zum Beispiel schon gekauft hat im Club.
Genau. Im Idealfall mit einer App. Beispielsweise eine App, die man dann auf dem Handy hat. Und da kann man direkt den Mitgliedsausweis sehen und das Cannabis, welches man auch verfügbar hat im Monat beispielsweise.

Aber das heißt, dann muss ja der Club im Grunde so eine Art Shop anbieten. Natürlich einen geschlossenen Shop, wo nur Mitglieder einkaufen können, aber dann muss es da irgendwie so eine Theke geben, wo dann halt gewogen wird. Okay, in diesem Tütchen sind 7,4 Gramm und das muss dann ja irgendwie eingetragen werden in den Mitgliedsausweis oder wie muss man sich das vorstellen?
Genau richtig. Also man kann sich das schon so ähnlich vorstellen wie einen Coffeeshop. So ähnlich planen wir das auch, wo man reingeht, verschiedene Sorten hat. Die Sorten haben unterschiedliche Preise, je nachdem wie nachgefragt die sind, wie hoch der Aufwand ist beim Anbau. Allerdings der Gesetzgeber, der mag das Wort verkaufen in dem Zusammenhang nicht so gerne. Da ist eher die Rede von Abgabe. Also das Cannabis wird zum Selbstkostenpreis abgegeben.

Jetzt sind diese Anbauvereine ja für alle diejenigen die Anlaufstelle, die entweder zu Hause anbauen und den reicht das nicht. Oder die sagen, wir wollen Cannabis konsumieren, wollen aber oder können zu Hause nicht anbauen. Und dann ist der legale Weg, demnächst in so einen Club einzutreten, um sich dort zu versorgen. Da ist die Frage: Wie wählen Sie ihre Mitglieder aus? Wie leicht oder schwer wird es, Mitglied in so einem Verein zu werden?
Okay, auch da wollen wir zwei verschiedene Modelle haben. Einerseits möchten wir jetzt am Anfang alle aufnehmen, die daran Interesse haben. Das ist schwierig, das für uns zu überprüfen. Wenn das Cannabis abgeholt wird, dann wird das genau überprüft. Dann wird man den Ausweis vorlegen müssen. Dann wird geschaut, ob wirklich die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Und dann soll es auch bei jedem Club einen Socializing Bereich geben.
Beispielsweise könnte der darin bestehen, dass der Club eine kleine Wohnung anmietet und in diesen Socializing Bereich haben dann nur ausgewählte Mitglieder Zugang oder Mitglieder Zugang, die bestimmte Kriterien erfüllen. Aber das würden wir dann individuell den Clubs überlassen. Oder in dem Fall einem beispielsweise Cannabis Social Club in Göttingen.
Der kann dann selber entscheiden, die Vorstände, die Mitglieder, die können sich selber aussuchen, wie sie das gestalten und welche Mitglieder sie reinlassen in den privaten Raum und können vielleicht auch Hausverbote erteilen.

Jetzt gibt es ja die Möglichkeit, dass ich Mitglied in mehreren Cannabisvereinen bin und damit diese Maximalmenge umgehen könnte. Also ich bin Mitglied in zehn Vereinen. Über 50 Gramm im Monat, ist ein halbes Kilo im Monat. Gibt es da Überlegungen, wie man dem vorbeugen könnte?
Gesetzlich soll das ja verboten sein. Allerdings ist das sicher auch schwierig umzusetzen. Da ist jetzt die Rede von so einer Art Zentralregister. Aber wie das genau funktionieren soll, weiß ich auch noch nicht. Ich denke, dass die Regierung da vor großen Problemen steht. Andererseits habe ich da auch schon Aussagen gehört, dass es trotzdem zu aufwendig ist. Das heißt, jemand, der sich in zwei oder drei Clubs anmeldet, der bezieht halt seine 150 Gramm.
Aber das wird nicht genug sein, um damit groß dealen zu können oder irgendwie illegale Kanäle zu bedienen. Und das ist dann sozusagen ein Risiko, was in Kauf genommen wird. Und langfristig gesehen kann ich mir vorstellen, dass da bestimmte Systeme integriert werden, aber das ist bis jetzt noch nicht bekannt.

Ja, was wir uns noch gefragt haben, Stichwort Jugendschutz. Sie müssen da ja Konzepte aufstellen. Da haben Sie schon geschildert, dass das momentan einfach schwierig ist, weil alle ein bisschen überfordert sind. Aber wir haben uns gefragt: Führt denn das Gesetz nicht dazu, dass Cannabiskonsum legal wird für alle ab 18, während man die Teenager dann weiter zum Dealer schickt? Ist das aus Ihrer Sicht eine sinnvolle Abgrenzung?
Das Problem ist, irgendwo wird man ja die Grenze machen müssen. Es gibt auch einige Clubs, die sagen, wir nehmen nur Leute ab 21 auf oder nur Leute ab 25, aber da sagen wir auch explizit Nein, Wir nehmen auch schon Leute ab 18 auf, denn diejenigen würden sonst das Cannabis vom Schwarzmarkt beziehen. Aber irgendwo muss man halt die Grenze ziehen. Und ich finde 18 ist in Ordnung. Manche sagen sogar noch, dass ist zu früh. Aber auch da ist das mit der 10 % THC Grenze auch ganz sinnvoll gewählt.

Nun ist natürlich die Frage, was machen denn dann die Jugendlichen? Rechnen Sie damit, dass der Schwarzmarkt durch das Cannabisgesetz komplett verschwinden wird? Oder haben wir in Zukunft einfach so eine Zweiklassengesellschaft? Die Teenager gehen zum Dealer und die Erwachsenen haben eine Pflanze auf dem Balkon oder sind eben im Anbauverein Mitglied.
Ich denke, dass dadurch sogar der Konsum unter Jugendlichen abnimmt. Bei vielen ist das gar nicht so richtig bewusst gewesen, dass Cannabis bei Jugendlichen zu Problemen führen kann. In der Gehirnentwicklung beispielsweise. Das wusste ich vor zehn Jahren auch noch nicht. Aber jetzt oder in fünf Jahren wird das jeder wissen, jede Mutter wissen, jeder Vater wissen. Eben dadurch, dass man darüber spricht. Der Konsum wird jetzt kurzfristig steigen. Auf jeden Fall. Aber bei Jugendlichen gehe ich
nicht davon aus. Bei Jugendlichen gehe ich sogar eher davon aus, dass der Konsum abnimmt.

Letzte Frage, so big picture. Wenn Sie da drauf gucken auf dieses Gesetz und diese zumindest teilweise Legalisierung von Cannabis positiv oder negativ?
Positiv! Es gibt viele Dinge, die man kritisieren kann, aber man muss halt beachten, dass das auch ein Gesetz ist, was genutzt wird um das EU Gesetz zu umgehen. Also von daher ist das in Ordnung. Sehr schade finde ich den Socializing Aspekt, dass man nicht in den Vereinigungen konsumieren darf. Das ist ein großer Kritikpunkt. Aber ansonsten finde ich das alles in Ordnung.

Ja, ganz herzlichen Dank. Das war im Interview mit der Lage der Nation Nils. Er ist Chef eines Anbauvereins und außerdem aktiv im Dachverband der Cannabis Social Clubs in Deutschland. Ganz herzlichen Dank.
Sehr gerne.

Es gibt nur noch eine Sache, die wir in diesem Interview mit ihm vergessen haben. Wie ist das eigentlich genau mit dem Geld? Weil das spielt ja schon eine wichtige Rolle. Und da fragt man sich, wie viel geben die da eigentlich aus, wie viel nehmen die eigentlich ein? Also habe ich hinterher noch mal angerufen. Die haben jetzt nicht nochmal aufgenommen. Aber die Zahlen, die er mir gesagt hat, die sind schon ziemlich interessant und die wollen wir euch ja noch mal nachreichen.

Also sein Dachverband Mariana Cannabis hat heute schon 5000 Mitglieder. Das daraus kann man schon sehen, das selber wird keinen Anbau Club werden, denn so ein Anbauverein darf ja nicht mehr als 500 Mitglieder haben. Deswegen treten die Leute jetzt in Anbauvereinen bei, aber auch im Dachverband. Und unter diesem Dachverband sind viele Vereine wiederum auch als Mitglieder organisiert. Das heißt, dieser Dachverband hat Menschen und Vereine als Mitglieder.

Richtig. Und das ist insofern sagen wir mal, nicht so ein Dachverband wie dem von Steffen Geyer, der sich so eher als politischer Lobbyist in der Rolle eines klassischen Dachverbandes sieht, der halt die Interessen von bestimmten Gruppen vertritt, sondern hier scheint mir das eher ein Dachverband im Dachsinne zu sein. Es gibt halt viele Vereine und wir sind halt das Dach darüber, weil in den Vereinen nicht mehr als 500 jeweils Mitglied sein dürfen.
Also machen wir einen Dachverband und die Leute in diesem Dachverband, die sollen jetzt ab demnächst 25 € einmalige Aufnahmegebühr und dann 25 € im Monat Mitgliedsbeitrag zahlen.

Das ne Menge Holz!

Das eine Menge Holz. Nils Harbers sagt: Wir erwarten im März 200.000 € an Mitgliedsbeiträgen.

Und das dann jeden Monat. Aber mal ganz ehrlich die, die brauchen halt die Kohle auch. Denn die Frage ist ja, wie kommen wir jetzt eigentlich an die Gewächshäuser, um da die Pflanzen anzubauen?

Richtig. Und er sagt Na ja, wir planen da so ein Gewächshaus in der Nähe von Leverkusen, schön nah an der holländischen Grenze, damit die Experten uns dann auch bei technischen und wie sagt man biologischen Problemen helfen können. Habe ihn gefragt Ja okay, was sind das für Gewächshäuser? Sagt er. Ja, wir planen Gewächshaus. 2000 Quadratmeter, das ist zehn mal 200 Meter.

Oder 100 mal 20. Also schon richtiges Ding.

Okay. Und was kostet so ein Gewächshaus? Ja, sagt er. Also 10 Millionen € werden wären schon ganz gut. Aber mit 5 Millionen können wir auch erst mal anfangen.

Und dann können sie 20.000 Leute deutschlandweit versorgen. Das ist das Ziel 20.000 Leute. Und ich meine, mal ganz ehrlich, damit hebt man vermutlich schon so gewisse Effizienzgewinne. Aber ganz ehrlich ich finde die rechtliche Konstruktion einigermaßen sportlich. Denn das ist ja auch ganz offensichtliche Umgehung des Gesetzes, Denn das Gesetz will kleine Clubs, wo 500 Leute
Mitglied sind. Mehr dürfen es nicht sein, die dann so ein süßes kleines Gewächshaus bauen und dann hier so und so und so und so ein mega Growcenter an der holländischen Grenze. Also ich sage mal so, ich würde annehmen, Karl Lauterbach und seine Leute haben sich das ein bisschen anders vorgestellt. Ich bin sehr gespannt, ob sich da ein Weg findet, dieses Mega Cannabiszentrum überhaupt irgendwie sauber rechtlich abzubilden.

Ja, dazu muss man sagen. Ich glaube auf Seiten von Mariana läuft da noch die rechtliche Eruierung. Wie das genau läuft, das sind viele, viele Fragen noch unbeantwortet. Aber das sind die Eckdaten, die er uns genannt hat und das fand ich dann doch schon mal ziemlich sportlich und von einer Dimension, mit der ich nicht gerechnet habe.

Muss ich auch sagen, aber ich finde es auch einfach sehr kreativ. Ne, das Gesetz ist halt, wir haben eingangs gesagt mega bürokratisch und es wird eigentlich den Anbauvereinen schon nicht so ganz einfach gemacht, weil dein Gewächshaus auch gesichert sein muß wie Fort Knox, damit du überhaupt eine Zulassung bekommst. Das wird also nach wie vor behandelt, als wenn du da keine Ahnung mit Giftgas arbeiten willst. So sieht, so liest sich das jedenfalls in diesem Cannabisgesetz.
Und das wäre für einen kleinen Verein mit 500 Leuten schwer zu stemmen. Ich habe ja die Zahlen gehört. 10 Millionen kostet ein Gewächshaus.

Also in der Größe!

Ja gut, aber ich meine, mal ganz ehrlich teil das mal durch zehn, bei 5000 Mitglieder, 500 Mitglieder. Dann kostet ein kleines Gewächshaus immer noch 1 Million. Das musst du mit 500 Leuten erst mal stemmen. Das wären ja 2.000 € pro Nase. Also ob du wirklich im Schnitt von deinen 500 Mitgliedern 2.000 € nimmst, musst du aber lange stricken deswegen. Also ich verstehe schon, wieso man da sagt Economy of scale. Das einzige was uns wirklich hilft, ist Skalierung. Das ganze Ding muss groß werden.
Also aus meiner Sicht macht das ökonomisch total Sinn.

Ja, ja, klar. Also das glaube ich auch. Ich glaube auch, dass da wahnsinnig viel Geld drinsteckt. Das ist ja ein Produkt, mit dem kannst du keinen Verlust machen. Das wollen, da gibt es einen großen Markt. Du hast ganz wenig Möglichkeiten, das legal irgendwie zu erwerben.

Aber du darfst das halt auch nach wie vor ja nicht legal verkaufen. Das geht ja nur über diese Vereine. Also ich finde das, ich finde das extrem schwer zu prognostizieren. Ich bin wirklich auch mal auf die rechtliche Konstruktion total gespannt, denn ich meine dieser Mariana Club, der das Gewächshaus baut, der kann sich nicht registrieren lassen als Anbau, weil er zu groß ist. Eigentlich können aber nur Anbauvereine ein Gewächshaus
betreiben. Also eigentlich kann man es sich nur so vorstellen, dass die quasi unter dem Dach von Mariana noch mal irgendeine Form von rechtlicher Entität basteln, wo Mariana nur koordiniert, was aber den eigentlichen Anbauverein gehört. Also zum Beispiel ich sag mal eine GbR der Anbau Vereine die dann die dann jeweils zu einem Hundertstel dieses Gewächshaus zu eigen haben, das wäre denkbar.

Ich glaube in diese Richtung gehen halt die Überlegungen das er sagt den Mitgliedern soll halt dieses Gewächshaus mehr oder weniger gemeinschaftlich gehören.

Das kann man sich kaum vorstellen. Also Mariana selbst darf das nicht gehören, denn die werden nicht zugelassen werden. Also wieder eine GbR Lösung Könnte ich mir kurz oder auch eine Bruchteilsgemeinschaft zum Beispiel gibt es das in manchen Ferienorten, wo aus bestimmten politischen Gründen zum Beispiel keine WGs, keine Wohnungseigentumsgemeinschaften mehr gegründet werden können.
Da machen dann manche Investoren das so, dass sie sagen ich kaufe jetzt ein Grundstück, Bauernhaus drauf mit 20 Ferienwohnungen und dann gehört 20 Leuten das ganze Grundstück jeweils zu einem Zwanzigstel sogenannte Bruchteilsgemeinschaft. Das wäre auch eine rechtliche Konstruktion, wie man so was abbilden könnte. Aber da sieht man wieder das wie mega bürokratisch dieses Gesetz gestrickt ist.
Also das dann eben die Mariana und ähnliche Leute jetzt richtige juristische Klimmzüge machen müssen, um irgendwie eine ökonomisch mögliche Lösung unter diese strengen Vorgaben des Gesetzes zu packen.

Damit ist die Lage für diese Woche abschließend und ausführlichst besprochen erörtert. Wir danken euch für euer Interesse. Wir wünschen euch alles Gute und wenn ihr mögt, dann hören wir uns nächste Woche wieder.

Genau nächste Woche mit einer etwas anderen Besetzung. Da hat Philip noch mal eine Woche Pause. Da werde ich moderieren mit unserer lieben Kollegin Jana Münkel, die einige von euch schon kennen, aus einer Folge aus Philips Babypause. In diesem Sinne ein schönes Ende der Woche. Schönes Wochenende. Bis bald.

Bis dann. Tschüss.