Deutschlandfunk Essay und Diskurs Und dazu begrüßt Sie Thorsten Janschek. Hören Sie heute in Essay und Diskurs die Abschlussdiskussion des Kölner Kongresses zum Erzählen in den Medien, der in diesem Jahr unter dem Titel stand, Bergab erzählen in schwierigen Zeiten. Bei knapper werdenden Kassen und sinkenden Etats wird in Deutschland auch über die Zukunft der Kultur und der Kulturpolitik diskutiert. Auf dem Kölner Kongress sprachen darüber Bettina Fischer, Leiterin des Literaturhauses in Köln.
Geschäftsführender Vorstand von Kulturnetz Köln. Thomas Sternberg, Präsident der Kunststiftung Nordrhein-Westfalen und Stefan Kolderhoff, Chefreporter Kultur im Deutschlandfunk. Und den habe ich zunächst vor dem Hintergrund der Koalitionsverhandlungen mit Leitkultur bei der CDU-CSU gegen Kultur für alle bei der SPD gefragt, wie es denn weitergeht in Deutschland mit der Kulturpolitik. Wenn du fragst nach den Strukturen,
Dann gibt es da im Moment viele Gerüchte und viel Gossip. Es ist, glaube ich, kein Geheimnis, dass es in beiden Koalitionsparteien Kandidaten gibt. In dem Fall muss man auch nicht gendern. Es sind beides Männer. Joe Hialo für die CDU. der bisher Kultursenator in Berlin ist, und Carsten Broster für die SPD, bisher Kultursenator in Hamburg. Also das sind die Namen, die gesetzt sind. Es ist aber noch nicht klar, ob es weiterhin... den Kulturstaatsminister
als Staatsminister im Bundeskanzleramt geben wird, wie das eigentlich bislang immer der Fall war, oder ob man den eventuell woanders ansiedelt. Ich habe zum Beispiel gehört, dass es Gedanken gibt, das Ganze ans Ministerium für Inneres und Heimat. überzugeben und dann käme möglicherweise auch die CSU und damit ein dritter Kandidat, eine dritte Kandidatin ins Spiel. Also viel Kaffeesatz im Moment noch. Was würde das denn für die Kulturpolitik bedeuten?
Ich glaube, man ist bisher ganz gut damit gefahren, dass die Kultur unmittelbar bei der Bundeskanzlerin bzw. beim Bundeskanzler vorher und hinterher angesiedelt war. Das war ein sehr direkter Draht. Jemand, der das virtuos bespielt hat, muss man sagen, war Monika Grütters. weil die sowohl fachlich eine große Ahnung hatte, als auch gut vernetzt war in ihrer Partei und einen direkten Draht zu Frau Merkel gehabt hat. Also da hat die Kultur, glaube ich, in vielen Bereichen sehr von profitiert.
Wenn man das Ganze auslagern würde in ein Bundesministerium, könnte ich mir vorstellen, dass mehr... Parteipolitik ins Spiel kommt und mehr Partikularinteressen. Bei der CDU, CSU spielt der Begriff der Leitkultur eine große Rolle.
Dieses Kultur für alle, was du gerade für die SPD zitiert hast, das ist ja ein Begriff, den Ilmar Hoffmann, der damalige Kulturdezernent in Frankfurt, in den 70er Jahren geprägt hat. Das hatte damals auch eine Berechtigung, ist aber so ein bisschen auch in die Jahre geprägt. Also man müsste wirklich, glaube ich, nochmal ganz neu, auch aufgrund der finanziellen Situation, jetzt überlegen, wer macht es, mit welchem Anspruch und mit welchen Mitteln? Bettina Fischer.
Was sind Ihre Hoffnungen für eine Kulturpolitik? Das ist natürlich sozusagen die Bundeskulturpolitik jetzt erstmal. Sie stecken ja eher in einer kommunalen Kulturpolitik drin. Das sind andere Felder, aber die Bundeskulturpolitik hat ja immer über die kulturpolitischen Leitlinien so eine Frage. einer Strahlkraft, die dann auch auf...
andere Felder wie die Kommunen oder die Länder durchschlagen. Also ganz grundsätzlich wünsche ich mir für die Kultur, ob sie nun die freie Kultur ist oder die institutionell angesiedelte Kultur, dass sie in einer künftigen Regierung priorisiert wird, dass das Thema Kultur seiner Bedeutung, die es ja für unsere Gesellschaft hat, angemessen wahrgenommen wird, was die Kultur auch braucht, um zu entstehen. Und dass die Kultur und die Kunst natürlich vor allen Dingen ihre Freiräume weiter behalten.
Das scheint mir das Wichtigste zu sein. Herr Steinberg, was sind Ihrer Meinung nach die dringendsten Forderungen, die an der Kulturpolitik zu stellen sind? Zunächst einmal würde ich gerne festhalten, wir sind hier natürlich beim... Deutschlandradio und damit geht es hier um deutschlandweite Fragen. Nur Kulturpolitik ist Ländersache. Das kann man gar nicht deutlich genug sagen. Kulturpolitik ist Ländersache. Das ist der Bundesetat.
zu hoch ist für Kultur, hat im Grunde genommen drei Gründe. Der erste Grund war 1990 die Wiedervereinigung und damit in den neuen Ländern eine ganze Menge von Einrichtungen, die überhaupt gar nicht wussten, wie sie finanziert werden sollten. Der zweite ganz wichtige Grund war, Berlin und die Berliner Situation als neue Regierungssitz und Hauptstadt. Dazu kam ein Vakuum in den Ländern, dass in den Ländern die Kulturpolitik dermaßen
gering geschätzt wurde und so schlecht behandelt wurde, dass in dieses Vakuum geradezu notwendigerweise der Bund stoßen konnte und musste. Und schließlich, das war schon gesagt, So Persönlichkeiten wie Monika Grütters, die es geschafft hat, etwa in der Corona-Zeit eine Situation zu erzeugen oder Geld locker zu machen, dass die Kunstszene, glaube ich, in keinem Land der Welt so relativ glimpflich
durch diese Katastrophen Jahre 2021 gekommen sind, wie in Deutschland, unterstützt nochmal durch Land und Kommunen. Das ist einmal das große Thema. Aber wir haben jetzt tatsächlich eine ganz bedeutende Bundeskulturpolitik. Und da muss ich sagen, wenn ich mir die Programme der beiden ...
Koalitionäre-Anseher. Die Programme der Koalitionäre. Dann hat die SPD einen Satz übernommen, den sie seit Jahrzehnten schreibt. Und die Zidu hat gar nichts. Das Wort Leitkultur findet sich ... in dem Programm in einem ganz anderen Zusammenhang, nämlich in dem Zusammenhang, dass Leitkultur meint die Anerkennung von Werten wie zum Beispiel
Kein Antisemitismus, Anerkennung von Frauenrechten und Ähnlichem steht in einem ganz anderen Zusammenhang. Ich hätte übrigens dieses Wort, das völlig vernutzt ist, nicht mehr gebraucht. Das ist ein Begriff, der nicht mehr funktioniert, aber für die Kulturpolitik schon gar nicht.
Aber da muss man jetzt sehen, was da passiert. Wenn ich mir ansehe, die Personen, die genannt sind, es ist tatsächlich Kaffeesatzleserei noch, da kann ich mir nicht vorstellen, dass das zum totalen Zusammenbruch führen wird. Carsten Broster war schon bei der vorigen Regierung im Gespräch. Ich darf vielleicht ganz persönlich sagen, dass ich es auch nicht schlecht gefunden hätte, wenn er es gemacht hätte.
Es ist auf jeden Fall gut, wenn Kulturpolitik von Leuten gemacht wird, die ein bisschen was von dieser Materie verstehen und kennen. Und das ist keineswegs selbstverständlich. Also insofern habe ich durchaus die Hoffnung, dass da was passiert. Und ich bin auch nicht so ganz der Meinung, dass die Schwanengesänge, die jetzt schon angestimmt werden, so zutreffend sind. Denn wir haben im Moment klare Kürzungen in Deutschland, in Berlin, Land Berlin, im Bund.
Türrechtekürzungen, die zum Teil jetzt schon zurückgenommen werden, und in der Stadt Köln. Aber sonst fällt mir noch nicht richtig viel ein. Im Land Nordrhein-Westfalen kann man noch auf Rücklagen zurückgreifen, aber in einem gebe ich Ihnen trotzdem recht. Die öffentlichen Haushalte sind in einer so wahnsinnigen Belastung in den nächsten Jahren, dass sowohl in Bund, in Land und Kommunen es zu Kürzungen kommen wird. Alle, die behauptet haben, nach der Wahl ging es uns besser.
haben einen alten Topos der Wahlkämpfe bedient, aber alle wussten, dass sie gelogen haben. Denn es wird nicht besser werden. Die Situation ist... katastrophal schlecht für die öffentlichen Haushalte zurzeit. Und da wird sich die Kultur warm anziehen müssen. Da bin ich natürlich sehr betroffen, dass wir in der letzten Woche hier in Köln einen der großen Kämpfe für die Kultur in diesem Land
zu Grabe tragen mussten, Gerd Baum, der das mit ganz großem Engagement immer gemacht hat. Ich habe die Erfahrung gemacht, das Wichtigste für kulturpolitische Erfolge ist, dass Kulturpolitik ernst genommen wird. In der Politik und in der Öffentlichkeit wird Kulturpolitik in der Regel nicht richtig ernst genommen. Das ist so irgendwas, so ein sekundäres Politikfeld, spielen keine großen Summen eine Rolle, das plätschert so mit.
Wer macht schon Kulturpolitik? Das sind meistens so Leute, die kein anderes Tätigkeitsfeld finden. Nehmen Sie Kulturpolitik ernst, auch als Konsumentinnen und Konsumenten, als Besucherinnen und Besucher. Fragen Sie Politikerinnen und Politiker, fragen Sie sie nach Kulturpolitik. In den Kommunen ist das ganz selbstverständlich, weil gerade in Nordrhein-Westfalen ist Kultur ganz wesentlich kommunal, kommunaler Anteil.
liegt bei 84 Prozent in Nordrhein-Westfalen, also gerade in den Kommunen, aber auch in der Landespolitik und auch ruhig in der Bundespolitik deutlich machen, Kulturpolitik ist kein nebenrangiges Themenfeld. was man irgendwie mal so abhaken kann, sondern es ist wichtig. Und wenn Sie es wichtig nehmen, dann wird es auch von der Politik wichtig genommen. Sie haben ja zu Recht gesagt, dass Kultur Länderangelegenheit ist.
Das ist das föderale Prinzip. Zur gleichen Zeit, wenn man sich die Summen anschaut, die ausgegeben werden für Kultur, 12,6 Milliarden Euro im Jahr in Deutschland über alle ... Förderungs- und Töpfe hinweg, dann empfallen 2,1 Milliarden Euro auf den Bund, auf die Länder 4,9 Milliarden Euro und 5,6 Milliarden Euro. sind in den Kommunen als Kulturetat sozusagen notiert worden. Frau Fischer, was bedeutet das denn für die freie Szene, wenn da der Rotstift angelegt wird?
Herr Sternberg möchte mir gleich schon widersprechen, deswegen macht er sich schon einen Tizen. Naja, das ist natürlich umfassend. Wenn der Rotstift angesetzt wird in der freien Szene, dann trifft das häufig kleine Strukturen. Es trifft auch solo-selbstständige Künstlerinnen und Künstler.
Und bei den kleinen Strukturen heißt das natürlich, wenn ein fünfköpfiges Team Kulturarbeit macht und dann gibt es da nur wenige Stellschrauben. Meistens wird ja auf ganz dünnem Eis da schon gearbeitet. Das heißt, man macht ein weniger Programm. Das ist eine ganz simple Form. Am Ende erreicht es alle, die hier zuhören, die hier sitzen. Die können nämlich weniger erleben.
an kulturellen Ereignissen. Und es ist natürlich unmittelbar für Künstlerinnen und Künstler einschneidend. Wir haben, jetzt sind Mindesthonorare aufgerufen worden. Das finde ich eine richtige Entwicklung, aber...
Davon werden dann am Ende weniger Menschen profitieren können. Das heißt, für mich wird es eine Verarmung sein, eine Verarmung, die wir uns meiner Meinung nach gerade jetzt nicht leisten sollten. Was bedeutet das, Stefan Koldauf, aus deiner Perspektive? Du hast dich insbesondere mit den Museen... in letzter Zeit sehr intensiv beschäftigt. Gibt es da
Sagen wir solche Kürzungen, dass Museen, die ja ohnehin nicht gut etatisiert sind, dass die noch weiter an den Rand gedrängt werden? Also es gibt verschiedene Häuser, die weniger Ausstellungen jetzt planen fürs laufende Jahr und auch für die nächsten.
Jahre, aber vielleicht mal eben ganz kurz dazu, warum ich mich so sehr um die Museen kümmere, weil es da sehr belastbare Zahlen gibt. Es gibt ein Institut für Museumskunde bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin und die verkünden jedes Jahr Besucherinnen zahlen und verweisen auch immer darauf, dass nach wie vor in Deutschland mehr Menschen in jedem Jahr in ein Museum gehen als in ein Stadion. Also das einfach mal nur als Rundlage.
Wenn ich jetzt zwei Zusatzinformationen noch geben darf. Auch wieder eine Studie des Instituts für Museumskunde im Januar veröffentlicht. Die Menschen in Deutschland vertrauen... den öffentlichen Museen und das tun Sie sicherlich auch bei den Theatern und bei den Opernhäusern und ich nehme an, auch in der freien Szene, vielleicht mit Abstufungen.
Die vertrauen, weil sie der Meinung sind, hier werden wir nicht indoktriniert. Museen sind immer auch Forschungseinrichtungen. Hier werden uns auf einer wissenschaftlich fundierten Grundlage Ergebnisse präsentiert.
Und, und damit komme ich zum dritten Punkt, das sind die Orte, und jetzt mit Sicherheit zusammen mit den Theatern und mit den Opernhäusern, an denen wir als Gesellschaft die Möglichkeit haben, bisher ganz frei darüber zu verhandeln, wie wir miteinander umgehen wollen, wie wir miteinander leben wollen, welche Alternativen es zu bestimmten Bereichen gesellschaftlichen Lebens gibt, welche Utopien vielleicht auch, was ist möglich.
Das alles leisten kulturelle Einrichtungen und die freie Szene für diese Gesellschaft. Das ist kein Luxus, das ist ein ganz integraler, wichtiger Bestandteil unseres Zusammenlebens. Und deswegen glaube ich, es sind Einsparungen möglich. Man kann auch über die Zahl von Häusern sprechen. Man muss auch die Frage stellen können, wenn ein Künstler stirbt, ob der dann unbedingt auch noch ein eigenes Museum braucht. Also brauchen wir zwei Kette Kolben.
brauchen wir ein Emil-Schumacher-Museum. Gerhard Richter hat das Gott sei Dank anders entschieden. Der hat gesagt, ich will kein Gerhard-Richter-Museum. Ich gebe meine Werke in eine Stiftung. Da können sich bestehende Museen daraus bedienen. Also wir können... Fragen stellen, was die Quantität angeht. Aber ich glaube, die Bedeutung der kulturellen Einrichtungen für dieses Land, die darf nicht infrage gestellt werden. Kann man nur zustimmen, trotzdem entsteht...
durch eine mögliche finanzielle Einschränkung ja eine gewisse Art von Schieflage. Also wenn man die großen Häuser betrachtet, dann sagen die zu Recht, ihr könnt uns gar nicht jetzt das Geld wegnehmen oder Einsparungen im großen Stil. vornehmen, weil wir Verträge haben, die lange über 26, 27 O-Bahn-Häuser planen bis 28 oder sowas in einem Rahmen. Und wenn wir da jetzt die Verträge auflösen, dann müssen wir Konventionalstrafen zahlen, die eigentlich
Das Einsparpotenzial sofort wieder auffressen. Was dann dazu führt, dass das immer weiter runtergegeben wird. Sie haben von den Mindesthonoraren für Künstlerinnen und Künstler gesprochen. Die sind in Berlin erstens...
wurden sie schwer erkämpft, jetzt sind sie sofort wieder eingezogen worden. Das heißt, die gibt es nicht mehr. Das heißt, am Ende der Nahrungskette stehen die freien Künstlerinnen und Künstler, die dann vielleicht auch von ihnen keine Stipendien oder weniger Stipendien bekommen. Sie schütteln den Kopf verstanden.
Es ist alles nicht falsch. Aber auch nicht richtig. Und trotzdem auch nicht ganz richtig. Denn ich meine, wir müssen auch mal sehen, wir haben in Deutschland einen sehr, sehr großen Kulturbereich von ... in der Kultur tätigen oder Künstlerinnen und Künstlern, die mit Verträgen arbeiten. Es gibt kaum ein Land, in dem es so viel Orchester gibt, Theater, Bühnen mit festangestellten Leuten. Das finde ich zum Glück.
Es ist erreicht worden, dass Musikschulen, die manchmal mit 80, 90 Prozent freien Kräften arbeiteten, jetzt auch mit festen Angestellten, Tarifangestellten Menschen arbeiten müssen. Die Mindesthonorarfrage ist ganz, ganz wichtig, ganz zentral. Wir haben nämlich auch nichts davon, wenn man sagt, es gibt eine große, große blühende Szene, aber die können alle nicht davon leben und die machen das mit Selbstausbeutung.
Gerade die Selbstausbeutung dieser freien Szene ist ein Problem der Kulturpolitik. Und ich finde die Reaktion darauf, mit Mindesthonoran zu operieren, richtig. Was allerdings auch notwendig ist, Herr Koldorf, Sie sprachen von der Notwendigkeit von Museen. Gerade bei den Museen habe ich aber den Eindruck, wir brauchen dringend eine Veränderung in der Beurteilung der Qualität einer Ausstellung.
Und das ist vor allen Dingen ein Aufruf an die Träger. Die Träger, die dazu neigen, auf die Scheinobjektivität der Zahl zu bauen. Eine Ausstellung mit 100.000 muss ja besser gewesen sein als eine mit 50.000. Die mit 50.000 kann aber zehnmal besser gewesen sein als die mit 100.000. Das ist eine Qualitätsentscheidung, eine Wertentscheidung, die kaum noch getroffen wird. Es wird immer nach diesen scheinobjektiven Zahlen operiert. Und das halte ich für eine der größten Bedrohungen.
Kulturszene überhaupt. Denn es gibt auch künstlerische Tätigkeiten, die darauf angelegt sind, dass nicht die große Zahl und der große Rahmen damit gemacht wird. Ich nenne ihn nur einen Bereich aus der Literatur, Lyrikerinnen und Lyriker. Damit kann man kein Geld verdienen, damit kann man keine großen Zahlen machen. Und trotzdem, was wäre dieses Land ärmer, wenn es keine Lyrik mehr gäbe? Ich stimme Ihnen vollkommen zu.
Die Frage ist nur, wie machen wir das? Denn an diesen Zahlen, von denen Sie gerade gesprochen haben, hängen natürlich auch Einkünfte. Und viele, viele Museen sind inzwischen verpflichtet, einen Teil ihres Etats mit zu generieren. Über Katalogverkäufe, über...
über Eintrittsgelder und solche Geschichten. Kaspar König, der große Kölner, nicht nur Kölner, aber zum Schluss Kölner Museumsdirektor, hat mir mal gesagt, ich muss mindestens einmal im Jahr ... den Blauen Reiter oder Emil Nolde und die Blumen oder Picasso und die Kinder oder Chagall und der Wein machen, damit ich mir die richtig guten Ausstellungen, in denen wir verhandeln, was uns bewegt und wie wir weitermachen können, überhaupt auch leisten kann.
Das heißt, das muss eine Forderung an die Politik sein. Und wenn ich dann von einer Landesministerin, ich sage jetzt mal nicht in welchem Bundesland, in einer öffentlichen Veranstaltung den Satz höre, die Museen kriegen von mir nur noch Geld, wenn sie die Ausstellungen machen, die den Leuten auch gefallen, dann ist das katastrophal, dann ist das ein Angriff auf die Freiheit der Kunst und der Kultur.
Frau Fischer. Ja, und da kann ich auch nur direkt einsteigen, weil das ja verwechselt Quantität mit Qualität. Und mein tägliches Erleben, ich arbeite ja in einem Literaturhaus, ist, dass sowohl eine wunderbar vollbesuchte Veranstaltung, wie auch eine ganz kleine, die sich vielleicht mit Lyrik befasst, ein Erlebnis sein kann. Und darum muss es ja auch gehen. Jemand schreibt Gedichte und wir als Zuhörerinnen und Leserinnen und Leser.
Wir nehmen damit etwas ganz Besonderes mit und das weitet unseren Horizont. Und wenn es darum nur gehen kann, wie viele Menschen dieses Buch gekauft haben, dann ist das, es ist einfach kein Qualitätsmerkmal. Und ich finde das trostlos. sich unsere Einschätzung von Kultur auf diese Weise entwickelt. Sicherlich sind die Zahlen nicht...
Sozusagen Allheilmittel. Aber ich finde auch, dass es schwierig wäre, sie jetzt einfach nur aus Qualitätsgründen wegzudiskutieren. Denn ich sage mal ein Beispiel. Ich war in einer mittleren deutschen Stadt, habe ich beim Radio gearbeitet. Und immer, wenn ich einen sehr...
geheimes Gespräch führen wollte, sich nicht im Großraumbüro, auch nicht in der Kantine, auch nicht in der Kneipe führen wollte, mit einem Informanten oder sowas, der mir was stecken wollte, dann bin ich ins Museum für moderne Kunst gegangen. Weil da war es immer leer.
Also es gibt auch sowas wie so einen Grenzwertbereich, wo man sagt, naja, wenn Sie Lyrikveranstaltungen machen, dann ist vielleicht sozusagen, wäre ein Kriterium die Wirksamkeit, die so eine Veranstaltung in der Lyrikerszene hat, die ist dann...
in Anführungsstrichen wiederum mit Zahlen messbar. Nur wenn gar keine Leute kommen, dann bringt es eben auch nichts. Das ist doch völlig geschenkt. Ja, aber die Wirksamkeit ist nicht geschenkt. Wir wollen ja auch nicht einen anderen Pendelschlag aussehen. Also man könnte es vielleicht folgendermaßen klar machen. Mache ich eine Ausstellung oder eine Veranstaltung im Blick darauf, dass möglichst viele Leute kommen?
Oder mache ich eine Ausstellung, eine Veranstaltung, von der ich glaube, dass sie sein muss, dass sie wichtig ist, dass sie notwendig ist und dann frage? Wie bekomme ich in dieses Thema und zu dieser Veranstaltung möglichst viele Leute? Diese zweite Frage ist natürlich nicht lapidar, die ist extrem wichtig. Aber ich glaube, man muss die Denkrichtung umkehren. Man muss zuerst denken von dem,
was man machen muss. Aus eigenem Antrieb, aus künstlerischer Notwendigkeit, aus einem Museum, aus der Sammlung, aus vielen Gründen. Und dann... Und dann gucken, dass es möglichst populär wird und dass es dann auch so wird, dass sich Leute dafür interessieren. Wie kann das, Stefan Koldorf, kulturpolitisch gelingen?
Ich glaube in erster Linie, ich stimme Ihnen da völlig zu, durch ein kräftiges Bekenntnis zur Freiheit der Kunst, wie ich es gerade schon mal gesagt habe. Und da sehe ich im Moment neben den finanziellen Aspekten, über die wir gerade gesprochen haben, auch... Angriffe von politischer Seite. Die Uni Jena hat dazu eine Studie aufgestellt, die hat mal die sogenannten kleinen Anfragen.
politisches Mittel, mit dem sich Fraktionen bestimmte Sachverhalte in Landtagen, in Bundestagen, aber auch in kommunalen Parlamenten erläutern lassen können, untersucht für eine Legislaturperiode vier Jahre und alle Anfragen... Von einer Partei, von einer rechten Partei, der Name ich jetzt hier, glaube ich, nicht dauernd nennen muss. Das waren 1600 plus x Anfragen in diesen vier Jahren. Und die haben festgestellt, es ging...
Ganz klar darum, die demokratische Legitimität dieser Programme in Theatern, in Opernhäusern, in Museen in Frage zu stellen. Da wurde dann gefragt, wie viele Deutsche... AutorInnen wurden denn aufgeführt, ohne zu definieren, was Deutsch heißt, wie viele Ausstellungen mit Kolonialbezug haben denn stattgefunden, wurde da auch die positive Rolle der Deutschen beim Aufbau der
der Industrie in diesen Kolonien unter abenteuerlichen Umständen berücksichtigt und, und, und. Und wie gesagt, das Fazit habe ich gerade genannt, es ging darum ein bestimmtes Bild. von einem woken linken Kulturprogramm zu zeichnen und das damit eben zu delegitimieren.
Und wenn man sich jetzt anguckt, was in Polen zum Beispiel geschehen ist, nachdem dort die PiS-Partei übernommen hat, dann ging es sehr schnell an die kulturellen Einrichtungen. Da gibt es auch eine Studie zu, diesmal aus Berlin von der Uni. Die haben festgestellt, dass es gar nicht lange brauchte, bis gar keine Ansagen mehr aus der Kulturpolitik kamen, sondern...
die Kolleginnen und Kollegen in den Häusern von sich aus ihre Spielpläne und auch ihre Ausstellungsprogramme verändert haben. Da fanden plötzlich keine... mehr zu feministischen Themen beispielsweise statt, ohne dass man denen das hätte sagen müssen. Und als sie dann danach befragt wurden, haben sie gesagt, wir haben schlicht Angst gehabt oder wir hatten die Schnauze voll. Wir wollten nicht mehr öffentlich angegriffen werden für das, was wir hier machen.
Und das ist, glaube ich, das Zweite neben den Finanzen, auf das wir im Moment gerade ganz stark achten müssen. Findet da subkutan schon sowas statt, wie der Versuch einer Einflussnahme auf eine eigentlich freie Kultur? Frau Fischer, nehmen Sie das wahr? Also in meiner Arbeit nehme ich es nicht wahr, aber ich höre es von Kolleginnen und Kollegen, dass...
die eben genau durch solche Anfragen, insbesondere im Osten Deutschlands, die Arbeit sehr erschwert wird, man auch ängstlicher wird, aber natürlich dagegen hält. Und das, was ich aber auch glaube, ist, dass... wir ja gerade mit der Kunst diesen Raum der Freiheit besonders bewahren können. Also es sind ja Diskursräume, die wir aufmachen.
Das ist ja das Interessante auch, was wir bieten können. Und deswegen ist es auch klar, dass da angesetzt wird. Ich glaube, wir müssen unglaublich vorsichtig sein und eben auch von jenen, vielleicht Sie sagen Polen oder jenen. Ländern lernen, wie da eine gewisse Unterwanderung der Kulturszene mit gutem, sagen wir mal, durchschlagendem Effekt erfolgt. In meiner eigenen Arbeit, muss ich sagen, habe ich das jetzt aber noch nicht erlebt. Ich höre es nur und wir sind gewarnt. Herr Steinberg, als...
Jemand, der Förderungsinstrumente hat und entwirft und Förderlinien unter die Leute bringen kann, kann man so etwas wie eine Demokratiestärkung oder eine Freiheitsstärkung der Kunst fördern eigentlich? Also indem man einfach darauf achtet, dass es solche Einflussnahmen nicht.
massiv gibt und dass man auch auf die Freiheit bei Antragstellungen achtet und darauf achtet, dass sowas nicht passiert. Übrigens, das sind fast immer Dinge aus Radikalpositionen, das sind fast immer extremistische Parteien von rechts oder von links, die solche Kultur in Fragestellungen betreiben. Also da sind wir zum Glück so, dass das demokratische Spektrum unserer Parteien da eigentlich ein Grundkonsens hat, das Kultur zu fördern ist.
in unterschiedlichen Varianten und Stärken. Aber ich glaube, da haben wir auch vorhin durch die vielen Namen, die genannt worden sind, deutlich gemacht, dass das querläuft. Ich glaube, man muss trotzdem aufpassen. Wenn wir mal ins Nachbarland Österreich gucken, in der Steiermark stellt die FPÖ seit Dezember zum ersten Mal den Landeshauptmann. Das wäre bei uns der Ministerpräsident. Und da wird Leitkultur vollkommen anders verstanden.
als sie es vorhin, so sehe ich es in Deutschland auch noch, die Werte des Grundgesetzes sollen unsere Leitkultur sein. In der Steiermark läuft das inzwischen ganz anders. Da geht es um Tradition, da geht es um Heimatpflege, da werden Museumsleiterinnen rausgeschmissen. Sie diesem Programm nicht folgen. Also es kann sehr schnell gehen. Deswegen mein Alarmismus vielleicht. Ja, ist richtig. Nur, wie gesagt, das ist das Problem.
Die extremen Parteien und das ist natürlich auch das Problem des Rechtsextremismus. Das haben wir jetzt bei der Bundestagswahl massiv gesehen. Dass es ein Riesenthema ist, ist völlig unbestritten. Und ich glaube, dass da kulturelle Einrichtungen... Und Kultur meint ja übrigens auch eine Menge von Einrichtungen, die man gar nicht so unmittelbar auf dem Schirm hat, Bibliotheken, Archive, Museen. Die sind alle dazu aufgerufen, Gedenkstätten ganz wichtig.
eine politische Bildung zu machen, politisch-historische Bildung zu machen, Erinnerungspolitik zu machen, damit das nicht noch katastrophaler und schlimmer wird. Ich habe gehört, dass in vielen Städten inzwischen Bibliotheken eine Art Jugendzentren auch geworden sind. Also nicht nur durch das Angebot von Videos und so weiter, aber es sind regelrecht Treffpunkte für eine jüngere Generation geworden. Können Sie das bestätigen? Naja, Bibliotheken...
werden ja häufig zu sogenannten dritten Orten und zwar ganz bewusst, weil sie eben einem breiten Publikum Zugang zu unterschiedlichsten Medien zunächst erstmal bieten. Und das wird sehr bewusst eingesetzt, glaube ich, um auch... Stadtviertel zu stärken, Kommunikation zu stärken. Eigentlich ist es ja ein gesellschaftlicher Prozess, dass man eben miteinander sprechen will. Also in Köln ist das ein sehr guter und positiver Prozess, der hoffentlich nicht unterbrochen wird.
Immer mehr Kulturpolitiker setzen auf etwas, was ein zweischneidiges Schwert ist, nämlich Public-Private-Partnerships. Auf der einen Seite eben externe Geldgeber mit ins Boot zu holen, die auch eigene Interessen haben, Wirtschaftsunternehmen wie die Deutschen. Bank oder BMW die Förderlinien mitgestalten, aber da eben auch gesehen werden wollen. Ist das eigentlich etwas, wo man sagen könnte, das ist etwas, was kulturpolitisch Zukunft bedeutet, dass wir uns
Also nicht mehr unabhängig machen von Wirtschaftsunternehmen? Also ich glaube, die Diskussion ist eigentlich längst gelaufen. Also das war vor 20 Jahren das ganz große Thema. Die BPT-Programme, da ist die Euphorie sehr geschwunden. Und ich glaube, wir können sehr froh darüber sein, dass wir in Deutschland es so haben, dass bei uns die zumindest großen kulturellen Einrichtungen öffentlich finanziert sind. Und dass sie dann von...
anderen Sahnehauben bekommen. Übrigens, dafür sind wir auch da als Kunststiftung, solche Sahnehauben zu machen, die es ermöglichen, wenn irgendwo qualitativ gute Arbeit gemacht wird. auch die Exzellenz zu ermöglichen, weil da vielleicht noch gerade dieser Schluck Geld fehlt, um das zu machen. Das ist eine der Dinge, die wir da fördern. Wenn man sehen will, wie katastrophal eine solche Teilprivatisierung
von öffentlichen Einrichtungen läuft, dann sehen Sie sich mal an, was im Moment in den USA mit dem Kennedy Center passiert. Wir haben mit der Enquete-Kommission Kultur in den 2000er Jahren dieses Kennedy Center besucht. vielleicht einer der wichtigsten Kulturzentren in den ganzen USA, wie hier ein Präsident das einfach mal so übernehmen kann, mal ebenso kurz zusammenschlagen kann.
Das muss ich sagen, das trifft mich noch stärker als die Meldungen aus Polen und Österreich. Denn was hier in den USA im Moment an einer Selbstheiligkeit passiert, Das habe ich mir schlechterdings in einem demokratischen Land nicht vorstellen können. Stefan Koldorf? Es hat sich, glaube ich, auch, was Public-Private-Partnership angeht, viel getan in den letzten zwei, drei Jahrzehnten. Also ich erinnere mich an Ausstellungen in den 90er Jahren. Ich bin so alt.
Volkbankmuseum Essen, neue Verträge mit Norwegen, Edward-Munk-Ausstellung, neue Erdgasverträge mit den Niederlanden, Van Gogh-Ausstellung, neue Verträge mit der damaligen Sowjetunion, Morozov und Stchukin, die großen russischen Sammler.
Und da begrüßte dann bei der Pressekonferenz der Kulturbeauftragte des Ruhrgaskonzerns mit den Worten, ich freue mich, dass Sie zu meiner Ausstellung gekommen sind. Sowas findet lange schon nicht mehr statt. Das wäre auch in der Öffentlichkeit nicht mehr darstellbar. und nicht mehr vermittelbar. Ich glaube, das Letzte, an das ich mich erinnere, war eine Botninsky-Ausstellung in Wolfsburg im Kunstmuseum. Da ging es um Erdölförderung. Das fand man in der Autostadt Wolfsburg nicht so toll.
So schwarz-weiß, da wird dann auch direkt unmittelbar Einfluss genommen und ich kriege es auch hinter den Kulissen nicht mit. Ich glaube, das findet Gott sei Dank nicht mehr statt. Die Zukunft der Kulturpolitik. Beim Kölner Kongress über das Erzählen in den Medien diskutierten Bettina Fischer, Leiterin des Literaturhauses Köln und geschäftsführender Vorstand von Kulturnetz Köln.
Thomas Sternberg, Präsident der Kunststiftung Nordrhein-Westfalen und Stefan Koldorf, Chefreporter Kultur im Deutschlandfunk. Moderation und Redaktion Thorsten Janczek.