DAS WAR DER BAUERNKRIEG - Was war und was bleibt (4/4) - podcast episode cover

DAS WAR DER BAUERNKRIEG - Was war und was bleibt (4/4)

Feb 28, 202534 min
--:--
--:--
Listen in podcast apps:
Metacast
Spotify
Youtube
RSS

Summary

Diese Episode des Podcasts "Alles Geschichte" untersucht den Bauernkrieg und seine vielfältigen Interpretationen im Laufe der Geschichte. Von der Rolle Thomas Müntzers bis zur Vereinnahmung des Themas durch die Nazis werden die ideologischen und politischen Aspekte beleuchtet. Abschließend wird die Bedeutung der zwölf Artikel von Memmingen und die Erinnerungskultur an den Bauernkrieg diskutiert.

Episode description

Kaum ein Ereignis der deutschen Geschichte wurde in den letzten 200 Jahren derart unter ideologischen Vorzeichen interpretiert wie der Bauernkrieg. Mit seinem Ende begann der Kampf um die Deutung. Von Stefan Nölke (MDR/BR/SWR 2025) *** PEN & PAPER-Rollenspiel zum Bauernkrieg Aus einer anderen Perspektive auf die Ereignisse um 1525 kann man im improvisierten Live Rollenspiel "1525 Wenn Worte brennen" blicken. In dem fiktiven Dorf Schillingsfurt in Franken versucht eine Truppe aus einem rebellischen Mönch, einer radikalen Papiermacherin und einem kampfbereiten Bauern die Revolution selbst in die Hand zu nehmen. Hier geht es zum ersten Teil 1: http://1.ard.de/1525-wenn-worte-brennen *** PODCAST-TIPP: Der Rest ist Geschichte Hört doch auch mal bei "Der Rest ist Geschichte" rein. Unsere Kollegen vom Deutschlandfunk greifen jede Woche ein aktuelles Thema auf und erklären die historischen Hintergründe. https://www.deutschlandfunk.de/deutschlandfunk-der-rest-ist-geschichte-100.html *** CREDITS Autor: Stefan Nölke Es sprachen: Meike Rötzer - und: Udo Rau, Rudolf Guckelsberger, Marcus Westhoff, Janis Hanenberg, Elisabeth Findeis Regie: Günter Maurer Technik: Claudia Peycke Musik: Matthias Schneider-Hollek Grafik: Martin Pfeiffer, Christiane Jäger Distribution: Mara May, Theresa Wünsch Redaktion: Thomas Morawetz, Nicole Ruchlak, Stefan Nölke, Gabor Paal Eine Gemeinschaftsproduktion des MDR, BR und SWR *** Vielen Dank an die Gesprächspartnerinnen und -partner: Dr. Christoph Engelhard, Stadtarchivar und Vorsitzender des Historischen Vereins Memmingen Bernhard Geisler, Heimatforscher und Vorsitzender der Gruppe Historisches und Kulturelle Königshofen Dr. Nora Hilgert, Historikerin, Fachreferentin Kulturgeschichte, Mühlhäuser Museen Dr. Ulrich Hahnemann, Stadtarchivar und Leiter des Regionalmuseums Bad Frankenhausen Stephen Jüngling, Kastellan auf der Festung Marienberg Prof. Dr. Thomas Kaufmann, Theologe und Kirchenhistoriker, Universität Göttingen Nicole Lang, Gästeführerin, Weinsberg Prof. Dr. Rainer Leng, Historiker, fränkische Landesgeschichte, Universität Würzburg Gerd Linder, Kunsthistoriker und Direktor des Panorama Museum Bad Frankenhausen Dr. Thomas T. Müller, Historiker, Direktor "Stiftung Luthergedenkstäten in Sachsen-Anhalt, Vorsitzender der Thomas-Müntzer-Gesellschaft Dr. Wolfgang Petz, Historiker und Geschichtsdidaktiker, Kempten Prof. Dr. Lyndal Roper, Historikerin, Universität Oxford Heide Ruszat-Ewig, Literaturwissenschaftlerin, Herausgeberin, Übersetzerin der 12 Artikel von Memmingen ins Hochdeutsche Prof. Dr. Gerd Schwerhoff, Historiker, Geschichte der Frühen Neuzeit, Technische Universität Dresden Herbert Seger, Altbürgermeister und Vorsitzender des Heimatverein Durach im Oberallgäu Christoph Wegele, Vorsitzender des Fördervereins Schloss Waldburg e.V.; Museumsführer auf der Stammburg des Georg Truchsess von Waldburg Lea Wegner, Historikerin und Leiterin "Deutsches Bauernkriegsmuseums" Böblingen (Museum Zehntscheuer) Dr. Helge Wittmann, Fachbereichsleiter Stadtarchiv/Stadtbibliothek Mühlhausen und Vorsitzender des Mühlhäuser Geschichts- und Denkmalpflegeverein

Transcript

Ich sah, wie riesige Wassermassen vom Himmel brausten. Einige von ihnen fielen aus einer so großen Höhe herab, dass sie alle mit gleicher Langsamkeit zu fallen schienen. In diesen Worten berichtet Albrecht Dürer über seinen Albtraum, der ihn in der Nacht vom Sib. Aber als sich das erste Wasser, das die Erde traf, fast näherte, fiel es mit solcher Geschwindigkeit Wind und Brüllen.

dass ich aufwachte und so erschrocken war, dass mein ganzer Körper zitterte und ich für eine lange Zeit nicht zu mir selbst kommen konnte. Schweißgebadet wachte der Nürnberger Künstler am Morgen auf und setzte sich gleich an die Malstaffel, um das düstere Traumgesicht festzuhalten. Dürers Weltuntergangsvision, die nun entsteht, ist heute im Kunsthistorischen Museum Wien zu sehen. Sie zeigt, wie ein schwarzer Himmel auf die Erde gefallen ist.

Der Albtraum des Künstlers spiegelt die grausame Wirklichkeit. In diesen Tagen erreichte die Menschen die Kunde von den abertausenden Toten des Bauernkriegs. Ein Schock, der lange, lange nachwirkt und die Menschen bis heute beschäftigt. Teil 4. Was war und was bleibt. Von Stefan Nölke. Gesprochen von Maike Rötzer. Der Mai 1525 war einer der entsetzlichsten Monate in der deutschen Geschichte. Blutgetränkt waren die Schlachtfelder im württembergischen Böblingen.

Im thüringischen Bad Frankenhausen, im fränkischen Königshofen, wo die aufständischen Bauern getötet, besser gesagt massakriert worden waren. Denn gegen die Reiterscharen der Fürsten konnten sie wenig ausrichten. Und danach folgte die Rache der Herrschenden. Ein paar Tage vor Dürers Schreckensnacht ließ der unbarmherzige Feldherr Georg Truchses von Waldburg in Würzburg über 250 vermeintliche Rädelsführer öffentlich hinrichten.

Das vergossene Blut des Jahres 1525, von einem Henker zusammengeschüttet, würde ausreichen, sämtliche Tyrannen zu ertränken, schreibt ein Zeitgenosse. Insgesamt, so schätzen die Historiker, kamen mindestens 70.000, wenn nicht gar über 100.000 Menschen während des Bauernkrieges zu Tode. Gott hat die Armen gestraft.

Wer waren die Menschen, die diesen Krieg so grausam verloren haben? In weiten Teilen Deutschlands, vom Bodensee bis nach Thüringen, hatten sich die einfachen Menschen gegen die weltliche und kirchliche Obrigkeit erhoben. Der größte und bedeutendste Aufstand, den Europa vor der Französischen Revolution erlebt hat. Doch wie ist das Geschehen einzuordnen, wie zu bewerten?

Darüber gab und gibt es nach wie vor ganz unterschiedliche Meinungen. Ja selbst die einfachsten Fragen über den Charakter und die Bedeutung des Bauernkriegs sind bis heute strittig. Zum Beispiel, ob es sich überhaupt um einen Bauernkrieg gehandelt hat, wo sich doch auch viele Städter dem Aufstand angeschlossen haben. So hat der Historiker Peter Blickle den Bauernkrieg gedeutet. Gemeint ist damit, dass es sich um eine Revolution der kleinen Leute gehandelt hat.

Wobei, und das ist ein Einwand des Dresdner Historikers Gerd Schwerhoff, die Interessen von Bauern und Städtern sehr unterschiedlich waren. Oft zogen die Städte aus ganz anderen Gründen gegen die Obrigkeit in den Krieg als die Bauern. Im thüringischen Frankenhausen zum Beispiel wollten die teilweise ja auch wohlhabenden Einwohner, die verhassten Salzzölle loswerden, die sie dem Grafen von Schwarzburg zahlen mussten und schlossen sich hauptsächlich deshalb dem Aufstand an. Insofern kämpften.

Unter dem Bauernhaufen, also Schätzungen gehen davon aus, vielleicht ein Fünftel bis zum Viertel städtische Bewohner mit. Das ist ja nicht wenig. Aber diese Haufen konstituierten sich auf dem Land und setzten sich in den meisten Fällen zusammen aus Bauern und Landbewohnern. Und die kämpften auch auf dem Land. Und insofern ist dieser durchaus ja auch zeitgenössische Begriff des Bauernkriegs gar nicht so sachfremd, wie es manchmal suggeriert wird.

Der Bauernkrieg war also doch hauptsächlich ein Bauernkrieg. Aber handelt es sich tatsächlich auch um eine Revolution? Bei der Frage wird es nun hochgradig politisch. Und so ist es kein Wunder, dass der Bauernkrieg, wie kaum ein anderes Ereignis der deutschen Geschichte, im Laufe der letzten 200 Jahre durch ideologische Brillen betrachtet wurde. Den Anfang machten die Demokraten im Vorfeld der Bürgerlichen Revolution von 1848.

Dabei gebührt das große Verdienst, den Bauernkrieg überhaupt wieder in Erinnerung gerufen zu haben, dem württembergischen Theologen und Historiker Wilhelm Zimmermann. weil das Bauernvolk unterlag, die Bewegung von 1525 vielfach verleumdet, das wirklich Großartige daran verschwiegen. Wahr daran ist, dass die Gelehrten bis dato mit den Bauern und ihrem Aufstand hart ins Gericht gegangen waren.

Auch wenn die Obrigkeit selbst viele Ungerechtigkeiten begangen habe, so der Tenor, so seien die Untertanen zu allen Zeiten zu Gehorsam verpflichtet. Doch im Zeitalter der europäischen Revolutionen hatte diese Sichtweise ausgedient. Zimmermanns große Geschichte des Bauernkrieges in drei Bänden erschien in den Jahren 1841 bis 1843 und spiegelt den Wunsch seiner Zeit nach Freiheit und Veränderung.

Der Geist der großen Bewegung von 1525, aus welcher der ganze Kampf hervorging, war der Geist der Freiheit. Wilhelm Zimmermanns Buch wurde auch von Friedrich Engels, dem besten Freund und Mitstreiter von Karl Marx, eifrig studiert. Und zwei Jahre später erschien dann die kommunistische Sichtweise auf den Bauernkrieg. Auch das deutsche Volk hat seine revolutionäre Tradition.

Es gab eine Zeit, wo Deutschland Charaktere hervorbrachte, die sich den besten Leuten der Revolution in anderer Länder an die Seite stellen können, wo deutsche Bauern und Plebeier mit Ideen und Plänen schwanger gingen, von denen ihre Nachkommen oft genug zurückschaudern. Friedrich Engels Buch über den Bauernkrieg begründete eine geschichtspolitische Saga, die allerdings erst knapp 100 Jahre später mit der Gründung der DDR ihre volle Wirkung entfalten sollte.

Auf Engels geht auch eine geradezu absurde Überhöhung des thüringischen Predigers Thomas Münzer zurück. Der Kulminationspunkt des ganzen Bauernkrieges, seine großartigste Gestalt. Thomas Münzer. Erst bei Thomas Münzer sind diese kommunistischen Anklänge

Ausdruck der Bestrebungen einer wirklichen Gesellschaftsfraktion. Und seit ihm finden wir sie in jeder großen Volkserschütterung wieder, bis sie allmählich mit der modernen proletarischen Bewegung Heutzutage gehört diese Interpretation in den Bereich der politischen Fantasieliteratur. Der Historiker Thomas T. Müller, einer der besten Kenner des Bauernaufstandes in Thüringen,

schätzt die Rolle Münzers wesentlich nüchterner ein. Münzers tatsächliches Wirken, das beschränkt sich ziemlich sicher allein auf Teile Mitteldeutschland. Da ist er einer der wichtigsten Prediger in den Reihen der Aufständischen gewesen. Aber er war niemals ein Bauernführer, wenn niemals ein Heerführer oder ähnliches. dass der Hass der Grafen und Fürsten auf Thomas Münzer derart groß war, dass sie ihn nach der Schlacht bei Frankenhausen am 15. Mai 1525 tagelang folterten.

und zusammen mit 53 anderen Aufständischen öffentlich hinrichten ließen. Münzers Kopf wurde aufgespießt und auf einem Bergrücken nahe Mühlhausen zur Schau gestellt, weit ins Land hinein sichtbar als Mahnung für die Bauern der umliegenden Dörfer. Im Jahr 1901 entstand hier deutschlandweit das erste Bauernkriegsdenkmal. Initiator war maßgeblich der Verschönerungsverein von Mühlhausen, also bürgerlicher Kreise.

Das sind ja auch historisch interessierte Kreise in dieser Zeit um 1900, die auch den neu gegründeten Geschichtsverein tragen. Und der Plan reift an diesem Ort. auf der Talseite nach Görmer zu, einen Erinnerungsstein zu setzen. Hinschrift zur Erinnerung an den Bauernkrieg und das Unglücksjahr Mühlhausens 1525. Der darauf Bezug nimmt, dass unter uns

dass der letzte Akt dieses Bauernkriegsdramas um die Stadt Mühlhausen stattgefunden hat. Helge Wittmann, Vorsitzender des örtlichen Geschichtsvereins und Leiter des Stadtarchivs Mühlhausen. Damals im Deutschen Kaiserreich war für das stockkonservative Bürgertum ein Aufstand gegen die Obrigkeit natürlich tabu. Und so machten die Herren vom städtischen Verschönerungsverein bei der Einweihung des Denkmals 1901 erst einmal, böse gesagt, ihren Klassenstandpunkt deutlich.

Der errichtete Denkstein soll nicht im Entferntesten den Bauernkrieg und seine Führer, die so viel Unheil, Not und Demütigung über unsere Vaterstadt brachten, verherrlichen. sondern nur die geschichtliche Episode und blutige Schlusstragödie des Bauernkrieges, die sich in den uns umgebenden Geländen abspielte, festhalten und kennzeichnen. Man darf davon ausgehen, dass die Mühlhäuser Arbeiterschaft auch schon zu Kaiser Wilhelms Zeiten eine andere Vorstellung vom Bauernkrieg hatte.

Aber erst in der Zeit der Weimarer Republik, in den 20er Jahren, konnten Sozialdemokraten und Kommunisten durchsetzen, dass die Straße hoch zum Rieseninger in Thomas-Münzer-Straße umbenannt wurde. Die erste mit diesem Namen in Deutschland. Thomas Münzers Karriere als Held der Arbeiterklasse nahm dann aber erst 1949 mit der Gründung der DDR so richtig Fahrt auf. Viel Blut ward hingegeben seit Münzers kühner Tag. Das deutsche Volk soll leben und prächtig wächst die Saat.

So lautet die neue Inschrift auf dem Denkstein aus dem Jahre 1953, verfasst vom Stalintreuen Dichter Kurt Bartel, genannt Kuba. Die Rede vom deutschen Volk war 1953 noch ganz SED-konform, 1975 aber dann nicht mehr. Und so verordnete die Partei anlässlich der 450-Jahr-Feier des Bauernkrieges eine neue Münzerin. Seine weit in die Zukunft reichenden Ideen wurden von den Werktätigen in der Deutschen Demokratischen Republik heute verwirklicht.

Das ist das Münzerbild, das in der DDR dann auch von der SED-Führung sanktioniert und verbreitet worden ist und wird hier in wenige Sätze gefasst. Helge Wittmann hat sich als Archivar und Vorsitzender des Geschichtsvereins dafür eingesetzt, dass die Inschrift nun zum 500. Jahrestag des Bauernkrieges nicht noch einmal, das hätte geheißen, ein drittes Mal geändert wird.

Stattdessen ließ die Stadt den Denkstein am Rieseninger nur ziemlich schick sanieren. Und neu ist lediglich eine Stele, auf der an die wechselvolle Geschichte des Denkmals erinnert wird, die wir gerade gehört haben. Wir sind des Geierschwarzer Haufen.

Aber noch einmal zu einer anderen Figur des Bauernkriegs, die im vergangenen Jahrhundert ebenso wie Münzer als Held des Bauernkrieges gefeiert wurde. Das ist der adlige Heerführer und Diplomat Florian Geyer. 1920 entstand das Fadenlied der bündischen Jugend »Wir sind des Geiers schwarzer Haufen«, ein politischer Gassenhauer. Wer war Florian Geier? Nicht allzu viel ist gesichert. Er stammte aus fränkischem Adel und schloss sich 1525 aus Überzeugung den Bauern im Taubertal an.

Für sie wirkte er vor allem als Diplomat und Berater, trat dabei für ein besonnenes Vorgehen ein und versuchte, am Ende vergeblich zu vermitteln. Nach der Niederlage der Bauern bei Königshofen wurde er im Juni des Jahres vermutlich von Knechten seines Schwagers in einem Wald nördlich von Würzburg ermordet. Geschlagen Sie! Geschlagen ziehen wir nach Haus, unsere Enkel fechten es besser aus. Zu hören ist hier eine Version des DDR-Rundfunk.

Manchmal änderten die Genossen auch die letzte Textzeile. Statt unsere Enkel hieß es dann, wir Enkel richten's besser aus. Nach Florian Geier wurden zu DDR-Zeiten viele Straßen und das dritte Grenzregiment im thüringischen Geyser benannt. Das ist Kurio. Denn noch mehr als die Kommunisten standen die Nazis auf Florian Geyer. Und auch sie hatten die 8. SS-Kavalleriedivision nach ihrem Lieblingshelden aus dem Bauernkrieg benannt.

Und womöglich schon allein wegen der Farbe ihrer Uniform gehörte, wir sind des Geiers schwarzer Haufen zum offiziellen Liedgut der SS. Grundlage für das heroische Bild von Florian Geier als großer deutscher Bauernführer war ein Theaterstück von Gerhard Hauptmann aus dem Jahre 1896. Meine Meinung ist, liebe Brüder, dass man einen Kriegsrat erwähle, kundige und kriegserfahrene Leute da reinsetze und den bewegen lasse, was denen und außen zu tun und zu lassen sei.

Die Messer in diesem Ring! Rache für Wurzach! Rache für die 7.000 gemordeten Brüder! Dem Blutton von Wurzach! Mitten ins Herz! Einen Schindern und Schabern des Volkes mittel ins Herz! Der deutschen Frieder! Der deutschen Zwietracht mitten ins Herz. Das Stück, hier in einer Aufführung von 1935 mit Heinrich George als Florian Geyer, war ganz im Sinne der Nazi-Ideologie. Das Volk vereint hinter einem charismatischen Führer.

Tatsächlich war der Bauernkrieg ein Lieblingsthema der Nazis. Nach ihrer Lesart kämpften die Bauern schon im 16. Jahrhundert für das, was dann nach 1933 offizielle Politik wurde. Hitler als Vollender der Ziele des Bauernkrieges. So sah das auch einer der führenden Historiker während der Nazidiktatur, der Bauernkriegsforscher und SS-Mann Günther Franz.

Spitzname Bauernfranz. Heute hat der Bauer im Dritten Reich endlich die Stellung im Leben der Nation gewonnen, die er schon 1525 erstrebte. Der Bauer hat sein Ziel erreicht. Günter Franz blieb auch nach dem Krieg in der alten Bundesrepublik ein einflussreicher Historiker. Und sein Werk von 1933 über die Geschichte des Bauernkriegs galt, in leicht bereinigter Form, bis in die 80er Jahre als Standardwerk in der alten Bundesrepublik.

Dort hatte das Thema nicht den geschichtspolitischen Stellenwert wie in der DDR, wo sich auch künstlerisch Partei und Staat ins Zeug legten. In den Jahren von 1976 bis 1989 entstand dort Im Städtchen Bad Frankenhausen, genau an der Stelle, wo die letzte Schlacht des thüringischen Bauernaufstandes geschlagen wurde, eines der imposantesten Kunstwerke der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts überhaupt. Das Bauernkriegspanorama des Leipziger Malers Werner Töpke.

Er selbst erläutert den Auftrag 1977 in einem Radiointerview so. Es ist ein Auftrag, der mir per 01.01.1976 vom Minister für Kultur erteilt worden ist. in Bad Frankenhausen eine Wandmalerei zu machen. In etwa, bündig gefasst, 2000 Quadratmeter Wandmalerei zur Thematik. Auch dies nur in der Andeutung. Nicht Bauernkrieg, sondern frühbürgerliche Revolution.

Dazu gehört sehr viel. Dazu gehört der Humanismus, Luther, Kirchengeschichte, Zwingli und jetzt nicht eine unter anderem Thomas Münzer. Natürlich auch die Schlacht bei Frankenhausen. Stichwort frühbürgerliche Revolution. Für die marxistische Geschichtsschreibung der DDR gehören Reformation und Bauernkrieg zusammen. Beides revolutionäre Bewegungen, die den Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus vom Mittelalter zur Neuzeit markieren.

Mit einem derart abstrakten Konzept, das sich in die marxistische Saga vom Fortschreiten der Menschheit hin zum Kommunismus einfügt, konnte Werner Tübke allerdings wenig anfangen. Ansprüche des Künstlers waren wesentlich größer. Das Bild ist so facettenreich, dass man tatsächlich behaupten kann, dass es ein Welt- und Geschichtsbild umfasst.

dass sehr komplex und umfassend die Umbrüche des frühen 16. Jahrhunderts Gerd Lindner, Direktor des Panorama-Museums, steht in dem riesigen kreisrunden Saarland und beschreibt Tübkes Gemälde. Aber man kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. Ein Wimmelbild, gigantisch und düster. Ein Welttheater voller Allegorien und Figuren, Dürer und Kraner. Luther und Friedrich der Weise, Kardinäle, Buchdrucker und Landsknechte und

Im Zentrum einer tobenden Schlacht, deren Ausgang längst besiegelt ist, steht ein verzweifelter Thomas Menzer. In der gesenkten Hand hält er die Regenbogenfahne. Sie zeigt nach unten. Und zugleich haben wir es mit der Kreisform zu tun. Das heißt, die Dinge wiederholen sich. Das bedeutet auch, dass das Geschichtsbild einer steten Höherentwicklung, vom Niederen also zum Höheren, von der Urgesellschaft bis zum Kommunismus, wenn man so will, hier konterkariert ist.

durch ein Geschichtsbild der ewigen Wiederkehr desgleichen, die auf Nietzsche zurückgeht und nicht auf Marx. Ist das Gemälde als Abgesang auf die DDR zu deuten? Als das Panorama-Museum eingeweiht wird im September 1989, ist der Arbeiter- und Bauernstaat ja fast schon Geschichte. In jedem Fall handelt es sich um einen Gegenentwurf zu einem fortschrittsgläubigen Zeitalter, das auch den Bauernkrieg mit seinen zehntausenden Toten als heroisches Ereignis feiern will.

Ein Kunstwerk, das sich allen politisch-ideologischen Deutungen entzieht. Man steht davor und wird nachdenklich. Was hat der Aufstand der Bauern gebracht? Fragen wir nochmal einen Historiker dazu. Thomas Kaufmann von der Universität Göttingen? Die Frage ist, von welcher Perspektive aus man es beantwortet. Vom 16. Jahrhundert her würde ich sagen, naja.

Der Bauernkrieg war keine Zäsur und kein Etappensprung im Hinblick auf die Erkämpfung von Freiheiten. Die Bauern haben im günstigsten Fall dieselben Freiheiten zurückerworben, die sie vorher hatten. Im Wesentlichen ist der Bauernkrieg eine unglaublich traurige Geschichte, aus der man wenig lernen kann. Ist es tatsächlich nur eine traurige Geschichte? Dem würde man in Memmingen unbedingt widersprechen, dem Ort, an dem die Bauern ihre berühmten zwölf Artikel zu Papier gebracht haben.

Für unsere Recherche haben wir Christoph Engelhardt, den Archivar und Vorsitzenden des Historischen Vereins der Stadt, besucht. Heute ist diese Versammlung 1525 vielleicht das einzige Ereignis in der Memminger Geschichte, das Eingang in die deutschen oder bayerischen Schulbücher gefunden hat. Und darauf ist man in der Memminger Gesellschaft stolz.

Ohne die zwölf Artikel hätte es den Bauernaufstand nicht gegeben, aber auch nicht ohne die Druckerpresse. Es ist eines der meistgedruckten Schriftstücke der Epoche. Zwei Exemplare befinden sich im Stadtarchiv. Also hier sieht man die beiden Ausgaben der 12 Artikel, die bei der Stadt Memmingen erhalten sind. Darunter die Erstausgabe bei Melchior Ramminger in Augsburg gedruckt.

Deutlich weniger Abgaben und Frohendienste. Mehr genossenschaftliches Eigentum und Selbstverwaltung. Freie Wahl der Pfarrer. Das sind die Forderungen. Aufgeschrieben wurden die zwölf Artikel im Versammlungssaal der Kramerzunft, den die Ratsherren den Bauern zur Verfügung gestellt hatten.

Der Saal existiert noch, aber nur die Decke ist original erhalten. Sie musste erst wieder neu freigelegt werden, nachdem das Gebäudeinnere in den geschichtsvergessenen westdeutschen Wirtschaftswunderjahren mehr oder weniger tot saniert wurde. Die Geschichte des Ortes zeigt, dass selbst in Memmingen das Bewusstsein für die Bedeutung der zwölf Artikel erst in den letzten Jahrzehnten gewachsen ist.

Einen wichtigen Impuls gab Bundespräsident Johannes Rau vor Ort im Jahr 2000 mit einer Rede zur 475-Jahr-Feier. Gewiss, das Wort Menschenrechte kommt in den zwölf Artikeln nicht vor. Aber es ist der Sache nach gemeint, wenn im Namen Gottes ungerechte Enteignung, Leibeigenschaft, Ausbeutung und Entrichtung angeklagt werden. Sicher.

Die Kramerzunft in Memmingen besitzt nicht den Stellenwert der Frankfurter Paulskirche, dem Ort der ersten deutschen Nationalversammlung 1848, auch wenn es immer mal wieder behauptet wird, Aber der Ort gehört doch zur Demokratiegeschichte der Deutschen. Unbedingt, weil ich denke, wir sollten nicht nur die offensichtlichen Stationen unserer Demokratiegeschichte zur Kenntnis nehmen. sondern auch die mitunter gescheiterten Orte, die aber doch den Mut der Menschen und

den Ruf und das Streben nach Gerechtigkeit, Freiheit oder Teilhabe dokumentieren, auch wenn der Erfolg nicht gleich oder überhaupt nicht zu sehen war. Bleiben wir noch ein bisschen beim Stichwort Demokratiegeschichte. Welche Freiheit hatten die Bauern im Sinn, als sie in den Kampf zogen? Die australische Historikerin Lindel Roper von der Universität Oxford sagt dazu in einem Radiointerview mit dem SWR. Unsere Vorstellung von Freiheit. ist auf Individuen konzipiert.

Ihre Vorstellung von Freiheit ist auf Gemeinden und Gruppen fokussiert. Und zu dieser Vorstellung von Freiheit gehört für die Bauern auch die Brüderlichkeit. Ihre Vorstellung war, dass wir nach Brüderlichkeit leben sollten. Also, dass wir aufeinander Acht nehmen sollen, dass wir fair miteinander umgehen sollen und dass Ressourcen auch gerecht geteilt werden sollen. Für Lindel Roper wird im Aufstand der Bauern der Traum von einer besseren Welt.

So etwas wie eine Utopie sichtbar, die ganz und gar christlich, von der noch jungen evangelischen Bewegung durchdrungen war. eine utopistische, religiöse Bewegung gewesen war. Und ich finde, das ist ein bisschen irgendwie... verloren gegangen in den Interpretationen, die wir bisher gehabt haben. Ich wollte eigentlich weg von einer marxistischen Interpretation.

sowie auch von einer rechtshistorischen Interpretation, sondern ich wollte herausfinden, wie es für die Bauern gewesen ist, was ihre Träume gewesen waren. Auch für den Dresdner Historiker und Buchautor Gerd Schwerhoff muss man den Bauernkrieg als Teil der reformatorischen Bewegung sehen. Martin Luther hatte 1520 mit seiner Schrift

von der Freiheit eines Christenmenschen einen gefährlichen Begriff in die Welt gesetzt, den die Bauern auf radikale Weise umsetzen wollten. Und mit ihnen zogen über 200 Prediger. Thomas Münzer war da nur einer von ihnen, die einem neuen Verständnis von Christentum anhängen.

Und dazu gehörte, den Klerus als weltliche Macht und eigenen gesellschaftlichen Stand abzuschaffen. Und eigentlich wollten sie nichts anderes im Ergebnis als Luther. Auch Luther wollte die Klöster auflösen. Auch Luther wollte eigentlich, dass der... zum Prediger, zum Seelsorger mutiert und keinen eigenen Stand mehr bildet. Und die Bauern haben seine ...

Botschaft sehr viel radikaler interpretiert und haben zu hunderten Klöster gestürmt und zum Teil angezündet und die Städte haben die Geistlichen. was sie schon lange tun wollten, aber nicht so radikal und nicht so konsequent in ihre Bürgerschaft. eingebunden und sie zu Bürgern gemacht und mit allen geistlichen Sonderrechten Schluss machen wollen. Die Historiker sind sich heute weitgehend einig, dass dies der gemeinsame Nenner ist. der die vielen lokalen und regionalen Aufstände verbindet.

Viele Erinnerungsorte wurden zum 500. Jahrestag renoviert, wie zum Beispiel auch die feste Marienberg in Würzburg. Im Frühling 1525 hatten die Bauern und Bürger vergeblich versucht, die Burg des Bischofs Konrad von Tüngen hoch über der Stadt auf der anderen Mainseite zu stürmen. Wir haben davon in der zweiten Folge gehört. Hinterher war die Rache des verhassten Prälaten unerbittlich.

Wir sind in einen der Kerker der Burg gegangen. Es gibt hier mehrere Kerker. Stefan Jünglich, der Kastellan der Würzburger Festung, beschreibt, was sich im Sommer 1525 auf der Burg zugetragen hat. Der Raum ist nicht groß, hat vielleicht einen Durchmesser, ich kann es ja mal abmessen, 1, 2, 3, vielleicht von 4, 5 Metern.

ist rund, das heißt, man bringt da schon Leute rein, aber diese 16, die hier saßen, trafen hier schon auf 21, die eingekerkert waren. Das heißt, das waren 37 Leute, die ein paar Wochen in diesem Kerke hier drin saßen. Und einer von denen war Riebenschneider. Tilman Riemenschneider, damals wie heute einer der meistgeschätzten deutschen Bildhauer, saß als wohlhabender Würzburger Bürger auch im Rat der Stadt.

Auf Drängen der Bauern hatte der Rat sich dem Bauern angeschlossen. Nun wurden die Ratsmitglieder, wie es in den Dokumenten heißt, einer peinlichen Befragung unterzogen. Der zeitgenössische Ausdruck für Folter. Hat man Tilman Riemenschneider die Hände gebrochen? Das wurde immer wieder vermutet, weil er danach kaum mehr etwas geschaffen hat.

Ein Schicksalsort. Viele Gäste kennen den Namen noch und wollen auch sehen, wo er mal einsaß. Vom Bodensee bis in den Harz spielt der Bauernkrieg vor allem in der lokalen Erinnerung bis heute eine große Rolle. Etwas Besonderes hat man sich in Mühlhausen ausgedacht. Dort wird im April 2025 ein Denkmal von Albrecht Dürer aufgestellt.

Initiator ist der gebürtige Thüringer und langjährige Direktor der Mühlhäuser Museen, Thomas T. Müller. Es geht dabei um einen Entwurf, den Albrecht Dürer geschaffen hat, der aber nie umgesetzt wurde, wahrscheinlich auch nie dafür vorgesehen war. ein Erinnerungsmal für den Bauernkrieg, eine Säule, auf deren Spitze ein

Bauer sitzt in der Pose eines Christus in der Rast, den einem Schwert im Rücken steckt. Das Geschehen des Jahres 1525 beschäftigte Albrecht Dürer derart, dass er noch Jahre danach dieses Denkmal entwarf und es in sein Buch über die Proportionslehre aufnahm. Das wichtigste Element der sieben Meter hohen Statue besteht in der Figur des Bauern oben auf der Spitze. Er kauert, in sich zusammengesunken, auf einem Hühnerkäfig. Sein Kopf ist auf seinen rechten Arm gestützt.

Ein Schwert steckt in seinem Rücken. Über die Symbolik haben die Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker lange diskutiert. Die Haltung der Figur scheint jedoch eindeutig Christus auf der Rast darzustellen, ein vertrautes Motiv aus vielen Andachtsbildern der Zeit. Das Schicksal der Bauern ist so auf die Passion Christi bezogen. darauf beschwören soll. Und darum geht es ihm. Er hat Mitleid mit den Toten dieses Aufstandes und er versteht, was dort passiert ist.

Thomas T. Müller, seit 2023 Direktor der Luther-Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, freut es, dass das Denkmalprojekt, das immerhin über 200.000 Euro kostet, von einer breiten Öffentlichkeit getragen wird. Das wird nicht gemacht. weil ein Politiker sich das ausgedacht hat oder eine Regierung, sondern weil die Menschen vor Ort das wollen und dafür von ihrem persönlichen Geld sehr viel geben, damit es umgesetzt wird. Das ist der eine Teil der Botschaft und der ließe sich auch verallgemeinern.

Die Erinnerung an den Bauernkrieg ist auch 500 Jahre nach dem Geschehen an den vielen Schauplätzen vom Bodensee bis hinauf nach Thüringen präsent und sie wird überall von engagierten Bürgern getragen. Der zweite Teil der Botschaft bezieht sich auf den Bauernkrieg selbst.

und was er uns heute noch zu sagen hat. Dieses Denkmal ist eine Erinnerung an die Menschen, die vor 500 Jahren aufbegehrt haben gegen ihre Obrigkeit, um zu zeigen, dass sie Mitbestimmung wollen, dass sie ihr eigenes Leben mitbestimmen wollen, ihre Zukunft mitbestimmen wollen, dass sie teilhaben wollen an dem, was das Leben ausmacht und was ihre Zukunft auch ausmacht.

Das war der Bauernkrieg, vierte und letzte Folge Was war und was bleibt von Stefan Nölke. Autor der Folgen 1 bis 3 war Michael Zahmetzer. Gesprochen haben Maike Rötzer als Erzählerin sowie Udo Rau, Rudolf Guckelsberger, Markus Westhoff, Janis Harnenberg und Elisabeth Findais. Regie Günther Maurer Technik Claudia Peike, Sounddesign Matthias Schneider-Hollek, Grafik Martin Pfeiffer und Christiane Jäger. Distribution Mara May und Teresa Wünsch.

Redaktion Thomas Morawetz, Nicole Ruchlack, Stefan Nölke und Dabor Pahl. Das war der Bauernkrieg, ist eine Gemeinschaftsproduktion von MDR, BR und SWR. Alle folgender Reihe sind im ARD-Podcast Alles Geschichte zu hören. Ganz am Schluss haben wir noch einen Podcast-Tipp für euch. Wenn euch Historisches interessiert, dann hört doch auch mal bei Der Rest ist Geschichte rein. Unsere Kollegen vom Deutschlandfunk greifen jede Woche ein aktuelles Thema auf und erklären die historischen Hintergründe.

Vom Sturz des Assad-Regimes in Syrien über die Geschichte des Erdöls bis zu den Checks and Balances in der US-Verfassung. Jeden Donnerstag gibt es eine neue Folge in der ARD-Audiothek oder da, wo ihr gerade euren Podcast hört.

This transcript was generated by Metacast using AI and may contain inaccuracies. Learn more about transcripts.
For the best experience, listen in Metacast app for iOS or Android
Open in Metacast