Herzlich willkommen zur Lage der Nation. Ausgabe Nummer 364, Die erste Ausgabe im Jahr 2024. Ganz herzlich willkommen!
Ja, herzlich willkommen in 2024. Herzlich willkommen zum Zweiten Teil unserer Sonderfolge zur Krise der Infrastruktur in Deutschland und natürlich auch zu den Chancen. Das wird vor allem im Zentrum dieser Episode stehen, zu den Chancen, wie die Infrastruktur wieder fit werden kann. Aber bevor wir da in die Details einsteigen, wünschen wir euch erstmal ein gutes neues Jahr und hoffen, ihr seid gesund und munter reingekommen.
Ja, vielleicht sogar einige von euch mit dem Lagebuch unterm Arm. Das würde uns natürlich doppelt freuen.
Vielleicht hattet ihr das ja unter dem Christbaum liegen, zum Beispiel. Und ich bin mir sicher, ein paar 100, wenn nicht ein paar 1000 Menschen, die uns zuhören, werden das Lage Buch geschenkt bekommen haben zu Weihnachten. Wir sind weiterhin sehr gespannt, was ihr von unserem Werk haltet. Wenn ihr Feedback habt, am besten direkt hinein damit in unser Lageforum. Da gibt es einen extra Bereich für das Lagebuch unter talk.LagederNation.org.
Die nächste reguläre Folge der Lage der Nation, wo wir also die Ereignisse hierzulande und in der Welt zusammenkehren, die hört ihr in zwei Wochen, am 25. Januar dieses Jahres. Es liegt einfach daran, dass ich noch in der Babypause bin. Das ist jetzt für einige vielleicht ein Knoten im Hirn. Wir haben diese Ausgabe, die zweite Folge zu Infrastruktur in Deutschland natürlich vor meiner Babypause Ende November aufgenommen. Senden sie jetzt. Ich glaube, an Aktualität hat sie wenig eingebüßt.
Aber das so ein bisschen zur Einordnung, zum Erwartungsmanagement. Die nächste reguläre Folge der Lage Nation also am 25.1. in zwei Wochen.
Ja. Wir fassen ganz kurz zusammen, was ihr in der vergangenen Woche gehört habt. Wir haben in Deutschland einen riesengroßen Investitionsrückstau bei der Infrastruktur. Das gilt für alle Ebenen unseres Staates, für den Bund, für die Länder, aber ganz besonders auch für die Kommunen. Wie viel Geld da in den letzten zehn, 20 Jahren zu wenig investiert worden ist, das ist überraschend schwer zu schätzen.
Aber ein Panel von einem gewerkschaftsnahen Institut und einem arbeitgebernahen Institut kommt zu einer Summe von circa 600 bis 800 Milliarden €. Also über zehn Jahre. Also eine Riesenmenge. Man müsste quasi zehn Jahre lang jedes Jahr 60 bis 80 Milliarden investieren, um einfach nur die Rückstände aufzuholen. Das ist eine Menge Geld.
Und wir haben weiterhin rausgefunden, dass ein Hauptteil dieses Rückstand, tatsächlich von den Kommunen investiert werden müsste, weil die Kommunen in Deutschland ganz besonders finanzschwach sind. Jedenfalls viele Kommunen. Nicht alle. Und weil die eben vor allem bei der Infrastruktur sparen können, wenn es eng wird in der Kasse.
Richtig. Und wir haben bei den Kommunen festgestellt, dass deren großes Problem ist, dass sie eigentlich weder über die Einnahmen noch über ihre Ausgaben wirklich selber bestimmen können, sondern da größtenteils fremdbestimmt sind. Einerseits durch Gesetze des Bundes, die sie nicht beeinflussen können, in aller Regel, und für die sie aber oder für deren Erfüllung sie aber meist nicht ausreichend Geld bekommen. Und über ihre Einnahmen können sie auch nicht so richtig selber bestimmen.
Und wenn sie selber bestimmen können, sind sie auch sehr abhängig von der wirtschaftlichen Lage und alles andere als ein Garant dafür, dass da regelmäßig vor allen Dingen ausreichend Geld fließt. Und wir waren bei der letzten Sendung geendet mit der Erkenntnis, dass da also vor allen Dingen vom Bund mehr Geld zu den Kommunen fließen muss. Und die Frage in dieser Folge ist nun: Wie soll das gehen und woher soll dieses Geld kommen?
Und eigentlich sind die Finanzbeziehungen im Grundgesetz zwischen Bund, Ländern und Gemeinden relativ klar geregelt. Also die Theorie ist relativ klar. Die Kommunen können kaum eigene Steuern erheben, also sie können ohnehin gar keine Steuergesetze erlassen. Sie haben lediglich die Möglichkeit, die Hebesätze zu ändern für die Gewerbesteuer und für die Grundsteuer. Aber im Grundsatz können sie eben keine eigenen Steuern erheben.
Das heißt, das Steueraufkommen aufgrund der Steuergesetze in Bund und Ländern kommt vor allem zunächst mal den Ländern und dem Bund zugute. Und der Bund überweist einen Teil des Geldes an die Länder und die Länder versorgen dann, so die Theorie, die Kommunen mit dem Geld, das sie brauchen. Es gibt also in der Theorie erst mal keine direkten Finanzbeziehungen zwischen Bund und Kommunen.
Nun macht der Bund aber die Gesetze, die Kommunen ausführen müssen, und das Geld dafür muss aber dann streng genommen von den Ländern kommen.
So die Theorie!
So die Theorie. Das hat sich aber als nicht besonders praxistauglich erwiesen und deswegen wurden in den letzten Jahrzehnten ungezählte Ausnahmen, Sonderregeln und Schlupflöcher geschaffen, um doch irgendwie Geld mehr oder weniger direkt vom Bund zu den Kommunen zu schaffen, damit eben der Bund den Ländern und damit auch den Kommunen helfen kann.
Und wie das BMF eben schreibt, sind das so was wie Gemeinschaftsaufgaben, Geldleistungsgesetze, Finanzhilfen, Regionalisierungsmittel, Krisenhilfen, Modellvorhaben alles Instrumente, um Geld vom Bund zu den Kommunen zu bringen. Die haben alle irgendwelche Fußnoten und Randbedingungen und Begrenzungen, warum das Geld nur hier und nur für diesen Zweck und nur für diese Zeit und so überwiesen werden darf. Aber letztlich sind das alles Vehikel, um Geld vom Bund zu den Kommunen zu bringen.
Das sind also letztlich alles Vehikel, um das Grundproblem zu lösen, dass die Kommunen in Deutschland strukturell unterfinanziert sind. Das gilt nicht ausnahmslos für alle. Es gibt einige Kommunen, die zum Beispiel wegen sehr hoher Gewerbeerträge gar kein Problem haben. Aber die allermeisten der rund 11.000 Kommunen in Deutschland haben große Probleme, sind strukturell unterfinanziert.
Und anstatt das Problem grundsätzlich anzugehen und den Kommunen einfach genügend Geld quasi pauschal zuzuweisen, da haben sich in den letzten Jahrzehnten alle möglichen Finanzierungsinstrumente entwickelt, um dieses Grundproblem eben nicht grundsätzlich zu lösen, sondern mit einem kleinen Pflästerchen hier und mit einem Hotfix da. Und das Ergebnis sind einfach Finanzflüsse zwischen Bund, Ländern und Kommunen, die nur noch sehr wenige überhaupt durchschauen.
Ja, das war auch in den Gesprächen klar geworden, dass das man, wenn man mit Ökonomen und Wissenschaftlerinnen redet, die sich mit diesen Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen beschäftigen, dass die alle sagen also ganz im Ernst, richtig durchschauen tun das nur noch sehr, sehr wenige.
Und das Ergebnis ist einfach ein großes Gestrüpp. Und wenn man nicht mehr durchschaut, was fließt eigentlich von wo nach wo, unter welchen Voraussetzungen? Dann hat das natürlich auch zur Folge, dass alle möglichen Nebeneffekte eintreten, die man gar nicht will. Also ein Nebeneffekt haben wir in der vergangenen Folge ausführlicher besprochen mit dem Stadtkämmerer von Oberhausen, der einfach sagt: Wir müssen für alles und jedes eine Förderung
beantragen. Und Förderung beantragen bedeutet eben man braucht wahnsinnig viel Bürokratie und zwar auf beiden Seiten. Die Stadt Oberhausen braucht Menschen, die diese Förderung beantragen. Und dann muss natürlich auf der anderen Seite in irgendeinem Bundesministerium noch mal Bürokratie sitzen, um diese Anträge zu bearbeiten und das Geld zu bewilligen.
Und da muss man einfach sehen, man könnte auf beiden Seiten wahnsinnig viele Arbeitsstunden einsparen, wenn einfach die Stadt Oberhausen ein größeres Budget hätte, aus dem sie dann frei entscheidet: Ja, wir bauen jetzt hier zum Beispiel ein Fahrradweg.
Und das führt zu der Frage: Welche Ideen gibt es denn nun, um wirklich allen Kommunen mehr Geld zur Verfügung zu stellen, mehr politischen Spielraum zu geben, um mit diesem Geld auch wirklich Politik zu machen und zum Beispiel Infrastruktur einzubauen oder aufzubauen? Und welche Möglichkeiten gibt es eben dann auch mehr Investitionen in Infrastruktur zu ermöglichen?
Und der erste Punkt, der vielen da immer so einfällt und was auch in vielen Studien genannt wird, ist ja, man muss den Kommunen ihre alten Schulden erlassen, die werden davon erdrückt, die können gar nichts mehr machen, weil sie so viele Schulden haben, dass sie erstens keine neuen mehr aufnehmen können und dass sie zweitens nur damit beschäftigt sind, die irgendwie zu tilgen. Und da muss man sagen nicht alle, aber doch viele Kommunen sind überschuldet.
Mit Altschulden sind eben so Bestände an Kassenkrediten gemeint. Kassenkrediten ist so der Kommunalsprech für das, was wir so im Privatleben als Dispo Kredit bezeichnen. Das ist ein Weg, damit Kommunen schnell und unkompliziert an Geld kommen, um eben Dinge zu machen. Und das ist eigentlich gedacht, um mal schnell irgendwas zu finanzieren, weil die Kasse gerade
leer ist. Und das hat sich aber in vielen Kommunen zu dem Finanzierungsinstrument entwickelt, weil da einfach schnell viel Geld zur Verfügung stand. Und da haben viele Kommunen sehr große Schulden angehäuft.
Ja, und da sagen und viele Kommunen bekommen aus dieser Schuldenspirale nie wieder raus. Also die Schulden fressen uns auf. Für Zinsen und Tilgung müssen wir so viel Geld ausgeben und dass wir praktisch überhaupt keine Spielräume mehr haben. Insbesondere können wir nur wieder investieren, wenn uns jemand erstmal diese Schulden abnimmt und im Kern unterschreibt diese Erkenntnis auch der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Klimaschutz. Auch viele andere Ökonominnen und Ökonomen finden das plausibel. Lange richteten sich nun erwartungsvoll alle Augen auf den Bund. Der Bund, so der Vorwurf, habe mit seinen Sozialgesetzen insbesondere die Kommunen überlastet. Er habe sie aber auch bei der Bewältigung von Migrationsfolgen im Stich gelassen. Nun solle er die entsprechend aufgelaufenen Kassenkredite auch übernehmen oder jedenfalls bei deren Tilgung mitwirken.
Und das Institut der deutschen Wirtschaft entgegnet in Studien, für die Entschuldung seien einfach die Länder zuständig, weil die Kommunen nun mal Kinder der Länder sind und die Kommunen Ländersache sind. So ist einfach die Struktur. Und das fand ich ganz interessant. Viele Länder haben ihre Kommunen auch bereits heute massiv entschuldet. Also die haben das Problem erkannt und die haben den Kommunen viele Schulden erlassen oder ihnen die bezahlt.
Und so ist es also so, dass Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen-Anhalt auch Entschuldungsprogramme auf den Weg gebracht haben. Deswegen sagt Henrik Scheller vom Deutschen Institut für Urbanistik, die Entschuldungsdebatte...
...ist auch politisch weitgehend abgeräumt, weil viele Länder inzwischen ihre Kommunen doch teil entschuldet haben. Es sind einzelne Länder, die nach wie vor hinterherhinken.
Dabei geht es in erster Linie um zwei, drei Bundesländer, vor allen Dingen um Nordrhein Westfalen, Nordrhein Westfalen und andere, noch ein, zwei andere Bundesländer haben noch mit den Folgen von massivem Strukturwandel zu kämpfen und können ihre Kommunen daher nicht so einfach entschulden wie andere. NRW hat da so ein Konzept gemacht, was aber so ein bisschen darauf hinausläuft, dass vor allen Dingen die Kommunen auch einen großen Teil ihrer Schulden bezahlen sollen.
Das ist nun nicht im Sinne der Kommunen und nun auch nicht Teil dieser Idee der Entschuldung.
Ganz im Gegenteil. Die Kommunen haben die Schulden und wenn sie die bezahlen könnten, würden sie das natürlich tun. Da beißt sich die Katze so ein bisschen den Schwanz muss man sagen.
Richtig. Gleichzeitig sei aber eine Tilgung der Schulden durch den Bund nicht realistisch, sagt Henrik Scheller.
Viele Länder, die jetzt so eine Entschuldung bereits vorgenommen haben, die sagen natürlich Warum sollte jetzt noch den drei, drei oder vier Ländern, die noch keine Lösung haben, warum sollte denen jetzt aus Bundesmitteln geholfen werden? Ja, wünschenswert wäre es schon, sicherlich. Gerade bei sehr hochverschuldeten Kommunen, weil die eben in so einer Negativspirale sind, aus der sie kaum rauskommen.
Aber eine gesamtdeutsche Lösung, glaube ich, ist da bis auf Weiteres erst mal in weite Ferne gerückt.
Mit anderen Worten: Es sieht für hochverschuldete Kommunen in den Ländern, die das bisher noch nicht geschafft haben, ihre Kommunen zu entschulden, leider ziemlich bitter aus. Der Bund will nicht nachvollziehbarerweise, weil einige Länder das Problem schon gelöst
haben. Da würde natürlich auch eine gewisse Ungleichbehandlung eintreten, wenn der Bund jetzt quasi den Ländern und ihren Kommunen aus der Patsche helfen würde, die einfach nur besonders lange das Problem verbummelt haben, sage ich mal, da könnten natürlich dann die anderen Länder sagen: Wieso haben wir uns eigentlich unseren Herausforderungen gestellt, wenn der Bund dann die anderen so raushaut?
Aber die Länder wiederum, diese drei, vier Länder, die das bisher noch nicht geschafft haben, die machen das ja auch nicht aus Bosheit, sondern eben aufgrund ihrer schwierigen finanziellen Situation. Und das ist einfach sehr traurig, denn es sieht einfach so aus, dass es im Moment hingenommen wird, dass in drei, vier Bundesländern eben viele, viele, viele Kommunen mehr oder weniger pleite sind. Also da würde ich sagen, da müsste dann schon mal was passieren.
Vielleicht wäre es eben doch möglich, dass der Bund diese Kommunen entschuldet und dann auf der anderen Seite die Länder, die da quasi engagierter waren, in anderer Weise irgendwie auch einen Ausgleich schaffen. Denn man kann jetzt ja nicht einfach sagen, diese Kommunen, die da jetzt bislang eben völlig überschuldet sind, die sind, die haben halt verloren. Wir können nicht sagen, das sind jetzt quasi Bad Cities, die wir jetzt vor die Wand fahren lassen.
Ein anderes Argument. Was man da auch manchmal hört, ist na ja, wieso? Es gibt doch den Länderfinanzausgleich, da wird irgendwie Geld zwischen reichen und armen Ländern hin und her verteilt, so dass am Ende alle mehr oder weniger gleichgestellt sind. Warum können dann die Bundesländer nicht alle gleich ihre Kommunen
entschulden? Und da ist es halt so, das habe ich auch erst jetzt gelernt, dass ja, dieser Länderfinanzausgleich dazu führt, dass auf der Einnahmenseite die Länder tatsächlich sehr, sehr ähnlich dastehen, aber an der Ausgabenseite eben sehr, sehr, sehr große Unterschiede bestehen. Dass NRW einfach strukturell eine ganz andere Last an Ausgaben hat als Bayern zum Beispiel.
Ganz einfach aufgrund der sozialen Situation. Und ich glaube, wenn man das Problem grundsätzlich angehen wollte, dann müsste man konsequent die Ausgaben für im weitesten Sinne Sozialhilfe, also für soziale Subventionen, zentral durch den Bund übernehmen lassen. Dann müsste man sicherlich den Bund an anderer Stelle auch finanziell entlasten, weil dann vielleicht die ein oder andere Hilfeleistung für Länder und Kommunen wiederum nicht mehr geboten
wäre. Aber eigentlich müsste der Bund einheitlich die Soziallasten übernehmen, und zwar aus dem einfachen Grund, dass sonst unweigerlich immer wieder irgendwelche Negativspiralen entstehen. Und es gibt ja letzten Endes auch das Verfassungsgebot, dass im Bundesstaat überall gleichwertige Lebensverhältnisse geschaffen werden sollen.
Und davon sind wir einfach weit entfernt, denn wir haben es ja, wir haben es in der vergangenen Folge schon angedeutet, Da gibt es einfach Gegenden, die geraten in diesen Teufelskreis hohe Sozialausgaben. Dann können sie nicht investieren und werden sie immer unattraktiver, dann kommen immer weniger Unternehmen, dann haben sie immer weniger Einnahmen. Und dieser Teufelskreis lässt sich, glaube ich, nicht so richtig durchbrechen. Solange Kommunen oder Länder für Sozialleistungen zuständig sind.
Und dazu zählen natürlich auf der anderen Seite auch diese Idee, ja, wie können wir dann mehr Investitionen ermöglichen? Ja, indem wir die allgemeine Finanzausstattung der Kommunen einfach anheben. Okay, gehen wir mal davon aus, die Schulden vieler Kommunen sind weg oder teilweise weg oder werden bald weg sein. Da gibt es unterschiedliche Rezepte, aber das haben wir gehört.
Aber wie stellt man und das hat es ja eben angesprochen, eigentlich sicher, dass es nicht gleich wieder so weitergeht, dass sie diese, dass die Struktur geändert wird, die dazu geführt hat, dass sich so hohe Schulden aufgetürmt haben. Wie stellen wir sicher, dass das nicht gleich wieder passiert?
Und deswegen muss wohl geändert werden, was die Kommunen zahlen müssen. Das haben wir schon angesprochen, aber vor allem auch, woher sie ihr Geld bekommen. Was ist das Ziel dieser Reformüberlegungen? Kommunen sollen unter dem Strich mehr Geld zur Verfügung haben für Investitionen und das Geld sollte auch verlässlicher und gleichmäßiger fließen. Und da nennt Scheller als eine Option:
Die Anhebung der allgemeinen Finanzausstattung wäre genauso wie Sie sagen, eine Neujustierung der Anteile an den Gemeinschaftssteuern, Einkommensteuer, Körperschaftssteuer, Umsatzsteuer. Da partizipieren die Kommunen in kleinen Anteilen schon dran. Aber da könnte man noch stärker rangehen und diese Gesamtvolumina anders aufteilen.
Da haben wir gesagt: Ein Teil der Einnahmen der Kommunen besteht darin, dass sie ein Teil von der Umsatzsteuer bekommen und einen Teil der Einkommensteuer bekommen. Und da ist das Argument, der Teil könnte halt größer sein. Und noch ein bisschen radikaler ist der Vorschlag in diese Richtung, den der Ökonom Björn Kauder vom Institut der deutschen Wirtschaft gemacht hat und der das auch in einer Studie untersucht hat.
Und der macht konkret darüber hinausgehend den Vorschlag: Na ja, wir könnten die Gewerbesteuer einfach abschaffen. Das ist also jene Steuer, die halt Gewerbe zahlen in diesen Kommunen, die halt an die Kommunen fließt. Und er argumentiert Na, diese Gewerbesteuer ist a) mega schwankend und hängt extrem von der Konjunktur ab. Das heißt, wenn es schlecht läuft, dann brechen halt die
Einnahmen weg. Haben ja in der letzten Folge gesagt und so auf dieser Art führt halt die Gewerbesteuer auch zu extrem ungleichen Einnahmen. Also nehmen wir zum Beispiel Wolfsburg. Wolfsburg hat so was wie VW. Ja, man hat Wolfsburg jetzt nicht so wahnsinnig viel getan. Im Gegenteil. Wahrscheinlich verdankt Wolfsburg eher seine Existenz diesem Werk. Oder auch Ludwigshafen mit der BASF. Die kam halt irgendwann und zahlen seitdem massiv Gewerbesteuer.
Und deswegen sind diese Kommunen auch relativ wohlhabend.
Das beste Beispiel momentan ist das Unternehmen Biontech. Das hat während der Corona Pandemie mit Impfstoffen Milliarden verdient und dementsprechend absurde Summen an Gewerbesteuer bezahlt an die Kassen der Stadt Mainz, wo dieses Unternehmen seinen Sitz hat. Das freut uns natürlich für die Stadt Mainz.
Das ging in die Milliarden.
Ja klar. Also Mainz schwamm im Geld mit einem Mal. Das freut uns für die Stadt Mainz. Man muss aber ganz ehrlich sagen: Es ist natürlich auch gleich so ein bisschen willkürlich. Denn das ist ja jetzt nicht nur das Verdienst der Stadt Mainz, dass Biontech viel Geld verdient hat und zum Beispiel viele Menschen, die bei Biontech arbeiten, kommen vielleicht aus den umliegenden Gemeinden. Leben da, profitieren von der Infrastruktur der umliegenden Orte. Aber diese Kommunen
profitieren nicht. Und die allermeisten der 11.000 Kommunen in Deutschland haben eben keinen Biontech vor der Tür und kommen dementsprechend bei dem Gewerbesteuerertrag schlecht weg.
Und wenn es dann schlecht läuft auch noch, wenn die Wirtschaft schlecht läuft, dann ist in diesen Kommunen halt schnell Ebbe in der Kasse. So, jetzt schlägt also Kauder vor: Na wir schaffen einfach die Gewerbesteuer ab. Und was dann? Dann fallen natürlich erst recht Einnahmen weg bei den Kommunen. Und er sagt Na ja, stattdessen könnten die Kommunen einen individuellen Aufschlag auf die Einkommensteuer ihrer Bewohner und Bewohnerinnen erheben.
Also die eine Kommune nimmt dann 2 %, die anderen drei, die dritte irgendwie vier oder 5 %, sagt er. Und das wäre dann eben Wettbewerb, würde aber für einen stetigen Geldfluss sorgen.
Das heißt, jede Kommune könnte dann also ihren eigenen Zuschlag zur Lohn- und Einkommensteuer festlegen. Das Ergebnis wären Steuereinnahmen, die robuster wären gegen konjunkturelle Schwankungen. Und die Kommunen könnten selbstständig und kurzfristig ihre Einnahmen nach Bedarf erhöhen oder senken, ohne den Standort wirtschaftlich zu sehr zu gefährden.
Ja, das ist natürlich ein durchaus kontroverser Vorschlag. Denn wenn die Kommunen diesen Aufschlag auf die Einkommensteuer selbst festlegen, dann entwickelt sich schnell wieder so ein ungesunder Wettbewerb zwischen den Kommunen mit so Teufelskreis. Wo viele Millionäre wohnen, kann der Aufschlag besonders billig sein, weil genug Geld in die Kasse kommt und schon kommen wieder neue Millionäre dazu.
Stattdessen denke ich mal, sollte man da eher einen bundesweit einheitlichen Zuschlag nehmen, um Spiralen nach oben und unten von vornherein auszuschließen. Und ich weiß nicht, muss man die Gewerbesteuer denn gleich ganz abschaffen?
Ja, ich glaube, das kommt so ein bisschen auch daher, dass das halt das Institut der Wirtschaft ist. Und die neigen schon auch dazu, natürlich die Interessen der Wirtschaft durchaus wahrzunehmen und den Wegfall der Gewerbesteuer, das wäre natürlich eine massive Entlastung für viele Unternehmen. Und ich würde ergänzend vielleicht vorschlagen, dass man die Gewerbesteuer nicht abschafft, sondern einfach anders verteilt und nicht in der Kommune ausschüttet, sondern vielleicht beim Land abliefert.
Beispiel Mainz. Dann würde halt nicht nur Mainz von Biontech mit den Milliarden profitieren, sondern das würde Rheinland-Pfalz profitieren, was dann wiederum das Geld an alle Kommunen in Rheinland Pfalz ausschütten könnte. Dann würde also Rheinland Pfalz vom Erfolg von Biontech profitieren. Man könnte natürlich aber auch noch höher gehen und die Ausgleichswirkung noch mehr maximieren, indem man einfach sagt: Nein, die Gewerbesteuer, die fließt zum Bund.
Ja, genau. Also das wäre mir persönlich, glaube ich, sympathischer, denn der Bund hätte dann noch größere Möglichkeiten, den Ländern gezielt unter die Arme zu greifen, wo die Lebensverhältnisse also ein bisschen schwieriger sind. Also Stichwort Keine Ahnung. Wir haben das für den Bildungsbereich ja schon häufig diskutiert, wie schwer das ist, wenn der Bund Geld verteilt, das so zu verteilen, dass nicht die reichen Länder am Ende wieder am meisten kriegen. Stichwort Königsteiner Schlüssel.
Insofern fände ich das, glaube ich, schon besser, wenn das dann gleich zum Bund ginge. Natürlich müsste da an anderer Stelle die Steuerverteilung so geändert werden, dass eben die Kassen von Kommunen und Ländern nicht am Ende leerer wären als vorher.
Richtig. Also der dritte Punkt, um den Kommunen mehr Spielraum zu geben, auch für Investitionen in Infrastruktur, wäre halt durchzusetzen, dass bezahlt, wer bestellt. Gemeint ist: Wenn der Bund Gesetze macht, dann muss er auch dafür zahlen, wenn diese Gesetze umgesetzt werden. Denn der mit Abstand größte Posten vieler Kommunen, die zu wenig investieren, sind die Sozialkosten. Und die werden sämtlichst vom Bund beschlossen.
Aber das haben wir der letzten Folge gehört, allenfalls teilweise auch vom Bund bezahlt.
Und das müsse sich ändern, fordern Kommunen und Wissenschaftler seit vielen Jahren. Wer ein Gesetz beschließt, der müsse eben auch das Geld dafür zur Verfügung stellen. Wenn man das ein bisschen wissenschaftlicher formulieren will. Das Konnexitätsprinzip müsse auch für die Beziehung zwischen Bund und Kommunen gelten. Das fordert zum Beispiel der schon bereits zitierte Beirat beim Wirtschaftsministerium.
Dort heißt es: Soweit Kommunen bestimmte Aufgaben übernehmen, weil Bund und Länder sie ihnen zugewiesen haben, sollten die Kosten dafür von den Auftraggebern getragen werden.
Ja, und in der Praxis heißt das eben Sozialkosten. Der Bund müsste mit. Mehr Sozialkosten übernehmen. Und zu diesem Schluss kommt auch Björn Kauder vom Institut der deutschen Wirtschaft. Er schreibt:
Wenn zukünftig eine Stärkung der kommunalen Ebene politisch gewünscht wird, um die Haushaltsalden zu verbessern und oder die kommunalen Investitionen wieder auf das frühere Niveau auszubauen, wäre eine höhere Übernahme von Sozialleistungen durch den Bund oder die Länder zu erwägen.
Das Problem ist: Die Verfassung sieht keinen direkten Geldkanal vor zwischen Bund und den Kommunen. Schon mal gar nicht gibt es eine Vorschrift, wonach der Bund für Gesetze, die er erlässt, auch die vollen Kosten tragen muss. Das ist, wie es liegt auf der Hand, und das kann man irgendwie argumentieren. Aber eine konkrete Vorschrift gibt es dafür nicht.
Anders ist das in einigen Landesverfassung geregelt, wo das Konnexitätsprinzip bereits verankert ist. Das erklärt Apostolos Zalastras. Er ist Oberhausens Stadtkämmerer, also quasi der Finanzminister von Oberhausen.
Wenn das Land ein Gesetz erlässt, das uns verpflichtet, eine Aufgabe zu übernehmen, dann muss das Land auch die Finanzierung übernehmen. Da greift das Konnexitätsprinzip. Das funktioniert auch ganz gut. Man streitet sich zwar, wie hoch denn die Kosten sind, und dann geht man auch mal vor Gericht. Aber grundsätzlich funktioniert's.
Das ist die Landesebene in Nordrhein Westfalen. Ganz anders läuft es aber, wenn Geld vom Bund an die Länder oder an die Kommunen fließen müsste. Schildert wiederum der Kämmerer von Oberhausen am Beispiel seines Bundeslandes Nordrhein Westfalen.
Das Problem ist: Wenn der Bund Gesetze beschließt, die der Bundesrat genehmigt und dann die Kommunen umsetzen müssen, machen sich, man kann das jetzt nur für Nordrhein Westfalen sagen, aber ich gehe mal davon aus, dass es in anderen Ländern ähnlich ist. Macht sich das Land einen schlanken Fuß, indem es den Tatbestand nicht regelt, sondern es den Kommunen überlässt. Das heißt, in dem Moment wird das Land nicht konnexitätspflichtig und muss auch nichts zahlen.
Die Aufgabe ist trotzdem bei uns, oder das Land übernimmt einen Teil der Kosten, aber nicht alles.
Also das Argument geht so wenn das Land was per Gesetz beschließt, dann muss es zahlen. Wenn der Bund aber mit dem Bundesrat was beschließt und das Land das einfach so durchwinkt, ohne es noch mal extra zu regeln, ist das Land nicht in der Pflicht, das Geld zu überweisen.
Genau. Weil das ja ein Bundesgesetz ist, dem das Land nur im Bundesrat zugestimmt hat. Aber es ist eben kein Landesgesetz. Was das konkret bedeutet, erläutert Kämmerer Zalastras am Beispiel des sogenannten offenen Ganztags an Schulen. Das ist also ein bereits beschlossenes Gesetz, das vorschreibt, dass Grundschulen grundsätzlich die Möglichkeit schaffen müssen für einen Ganztagsunterricht oder zumindest für eine ganztägige Betreuung.
Ich gehe mal davon aus, wenn der offene Ganztag jetzt kommt, wenn der nicht gesetzlich geregelt wird in Nordrhein Westfalen bleiben wir auf den Kosten sitzen. Das heißt, wir sind abhängig davon, dass der Bund sagt okay, ich gebe so und so viele Milliarden in dieses System, dann wird das verteilt auf die Länder nach einem Verteilmechanismus und dann verteilen die Länder das weiter auf die Kommunen. Ich bin mir sicher, das wird nicht ausreichen. Dann haben wir einen Teil der Kosten
gedeckt. Aber jetzt passiert ja auch folgendes: Die Kosten steigen ja, das Personal, was da eingesetzt ist, die Tarife steigen, die Kosten für die Räumlichkeiten steigen, aber der Zuschuss des Bundes bleibt immer gleich. Der Zuschuss der Länder kommt gar nicht oder es bleibt auch immer gleich. Das heißt, da ist schon wieder die nächste Schere, die auseinandergeht, was Einnahmen und Ausgaben für eine bestimmte Aufgabe angeht. Und so ist das in ganz vielen
Bereichen. Und deswegen funktioniert Konnexität, auch wenn sie zwischen Land und Kommune geregelt ist, für die meisten Aufgaben nicht.
Die verfassungsrechtliche Brandmauer zwischen Bund und Kommunen hat sich einfach nicht als praktikabel erwiesen. Die grundsätzliche Idee im Grundgesetz war ja gar nicht verkehrt. Das sollte zum einen die kommunale Unabhängigkeit schützen, die kommunale Selbstverwaltung schützen, sollte aber auch die Länder vor einem Übergriff des Bundes in ihren Raum schützen, weil die Kommunen ja letztlich Teil der Landesverwaltung sind. Aber das hat sich einfach nicht als praktikabel erwiesen.
Deswegen wurden über viele Jahre Umwege und Schlupflöcher gebaut, weil diese dieses Verfassungsprinzip quasi hart kollidierte mit der Realität, dass der Bund ständig Aufgaben für die Kommunen und Kosten für die Kommunen produziert und dann dafür nicht einsteht. Deswegen wurden eben viele Umwege und Schlupflöcher gebaut, damit doch irgendwie Geld vom Bund an die Kommunen fließen kann.
Und Gerd Landsberg vom Städte und Gemeindebund, der fordert letztlich ein Ende dieses Kuddelmuddels und stattdessen eine klare Regelung.
Jedem Menschen oder auch Politiker, den sie fragen, sagt ja, wer bestellt bezahlt? Ja, warum schreiben wir das nicht ins Grundgesetz? Das Im Moment ist das so geregelt: Der Bund darf den Kommunen keine Aufgaben übertragen. Aber was er sehr wohl darf, er darf bestehende Aufgaben verändern, so dass den Kommunen zusätzliche Lasten entstehen. Und das ist eben nicht sanktioniert.
Es wäre viel besser zu sagen, wenn der Bund etwas Sinnvolles tun will, wie zum Beispiel den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ist ja keiner dagegen. Dann soll er ihn aber bitte auch finanzieren. Und wenn er das nicht kann, dann soll es vielleicht lassen. Oder er soll es über längere Fristen umsetzen. Das heißt, die Disziplin in der Politik würde deutlich besser, wenn man den Mut hätte, eine solche Regelung im Grundgesetz zu verankern.
Im Bundesfinanzministerium, muss man ehrlicherweise sagen, gibt es für solche Neuregelung ein überschaubares Maß an Verständnis. Im Monatsbericht vom März 2023 vergangenen Jahres weisen Lindners Leute auf weitreichende Hilfen des Bundes für die Kommunen hin. Die sagen, die Schulden des Bundes, die würden wachsen, während die Länder und einige Kommunen keine Schulden mehr haben oder wären stagnierende Schulden oder mitunter sogar plus machen.
Und in dem Bericht heißt es dann: Weitere Entlastung der Länder und Kommunen durch den Bund sind daher nicht mehr leistbar.
Ich finde das einfach eine total interessante Argumentation, denn auf den ersten Blick klingt das ja mal überzeugend. Der Bund verzeichnet wachsende Schulden, der Bund hat die Schuldenbremse. Aber man muss natürlich auf der anderen Seite sagen, wie viel Geld in der Kasse ist, das entscheidet der Bund ja selber. Wenn die Kassen des Bundes leer sind, dann ist das ein politisch gewolltes, ein selbst geschaffenes
Problem. Der Bund kann seine Einnahmen nahezu beliebig erhöhen, wenn kein Geld in der Kasse ist. Im Gegensatz zu den Kommunen kann er nämlich Steuern neu einführen oder bestehende Steuern erhöhen. Es ist eine rein politische Entscheidung, wie viel Geld der Bund zur Verfügung hat. Damit haben wir jetzt nicht gesagt, was die richtige Entscheidung ist. Aber es geht erst mal darum, politisch die Verantwortung zuzuweisen.
50 Milliarden mehr oder weniger pro Jahr, alles das ist nur eine Abstimmung im Bundestag, gegebenenfalls mit Zustimmung des Bundesrates weit entfernt. Und es ist einfach ehrlich gesagt sehr unehrlich, wenn das BMF schreibt die Kassen des Bundes sind leer, die sind ja nicht leer, weil der Herrgott das so bestimmt hat, sondern weil die Gesetze des Bundes entsprechende Regelungen treffen.
Und bei den Kommunen ist das halt anders. Das haben wir beschrieben, selbst wenn sie wollten, sie könnten ihre Einnahmen nur minimal erhöhen und ihre Ausgaben quasi kaum selbst bestimmen oder auch gar nicht selbst bestimmen. Der vierte Punkt, wie man denn die Kommunen besser stellen könnte, um ihnen mehr Investitionen in Infrastruktur zu ermöglichen, wäre die Einrichtung eines Investitionsfonds, der zumindest den Investitionsrückstau aufnehmen kann.
Okay, also nehmen wir mal an, irgendeine Regierung schafft es, die Einnahmen zu stabilisieren, die Ausgaben zu kontrollieren und tatsächlich für durch Bundesgesetze geschaffene Kosten auch die erforderlichen Bundes Euros zu überweisen. Dann bleibt ja immer noch der enorme Rückstau nicht getätigten Investitionen der Vergangenheit. Und um diese Infrastrukturschulden die Schäden an der Infrastruktur abzubauen, schlägt das Institut der deutschen Wirtschaft einen Investitionsfonds vor.
Der soll 450 Milliarden € schwer sein. Davon soll ein gutes Drittel 158 Milliarden an die Kommunen gehen. Und über zehn Jahre soll dadurch der Investitionsstau in Deutschland aufgelöst werden.
Natürlich gibt es viele Probleme, die da dranhängen. Aber ein Problem ist: Wie kommt dieses Geld von den Bund zu den Kommunen? Und das Institut der deutschen Wirtschaft sagt: Ein Durchgreifen des Bundes auf die Kommunen ist in der Finanzverfassung nicht vorgesehen. Hatten wir. Das Institut argumentiert: Trotzdem, das müsste gehen. Ein Vorbild könnte das Zukunftsinvestitionsgesetz im Rahmen des Konjunkturpakets II.
Wir erinnern uns 2008, 2009. Damals reichte der Bund Geld an die Länder weiter, machte halt bestimmte Vorgaben. Aber die Länder verteilten dann schlussendlich das Geld an die Kommunen nach einem bestimmten Schlüssel. Da hat man also auch Wege gefunden.
Ja, für dieses Modell spricht, dass es den Investitionsrückstand auf allen staatlichen Ebenen wenigstens mal sichtbar machen und beziffern würde. Und dass mit einem solchen nationalen Kraftakt tatsächlich über einen Zeitraum von zehn Jahren die Infrastruktur in Deutschland zukunftsfähig gemacht würde. Das Problem ist nur: Wie soll man einen solchen Fonds insbesondere nach der KTF Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Mitte November finanzieren, insbesondere überjährig finanzieren?
Das große Problem ist ja, dass das Bundesverfassungsgericht ebenso die Prinzipien der Jährlichkeit und Jährigkeit hochgehalten hat. Also quasi der Bundestag soll jedes Jahr aufs Neue entscheiden, wie viel Geld wofür ausgegeben wird. Und da weiß niemand bisher so recht, wie sich das Problem lösen lässt. Man kann natürlich einen 10-jährigen Fonds ins Bundesgesetz schreiben, aber das bindet eben einen neuen Bundestag nicht.
Das heißt also, spätestens nach der Bundestagswahl stünde das dann alles wieder zur Debatte. Und das heißt also, das gehört mit zu denen, wenn man ehrlich ist, bisher noch politisch ungelösten Problemen, die das Bundesverfassungsgericht durch seine Entscheidung ja, wenn nicht geschaffen, aber so doch jedenfalls mal offengelegt hat.
Gehen wir mal davon aus, wir haben so halbwegs die Altschulden der Kommunen getilgt. Wir haben einen Weg gefunden, wie wir die Kosten neu verteilen und die Einnahmesituation ein bisschen stabilisieren. Und dann bleibt aber trotzdem ja das Problem, dass es auch ein Morgen gibt, an dieses Morgen im Kern davon bestimmt sein wird, dass wir unsere Gesellschaft umbauen müssen für einen klimaneutralen Betrieb möchte ich es mal nennen, nämlich dass wir in was 20 Jahren 2045 kein CO2 ausstoßen dürfen.
Besser noch viel früher.
Und besser noch viel früher. Und das bedeutet halt für die Städte massive Investitionen. Die müssen ihre Städte begrünen, müssen Energienetze ausbauen, Fernnetze einrichten. Und so weiter und so fort. Auch dazu noch mal der Stadtkämmerer von Oberhausen.
Wir brauchen dringend Investitionsmittel, die uns in die Lage versetzen, die Zukunftsaufgaben zu bewältigen. Und zwar nicht wie bisher mit komplizierten Förderprogrammen, die einen riesen Bürokratieaufwand bedeuten, sondern wirkliche Investitionsmittel, die den Kommunen zur Verfügung gestellt werden. Es ist jetzt nicht so, dass wir nicht auch im Nachgang gerne nachweisen wofür wir das Geld ausgegeben haben, ist überhaupt gar keine Frage.
Aber möglichst bürokratiearm Investitionsmittel, um diese Aufgaben erfüllen zu können.
Und dann gibt es natürlich verschiedene Ideen, wie zusätzliche Investitionsmittel bereitgestellt werden könnten. Den Grundansatz zu sagen, die Gemeinden müssen einfach besser ausgestattet werden, hatten wir schon. Aber jetzt geht es quasi darum, wie man noch speziell Investitionsmittel bei den Kommunen bereitstellen könnte, etwa für den Umbau in Richtung Klimaneutralität.
Und da gibt es den einen Ansatz über die sogenannte Pflichtaufgabe, also Länder sind nämlich verpflichtet, Kommunen Geld zu überweisen für eben solche Pflichtaufgaben. Jetzt kommt man aber schnell dazu, dass Klimaschutz bisher keine Pflichtaufgabe ist. Das heißt, wenn Kommunen da was machen, dann sind die Länder eben nicht verpflichtet, dort Geld zu
überweisen. Kommunen stellen Investitionen in den Klimaschutz im Gegensatz eher hintenan, da beispielsweise bei Haushaltsknappheit erst die Pflichtaufgaben erfüllt werden müssen, wo sie dann eben auch im Zweifel Geldmittel vom Land für bekommen. Würden die Länder Klimaschutz als sogenannte Pflichtaufgabe für die Kommunen verankern.
Dann könnten die Kommunen diese Aufgabe nicht weiter auf die lange Bank schieben und die Länder müssten das dann finanzieren, erläutert Henrik Scheller vom Deutschen Institut für Urbanistik.
Scheuen halt die Länder, weil die Länder auch in Teilen finanzschwach sind bzw aus dem eigenen Haushalt nicht Mittel abgeben wollen an die Kommunen. Und deswegen kommt es nicht zu dieser Definition einer Pflichtaufgabe.
Bund und Länder argumentieren nachher Komm, wir unterstützen die Kommunen doch schon bei der Anpassung an den Klimawandel. Links und rechts, haben wir oben gesagt.
Die Kommunen indes kritisieren: Das passiert in der Regel über Hilfsprogramme, Fördertöpfe, rechts und links. Die müssen dann jeweils wieder beantragt werden. Das verursacht viel Bürokratie. Wäre Klimaschutz eine Pflichtaufgabe, dann gäbe es einen steten Geldfluss, um diese Aufgabe zu erfüllen. Damit würden wir wahnsinnig viel Bürokratie sparen. Aber fairerweise muss man sagen, es bliebe ja eine große finanzielle Belastung der Länder.
Und an diesem Punkt setzt eine Ergänzung oder ein weiteres Konzept an.
Und das ist die Idee der Gemeinschaftsaufgabe Klimaschutz oder Klimaanpassung. Und die funktioniert im Kern so: Wenn die Pflichtaufgaben der Kommunen gleichzeitig auch sogenannte Gemeinschaftsaufgaben wären, dann würden die Kosten allein nicht beim Ländern hängen bleiben, sondern dann dürfte sich auch der Bund an der Finanzierung dieser Pflichtaufgaben beteiligen, weil sie eben dann auch Gemeinschaftsaufgaben wären.
Die Idee stammt aus einem Rechtsgutachten der Bremer Rechtsanwältin Roda Verheyen. Das ist also eine Rechtsanwältin. Die Pionierin ist auf dem Feld der sogenannten Klimaklagen in Deutschland, die also versucht, mit gerichtlicher Hilfe für besseren Klimaschutz zu sorgen. Und sie hat das Gutachten damals geschrieben im Auftrag von Germanwatch und der Klimaallianz Deutschland. Was sind nun also Gemeinschaftsaufgaben? Das ist ein Begriff aus dem Grundgesetz, ein verfassungsrechtlicher
Begriff. Gemeinschaftsaufgaben gehören zu den Schlupflöchern, wie Bund und Länder ausnahmsweise gemeinsam Projekte bezahlen dürfen. Und da gibt es heute schon drei in Artikel 91 a des Grundgesetzes definierte Bereiche, wo sogar ein Kooperationsgebot besteht, also eine Pflicht zur Kooperation. Der Bund darf hier ausnahmsweise auch finanziell bei der Erfüllung der Aufgaben der Länder mitwirken.
Richtig. Bisher sind aber die Bereiche, in denen Bund und Länder Gemeinschaftsaufgaben abarbeiten dürfen, sehr begrenzt. Das ist zum einen die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Da dürfen wir zusammenarbeiten, und der Bund darf zahlen. Die Verbesserung der Agrarstruktur und die Verbesserung des Küstenschutzes. Das sind die drei Bereiche, in denen der Bund, Bund und Länder bei solchen Gemeinschaftsaufgaben selber gleichzeitig finanziell tätig werden
dürfen. Und das sei zu wenig, kritisiert der Deutsche Städte und Gemeindebund.
Da würde ich meinen, dass zum Beispiel das zentrale Thema Klimaschutz und Klimaanpassung in die Gemeinschaftsaufgaben des Grundgesetzes gehört. Denn das würde bedeuten, dass dann Bund und Länder gemeinsam in der Regel fifty fifty diese Dinge finanzieren. Beispiel: Wenn Sie Wasserknappheit haben, das hat es in mehreren Sommern gegeben und müssen als Stadt eine Fernwasserleitung bauen. Das kriegen Sie gar nicht finanziert, weil das locker mal 50, 60, 80, 100 Millionen
kosten kann. Das sind Gemeinschaftsprojekte, und die sollten wir auch gemeinsam finanzieren. Und dann ist es Aufgabe des Bundes und natürlich auch der Länder, dafür zu sorgen, dass diese Mittel auch langfristig bereitgestellt werden.
Dafür allerdings müsste das Grundgesetz geändert werden. Das heißt also, in Artikel 91 a des Grundgesetzes müsste die Klimaanpassung oder wie immer man das dann genau formulieren will, als Gemeinschaftsaufgabe definiert werden. Und dann wäre eine Mischfinanzierung durch Bund und Länder rechtlich möglich.
Jetzt geht es aber, wenn wir auf ein Morgen gucken ja nicht nur darum wie kriegen wir mehr Geld fürs Klima in die Kommunen für eine Klimaanpassung, sondern die Kommunen brauchen ja generell mehr Geld und stetiger Geld für Brücken, Schienen, Schulen. Diese ganzen Sachen und Ökonominnen und Ökonomen, die ventilieren daher seit Jahren die Idee von Investitionsgesellschaften oder Investitionsfonds, etwa Hubertus Barth, Sebastian Dullin, Michael Hüther und Katja Riezler.
So ein Fonds oder eine Gesellschaft zum Beispiel sei sinnvoll für eng umschriebene Zukunftsaufgaben. Und solche Fonds sollten dann als rechtlich selbstständige Person entweder des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts eingerichtet werden, also zum Beispiel als Anstalt des öffentlichen Rechts, als Stiftung, als AG oder als GmbH. Die sollten aber jeweils im vollständigen Besitz des Bundes bleiben und mit der Umsetzung der notwendigen Investitionen beauftragt werden.
Die Idee ist also im Prinzip, dass man ob nun als Person des öffentlichen Rechts oder des Privatrecht so eine Art Geldtopf schafft, der dann eben kontinuierlich oder idealerweise sogar antizyklisch investieren kann. Und eine zentrale Voraussetzung, so jedenfalls die Perspektive der Wirtschaftswissenschaftler:innen darauf: Dieser Fonds müsse dazu auch Kredite aufnehmen können, jedenfalls mal im Rahmen der letztlich getätigten Nettoinvestition.
Also nicht Kredite für Verwaltungsgedöns, aber für das investierte Geld. Das heißt also, man sollte so was einrichten, schwebt diesen Expertinnen vor, wie zum Beispiel die Autobahn GmbH, die seit einiger Zeit für den Bund die Autobahnen in Deutschland verwaltet, aber mit dem Recht, auch Schulden zu machen.
Und diese Idee findet im Prinzip der Cheflobbyist der Städte und Gemeinden, Gerd Landsberg, auch attraktiv.
Da brauchen wir eine langfristige Lösung und eine langfristige Finanzierung. Und da kann es durchaus Sinn machen, wenn Bund und Länder sagen würden, wir legen einen solchen Investitionsfonds auf, den wir natürlich im Zweifel über Schulden finanzieren. Aber auch da gilt der Grundsatz: Jeden Euro, den der Staat investiert, schafft drei bis 4 € aus der Privatwirtschaft, weil die dann Arbeit haben, weil die Steuern bezahlen und das auf eine Frist von zehn Jahren. Das wäre ein erster Anfang.
Dann muss man das möglichst einfach strukturieren. Nicht wieder eine Riesenförderbürokratie. Letztlich ist das so ein bisschen abgekupfert, natürlich auch bei der Bundeswehr. Man hat gesagt, die Bundeswehr ist nicht in einem guten Zustand. Wir machen diese 100 Milliarden und damit wird es dann hoffentlich besser. Auch das dauert, das erleben wir ja gerade. Aber eine solche Struktur könnte ich mir vorstellen.
Noch mal ein Strich drunter. Diese ganzen Ideen, die wir hier skizziert haben, wie die Kommunen zu einem stetigeren, dickeren Geldfluss kommen könnten, sei es der Bund übernimmt die Sozialausgaben, der Bund übernimmt die Kosten für Gesetze, die er erlässt. Und so weiter und so fort. Oder auch die Schulden für diese Investitionsgesellschaften. Alles läuft darauf hinaus: Das Geld muss vom Bund kommen.
Das ist das ganz große Thema. Und der Bund hat, wenn man ehrlich ist, auch noch ein paar andere Probleme als die Kommunen. Er muss nicht nur die Kommunen besser ausstatten, er hat auch selber viel zu wenig investiert, muss jetzt mehr Geld in die Hand nehmen. Das ist alles nicht einfacher geworden, auch durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum KTF. Und das heißt also, der Bund hat selbst zu wenig Geld.
Er muss eigentlich die Kommunen besser finanzieren, aber er muss auch selbst für bessere Infrastruktur in Bereichen sorgen, wo er zuständig ist, zum Beispiel eben Wasser, Straßenbahnschienen, Autobahnen und natürlich zum Beispiel auch Planung und Förderung, wenn auch nicht zwingend Bau überregionaler Stromnetze.
Ja, und auch hier ist das Problem ähnlich. Auch hier muss der Bund für einen kontinuierlichen, verlässlichen Geldfluss sorgen, damit eben antizyklisch investiert werden kann. Aber auch der Bund investierte in den letzten Jahren in den vergangenen Jahren weniger als nötig, und zwar selbst, als Geld billig und die Zinsen niedrig waren, sagt die gewerkschaftsnahen Ökonomen Katja Rietzler.
Auf der Bundesebene weiß ich nicht, ob es zum Teil nicht auch eine Frage von Prioritätensetzung ist. Wir hatten ja vor der Pandemie eigentlich bei allen Gebietskörperschaften im Durchschnitt eine sehr komfortable Finanzentwicklung und auch für den Bund. Und man hätte eigentlich ohne große Probleme auch bei sehr niedrigen Zinsen deutlich mehr investieren können, ohne in irgendwelche Probleme zu geraten. Aber Stichwort schwarze Null. Also man fand wohl diese Überschüsse auch toll.
Also so ist es halt dazu gekommen. Und die große Frage ist jetzt, woher soll dieses ganze Geld?
Ja also man hat sich, ich glaube das lohnt sich schon noch einmal als kurzes Zwischenfazit. Philip, man hat sich einfach in die Tasche gelogen. Man hat den Bundeshaushalt saniert, man hat formal darauf geachtet, dass der Bund nicht zu viel Schulden bei den Banken hat oder bei irgendwelchen Anlegerinnen. Aber man hat völlig aus dem Blick verloren, dass dabei eben ganz viel Hardware verrottet ist.
Das ist eben genau das große Problem, dass die Hardware, also die Infrastruktur des Bundes, in keiner Bilanz auftaucht. Und das begünstigt eben total diesen Selbstbetrug, dass man sagt, der Bundeshaushalt sieht super aus und dass die Autobahnen zerbröseln, da schauen wir lieber nicht so genau hin.
Ja, die Frage ist also, woher soll das Geld kommen? Auf den Bund kommen sehr große finanzielle Herausforderungen zu für bessere Ausstattung der Kommunen. Ja, ist klar. Und für eigene Investitionen in Infrastruktur. Woher soll das Geld kommen? Also die eine Frage ist halt, Katja Rietzler hat das angedeutet im Haushalt neue Prioritäten oder andere Prioritäten
setzen. Das heißt, okay, wir haben eine definierte Menge Geld, die wollen wir nur anders ausgeben, Also hier sparen, um da mehr da bei den Investitionen mehr Geld auszugeben.
Also die Lage hat sich natürlich noch mal extrem verschärft durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom KTF. Aber auch vorher schon war das Geld im Bundeshaushalt knapp. Deswegen ist es einfach extrem schwer, da jetzt noch Sparpotenziale auszumachen, weil natürlich seit Jahren im Bundeshaushalt immer mehr eingespart wurde, weil da einfach schon seit vielen, vielen Jahren immer wieder durchgekämmt wurde, um zu schauen, wo man noch irgendwie Geld einsparen
kann. Wie gesagt, jetzt müssen über ein paar Jahre diese 60 Milliarden aus dem KTF noch eingespart werden. Wir haben ja auch im November mal auf Twitter so ein bisschen rumgefragt bei Liberalen. Wo kann man denn sparen? So richtig konkrete Sparideen gab es da nicht. Aber da müssen wir an dieser Stelle sagen wir haben diese Folge aufgenommen in den letzten Novembertagen. Da kann sich jetzt, bis ihr das hört, möglicherweise noch was getan haben.
Möglicherweise sind inzwischen große Sparvorschläge gemacht und vielleicht sogar beschlossen worden. Aber jedenfalls Stand Ende November kam auch von Seiten der Union oder der Liberalen zum Beispiel kein wirklich überzeugender Vorschlag, wie im großen Stil gespart werden kann.
Ja, im großen Stil ist das Stichwort. Also hier mal 1 Milliarde, also das kriegt man immerhin. Aber es ging jetzt ja aufgrund des Urteils darum, 60 Milliarden € in den nächsten Jahren irgendwo anders herzukriegen als aus diesem Klima- und Transformationsfonds. Und das war jetzt Ende November, nicht abzusehen.
Ja, und dann muss man natürlich sehen die Zahlen, die nötig sind. Also wir haben es schon mehrfach jetzt vorgerechnet irgendwo zwischen 600 und 800 Milliarden bewegt sich der Investitionsbedarf. Das sind im Jahr, wenn man das auf zehn Jahre verteilt, noch mal 60 bis 80 Milliarden. Wir kriegen 60 Milliarden über mehrere Jahre nicht eingespart im Bundeshaushalt jedenfalls Stand Ende November. Ich sehe nicht, wie wir 60 bis 80 Milliarden 10 Jahre lang obendrauf finanzieren
sollen. Also ganz ehrlich: Das wird mit Einsparungen nicht zu machen sein.
Ist nicht zu machen. Dann ist der nächste Punkt Steuern erhöhen. Da gibt es ja immer die Kritik. Wenn man es hört, Steuern erhöhen, die Kritik und das Argument, dass Steuererhöhungen die Konjunktur abwürgen. Also wenn man den Leuten oder den Unternehmen auch zu viel Geld wegnimmt, dass sie dann aufhören zu produzieren oder eben auch abwandern. Und das sei gerade in Zeiten einer konjunkturellen Flaute daher nicht sinnvoll.
Ja, und da glaube ich, lohnt sich ein genauerer Blick. Das stimmt natürlich für einige Steuern, zum Beispiel die Umsatzsteuer. Ist eine Steuer, die zum einen relativ unsozial ist, weil sie ärmere Menschen proportional härter trifft. Aber es ist vor allem eben auch eine Steuer, die Konsum teurer macht, also die täglichen Einkäufe von Lebensmitteln oder die Einkäufe von Konsumgütern oder Urlaubsreisen
oder so. Das heißt also, die Umsatzsteuer zu erhöhen, ist sicherlich konjunkturell keine gute Idee. Ähnlich sagen wir mal jedenfalls heikel ist die Körperschaftsteuer also quasi so eine Art in Anführungsstrichen Einkommensteuer, die jedenfalls größere Unternehmen zahlen müssen. Und da gibt es jedenfalls das Argument, dass eine höhere Körperschaftssteuer möglicherweise Investitionen weniger attraktiv macht.
Weil weil einfach mehr Steuern gezahlt werden müssen und weniger da ist, um zu investieren. Aber es gibt eben auch Steuern, die die Konjunktur gar nicht oder nur sehr wenig belasten würden, im Zweifel sogar eher fördern würden, weil sie Kapital, das irgendwo rumliegt, wieder mobilisieren würden für den Wirtschaftskreislauf.
Und weil sie das ist ein Argument, das eben so im Nebensatz bei Herrn Landsberg fiel, weil sie eben auch eine Hebelwirkung hätte. Denn der Witz ist ja, dass 1 €, den der Staat irgendwo ausgibt, eben nicht nur mit einem Euro sich auf die Förderung der Wirtschaft oder der Konjunktur auswirkt, sondern mit einem bestimmten Hebel. Es ist unter Ökonomen und Ökonominnen immer etwas umstritten, wie hoch dieser Hebel ist. Herr Landsberg sprach eben, glaube ich, vom Hebel 3 bis 4.
Also jeder vom Staat ausgegebene Euro lässt die Wirtschaft um etwa drei bis 4 € wachsen. Aber letztlich ist die genaue Hebelwirkung, also der genaue Faktor gar nicht so wichtig. Wichtig ist nur, dass 1 €, den der Staat ausgibt, eben mit einer mit einem bestimmten Faktor sich positiv auf die Wirtschaftsleistung auswirkt. Und deswegen ist es schon eine gute Idee, Steuern an einer Stelle zu erhöhen, wo man nicht auf der anderen Seite wieder eine konjunkturelle Bremswirkung verursacht.
Und da gibt es natürlich viele Vorschläge, welche Steuern man da irgendwie erhöhen könnte. Wir konzentrieren uns jetzt hier mal auf einen Vorschlag, der durchaus eine substanzielle Wirkung haben könnte, nämlich eine Reform der Erbschaftssteuer. Natürlich gibt es auch heute schon eine Erbschaftssteuer, aber diese Erbschaftssteuer hat so viele Lücken und Schlupflöcher, dass gerade besonders große Erbschaften von mehreren Millionen oder auch 100 Millionen € kaum besteuert werden.
So schätzt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das jährlich mindestens 300 Milliarden € in Deutschland vererbt oder verschenkt werden, was steuerlich dasselbe ist. Und bisher werden auf diese mindestens 300 Milliarden € Vermögensübertragung nur mickrige 8 Milliarden € Erbschafts- und Schenkungssteuer bezahlt. Das sind nur circa 2 bis 3 %.
So, das ist sozusagen der effektive Steuersatz, der in Deutschland an Erbschaftssteuer kassiert wird. Und das ist natürlich nichts, das sind vielleicht gut 2 % oder 2 bis 3 % und die Idee ist daher, diese Erbschaftssteuer zu reformieren, natürlich kleinere Erbschaften zu entlasten, aber große Erbschaften wirklich mehrere Millionen Euro vererbt, doch eher weiter zu belasten. Und der Kern der Kritik an der bisherigen Lage ist: Solche großen Erbschaften werden in der Regel als Unternehmen
vererbt. Sprich die Steuer muss mit Kapital bezahlt werden und auf Kapital bezahlt werden, das in Unternehmen steckt. Und wenn diese Steuer gezahlt werden soll, so ist diese Kritik, dann müsse a) entweder ein Teil des Unternehmens verkauft werden, um an das Geld zu kommen, mit der man die Steuer bezahlen kann. Oder man muss halt Kapital aus dem Unternehmen rausnehmen, um diese Steuer bezahlen zu können und beides koste am Ende Arbeitsplätze, Umsatz und letztlich auch Wirtschaftswachstum.
Das ist die, würde ich mal sagen, vor allen Dingen vom Verband der Familienunternehmen vorgebrachte Kritik an einer höheren Besteuerung von Erbschaften in Deutschland.
Und das ist allerdings wiederum natürlich nicht unumstritten. Ganz im Gegenteil: Die meisten Ökonominnen sagen, das ist im Grunde ein Scheinargument. Wegen einer effektiven Erbschaftssteuer müsse kein Unternehmen aufgelöst werden. Es komme eben letztlich nur darauf an, wie man das so gestaltet, dass eine auch höhere Steuern gezahlt werden kann, ohne dass tatsächlich zum Beispiel Unternehmen aufgelöst werden.
Man muss sich einfach nur Modelle überlegen, wie die auch höheren Steuern von den Erbinnen von Unternehmen gezahlt werden können, sagt die Vorsitzende der sogenannten Wirtschaftsweisen die Münchner Ökonomin Monika Schnitzer bei uns im Juli 2023 im Interview.
Wenn man mit Experten Expertinnen spricht, wie man das gestalten könnte, sodass man tatsächlich Erbschaftssteuer hier erheben könnte, dann wird sehr schön ausgeführt, dass man das natürlich mit Stundung machen kann. Man muss ja einen solchen Betrag nicht auf einmal in einem Jahr zahlen. Man kann das über viele Jahre strecken. Man könnte im Zweifel sogar den Staat dann als als stillen Teilhaber mit einbeziehen. Also es gibt wirklich sehr gute Möglichkeiten, das zu tun.
Andere Länder schaffen das auch.
Also konkret übersetzt heißt das, wenn dann ein Unternehmen vererbt wird und da eben mehr Erbschaftssteuer kassiert werden soll, als das heute der Fall ist, dann muss das nicht in dem Jahr passieren. Und dafür müsste man dann vielleicht das Unternehmen verkaufen, sondern man kann sagen Hey, du kannst das abstottern. Über zehn oder 20 Jahre kannst du aus deinen Gewinn bisschen was abführen, damit dann Erbschaftssteuer zahlen. Das gefährdet kein Unternehmen,
oder? Das ist die Idee mit dem stillen Teilhaber. Oder der Staat könnte in Höhe der Steuer einen Anteil am Unternehmen bekommen. Der Staat, den die Eigentümer dann langsam wieder zurückkaufen können und so eben dem Staat diese fällige und dann höhere Erbschaftssteuer bezahlen. Auch da langfristig, ohne dass das Unternehmen gefährdet wird. #.
Und eine solche Erbschaftssteuer könnte schon bei moderater Steuerlast ganz substanzielle Summen mobilisieren. Im Detail ist es interessanterweise gar nicht so einfach abzuschätzen, welche genauen Regelungen und welche Erträge bringen würden. Einfach, weil oft die genauen Zahlen fehlen. Aber greifen wir doch mal einen Teil heraus. Die von uns ja gerade schon diskutierten Unternehmensübertragungen, also Situationen, wo Anteile an Unternehmen verschenkt oder vererbt werden.
Ja, in der Steuerstatistik, da schwanken die heute steuerfreien Unternehmensübertragungen enorm. Da werden natürlich Unternehmen übertragen, die potenziell Erbschaftssteuer pflichtig werden könnten. Heute sind sie steuerfrei. Und da geht es um schwankende Summen. Also 2020 wurden Unternehmen steuerfrei übertragen im Wert von 23 Milliarden €.
Aber 23 Milliarden €! Keine Steuern! 23 Milliarden. Einfach mal so mit dem Scheinargument, das sei nötig, weil sonst die Unternehmen verkauft werden müssen.
Ein Jahr später, '21, waren es sogar 37 Milliarden €.
Und dann, im Jahr 2022, ging es zurück auf 18. Mit anderen Worten: Diese Zahlen schwanken enorm. Aber das Netzwerk Steuergerechtigkeit, eine Initiative, die sich unter anderem eben für eine Reform der Erbschaftssteuer einsetzt, schätzt:.
Bleibt das übertragene Unternehmensvolumen auf dem durchschnittlichen Niveau der Jahre 2021 und '22, also das, was wir eben gerade gesagt haben, könnte bei einem Wegfall sämtlicher Vergünstigungen für die Unternehmensvermögen und einen Steuersatz von 25 % die aktuellen Steuereinnahmen um sechs bis 7 Milliarden € im Jahr erhöht werden. Also heute sind wir acht 9 Milliarden €, die anfallen.
Dann wären das vielleicht irgendwie so 15, 16 Milliarden €, die man einspielen könnte insgesamt an Erbschaftssteuer, wenn man diese heute steuerfreie Unternehmensübertragung mit 25 % besteuern würde.
Und das wären, wie gesagt nur die Unternehmen. Insgesamt sind die übertragenen Vermögenswerte natürlich viel größer. Verschiedene Schätzungen beziffern das Erbschaftsvolumen so auf 300 bis 400 Milliarden €. Und das Netzwerk Steuergerechtigkeit rechnet vor ganz ohne Freibeträge und bei einem Steuersatz von 10 % käme man dann auf 30 bis 40 Milliarden Euro Erbschaftssteuer.
Aber das räumen sie ein, das ist natürlich völlig unrealistisch, wenn man kleine Geschenke von ein paar 1.000 € hier und da gar nicht erfassen könnte. Außerdem würde man sicherlich innerhalb von Familien auch weiterhin bestimmte Freibeträge regeln. Also das, wenn ihm Omas berühmtes Häuschen übertragen wird, das vielleicht zwei 300.000 € wert ist, dann dann ist es vermutlich gesellschaftlich nicht so ganz akzeptiert, dass darauf nennenswerte Steuern anfallen.
Sondern Freibetrag ist die Idee Ihr erbt ein Haus von euren Eltern, dass ist 400.000 € wert. Heute ist der Freibetrag für so eine Erbschaft pro Kind 400.000 €. Das heißt, ihr erbt das und zahlt auf diese 400.000 € Erbschaft keine Erbschaftssteuer. Wenn das Haus aber 450.000 € wert ist, dann zahlt er halt auf die 50.000 €, die über diesen Freibetrag rausgehen, eure Erbschaftssteuer. Das ist die Idee von Freibeträgen.
Nicht pro Jahr, sondern alle zehn Jahre den Freibetrag mal zehn Jahre Geld machen. So, und jetzt natürlich die Frage: Wie viel Vermögen wird denn eigentlich übertragen jenseits der Freibeträge der heutigen Freibeträge? Bislang sind es rund 100 Milliarden €, also von Vermögensübertragung, die jenseits von Freibeträgen
liegen. Wenn man darauf, so schlägt das Netzwerk Steuergerechtigkeit vor zum Beispiel einen einheitlichen Erbschafts- und Schenkungssteuersatz von 20 % erheben würde, dann käme man allein daraus auf einen zusätzlichen Ertrag von 20 Milliarden €. Und da ist die Einschätzung jedenfalls dieser Organisation:
Aber das wäre also diese 20 Milliarden €, das wäre für einige Kleinerben und auch für kleine Unternehmen eine ordentliche Steuererhöhung, wenn man das denn so machen würde. Einfach 20 % Flat Tax auf alles, was heute jenseits dieser Freibeträge vererbt wird.
Also ihr seht schon, es ist gar nicht so ganz einfach, einfach weil die Statistiken heute so ein bisschen wackelig sind. Aber was man bei allen Unsicherheiten mit Sicherheit sagen kann: Die möglichen Erträge aus einer substantiellen Reform der Erbschaftsteuer liegen je nach den Freibeträgen, je nach den Steuersätzen, die man regelt, irgendwo ab 20 Milliarden € pro Jahr. Die möglichen Erlöse sind aber nach oben, will nicht sagen komplett offen, aber weitgehend offen.
Auch 40 Milliarden pro Jahr zusätzliche Einnahmen wären möglich, wenn man das politisch will. Das muss man immer dazu sagen. Und das würde einen riesigen Unterschied für die öffentlichen Haushalte bedeuten, muss man sehen. Die Erbschaftssteuer steht heute den Ländern zu. Aber man könnte die zusätzlichen Einnahmen natürlich auch verteilen.
Oder man streicht Zuschüsse des Bundes an die Länder an anderer Stelle, so dass man auch relativ frei entscheiden könnte, wo diese zusätzlichen Einnahmen denn tatsächlich ankommen würden. Aber ich muss ganz ehrlich sagen Philip, das ist doch politisch betrachtet eine enorme Chance. 20 Milliarden, 40 Milliarden jedes Jahr für die, zum Beispiel für die unsere Infrastruktur. Also mal ganz ehrlich das ist doch irre viel Geld, das wir bislang nicht einnehmen.
Es ist irre viel Geld, wenn wir uns vor Augen halten. Wir hatten immer so 60 bis 80 Milliarden Euro jetzt gesagt pro Jahr, die investiert werden müssten, um unsere Infrastruktur nach vorne zu bringen. Ja, dann wären halt 20 oder 30 Milliarden natürlich nicht die alleinige Lösung, Aber sie wären ein großer Teil der Lösung. Ich glaube, das kann man schon mal so formulieren.
Ja, und das Geld würde ja auch nicht versickern, sondern wenn man das eben zweckgebunden für Infrastrukturinvestitionen verwendet, dann würde das Geld in ganz konkrete Projekte fließen.
Und was wir versucht haben zu erläutern, ohne dass dafür irgendwelche Familienbetriebe verkauft werden müssten, ohne dass das Arbeitsplätze gefährdet, ohne dass das irgendeinen Konjunktureffekt hat, ist es einfach nur der fehlende politische Wille zu sagen, wir besteuern hohe Erbschaften ab meinetwegen einer Million Freibetrag? Mit diesen berühmten zum Beispiel 20 %, also an den Stellschrauben kann man ja drehen und auch schauen, was kommt da so rein.
Man kann auch noch mal nachsteuern, wenn es doch irgendwelche politisch unerwünschten Nebeneffekte gibt. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, aus meiner Perspektive ist die Erbschaftssteuer einfach dringend fällig für eine grundsätzliche gesellschaftliche Debatte.
Ja, wenn man irgendwo nach Nobrainern sucht, dann ist das, glaube ich, hier ein guter Kandidat dafür. Und das ist halt nur die Erbschaftssteuer. Wir haben es gesagt, es ist ein großer Teil, aber eben nicht die ganze Lösung. Aber da gibt es sicherlich noch viel, viel mehr Lösungen. Also Vermögenssteuer führen wir jetzt nicht weiter aus, aber das ist sicherlich auch eine Sache, an die
man rangehen kann. Oder eben eine höhere Einkommensteuer für wirklich sehr, sehr reiche Leute, die meinetwegen mehr als 270.000 € im Jahr verdienen. Also es gäbe substanzielle Möglichkeiten, die Einnahmen der öffentlichen Kassen zu erhöhen. Aber man muss natürlich da massive politische Widerstände überwinden. Und natürlich haben wir auch gesagt, ist das nicht unbegrenzt, was man da mit
einsammeln kann. Die Ausgaben sind hoch und daher werden auch immer wieder neue Schulden ins Feld geführt, um Infrastruktur zu finanzieren und durchaus Sympathien hat für neue Schulden, und diese Debatte die Ökonomin. Katja Rietzler.
Wir werden das nicht alles aus Umschichtungen oder Steuererhöhungen finanzieren können. Ich glaube, man braucht schon eine Kombination aus verschiedenen Maßnahmen. Aber Kreditfinanzierung sollte da auch durchaus eine Rolle spielen können.
Kreditfinanzierung, mehr Schulden das klingt im Prinzip nach einer Option, zumal man das Geld ja investieren will, also damit wirklich Werte schafft. Brücken, Schulen. Wir haben es 30.000 Mal erzählt, doch dagegen steht und relativ frisch in Karlsruhe geschärft und gestählt die deutsche Schuldenbremse.
Was ist die Schuldenbremse? Auch das ist in der Lage jetzt schon häufig Thema gewesen. Deswegen versuchen wir, das jetzt mal so ein bisschen knapper zu machen. Wenn euch das interessiert, was es damit genau auf sich hat, können die euch zum Beispiel mal die Folgen vom November anhören, wo wir die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds genauer
besprochen haben. Aber im Überblick bedeutet die Schuldenbremse eine Begrenzung der neuen Schulden, die der Staat auf verschiedenen Ebenen machen kann, insbesondere Bund und Länder. Diese Schuldenbremse schreibt Bund und Ländern per Grundgesetz vor, ihre Haushalte im Prinzip ohne Kreditaufnahme auszugleichen. Das heißt es setzt eine Obergrenze für die Neuverschuldung. Die Länder dürfen seit 2020 gar keine Schulden mehr aufnehmen.
Und der Bund darf pro Jahr nicht mehr als 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts an neuen Schulden aufnehmen. Das sind kleines Rechenbeispiel im Jahr 2022 bei über 3 Billionen € Bruttoinlandsprodukt 13 Milliarden €. 13 Milliarden ist natürlich eine Menge Geld. Aber wenn sich überlegt, der Bundeshaushalt 2022 hatte knapp 500 Milliarden € Volumen, dann macht diese neue Schuldenaufnahme ehrlich gesagt nur einen ganz kleinen Teil aus.
Das heißt, der Bundeshaushalt muss tatsächlich weit überwiegend ohne Schulden finanziert werden.
Es gibt eine Ausnahme von dieser Schuldenbremse Die Schuldenbremse kann nach Beschluss des Bundestags ignoriert werden bei unvorhersehbaren und plötzlichen Krisen. Und von dieser Ausnahme Gebrauch wurde gemacht während der Corona Krise und auch während der Energiepreise Krise infolge des russischen Angriffskrieges. Die Schuldenbremse wurde deshalb 2020 bis 22 ausgesetzt. Der Staat durfte also viel, viel, viel, viel mehr Schulden machen, als die Schuldenbremse ihm das erlaubt
hätte. Seit 2023 aber ist die Schuldenbremse wieder scharf geschaltet, begrenzt also wieder die Schuldenaufnahme.
Nun werden dadurch viele sagen Krise? Na, wir haben doch eine permanente Klimakrise. Nichts erfordert so viele Investitionen für den Umbau von Infrastruktur, für den Umbau der Wirtschaft wie die Klimakrise. Das muss doch eine Ausnahme von der Schuldenbremse rechtfertigen. Das ist doch quasi die Mutter aller Krisen.
Tja, dann kam aber Karlsruhe sagt Ja, natürlich, Klimawandel muss bekämpft werden, sagt auch das Bundesverfassungsgericht 2021. Aber das Bundesverfassungsgericht 2023 sagt: Die Klimakrise ist keine Krise im Sinne des Grundgesetzes. Sie ist nämlich nicht plötzlich und auch nicht unvorhersehbar. Daher gestattet die Klimakrise keine Ausnahme von der Schuldenbremse.
Damit hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber ganz massiv eingemauert. Er muss zwar das Klima schützen, wie die Klimaentscheidung ihm vorgegeben hat. Deswegen musste ja auch zum Beispiel das Klimaschutzgesetz nachgeschärft werden 2021. Aber Schulden darf der Staat dafür kaum machen, sondern er soll die enormen Kosten für die Anpassung der kompletten Wirtschaft, der kompletten öffentlichen Infrastruktur an den Klimawandel im Rahmen des normalen Haushalts aufbringen.
Ich muss ganz ehrlich sagen, das ist eine enorme Bürde. Damit ist der Gesetzgeber richtig unter Strom. Wie das gehen soll? Es ginge natürlich mit Steuern. Das haben wir oben versucht am Beispiel der Erbschaftssteuer vorzurechnen. Aber das wollen bestimmte Parteien nicht. Und damit wird es dann irgendwann eng. Wenn man keine Schulden machen darf und keine Steuern erhöhen, dann droht der Staat hier einfach seine Herausforderung nicht mehr erfüllen zu können.
Die Frage ist also: Sollten wir angesichts des massiven Investitionsbedarfs die Schuldenbremse lockern, um mehr Geld aufnehmen zu können? Und wenn ja, wie? Es gibt natürlich da wie immer zwei Lager. Wir nehmen jetzt im November auf. Diese Diskussion flammt natürlich jetzt gerade im Schatten dieses Urteils aus Karlsruhe noch mal neu auf. Aber ich denke, im Kern werden die Argumente, auch wenn ihr das hört, noch ähnlich sein. Es gibt Leute, die sagen: Nein, eine Lockerung ist nicht
sinnvoll. Dazu zählen viele Ökonomen zum Beispiel Clemens Fuest. Der sieht die Schuldenbremse nicht als Problem, das neue Infrastrukturinvestitionen verhindert.
Die Schuldenbremse sei nämlich gar nicht der Grund dafür, dass in der Vergangenheit zu wenig investiert wurde. Und das sieht auch der wissenschaftliche Beirat des BMWK ähnlich, der sich ansonsten nicht auf eine gemeinsame Haltung zur Schuldenbremse einigen konnte. Das Argument ist: Die Schuldenbremse gilt so richtig scharfgestellt erst seit 2016. Und auch davor habe der Staat schon jahrzehntelang zu wenig in Infrastruktur investiert.
Also die Befürworter, BefürworterInnen der Schuldenbremse betonen außerdem, dass sie die deutschen Staatsfinanzen einfach solider hält. Und sie befürchten, bei einer Lockerung der Schuldenbremse könnte man nicht mehr sicherstellen, dass Schulden wirklich nur für Investitionen gemacht werden, sondern eben auch für Wahlgeschenke jeglicher Form und vor allen Dingen für Konsum. Und so sieht das auch Bundesfinanzminister Christian Lindner damals, 2022, bei uns im Interview.
Erstens ist es eine Frage der Generationengerechtigkeit. Wir sind eine alternde Gesellschaft. Das heißt, in der Zukunft wird ein kleinerer, aktiver Teil der Gesellschaft Steuern zahlen. Und wenn dann die Staatsverschuldung pro Steuerzahler zu hoch ist, ist das natürlich eine Einschränkung und eine drohende Überlastung der heute jungen Generation.
Eine ganz andere Sicht auf Schulden hat indes Monika Schnitzer, Chefin des sogenannten Rats der Wirtschaftsweisen, ebenfalls bei uns im Interview. In diesem Fall im Sommer 2023.
Staatsschulden heißt ja immer, man nimmt jetzt Geld auf, was dann die nächste Generation zurückzahlen muss. Und an der Stelle fragt man sich wieder: Ist die nächste Generation denn in der Lage, das zu tun? Und warum sollte sie es tun? Das hängt jetzt ganz davon ab, wofür ich das Geld jetzt ausgegeben habe. Wenn ich jetzt Staatsschulden beispielsweise aufnehmen würde, um die Rente aktuell zu finanzieren, dann muss man sagen, das ist vielleicht
nicht so richtig. Warum sollte das die nächste Generation tun, um unseren heutigen Konsum zu finanzieren? Deswegen ist Staatsschulden immer dann sinnvoll, wenn es darum geht, Investitionen zu finanzieren, von der auch die nächste Generation noch was hat.
Also Generationengerechtigkeit ist ein gutes Argument, aber es ist bei verschiedenen Ausgaben auf Pump ganz unterschiedlich valide. Schulden für Konsum heute wollen die Menschen morgen nicht tilgen. Das ist das Beispiel von Frau Schnitzer. Warum sollen die heutigen Kinder und Jugendlichen in 20, 30 Jahren dafür bezahlen, dass heutige Rentner relativ üppige Renten kassieren?
Aber wenn wir heute Schulden zum Beispiel für Schulen machen, dann sind die heutigen Kids vielleicht gerne bereit, später noch dafür zu zahlen, denn sie haben eine vernünftige Ausbildung bekommen. Und das gleiche Argument könnte man auch für Klimaschutz machen, denn ohne ein lebenswertes Klima ist alles Mist.
Das Problem, das ganz fundamentale Problem bei dieser Debatte um die Schuldenbremse ist: Nimmt der Bund erst mal Schulden auf, sind die erst mal nicht zweckgebunden. Die Regierung und der Bundestag entscheiden dann frei, was sie mit diesem Geld machen, das sie sich gerade geliehen haben oder leihen wollen. Und das ist eben die Gretchenfrage dieser ganzen Staatsschuldendebatte. Wie stellen wir sicher, dass mit Geld aus Schulden nicht Konsum bezahlt wird wie Rentenerhöhung?
Wie kann man Schulden machen und dabei sicherstellen, dass die zu mehr Investitionen führen statt zu mehr konsumtiven Aufgaben? Also wie kriegen wir diese Zweckbindung von Staatsschulden hin?
Da hat das Bundesverfassungsgericht natürlich in seiner KTF Entscheidung noch mal ebenfalls die Zügel angezogen. Da muss man jetzt im Kopf so ein bisschen zwei Sachen auseinanderhalten. Was wir gerade diskutiert haben, waren quasi grundsätzliche Ausnahmen von der Schuldenbremse in dem Sinne, dass man zum Beispiel vielleicht Investitionen von der Schuldenbremse freistellt. Das wäre quasi wirklich eine grundsätzliche Änderung der Schuldenbremse, so wie sie im Grundgesetz geregelt ist.
Was heute schon geht, sind die sogenannten Ausnahmen von der Schuldenbremse, wo man also eben zum Beispiel eine Krise feststellt und dann sagt: Wegen dieser Krise müssen wir mehr Schulden machen können, als die Schuldenbremse zulässt. Und für diese Fälle, also für die quasi nicht grundsätzliche Änderung der Schuldenbremse im Grundgesetz, sondern für Ausnahmen von der Schuldenbremse im Rahmen der heute schon geltenden Regelung.
Dafür hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung von Mitte November noch mal die Zweckbindung scharf gestellt. Da hat das nämlich insbesondere gesagt: Wenn Kreditermächtigung einmal vom Bundestag erteilt werden, um die Folgen der Corona Pandemie zu mildern, dann dürfen diese Kreditermächtigung nicht hinterher eingesetzt werden über den KTF zur Milderung des Klimawandels, einfach weil das ein anderes Thema
ist. Das heißt also, für Ausnahmen von der Schuldenbremse gelten diese Zweckbindungsregeln schon ziemlich streng. Die große Frage ist aber: Wenn man tatsächlich jetzt die Schuldenbremse im Grundgesetz ändern wollte und zum Beispiel Investitionen in die Zukunft wie in Schulen und Klimaschutz ausnehmen wollte von so einer strengen Regelung..
Und zwar ohne, dass es eine Krise gibt, sondern einfach einfach so im Rahmen der Schuldenbremse. Aber Investitionen sind erlaubt.
Genau. Wenn man das ändern wollte, wie wäre es dann möglich, tatsächlich sicherzustellen, dass das Geld eben nicht in Konsum fließt, sondern Investitionen? Und das ist tatsächlich eine große Frage. Denn ganz ehrlich das fängt schon ganz am Anfang an, komplex zu werden, nämlich bei der Frage: Was sind denn eigentlich Investitionen?
Ja, genau, da kann man sagen Ja, Bahnschienen, Brücken, weil man sagen klar, auch Netze, Stromnetze. Klar, sagt Monika Schnitzer, die wirtschaftsweise Ökonomin aus München, Klar, das sind Investition und Bildung, ist das doch auch eine Investition, oder?
Interessanterweise in unserer Art, wie wir die Dinge verbuchen, zählt Bildung dazu bisher nicht. Dabei ist das eigentlich eine ganz wichtige Investition. Also wenn wir heute Kinder ausbilden, dann investieren wir in deren Humankapital. So nennen wir das, dann investieren wir in deren Entwicklungsmöglichkeiten. Und das wäre eigentlich auch etwas, wo man etwas mehr Schulden Finanzierungen verantworten könnte. Wird aber momentan nicht als Investition verbucht.
Wir müssen uns ja erst mal überhaupt darauf verständigen, welche Investition wir als zukunftsträchtig sehen. Schon das ist ein Problem bei der Frage: Wie binden wir Schulden wirklich an Investitionen?
Und wenn wir dann wissen, was wir gesellschaftlich vereinbart als Investition durchgehen lassen wollen, dann muss natürlich sichergestellt werden, dass Kredite auch dafür und nur dafür ausgegeben werden. Was natürlich nicht ganz einfach ist. Der Wissenschaftliche Beirat im Wirtschaftsministerium, immerhin besetzt mit 41 Spitzenökonominnen, konnte sich beispielsweise nicht auf ein Verfahren einigen.
Und da muss man sagen würde, würde man einen Weg finden, wirklich Investitionen genau zu benennen und sicherzustellen, dass Schulden nur für Investitionen ausgegeben werden. Dann, glaube ich, könnte sich auch Wirtschaftsminister Robert Habeck eine Lockerung der Schuldenbremse vorstellen. Das sagte er uns im Juli 2023 im Interview.
Von der Idee her müsste man, wenn man es reformieren wollte, Investitionen und konsumtive Aufgaben trennen. Und die Investitionen meiner Ansicht nach noch stärker qualifizieren für Maßnahmen, die gesellschaftlich verabredet Zukunft erzeugen. Also nicht egal was ich mir kaufe, ist es gleich, sondern Ausgaben, die Klimaneutralität erreichen, sind aktzetabel. Das sind Investitionen. Und das politische Argument wäre, dass wir das als gesellschaftliche Aufgabe stemmen müssen. Nun matter what.
Man muss sagen, seitdem hat er das Argument schon öfter wiederholt und auch gerade jetzt, nach dem KTF Urteil des Bundesverfassungsgericht, geht er immer mehr in die Richtung, dass er sagt, die Schuldenbremse ist nicht generell dagegen. Aber so wie sie formuliert ist, ist sie zu steif. Und wir müssen halt diese Ausnahmen machen. Und das Argument ist immer ähnlich. Das heißt, mag ja sein, dass wir auch vor der Schuldenbremse keine guten Schulden nur gemacht
haben. Das heißt aber nicht, dass wir es nicht in Zukunft schaffen können. Das Einzige, was uns definitiv daran hindert, Schulden aufzunehmen, Geld aufzunehmen und sie in Investitionen zu investieren. Das ist eben die Schuldenbremse.
Ja, das Problem ist bloß: Eine Reform ist a) mit Union und FDP jedenfalls Stand heute nicht zu machen und b) auch tatsächlich inhaltlich nicht so ganz einfach. Weil aber allen, von der Union bis zu den Grünen völlig klar ist Wir müssen massiv investieren. Deswegen entstehen überall Schattenhaushalte, und zwar im Bund und in den Ländern unter Beteiligung aller Parteien, von der Linkspartei bis zur CSU.
Der Bundesrechnungshof rechnet vor: Insgesamt gibt es 29 in Worten neunundzwanzig Schattenhaushalte mit insgesamt fast 900 Milliarden Schulden. Und der Bundesrechnungshof hat damit natürlich ein grundsätzliches Problem. Denn ist ja, er ist ja quasi für die Haushaltsdisziplin, für die sinnvolle Verwendung des Geldes in Bund und Ländern zuständig. Und der hat damit ein Problem. Denn Schattenhaushalte sind, wie er das so schön formuliert, budgetflüchtig.
Das heißt also, sie tauchen nicht mehr so richtig im Bundeshaushalt auf, sie sind so ein bisschen versteckt. Und nicht umsonst hat ja auch das Bundesverfassungsgericht die Grenzen für staatliche Schattenhaushalte bei der Entscheidung sehr eng gezogen. Aber trotzdem, glaube ich, lohnt es sich noch mal kurz nachzuzeichnen, was da bisher jedenfalls die Idee war. Die Kalkulation der Bundesregierung war, warum es so viele Schattenhaushalte gibt.
Ja, das ist deshalb wichtig, weil das auch noch mal deutlich macht, was für ein fundamentales Urteil diese Entscheidung Ende November 2023 war. Denn bis dahin war die Kalkulation der Bundesregierung: Ja, ja, da ist die Schuldenbremse, die steht im Grundgesetz. Aber die können wir in Krisenzeiten ja aussetzen. Oder können dann also Krisenzeiten noch mehr Schulden machen?
Und bei der Gelegenheit Motto Wo wir schon mal bei der Bank sind, da nehmen wir mehr Schulden auf, als wir vielleicht ganz, ganz unmittelbar brauchen, um diese Krise zu bewältigen und füllen damit ein paar Töpfe Schattenhaushalte, die als solche nicht der Schuldenbremse unterliegen. Wir füllen also diese Töpfe mit Mitteln, für die wir die Schuldenbremse offiziell aussetzen. Und so haben wir quasi so ein bisschen Spielgeld und geben das Geld also über die nächsten Jahre
aus. Und zwar zu einer Zeit, in der wir die Schuldenbremse längst offiziell wieder einhalten.
Das war die Idee im KTF 60 Milliarden geparkt. Die könnten dann, so die Idee, so 2023, 24, 25, 26, 27 langsam ausgegeben werden. Und noch viel größer ist ja der sogenannte Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Ursprünglich mal waren das 600 Milliarden € Kredit Ermächtigung, also mehr als ein ganzer Bundeshaushalt.
Die wurden dann später reduziert auf 250 Milliarden €. Aber auch das ist noch ein halber Bundeshaushalt Kreditermächtigungen, begründet mit Corona/Ukraine und auszugeben in den nächsten Jahren irgendwann mal um hohe, zum Beispiel hohe Energiepreise zu deckeln, aber auch ein paar andere Dinge, die man sich noch so überlegt hat.
Und diese Strategie Geld einmal aufnehmen oder Kreditermächtigung sich einmal erteilen lassen mit einer Ausnahme von der Schuldenbremse, weil Krise und dann dieses Geld irgendwann mal ausgeben. Diese Strategie hat das Bundesverfassungsgericht im Prinzip unmöglich gemacht, denn Mittel müssen jährlich vom Bundestag genehmigt werden. Geld darf nicht mehr überjährig geparkt werden, jedenfalls nicht in solchen Sondervermögen.
Und die Schuldenbremse muss, wenn man mehr Schulden aufnehmen will, Jahr für Jahr aufs Neue ausgesetzt werden. Also man kann nicht einmal einen großen Schluck aus der Pulle nehmen und das Geld dann über Jahre verteilen. Aber wenn das so nicht mehr geht, wie man sich das bisher gedacht hat mit diesen Sondervermögen, dann stellt sich natürlich umso verschärfter die Frage wie soll es denn dann gehen?
Steuern erhöhen, wie gesagt, stößt an politische Grenzen, weil die hinreichend bekannten Parteien das nicht wollen. Wie sollen wir denn dann also Geld aufnehmen? Am besten noch kontinuierlich und um über Jahrzehnte berechenbar und garantiert in Infrastruktur zu investieren, was wiederum ja eigentlich erforderlich wäre, wie sich auch die Ökonomie einig ist. Wie soll es denn dann gehen?
Die Wissenschaft ist sich nicht einig, ob dafür die Schuldenbremse abgeschafft werden muss. Die Diskussion geht so ein bisschen um aufbauen ja, wenn ja, zu welchen Konditionen? Wie lange? Aber nach der KTF Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist das Instrument Sondervermögen weitgehend tot.
Und damit eben eine wichtige Hintertür, die diese, die die praktische Relevanz der Schuldenbremse oder die praktischen Nachteile auch der Schuldenbremse hätte, so ein Stück weit abmildern können. Jetzt wird die Schuldenbremse quasi voll in voller Härte, und wir sehen, zu welchen gesamtgesellschaftlichen Problem es führt.
Es ist halt eine Vollbremsung. Eine Lösung, um mit dieser Situation KTF Urteil, Sondervermögen weitgehend tot und so weiter und so fort umzugehen, sind sogenannte Investitionsfördergesellschaften oder können sie zumindest sein. Zumindest schlägt das der Beirat des Wirtschaftsministeriums vor. Und die führten bisher muss man ehrlich sagen, so ein bisschen so ein Schattendasein. Diese Investitionsfördergesellschaften könnten nun aber in dieser neuen Lage durchaus attraktiv werden.
Denn seit der KTF Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind sie jedenfalls soweit wir das heute sehen, die einzige echte Möglichkeit, um konjunkturell geschickt Schulden zu machen und Projekte überjährig, mehrjährig und nachhaltig zu finanzieren. Was ist die Idee?
Ja, also diese Investitionsfrage sei schon sind rechtlich selbstständig, anders als diese bisherigen Schattenhaushalte. Viele von denen zumindest also rechtlich selbstständig. Sie sind formal privatrechtlich organisiert, also eine GmbH, eine Aktiengesellschaft oder dergleichen.
Bund und Länder zahlen in diese Firmen ein, und zwar zweckgebunden für einen bestimmten Zweck Autobahnen bauen, Gleise bauen, you name it und Kommunen bewerben sich um diese Projekte bei diesen Investitionsfördergesellschaften.
Und diese Gesellschaften wären natürlich auch im Grunde so eine Art Schattenhaushalt. Aber sie wären transparenter, besser kontrollierbar und vor allem zweckgebundener. Und zugleich könnten sie langfristige Investitionen ermöglichen. Das Besondere wäre nämlich, dass der Bund in einem Jahr Schulden macht und das Geld dann in diesem Jahr auch komplett in die privatrechtliche Firma einzahlt mit Zweckbindung.
Damit wäre das jedenfalls nach der KTF Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich zulässig. Denn die Mittel fließen ja tatsächlich in dem Jahr ab, wo der Bundestag sie beschließt, wo auch die Ausnahme zum Beispiel von der Schuldenbremse beschließt. Aber die Firma, diese privatrechtliche Firma, kann trotzdem über viele Jahre investieren, und zwar tatsächlich zweckgebunden investieren. Das müsste man natürlich durch Gesellschaftsverträge und so sicherstellen.
Aber das geht ja auch grundsätzlich.
Das geht grundsätzlich, wenn denn Geld da ist, wenn denn Geld da ist, das der Bund in diese Firmen einzahlen kann. Das Problem ist nur, dass der Bundeshaushalt ja heute schon unterfinanziert ist. Und weil der Bundeshaushalt halt unterfinanziert ist, setzt auch diese Lösung voraus. Entweder Steuererhöhung, haben wir drüber geredet, dass es umstritten wäre, aber verfassungsrechtlich wohl ziemlich sicher, dieses Geld einzutreiben und dann eben auf diese Art auszugeben.
Oder der Bundestag erklärt wieder mal eine Ausnahme von der Schuldenbremse wegen einer Notsituation, haben wir auch darüber gesprochen. Ist eine Umgehung der KTF Entscheidung. Das müsste man schon so sehen, oder?
Tja, das wir haben es eben angedeutet. Also die Mittel fließen in dem Jahr ab, wo der Bundestag den Beschluss fasst, also formal wird die KTF Entscheidung damit eingehalten. Das Problem ist bloß: Die Mittel werden ja auch nicht in dem konkreten Haushaltsjahr von der Firma letztlich wieder investiert. Sie fließen nur in dem Jahr ab an den Fonds.
Das heißt also, es ist letztlich wieder eine Umgehung der Schuldenbremse, und daher ist unklar, was das Bundesverfassungsgericht davon halten wird, ob das Bundesverfassungsgericht also quasi verbieten wird, dass der Bundestag Geld in solche Gesellschaften investiert, mit dem Ziel, dass sie dann einen bestimmten Zweck verfolgen. Wenn das Bundesverfassungsgericht das auch noch verbieten sollte, dann wird es wirklich problematisch.
Dann gibt es nämlich überhaupt gar keine Möglichkeit mehr, überjährig Geld zu investieren, das man sich unter Umgehung der Schuldenbremse geliehen hat. Aber wie gesagt, das ist offen. Nach dem bisherigen Stand der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung wären solche Gesellschaften wohl noch zulässig.
Und noch vor der KTF Entscheidung jedenfalls konnte die Ökonomin Monika Schnitzer, die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, diesem Instrument der Investitionsgesellschaft im Interview mit uns daher viel abgewinnen.
Zumindest mal allgemein. Das darf jetzt nicht so klingen, als hätten wir sie mit diesem konkreten Konzept der KTF Entscheidung konfrontiert.
Ne, haben wir ja gesagt, war schon vorher. Aber so grundsätzlich findet sie das einfach eine gute Idee, da mal drüber nachzudenken.
Ich halte das genau für eine sehr gute Idee. Das ist beispielsweise eine Idee, die vom Beirat des Bundeswirtschaftsministerium, vom Wissenschaftlichen Beirat des Ministeriums gemacht worden ist. Das ist eben genau eine solche Möglichkeit der Verstetigung. An der Stelle geht es jetzt vor allen Dingen darum, tatsächlich dafür zu sorgen, dass Mittel verstetigt werden und dass sie zweckgebunden sind, dass sie tatsächlich für Investitionen zweckgebunden sind. Und das genau müssen wir erreichen.
So machen wir einen Strich drunter Ulf.
Ja, also ihr habt schon gehört, es ist einfach wahnsinnig schwer, das nötige Geld aufzutreiben. Wir haben uns gesellschaftlich ganz schön eingemauert, das kann man gar nicht anders sagen. Wir haben auf der einen Seite diese Schuldenbremse super hart gestellt. Wir haben gerade noch eine allerletzte Hintertür markiert diese Investitionsgesellschaften privat im Privatrecht, so die allerletzte Hintertür, die es noch gibt. Wie gesagt, noch hat das Bundesverfassungsgericht es nicht
verboten. Aber es ist völlig unklar, ob das funktioniert. Das ist so die eine Hälfte des Einmauern, die andere Hälfte das Einmauern ist die politische Position Steuererhöhungen dürften nicht sein. Wir haben Optionen dargestellt, aber dafür gibt es zurzeit im Bundestag keine Mehrheiten. Das muss man so deutlich sagen. Insofern, ich will jetzt nicht sagen we're doomed, Philip. Aber es ist nicht klar, wie der Ausweg aussehen könnte. Und das ist aus meiner Sicht bedrohlich.
Denn dass die Infrastruktur im schlechten Zustand ist, bezweifelt ja im Grunde niemand. Und diese schlechte Infrastruktur, die bleibt eben einfach nicht ohne Folgen für die Identifikation der Menschen mit unserem Staat.
Ja, wir haben es gesagt. Um noch mal ein Fazit zu machen Gerade in den Kommunen, wenn Schulen vergammeln oder auch zum Beispiel bei der Bahn, wenn kaum ein Zug mehr pünktlich fährt, dann fangen die Leute halt an zu zweifeln. Da sehen sie halt, so funktioniert das nicht. So stelle ich mir den Staat nicht vor und das muss anders laufen. Und das gibt eben der Skepsis Auftrieb, ob Demokratie als Staatsform überhaupt leistungsfähig genug ist, um diese Probleme zu lösen.
Und das nährt die Sehnsucht nach einer sogenannten harten Hand, die endlich mal durchregiert. Und ich finde, das gehen mir auch gerade noch durch den Kopf, wo du da über die Finanzen geredet hast. Das ist ein weiteres Ergebnis von jahrzehntelanger Politik, in der zu wenig gemacht wurde. Du kannst den Klimaschutz nehmen, du kannst die Bahn nehmen, du kannst die Rente
nehmen. Wenn du Dinge lange liegen lässt und nichts macht, dann fliegt dir das am Ende um die Ohren, weil du oft in sehr kurzer Zeit sehr viel machen musst. Und das haben wir jetzt bei den Finanzen eben auch. Wir sind da in eine, in eine Sackgasse gerannt, die wir hätten über Jahrzehnte abdämpfen müssen, aber haben wir nicht gemacht. Und deswegen müssen wir, stehen jetzt da und müssen auf einmal irres Geld mobilisieren und uns fehlt irgendwie richtig die Mittel dafür.
Aber ich glaube, ganz wichtig ist einfach zu verstehen, dass weiteres Sparen den Staat in seiner Leistungsfähigkeit immer weiter einschränkt. Und das bedeutet insbesondere auch die Kommunen immer weiter einschränkt. Es gibt nicht alle, aber es gibt viele Kommunen, die heute schon pleite sind, die heute schon nicht mehr dafür sorgen können, dass es richtig Spaß macht, in diesen Kommunen zu leben. Und das ist eben einfach für eine Demokratie ganz wichtig.
Man kann das jetzt etwas, wie soll ich sagen, etwas spöttisch als Brot und Spiele beschimpfen. Man kann sagen: Na ja, was ist denn das für eine Demokratie, die die Leute nur gut finden, wenn man ihnen irgendwelche schönen Schulen baut? Aber ich würde ganz ehrlich sagen Nein. Andersherum wird ein Schuh draus. Wir sind eben eins der reichsten Länder auf der Welt. Und es ist ein völlig berechtigtes Anliegen der Menschen, dass ihre Kinder in gute Schulen gehen.
Das ist ein völlig berechtigtes Anliegen, dass Züge pünktlich fahren. Schon unser Nachbarland, die Schweiz, macht vor: Das geht, wenn man nur mehr Geld in die Hand nimmt. Die Schweiz investiert ein Vielfaches pro Kopf in ihr Bahnnetz. Und deswegen glaube ich, Philip ist eine ganz wichtige Erkenntnis dieser Folge, das wird jetzt am Beispiel Infrastruktur deutlich. Das geht aber, glaube ich, für staatliche Leistungen auf allen Ebenen.
Wir haben es mit dem Sparen, wir haben es mit der Haushaltsdisziplin in einem Maße übertrieben, dass so langsam aber sicher das Vertrauen in die Demokratie als solches bröckelt. Das ist auch kein Zufall. Also die Ideologie, die jedenfalls bei manchen Leuten dahinter steht, ist ja die vom Starving the Beast. Es gibt ja Menschen in den Vereinigten Staaten. Ein feststehender Begriff. Starving the Beast heißt ja einfach das Ungeheuer, das Monster aushungern.
Es gibt da einfach so die Ideologie: Der Staat ist fett geworden, der Staat nimmt viel zu viel Geld von den Menschen, gibt viel zu viel Geld aus. Und deswegen müssen wir den Staat aushungern. Und das Schöne dann aus einer neoliberalen Perspektive ist die Leistung des Staates werden immer schlechter, wenn man ihn aushungert. Und wenn die Leistungen immer schlechter werden, sind die Leute immer weniger bereit, dem Staat auch
Geld zu geben. Das ist quasi so eine Spirale nach unten und irgendwann gibt es hoffentlich gar keinen Staat mehr so, außer vielleicht für Verteidigung oder so und da sind wir so ein bisschen in diese Richtung gekommen. Starving the beast ist sicherlich bei uns nicht mehrheitsfähig, aber es gibt eben einfach viele, viele Menschen, gerade so in der liberalen Ecke, die so ticken.
Und wir sind jetzt, glaube ich, an dem Punkt angekommen, wo wir tatsächlich den Staat, vor allem die Kommunen, aber den Staat auf allen Ebenen ausgehungert haben. Und ich glaube, wenn wir unsere Demokratie verteidigen wollen, auch gerade gegen so wie soll ich sagen, so autoritäre Prediger vom rechten Rand, dann muss der Staat einfach besser werden und das wird ohne Geld nicht zu haben sein.
Das wird ohne Geld nicht zu haben sein. Und das wird, das haben wir auch gesagt, darauf hinauslaufen, dass vor allen Dingen die Kommunen wieder mehr investieren müssen. Sie müssen vor allen Dingen mehr Gestaltungsspielraum bekommen über das, was sie machen vor Ort. Und dafür brauchen sie mehr Geld, stetiger Geld. Sie brauchen Macht über ihre Haushalte. Sie müssen vor allen Dingen von Kosten entlastet werden. Die entstehen durch Aufgaben, die in der Bund eingebrockt hat.
Und das läuft alles darauf hinaus, dass Bund, auch die Länder, aber vor allen Dingen der Bund in der Pflicht ist, jetzt endlich saubere Regeln zu finden, wie dieses Geld zuverlässig zu den Kommunen fließen kann. Sie müssen es auftreiben, und sie müssen auch vernünftige Wege finden, um es dahin zu bringen. Wir haben ein paar davon skizziert, wie das fließen kann das Geld vom Bund an die Länder, an die Kommunen, vor allen
Dingen. Aber wir haben auch skizziert, wie der Bund neues Geld auftreiben kann. Denn ohne das wird es nicht gehen. Und da sind im Kern eigentlich nur zwei Wege möglich.
Nämlich Schulden. Da haben wir eben ausführlich diskutiert, warum der Spielraum extrem begrenzt ist. Mit der Schuldenbremse kaum zu machen geht nur, wenn eine Krise ausgerufen wird oder wenn insbesondere die Union Ja sagen würde zu einer Grundgesetzänderung, die eben mehr Spielraum für Investitionen bieten würde. Aber das ist, wenn man ehrlich ist, politisch derzeit nicht absehbar. Oder die zweite Option wären eben höhere Steuern.
Vielleicht Philip, das wäre so meine große Hoffnung, wäre da mal ein Deutschland Pakt für Infrastruktur fällig. Ein Deutschland Pakt für den Aufbau der Infrastruktur, für Brücken, Bahn, Schule und natürlich auch für den Klimaschutz. Und damit und das ist der Punkt, der uns vielleicht am Ende dieser Folge ganz besonders wichtig ist. Investitionen in die Infrastruktur sind eben auch Investitionen in das Ansehen unserer Demokratie.
Und das betont zum Abschluss unserer Sonderfolge auch noch mal der Kämmerer von Oberhausen.
Wenn dann diskutiert wird wer ist verantwortlich für die Kommunen? Das Grundgesetz hat festgelegt: Es sind die Länder, der Bund ist nicht verantwortlich. Also dieses Hin und Herschieben von Verantwortung klammert völlig aus, dass in den Kommunen die Menschen Demokratie erleben und den Staat erleben. Und wenn es vor Ort nicht funktioniert, verlieren die Menschen das Vertrauen in unsere Gesellschaft, in unseren Staat und in unserer Demokratie. Das sehen wir vor Ort.
Das ist vielen auf Landes- und Bundesebene nicht wirklich bewusst, weil sie in ihrer eigenen Blase unterwegs sind, ihre eigenen Probleme sehen, die den Landeshaushalt, die Landesaufgaben, die Bundesaufgaben betrachten, aber nicht merken, dass am Boden der Demokratie die Demokratie erodiert. Und da braucht es jetzt wirklich eine Kraftanstrengung von Bund und Ländern, um das in Ordnung zu bringen. Das ist nicht überall in der Republik so.
Wenn ich in Bayern, Baden Württemberg mich bewege, gibt es relativ stabile Strukturen. Wenn ich im Ruhrgebiet bin, wenn ich im Osten der Republik bin und in verschiedenen anderen, meistens Großstädten, die vom Strukturwandel betroffen sind, dann ist das fatal. Und da verlieren die Menschen das Vertrauen in unseren Staat und das darf eigentlich nicht sein.
Das ist, finde ich, ein angemessenes Schlusswort für diese Folge. Das waren unsere beiden Sonderfolgen zum Zustand der Infrastruktur in Deutschland. Wir danken euch ganz, ganz, ganz, ganz herzlich fürs Zuhören, für euer Interesse, für euer Interesse an so einem sperrigen, aber doch, wie wir finden, mega wichtigen und zentralen Thema.
Feedback könnt ihr uns gerne geben bei uns im Forum unter Talk.LagederNation.org. Da gibt es immer eine angeregte Diskussion zu den Inhalten unserer Folgen. Und wenn es euch gefallen hat, wenn ihr vielleicht sogar Danke sagen wollt für die Lage, dann könnt ihr die Lage Nation unterstützen mit einem Plus Abo. Das gibt es ganz günstig. Für 5 € im Monat könnt ihr auch jederzeit kündigen.
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Und wenn ihr mögt, dann hören wir uns ja schon in zwei Wochen wieder zu einer regulären Ausgabe der Lage der Nation. Bis dahin. Mach's gut, bleib gesund, werdet gesund und dann freuen wir uns auf ein Wiederhören In zwei Wochen bis dahin. Ciao.
Ciao.