ARD Alles Geschichte Der History Podcast Die Mode ist schlichter. Ja, schlichter. Aber nicht simpel. Paris ist immer noch ein wenig verrückt. Eine unbändige Überschwänglichkeit zeigt sich weiterhin in verspielten Details. einem überschwangenen Rot und einer Vorliebe für übergroße Muffe. Paris im Oktober 1944.
Lehmiller, Kriegskorrespondentin und Fotografin, berichtet der Modezeitschrift Vogue von den ersten Modeschauen der großen Couturiers seit der Befreiung von der deutschen Besatzung. Der Druck ist hoch. Die Neugier, wie sich die Stadt der Mode wieder aufrappelt, groß. Lee Miller soll daher auch Michel de Brunoff, dem Redakteur der französischen Vogue, helfen, das Magazin wieder aufzubauen, das vier Jahre lang nicht erschienen ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Paris sich langsam, aber sicher aus dem Albtraumschlaf erhebt, in dem dieses geliebte Dornröschen in den letzten vier Jahren versunken war. Und mit einem Lied im Herzen und einem Lächeln auf den Lippen macht es sich daran, ihre magischen Gewänder für hart arbeitende Militär- und Geschäftsfrauen zu spinnen.
die in ihren wenigen freien Momenten von der harten Arbeit, diesen Krieg zu gewinnen, entfliehen können und sich für ein paar Stunden zart und verführerisch weiblich zeigen können. Frauen zwischen Mode und Militärdienst. Dazwischen pendelt Lee Miller selbst gerade auch. Sie fotografiert Modeschauen, schreibt Texte, vermittelt ihre Freunde aus der Kunstszene als Illustratoren an die French Vogue und fotografiert neue Kollektionen in einem improvisierten Studio.
Und dabei ist der Krieg noch gar nicht vorbei. Noch immer kämpfen Soldaten an der Front, sind Menschen in Gefangenschaft. Frauen leisten Schwerstarbeit und bauen Häuser, Dörfer, Städte wieder auf. Und Limilla würde lieber zurück an die Front und aus der ersten Reihe berichten, wie die Alliierten versuchen, den Krieg zu gewinnen. Dieser Wunsch nach der harten Realität lässt sich in der Chefredaktion der Vogue in New York, weit weg vom Kriegsgeschehen, wohl schlecht nachvollziehen.
Die Chefredakteurin Edna Woolman-Chase beschwert sich über Lee Millers Fotoshooting. Die Models sehen zu billig aus, das Studio sei nicht elegant genug. Lee Miller platzt fast der Kragen. Ich finde Edna sehr unfair. Diese Schnappschüssel wurden unter den schwierigsten und deprimierendsten Bedingungen gemacht. In den 20 Minuten, die ein Modell bereit war, von ihrer Mittagspause zu opfern.
Die meiste Zeit davon war mit weiteren Anproben für unfertige Kleider beansprucht. Noch dazu nach 5 Uhr spätnachmittags in Räumen ohne Strom, mit dem wenigen Tageslicht von einem Hoffenster. Jede Andeutung, dass man Dame du Mond, Frauen von Welt, hätte einsetzen können und sollen, ist völlig weltfremd. Man sollte Edna sagen, dass gerade Krieg herrscht.
Vielleicht kann sich Solange nicht mit vollem Herzen konzentrieren, weil sie an das Grauen denkt, das ihr Mann und ihre Familie in deutschen Gefangenenlagern durchmachen. Im Dezember 1944 schreibt sie das auch an Audrey Withers, ihre Redakteurin in London. Mehr als alles andere möchte ich den Krieg hier bis zum Ende verfolgen. Und was noch wichtiger ist, den Wiederaufbau. oder was auch immer in Europa beobachten können. Entspricht das deinen Plänen? Lass es mich wissen.
Ihre Freundin und Vertraute Audrey Withers kennt Lee Miller gut genug und lässt sie weiterziehen. von Eva Deinert Teil 3 Befreite Frauen Das befreite Paris ist inzwischen voll von internationalen Journalistinnen und Journalisten. Sie haben sich im Hotel Skrip, im Herzen der Stadt, eingerichtet. Die deutsche Armee hatte das Hotel als Hauptquartier genutzt und mit neuester Funk- und Telegrafietechnik ausgestattet. Perfekte Bedingungen, die jetzt die alliierten Kräfte für ihr Pressezentrum nutzen.
In der Lobby herrscht geschäftiges Treiben wie in einer Redaktion. Im Speisesaal sitzen die Reporter an ihren Schreibmaschinen. Bekannte Kriegsberichterstatter wie Ernest Hemingway, Martha Gellhorn, Robert Kepper und andere kommen hier zusammen. Lee Miller hat sich auch in einem Zimmer eingerichtet, die Nummer 412.
Sie schreibt an ihrer Hermes-Schreibmaschine zwischen ihrer Ausrüstung, Waffen, erbeuteten Nazi-Insignien, Kisten mit Blitzbirnen und Kisten mit Kognakflaschen. Das Badezimmer nutzt sie als Fotolabor. Sie könnte hierbleiben und von hier aus berichten. Aber mitten im kalten, schneereichen Winter 1944 bricht sie ins hart umkämpfte Elsass auf.
Sie will nah dran sein und zeigen, unter welch widrigen Bedingungen die Infanteriedivisionen der Alliierten dort weiterkämpfen. Der Krieg ist zu dem Zeitpunkt festgefahren, die Invasion der Alliierten ins Stocken geraten. Auf allen Seiten gibt es viele Tote. Lee Miller verfasst einen Text, der voll des Lobes für die Infanterieeinheiten ist, die sich diesen Kämpfen weiter aussetzen.
Ich werde nie wieder Säuregelbes und Graues wie dort sehen, wo Granaten in der Nähe von Schnee explodieren, ohne auch die blassen, zitternden Gesichter der Ersatzinfanteristen zu sehen. Grau und Gelb vor Angst. An ihre unruhigen Hände und flüchtigen Blicke auf das Feld, das sie überqueren müssen. Der Schnee, der harmlose Hügel bedeckt und gefährliche Krater auffüllt, bedeckt gleichermaßen die Leichen des Feindes und die des eigenen Zuges, der es zuvor versucht hat.
Die Vogue bringt Lee Millers gnadenlos ehrliche Reportage über die harte Realität an der Front im Elsass mit einigen wenigen Fotos heraus. Sie erhält dafür viel Respekt. Von der Armee, weil sie sich an die Front begeben hat, sich selbst der Kälte und dem Risiko ausgesetzt hat, so wie die Truppen. Dazu sind nämlich nur wenige Korrespondenten bereit.
Und das hebt Lee Miller ab von der großen Konkurrenz, die da im Pressezentrum, im Hotel Scriep in Paris, im Trockenen sitzt und ihre Texte tippt. Lee Miller ist mutig, riskiert viel und geht über ihre Grenzen. Anthony Penrose erfährt von dieser Seite seiner Mutter in Gesprächen mit ihren Wegbegleitern zu der Zeit. Das, was wir von Leuten wie David Sherman, aber auch von anderen, mit denen sie damals zu tun hatte, gehört haben, ist, dass sie diese absolut...
seine Entschlossenheit hatte. Sie war es, mit der sie zusammen sein wollten, wenn es wirklich schlimm wurde, weil sie niemals in Panik geraten ist. immer einen Plan hatte und normalerweise auch Whisky und Zigaretten. Sie hat aus jeder Situation das Beste gemacht. Nach ihrem Bericht über die Kämpfe im Elsass will Lee Miller dabei sein, wenn die Alliierten ins Deutsche Reich vorrücken.
Sie tut sich wieder mit ihrem Freund, dem Fotografen David Sherman, zusammen, den sie im Hotelsgrieb getroffen hat. Sie wollen als Team aufbrechen. David Sherman hat da gerade einen 1937er Chevrolet erworben. Lee Miller sprüht das Auto in Tarnfarben an, malt einen großen weißen amerikanischen Stern auf die Motorhaube und schreibt US Press und Live Magazine mit weißer Farbe auf die Kotflügel.
Sie hält die Aktion in Bildern fest. Es ist Anfang März 1945, zwei Monate vor Kriegsende, als sie über die Grenze ins noch sogenannte Deutsche Reich fahren. Lee Miller und David Sherman folgen den amerikanischen Truppen. Das heißt, anders als noch in Frankreich berichten sie nicht direkt von der Front. Wenn sie nach den Militärdivisionen in den Städten ankommen, hat die deutsche Verteidigung schon aufgegeben. An Roland Penrose schreibt Lee Miller deshalb,
Ich bin nicht mal in der Nähe von irgendetwas. Der Vormarsch der Alliierten verläuft mittlerweile in einem rasanten Tempo. Lee Miller will nichts verpassen und bei den großen Ereignissen die erste Fotografin vor Ort sein. Denn nicht nur David Sherman und sie fahren den Alliierten hinterher. Auch andere Journalisten und Fotografen folgen den Truppen.
Die Dinge bewegen sich sehr schnell, wie du vielleicht bemerkst. Und ich, Lee, bewege mich entweder weiter, wenn ich an Ort und Stelle bleiben will, oder ich bleibe stehen, wenn es mich eigentlich in den Füßen juckt. Da ich dieselbe Hose anhabe, die ich trug, als ich vor sechs Wochen Paris verließ und mein anderes Hemd ist verloren gegangen, bleibt mir nichts anderes übrig, als weiterzumachen. Ein Film im Umschlag ist in geschmolzenem Lippenstift getränkt.
Sei vorsichtig damit, da das Fett Fingerabdrücke hinterlassen kann. Love, Lee. Lee Miller und David Sherman kommen nach Aachen, Köln, Bonn, Ludwigshafen, Frankfurt, Weimar, Leipzig. Sie sind beim Zusammentreffen der sowjetischen und amerikanischen Alliierten im sächsischen Torgau dabei. Vorher hat Lee Miller von Audrey Withers einen Reiseführer für Deutschland geschickt bekommen.
Sie macht in den Städten, in die sie kommt, vor allem Fotos von zerstörten Kirchen und Wahrzeichen und schickt diese zurück nach London mit einer Notiz, wo das Foto aufgenommen worden ist. Manchmal ist das Tempo des Vormarsches aber so hoch, dass sie nicht genau weiß, wo sie gerade ist oder sich nicht lang genug an einem Ort aufhält, um sich eingehend mit ihm zu beschäftigen.
Es ist aber der Kontrast zwischen Zerstörung und Unversehrtheit, der sie belastet. Sie schreibt in ihrem Text Germany, the war that is won, Deutschland, der gewonnene Krieg, für die Wog. Deutschland ist ein schönes Land. Mit Dörfern wie Juwelen und zerbombten Stadtruinen. Und wird von Schizophrenen bewohnt. Es gibt blühende Landschaften und schöne Aussichten. Auf jedem Hügel thront ein Schloss.
Die Weinberge an der Mosel und die frisch gepflügten Felder sind fruchtbar. Makellose Birken und zarte Weiden säumen die Flüsse. Und die winzigen Städte bestehen ganz aus pastellfarbenem Putz. So als wären sie ein modernes Aquarell mit Anspielungen auf das Mittelalter. Kleine Mädchen spazieren nach ihrer Erstkommunion in weißen Kleidern und Blumenkränzchen in der Hand herbei.
Die Kinder haben Stelzen, Murmeln, Kreisel und Reifen und spielen mit Puppen. Mütter nähen, putzen und backen, Bauernflügen und Eggen, alles wie bei richtigen Menschen. Aber das sind sie nicht. Sie sind der Feind. Dies ist Deutschland und es ist Frühling. Ich missgönne den Deutschen jeden Grashalm, jede Kirsche im Vorratsschrank ihrer sparsam geführten Haushalte, jede Furche Acker und jedes unversehrte Dach.
Der Anblick unversehrter Dörfer, von Feldern, die bewirtschaftet werden, und von Zivilisten, die freundlich oder erleichtert die Alliierten empfangen, irritiert Lee Miller. Andere Korrespondenten berichten von ähnlichen Eindrücken aus dieser Phase des Krieges. Vielleicht macht Lee Miller daher mehr Fotos von Gebäuden als von Zivilisten, weil sie nicht mit ihnen in Kontakt kommen will.
In einem Brief beschreibt sie, wie sie hin und wieder die Nerven verliert. Ich bin ziemlich oft extrem gereizt. Und besonders dann, wenn ich die Leute nicht verstehe. Ich neige dazu, die Leute anzuschreien, wenn sie versuchen, mir zu sagen, dass das bombardierte Brauhaus kein interessantes Motiv abgeben wird, weil es völlig zerstört ist. Und dass es keinen Sinn hat, die lokalen Denkmäler zu fotografieren, weil sie in Trümmern liegen.
Die ersten zehn Male erkläre ich geduldig, dass ich damit beschäftigt bin, Dokumente zu erstellen und keine Kunst. Und beim elften Mal fange ich an zu schreien, halt um Himmels Willen die Klappe und kümmere dich um deinen eigenen Kram. Lee Miller drückt in ihren Briefen und Berichten ihre extreme Abneigung gegen die Deutschen aus. Auch in Artikeln, die für die Vogue vorgesehen sind, schreibt sie, dass sie nichts mit den Deutschen zu tun haben will.
Nicht einmal mit den Zivilisten, die die alliierten Truppen willkommen heißen. Ich war ständig irritiert und fühlte mich beleidigt von schleimigen Essenseinladungen von Deutschen in deren unterirdische Unterkünfte. Und ich war erstaunt über die Dreistigkeit der Deutschen, um eine Mitfahrgelegenheit in einem Militärfahrzeug zu betteln. Oder Zigaretten, Kaugummi oder Seife zu schnurren, wie die Kinder, die wir in Frankreich verwöhnt hatten. Wie konnten sie es wagen?
Was dachten Sie, gegen wen wir all die Jahre in England unser Leben und unser Augenlicht riskiert hatten? Für wen hielten Sie meine Freunde und Landsleute, wenn nicht für die vom Blitzkrieg betroffenen Londoner Bürger und die misshandelten französischen Kriegsgefangenen? Wer glaubten sie, ist mein Fleisch und Blut, wenn nicht die amerikanischen Piloten und Infanteristen? Was für eine Art von Idiotie und Dummheit macht sie blind für meine Gefühle.
Das wird sie für immer behalten, ihre Abneigung gegen die Deutschen. Lee Miller hat später nie konkret mit ihrem Sohn Anthony Penrose darüber gesprochen, was sie in den letzten Wochen des Krieges gesehen, erlebt und ertragen hat. Aber er hat an ihr etwas beobachten können, was für ihn erst im Nachhinein, als er all das über seine Mutter erfahren hatte, Sinn ergab.
Sie war normalerweise ein sehr freundlicher Mensch. Aber wenn sie jemand Deutsch sprechen gehört hat, überkam sie etwas. Und sie ist förmlich in eine Art Abwehrstarre geraten. Sie hatte zwar deutsche Freunde, Aber diese Sprache hat sie immer getriggert. Ihre Wut und Abneigung wächst, je mehr sie in dem Land vorankommt und erlebt.
Und da sind nicht mehr nur zerstörte Städte und unversehrte Dörfer. Sie ist auch dabei, als die Alliierten Konzentrationslager befreien, wie Buchenwald bei Weimar. Vermutlich ist Lee Miller entsetzt. Ihr Bericht fällt allerdings eher zynisch aus. Sie wundert sich darüber, dass über das KZ nichts in ihrem damals gut 30 Jahre alten Deutschlandreiseführer geschrieben steht.
Zu meiner schönen Bädecker-Tour durch Deutschland gehören viele Orte wie Buchenwald, die in meiner Ausgabe von 1913 noch nicht erwähnt wurden. Und wenn es eine spätere Ausgabe geben sollte, bezweifle ich, dass sie darin erwähnt werden, denn niemand in Deutschland hat je von einem Konzentrationslager gehört. Und ich vermute, dass sie auch keine Touristen anlocken wollten.
Die Besucher nahmen jedenfalls nur One-Way-Tickets. Und wenn sie lange genug lebten, hatten sie genügend Zeit, die historischen und modernen Sehenswürdigkeiten durch persönliches und praktisches Ausprobieren kennenzulernen. Lee Millers bitterböse Ironie in ihrer einführenden Textpassage über Buchenwald ist sicher als Sprachlosigkeit über das, was sie da sieht, zu verstehen. Dafür beginnt sie, fotografisch zu dokumentieren.
Während sie bisher vor allem zerstörte Kirchen und Sehenswürdigkeiten und wenig Soldaten oder Zivilisten fotografiert hat, macht sie jetzt Fotos von Leichen, von Überlebenden und von Krematorien. um Zeugnisse der Verbrechen zu erschaffen, um das grauen historischen Ausmaßes festzuhalten. Lee Millers Sohn Anthony Penrose. Ludwigshafen.
Sie hat Deutschland durchquert, Frankfurt, Ludwigshafen, Buchenwald. Und davor war sie schon in mindestens zwei anderen Konzentrationslagern gewesen. Sie hat also gewusst, was sie da vor sich hatte und fotografierte. Und schließlich kam sie nach Dachau. Dachau hatte alles, was man über ein Konzentrationslager hört oder sich weigern wird, zu hören. Die großen staubigen Flächen, die von so vielen Tausenden von Verurteilten zertrampelt worden waren.
Das Konzentrationslager Dachau bei München. Das Lager, das zwölf Jahre von 1933 bis 1945 existiert hat. das kurz nach der Machtergreifung Adolf Hitlers gegründet wurde und für die SS als eine Art Prototyp eines KZs diente. Ich kam am Abend des 30. April in Dachau an. als es dunkel wurde und Granaten fielen. Das Lager war in einer gemeinsamen Operation der 42. und 45. Infanteriedivision befreit worden.
Direkt außerhalb einer malerischen Stadt gelegen war es typisch für alle großen Nazi-Konzentrationslager. Ein großes Barackenareal mit länglichen Gebäuden. Die Hälfte des Lagers war für die Unterbringung der SS-Truppen, der Rest für ausgehungerte, halbverrückt gewordene Gefangene. In diesem Fall ist das Lager so nah an der Stadt, dass es keinen Zweifel daran gibt, dass die Bewohner wissen mussten, was da vor sich ging. Die Bahngleise zum Lager führen an einigen stattlichen Villen vorbei.
Und der letzte Zug mit Toten und Halbtoten Deportierten war lang genug, um vor ihren Haustüren zu stehen. Die Waggons sind immer noch voller Leichen. Und neben den Zügen liegen die ausgezehrten Körper all derjenigen, die versucht haben zu fliehen und dabei ihrer Hinrichtung entgegenliefen. Auf dem Gelände des Konzentrationslagers, noch vor dem Eingang zu den Häftlingsbaracken, steht ein Zug, der Häftlinge aus Buchenwald nach Dachau gebracht hat.
Mit dem Vorrücken der Alliierten hatte die SS ein Konzentrationslager nach dem anderen räumen lassen und die Gefangenen in Waggons in andere Lager oder auf sogenannte Todesmärsche geschickt, ohne ausreichend Wasser und Nahrung. Von den 5000 Menschen in dem letzten Zug aus Buchenwald hat kaum einer überlebt. Als Lee Miller dort ankommt, hat die SS das Lager verlassen, aber die Waggons sind noch immer voller ausgemergelter Körper.
Hunderte, tausende Tote. Lee Miller und David Sherman fotografieren das Grauen dieses Todeszugs. Einige Aufnahmen von ihr zeigen, dass sie, um zu fotografieren, auch in die Waggons hineingeklettert sein muss. Sherman war bei ihr. Er sagte zu mir, sie war eingehüllt in eine eiskalte Wut darüber, was ihren Freunden angetan worden ist. Und während sie die Toten und Sterbenden betrachtet hat, hat sie ihre Gesichter genau angesehen, ob vielleicht eines davon zu einem ihrer vermissten Freunde gehört.
Unter Lee Millers Fotos aus den Konzentrationslagern sind viele Nahaufnahmen. Das unterscheidet ihre Bilder von denen anderer Fotografen, die nach und nach in Dachau eintreffen. Lee Millers Aufnahmen versuchen nicht, die Größe des Lagers oder die Masse an Inhaftierten abzubilden und damit die Organisation des Schreckens zu dokumentieren. Sie geht ganz dicht ran und fotografiert die Gesichter von noch Lebenden und von Toten. Und deshalb sind ihre Bilder auch so schwer zu ertragen.
Die überfüllten Gefangenenbaracken wurden ständig mit weiteren Gefangenen aus anderen evakuierten Lagern wieder aufgefüllt. In den dreistöckigen Betten, ohne Decken oder gar Stroh, lagen zwei bis drei Männer pro Koje, die zu schwach waren, um singend den Sieg und die Befreiung feiernd durch das Lager zu ziehen, obwohl sie meist grinsend und jubelnd über den Rand der Betten späten.
In den wenigen Minuten, die ich brauchte, um meine Fotos zu machen, wurden zwei Männer tot aufgefunden, die kurzerhand herausgezerrt und auf den Haufen vor dem Block geworfen wurden. Außer mir schien es niemanden zu stören. Lee Miller erlebt diese verstörenden Szenen, als sie sich in Dachau umschaut und das Leben im Konzentrationslager in Fotos und Notizen festhält.
Wie Gefangene in riesigen Kleiderbergen nach brauchbarer Zivilkleidung suchen. Wie Leichen auf Haufen gestapelt werden. Wie sich die Menschen auf Lebensmittel stürzen, die die Amerikaner bringen. Und dann trifft sie auf eine Gruppe von Frauen. Dieses Lager war nicht für Frauen vorgesehen, aber bei der Evakuierung anderer Lager in letzter Minute, als sich die Deutschen zurückzogen, wurden etwa 500 Frauen hierher verlegt und in einem Block untergebracht.
Die meisten von ihnen waren noch in der Lage zu arbeiten und deshalb hergebracht worden. Obwohl es inzwischen viele Krankheitsfälle gibt, einschließlich Typhus. Es sind auch Neugeborene und geistig schwer Verwirrte unter ihnen. Lee Miller fotografiert die Frauen vor und in der Baracke. Eines der Fotos ist das Episodenbild dieser Folge. Sie sehen es in der ARD Audiothek oder in anderen Podcast-Apps als Bild zu dieser Sendung.
Elf Frauen sind auf dem Bild zu erkennen. Sie stehen eng beieinander in einem kleinen Raum. Hinter ihnen ist eine Wand mit einem Fenster und Vorhängen. Neben dem Fenster hängt ein gerahmtes Bild an der Wand. Das Motiv ist nicht zu erkennen. Die meisten der elf Frauen stehen. Der Raum ist so klein, als wäre zwischen Fotografin und Wand mit Fenster gar nicht genug Platz, dass alle sitzen könnten.
Sie stehen so eng beieinander, dass sie sich gegenseitig mit ihren Gesichtern verdecken. Von einigen sieht man Teile des Gesichts, wie Haare, Augen und Nase. Die Frauen in der rechten Hälfte des Bildes sind etwas überbelichtet vom Blitz. In der linken Hälfte verschwinden die Gesichter im Dunkel und lassen schemenhaft erahnen, dass weitere Frauen hinter ihnen sein könnten.
es sogar mehr als elf Frauen wären. Sie tragen warme Kleidung, Pullover, Strickjacken, Schals. Eine hat ein Kopftuch auf. Einige lächeln in die Kamera. Abgemagert sind sie nicht. Wie Lee Miller schon beschrieben hat, müssen die Frauen erst kurz vor der Befreiung im Konzentrationslager Dachau angekommen sein, denn in Dachau waren vor allem männliche Häftlinge eingesperrt.
Das KZ Dachau war schon 1933, kurz nach der Machtergreifung Hitlers gegründet und von der SS übernommen worden. Die ersten Gefangenen waren vor allem politische Gegner. Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Monarchisten und andere Politiker. Später kamen weitere Gruppen dazu. Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Geistliche.
Während der zwölf Jahre, die das Konzentrationslager bestand, waren insgesamt 200.000 Menschen hier inhaftiert. Als die US-Amerikaner eintreffen, sind noch etwa 32.000 Gefangene im Lager. Dachau war kein Vernichtungslager wie Auschwitz-Birkenau. Zu Dachau gehörten fast 200 Außenlager, die vor allem Arbeitslager waren. Die Inhaftierten mussten Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie und in Fabriken leisten.
Dazu zählten auch eigene Frauenlager, zum Beispiel in Kaufering. Die Frauen, auf die Lee Miller in Dachau trifft, müssen aus diesen evakuierten Außenlagern oder von Deportationszügen und Todesmärschen sein. Die SS hatte mit dem Vorrücken der Alliierten viele Konzentrationslager geräumt, wohl auch um ihre Gräueltaten zu verbergen. Die Fotos der Frauen in Dachau bilden einen Kontrast zu den Aufnahmen der bis auf die Knochen abgemagerten Überlebenden in Streiflingskleidung.
Lemela sucht bewusst die Nähe zu den Frauen, wie sie auch sonst während ihrer Kriegsberichterstattung immer auch die Frauen aufgesucht und abgelichtet hat. Vielleicht hat sie gehofft, dass es zumindest die Fotos der Frauen in die Vogue schaffen und gedruckt würden. Denn sie ahnt bereits, dass das, was sie in Dachau an Naziverbrechen dokumentiert, zu grausam, zu schockierend für eine Veröffentlichung in einer Frauenzeitschrift sein könnte.
Sie telegrafiert an Audrey Withers nach London. Ich flehe dich an, mir zu glauben, dass das wahr ist. Die Fotos sind ein Schock für die Vogue-Redaktion. Lee Miller hat Negative geschickt. Von Leichenbergen vor Baracken, von Überlebenden, die direkt daneben stehen, von Überlebenden, die zwischen Baracken neben Leichen hocken. Lee Miller hat sie so fotografiert, dass ihre Gesichter gut erkennbar sind, auch die der Toten.
In der Redaktion ringt man mit dem Umgang mit diesen Zeugnissen des Grauens. Nach vielen Konferenzen erscheint in der britischen Ausgabe der Vogue lediglich ein einziges Foto. Die amerikanische Ausgabe druckt im Juni 1945 fünf Bilder aus dem KZ Buchenwald und unter dem Titel Believe It. Dazu veröffentlicht sie Auszüge aus Liemilers Telegramm an die Vogue. Es steht außer Frage, dass die deutsche Zivilbevölkerung wusste, was vor sich ging.
Das Anschlussgleis zum Lager Dachau führt ein Villen vorbei, in denen Züge mit Toten und Halbtoten Deportierten stehen. Normalerweise mache ich keine Horrorfotos. Aber glaubt bloß nicht, dass man die nicht in jeder Stadt und jeder Gegend finden würde. Ich hoffe, dass die Vogue diese Bilder veröffentlichen kann. Hier sind sie.
Lee Miller und David Sherman sprechen in diesen Stunden mit Überlebenden, sehen Gefangene sterben, während sie im befreiten Lager sind und dokumentieren alles mit ihren Kameras. Irgendwann haben sie genug gesehen. Dave Sherman und ich brachen von Dachau auf, um nach der Kriegsfront zu suchen, die wie eine Illusion von Sauberkeit und Menschlichkeit erschien.
Der Anblick der blau-weiß gestreiften Lumen, die den bestialischen Tod hunderter verhungerter und verstümmelter Männer und Frauen verhüllten, hatte uns nach Luft und nach Gewalt verlangen lassen. Und wenn München die Geburtsstätte dieses Grauens fiel, wollten wir gerne dabei helfen. Am selben Tag, am 30. April 1945, fassen Lee Miller und David Sherman den Entschluss, sich den Truppen, die nach München unterwegs sind, anzuschließen. Und das ist bedeutend, erklärt Anthony Penrose.
Am frühen Nachmittag sind sie dann in einen Jeep gestiegen und nach München gefahren. Das war den beiden unheimlich wichtig und eine Entscheidung aus Überzeugung. Sie wussten, dass Hitler in Berlin war und die Alliierten direkt auf Berlin zusteuerten und die meisten anderen Journalisten ebenfalls auf dem Weg nach Berlin waren.
Deshalb haben sie sich bewusst fürs Gegenteil entschieden, also für München, weil sie beide die Geschichte des Ortes gekannt haben. Sie haben gewusst, dass die Nazi-Bewegung... genau hier ihren Anfang genommen hatte. Und sie wollten dabei sein, wenn München fiel. Das war sehr, sehr wichtig für sie. Das war ein Moment der Rache.
Lee Miller und David Sherman wollen aber nicht nur einfach nach München, in die Hauptstadt der NS-Bewegung. Sie haben ein konkretes Ziel. Sie wollen in Adolf Hitlers Allerheiligstes. In seine Privatwohnung. Und weil sie gut informiert waren, wussten sie genau, wo sie Hitlers Wohnung am Prinzregentenplatz finden konnten. Da wollten sie hin. Die beiden sind nicht die ersten, die Adolf Hitlers Privatwohnung erreichen.
Es sind schon US-amerikanische Soldaten vor Ort, die das Haus bewachen und kontrollieren, wer reinkommt. Aber sie haben Sherman und Miller reingelassen. Die beiden haben dort überrascht festgestellt, dass es wahrscheinlich das einzige Gebäude in ganz München war, das noch heißes Wasser hatte. Das war einfach zu viel, hat Sherman später zu mir gesagt. Sie hätten drei Wochen lang dieselbe Kleidung angehabt und hätten gestunken wie ein Haufen Illtisse.
Heißes Wasser und frische Handtücher und sich selbst drei Wochen lang weder gewaschen noch umgezogen. So kommt es, dass in der Wohnung von Adolf Hitler im schicken Münchner Stadtteil Bogenhausen das wohl bekannteste Foto von Lee Miller aus dem Zweiten Weltkrieg entsteht. Das in Hitlers Badewanne. Das Badewannenbild ist sehr wichtig, weil es so vielschichtig ist. Und sie und Sherman haben es eindeutig inszeniert.
Sie haben das Hitler-Porträt, das Heinrich Hoffmann von ihm gemacht hat, am Badewannenrand platziert, um zu zeigen, jetzt haben wir hier das Sagen. Das Foto war ein klassisches Nazibild, das überall in den besetzten Gebieten aufgehängt worden ist als Zeichen, jetzt sind wir hier an der Macht. Aber der wichtigste Aspekt an dem Badewannenfoto sind die Stiefel.
weil sie den Dreck von Dachau, wo sie am selben Tag gewesen ist, in diese schöne, saubere Badematte getreten hat. Und so sitzt sie dort nicht als Gast in Hitlers Wohnung, sie sitzt dort als Siegerin. Und das ist eine Metapher dafür, dass sie ihm ihren Absatz ins Gesicht drückt. Auch wenn das Baden vermutlich ein echtes Bedürfnis war,
ist das Foto ganz bewusst arrangiert. Es entstehen mehrere Aufnahmen mit diesem Motiv. Sechsmal sitzt Lee Miller und zweimal David Sherman in Hitlers Badewanne. Außerdem dokumentieren sie die Wohnung. machen Fotos, wie Lee Miller an Adolf Hitlers Schreibtisch sitzt, wie ein Soldat auf dem Sofa liegt und Mein Kampf liest, wie ein anderer das Telefon benutzt und wie alle sich an der Schnapsbar bedienen.
Alle nehmen Unterlagen, Inventar und andere persönliche Dinge als Beutestücke mit. Geschirr oder Stofftücher mit den Initialen Adolf Hitlers sind begehrtes Gut zum Tauschen. Und so ergibt es sich, dass Lee Miller und David Sherman sich ausgerechnet dann in Adolf Hitlers Privatwohnung am Prinzregentenplatz aufhalten, als sich in Berlin die Nachricht von dessen Tod verbreitet.
Was weder sie noch Sherman in diesem Moment wussten, war, dass sich Hitler und Eva Braun an ihrem Nachmittag um 16.45 Uhr in Berlin das Leben genommen haben. Daher ist das Bild auch eine Art Symbol für den Anfang vom Ende des Krieges und vom Beginn einer ganz anderen Geschichte in Limilas Leben.
An Audrey Withers, ihre Chefredakteurin in London, schreibt Lee Miller, wie sie diesen Moment erlebt. Ich hielt mich in Hitlers Privatwohnung auf, als sein Tod um Mitternacht des 1. Mai bekannt gegeben wurde. Wir konnten nicht mehr feiern, als wir es ohnehin schon taten. Es war Mitternacht, am Maifeiertag, es schneite. Wir feierten sowieso, dort zu sein. Und die trockene, überzeugende Stimme der BBC war nur ein weiteres vages Gerücht.
München war zusammengebrochen. Und diese Bastion, dieses Bollwerk des Nazi-Idealismus war an einem Tag statt in einer Woche eingenommen worden. Es gab nur sporadische Kämpfe gegen isolierte Gruppen. Davy und ich verbrachten die Nacht dort, wir benutzten Hitlers Toilette und sein Bad und machten es uns im Allgemein mit einem Haufen netter Jungs gemütlich. Bis jetzt. Drei Tage später ist noch kein anderer Reporter da gewesen. Es ist also eine absolut exklusive Story. Gruß und Kuss, Lee.
Danach suchen Lee Miller und David Sherman noch die Privatwohnung von Hitlers Geliebter Eva Braun auf, die sich ein paar Straßen weiter befindet. Sherman fotografiert Miller, die in Eva Brauns Bett liegt. Die beiden sind sich der symbolträchtigen Wirkung der Bilder, die Eroberung privater und intimster Bereiche des Feindes sicher bewusst. Und sie sind noch nicht fertig. Sie folgen Adolf Hitlers Spuren weiter.
Anfang Mai 1945 erreichen Lee Miller und David Sherman als erste, zusammen mit zwei GIs, Berchtesgaden und den Obersalzberg, Hitlers zweite Residenz in den Bergen. Anthony Penrose Hier war Hitlers Festung in den Bergen. Am schönsten Ort, den man sich vorstellen kann. Sie wurde von der Royal Air Force bombardiert und von den sich zurückziehenden SS-Leuten in Brand gesetzt. Sie sind dort am Abend angekommen. Ein Foto zeigt Sherman.
Er hält eine Taschenlampe, um die Gebäude zu beleuchten. Zu diesem Zeitpunkt haben sie sich vier Kilometer vor der Frontlinie der Armee befunden. Sie waren also in feindlichem Gebiet. Das zeigt nur, wie sehr sie dieses Foto wollten. Sie waren die ersten und einzigen Journalisten vor Ort.
Zu dem Zeitpunkt riskieren Lee Miller und David Sherman viel dafür, die schnellsten, die ersten Korrespondenten am Ort des Geschehens zu sein. Lee Miller macht mehrere Aufnahmen des brennenden Berghofs bei Nacht. Die britische Vogue wird damit einen großen Artikel aufmachen, der den Titel »Hitlerianer« trägt und zusätzlich neun Bilder aus den Privatwohnungen von Adolf Hitler und Eva Braun veröffentlichen.
Am 8. Mai 1945 wird durch die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches der Zweite Weltkrieg in Europa für beendet erklärt. Und damit endet auch Leigh Millers Karriere als Kriegsreporterin. Als Leigh Miller nach London zurückkehrt, wird sie von ihrer Redaktion bei der Vogue gefeiert. Auch in der Condé Nast-Zentrale in New York wird sie mit einem Empfang geehrt. Lee Miller wird interviewt. Es entsteht ein Film über sie. Doch als der Rausch langsam abklingt,
tritt zu Tage, wie schwer es ihr fällt, den Krieg loszulassen und in die Normalität zurückzufinden. Auch andere Kriegskorrespondenten berichten über dieses Gefühl. Die permanente Ausnahmesituation mit dem klaren, für sie sinnstiftenden Auftrag, den eindeutig verteilten Rollen von Gut und Böse und der Möglichkeit, über körperliche, psychische und auch gesellschaftliche Grenzen zu gehen, ist vorbei. Lee Miller kann das Geschehen noch nicht loslassen.
Sie kehrt nach einiger Zeit nach Paris zurück, will weiter nach Österreich und Osteuropa reisen, um den Wiederaufbau zu dokumentieren. Wieder ist sie mehrere Monate weg. Aber diesmal ist es anders. Sie findet kaum Schlaf, trinkt viel Alkohol, ist tagsüber antriebslos und kann sich nur schwer zum Arbeiten motivieren. Sie beschreibt ihren Zustand in einem Brief an Roland Penrose.
Den Brief wird sie nie abschicken. Er lag zwischen ihren Unterlagen und Fotos 30 Jahre lang auf dem Dachboden im Farmhaus in Sussex. Mein lieber Roland, ich habe dich nicht vergessen. Jeden Abend, wenn ich mir die Zeit nehmen könnte und sicherlich auch das Interesse habe, dir zu schreiben, denke ich, dass ich morgen die endgültige Antwort wissen werde oder dass sich meine Depression gelegt hat oder meine Begeisterung abgeebbt ist oder was auch immer.
so dass ich in der Lage sein würde, dir einen kohärenteren Eindruck zu schreiben, der eine Art von Entscheidung enthält. Sei es, dass ich bleibe oder nach Hause komme. Dieser Moment wird nie kommen. Das weißt du schon seit Jahren. Entweder hatte ich einen Durchfall an Worten oder eine Verstopfung. Als die Invasion stattfand, die Auswirkung der Entscheidung selbst war eine enorme Erleichterung,
wurden all meine Energie und all meine vorgefertigten Meinungen zusammen entfesselt. Ich arbeitete gut und konsequent und ich hoffe sowohl überzeugend als auch aufrichtig. Jetzt leide ich an einer Art Verbaler Ohnmacht. Wenn es nötig war, die Angst abzuschalten, du weißt ja, wie feige ich während des Blitzkriegs war, konnte ich es und tat es auch. Das Jetzt ist eine neue und desillusionierende Welt.
Frieden mit einer Welt von Gaunern, die keine Ehre, keine Integrität und kein Schamgefühl haben, ist nicht das, wofür jemand gekämpft hat. Wirklich viele Menschen leiden unter den gleichen Schocksymptomen, die der Frieden verursacht wie ich. Und ich meine keineswegs die Jungs, die nach Hause zurückkehren. Lee Miller drückt hier ihre Sprachlosigkeit aus, die sie zunehmend überkommt. Aber sie schickt den Brief nie ab, sondern verfällt immer mehr in Schweigen.
Während andere Kriegskorrespondenten ihre Geschichten und Erinnerungen im Laufe der Jahre in Biografien festhalten, verschließt Lee Miller das Erlebte in sich und erzählt auch ihrer Familie nichts von dem, was in ihr nachwirkt. Anthony Penrose, Lee Millers Sohn, erfährt erst nach ihrem Tod, was seine Mutter im Krieg erlebt hat.
Sie hat nie darüber gesprochen. Als ich begonnen habe, diese Nachforschungen anzustellen, habe ich mit meinem Vater gesprochen. Auch ihm hat sie nie etwas erzählt. Er hat zu mir gesagt, ich wünschte, wir hätten es gewusst. dann hätten wir uns besser um sie kümmern können. Und plötzlich habe ich auch verstanden, warum sie so ein schwieriger Mensch war. warum sie Alkoholikerin war, warum sie depressiv war.
Der Zustand seiner Mutter, den Anthony Penrose beschreibt, lässt eine posttraumatische Belastungsstörung vermuten. Das haben auch Psychologen so eingeschätzt, die für das Lee Miller Archive Texte und Bilder begutachtet haben. Heute gibt es dafür einen Begriff, eine Diagnose. Das war aber nach dem Krieg noch anders, sagt Amy Bouhassain, Lee Millers Enkelin. Damals hat man noch sehr wenig über mentale Gesundheit gewusst.
Als Lee an ihre Redakteurin geschrieben hat, war sie sich dessen aber schon bewusst. Sie schrieb, wir kehren alle mit gebrochenen Körpern und gebrochenem Verstand nach Hause zurück. Vor allem in England, das sechs Jahre lang im Krieg war, war das so. Der allgemeine Konsens war wie eine Massenverschwörung. Man sollte einfach wieder nach Hause gehen. Die Männer, die in Europa gekämpft hatten, die Frauen, die in den Munitionsfabriken, in der Marine und bei der Luftwaffe gearbeitet hatten.
Sie wurden alle nach Hause geschickt und sollten in die alten Rollen zurückkehren, die sie vor Kriegsbeginn hatten, und so tun, als sei nichts geschehen. Heute wissen wir, dass es für die psychische Gesundheit wirklich schlecht ist, wenn man nicht über die Dinge spricht. Damals war das anders. Man macht zu, man hält den Mund. Und wenn man nicht damit klarkommt, nimmt man einen Drink. Und das war der einzig Akzept.
Amy Bohassain und Anthony Penrose machen die Arbeiten ihrer Großmutter und Mutter über das Lee Miller Archive der Öffentlichkeit zugänglich. Anthony Penrose versteht das Werk seiner Mutter so, dass sie eigentlich gar nicht schweigen wollte. Dass sie eigentlich all die Geschehnisse dokumentiert hat, damit die Welt erfährt, was vor 80 Jahren passiert ist. Jetzt übernimmt er diese Aufgabe. Wir sehen, dass Lee einen Kreis schließen wollte.
Und diese Fotos dokumentieren ein unglaubliches Kapitel der Weltgeschichte. Und ich glaube, einer der Gründe, warum Lee das so leidenschaftlich dokumentiert hat, war, dass sie wollte, dass die Welt erfährt, was passiert ist. Heute sind wir die Hüter dieser Geschichte. Und das ist so wichtig angesichts des Aufstiegs der extremen Rechten in so vielen Ländern, angesichts des Faschismus, der auf dem Vormarsch ist, angesichts der schrecklichen Dinge, die geschehen sind.
und dennoch schlimmeren Dinge, die uns erwarten werden. Wir sollten uns daran erinnern, dass dies alles schon einmal geschehen ist. Wir haben die Möglichkeit, es anders zu machen. Wenn wir nur auf die Geschichte zurückblicken und diese Lektionen lernen würden, wenn wir das verstehen würden, müssten wir vielleicht nicht jedes Mal die halbe Welt auslöschen. Lassen wir nicht zu, dass dies der Beginn des nächsten Zyklus ist. ist.
Das war Fotografin Leigh Miller, Teil 3, Befreite Frauen. Die ersten zwei Teile finden Sie unter Alles Geschichte in der ARD-Audiothek und überall sonst, wo es Podcasts gibt. Vielen Dank an Amy Bouhassain. und Anthony Penrose sowie an das Lee Miller Archiv für Bilder und Texte. Autorin Eva Deinert Regie Rainer Schaller Sprecher und Sprecherinnen Helmar Michel, Katja Bürkle, Burkhard Derbinus, Katja Amberger und Friedrich Schloffer. Technik Susanne Harassim Redaktion Andrea Breu und Yvonne Meyer.
Das hat die Schriftstellerin Virginia Woolf mal gefordert. Aber vielleicht brauchen tatsächlich alle Frauen ein Zimmer für sich allein. Und dieser Podcast soll genau das sein. Ein Raum, in dem Frauen sich austauschen können. Und wo immer zwei Frauen aus unterschiedlichen Generationen miteinander ins Gespräch kommen. Und damit herzlich willkommen zu Ein Zimmer für uns allein.
Untertitelung. BR 2018 Mein Name ist Paula Lochte. Ich bin Journalistin für den Bayerischen Rundfunk und ich bin die Host von Ein Zimmer für uns Allein, dem Podcast zum Instagram-Kanal Frauengeschichte. In den acht Folgen der ersten Staffel sprechen wir offen über Themen, die viele Frauen betreffen. Zum Beispiel geht es um die Frage, an welchen Schönheitsidealen arbeiten sich Frauen ab?
Also es war so schulfest. Ich hatte ein enges Strickkleid an mich extra. Ich war total stolz. Ich hatte das zum ersten Mal an. Und dann sagt ein gewisser Dirk zu seinem Freund, die hat aber einen dicken Hintern in dem Kleid. Und ich war so 15 oder so und das war so, oh Gott. In Ein Zimmer für uns allein geht es um das Private, das politisch ist. Die katholische Sexualmoral, wie sie mir vermittelt worden ist, da packt mich wirklich die nackte Wut.
Sie haben Sex zu etwas Schmutzigem, zu etwas Bösem, zu etwas gemacht, was überhaupt nichts mit Nähe zu tun hat. Und es unterscheidet uns von jedem Tier, dass wir eine ganz tiefe innere Verbindung haben. in einer Partnerschaft eingehen können. Und das wird kaputt gemacht. Wofür? Ich könnte schreien vor Wut darüber. Und wenn ich euch ansehe, ich bin so dankbar, dass es so viel weitergegangen ist. Aber ihr seid auch noch.
Ja, das ist ein langer Weg. Und es geht um das, was zu tun bleibt. Dieses Mut machen, nicht abhängig sein, sich nicht unterdrücken lassen und da den Mut zu haben, den eigenen Weg zu gehen. Vor allem den ganz eigenen und so ein bisschen die Muster. Wo ist der Sprengstoff? Los geht's! Ab dem 20. Februar stellen wir in unserem neuen Frauengeschichte-Podcast Ein Zimmer für uns allein wöchentlich die Generationenfrage. in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.